Die wilden Berge der Ardèche (Auszug, Blick ins Buch)
Reise- und Wanderführer rund um das Massif du Tanargue in den Cevennen
Reise- und Wanderführer rund um das Massif du Tanargue in den Cevennen
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unmöglich vorbeifahren<br />
konnte, ohne zu halten und<br />
ein „canon“ (ein Gläschen)<br />
zu trinken. Es kam sogar<br />
vor, dass er den ganzen Tag<br />
schwer gearbeitet hatte<br />
und im Dunkeln nach<br />
Hause kam, und alles, was<br />
er verdient hatte, war vertrunken.<br />
Aber es zwangen<br />
ihn auch die Umstände<br />
dazu, es ging nicht an<strong>der</strong>s,<br />
wenn man es jedem recht<br />
machen wollte.<br />
<strong>Die</strong> alte Kutsche von Germa<strong>ins</strong> Vater.<br />
<strong>Die</strong> Arbeit als Fuhrmann<br />
Mein Vater arbeitete als Fuhrmann für das<br />
Dorf. Er stand morgens um vier Uhr auf und<br />
zog mit den Mauleseln Richtung Largentière.<br />
Weil es bis zu unserem Dorf noch keinen Weg<br />
gab, ließ er den Wagen immer in unserer großen<br />
Scheune am Wegrand drei Kilometer vor<br />
Arbeit auf dem Hof<br />
In all dieser Zeit arbeitete<br />
meine Mutter hart auf dem<br />
Bauernhof und wir halfen<br />
ihr, so gut wir konnten. Aber obwohl wir einen<br />
<strong>der</strong> größten Bauernhöfe <strong>der</strong> Gegend hatten,<br />
waren wir nicht reich. Wir, die Söhne, wollten<br />
nicht so wie unser Vater Fuhrmann werden,<br />
und so haben wir uns Ziegen und Schafe zugelegt.<br />
Mein Bru<strong>der</strong> war <strong>der</strong> Hirte und ich arbeitete<br />
mehr auf den Äckern.<br />
„Fleisch gab es nur bei ganz beson<strong>der</strong>en<br />
Gelegenheiten, wir aßen vor allem Suppe,<br />
morgens, mittags, abends.“<br />
dem Dorf zurück, das war dann <strong>der</strong> Endpunkt.<br />
Von da aus mussten die Wa ren auf dem<br />
Rücken eines Maultiers transportiert wer den –<br />
für die, die es sich leisten konnten, o<strong>der</strong> auf<br />
dem Rücken eines Menschen, für die Aller -<br />
ärmsten. Aus unserem Dorf brachte mein<br />
Vater die wenigen Waren weg, die wir verkaufen<br />
konnten – ein bisschen Mehl, Wein,<br />
Gemüse, Ge flügel o<strong>der</strong> Schweine, die einige<br />
Dorf bewohn er zum Verkaufen mästeten. Aus<br />
<strong>der</strong> Stadt brachte er Produkte mit, die wir im<br />
Dorf nicht selbst herstellen konnten und die<br />
wir früher o<strong>der</strong> später doch kaufen mussten.<br />
<strong>Die</strong> wichtigste Fracht bestand aus verschiedensten<br />
Bau materialien. Manchmal nahm er<br />
auch Passa gie re mit, aber man durfte es nicht<br />
eilig haben, denn er hielt bei je<strong>der</strong> kleinen<br />
Kneipe unterwegs an (und das waren so ungefähr<br />
fünfzehn), auf dem Hinweg ebenso wie<br />
auf dem Rückweg, einmal, um zu sehen, ob es<br />
etwas für ihn zu tun gäbe, aber auch, weil er<br />
Ein Hirte für alle<br />
Wir hatten ungefähr hun<strong>der</strong>t Tiere, die jeden<br />
Tag gehütet werden mussten. Mein Bru<strong>der</strong><br />
liebte es, mit den Tieren unterwegs zu sein,<br />
und er ist sehr früh von <strong>der</strong> Schule abgegangen,<br />
um nur für die Tiere da zu sein. Wir machten<br />
nicht mit bei dem Weidesystem des Dorfes,<br />
wo abwechselnd gehütet wurde – dazu hatten<br />
wir selbst zu viele Tiere. Aber das System war<br />
so interessant, dass ich euch davon erzählen<br />
werde:<br />
In <strong>der</strong> Zeit, als es noch viele Schafe im Dorf<br />
gab, hatten wir einen Hirten, <strong>der</strong> sie nach<br />
oben auf die Weiden brachte, um dort zu<br />
„übersommern“. Wenn die Herde loszog o<strong>der</strong><br />
auch zurückkam, war das jedes Mal ein prächtiges<br />
Schauspiel. Alle Menschen aus dem Dorf<br />
brachten ihre Tiere zum steinernen Kreuz am<br />
Ende meines Weges. Je<strong>der</strong> hatte die schönsten<br />
Tiere mit Wolle und roter Farbe geschmückt.<br />
Man hängte ihnen auch Glocken um. Manche<br />
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