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KUNST KULTUR JOKER 13<br />

Sich verschließende Oberflächen<br />

Hans-Christian Lotz zeigt Digitales und Analoges im Kunstverein Freiburg<br />

Soll man das persönlich<br />

nehmen? Eben noch zeigte<br />

der Bildschirm eine Animation<br />

von Kugeln, die sich zu<br />

immer kleiner werdenden Flächen<br />

zusammensetzen, doch<br />

jetzt ist die Bildfläche schwarz<br />

bis auf den flirrenden Balken<br />

in künstlichen Farben, der<br />

sich unaufhörlich verändert.<br />

Hans-Christian Lotz‘ Arbeiten<br />

scheinen ganz gut ohne<br />

den Betrachter auszukommen.<br />

Erst, wenn man sich wieder<br />

vom Bildschirm entfernt, beginnt<br />

das Spiel von neuem und<br />

dann entsteht auch ein Dialog<br />

zwischen den gläsernen Fassadenelementen,<br />

die neben dem<br />

Bildschirm in einem ganz eigenen<br />

Rhythmus hängen. In<br />

einer früheren Ausstellung<br />

hatte Lotz elektronische Schiebetüren<br />

im Ausstellungsraum<br />

installiert, die sich öffneten,<br />

sobald man den Bewegungsmelder<br />

auslöste.<br />

In Hans-Christian Lotz‘<br />

Werk wechselt sich Digitales<br />

mit Analogem ab. So entstehen<br />

die seltsamen grafischen<br />

Muster, indem Lotz Daten mit<br />

Chiffrierprogramen bearbeitet.<br />

Wenn etwas noch daran<br />

erinnert, dass Hans-Christian<br />

Lotz ursprünglich von der<br />

Malerei kam und bei Michael<br />

Schau ohne Titel<br />

Krebber an der Städelschule<br />

auch zwei Jahre bei einem Maler<br />

studiert hat, dann sind es<br />

die Oberflächen seiner Arbeiten.<br />

Unbesehen, ob es sich um<br />

Vitrinen handelt, Bildschirme<br />

oder eben die gläsernen Fassaden,<br />

die von einer mittelständischen<br />

Bank oder einer Versicherung<br />

stammen könnten,<br />

immer sind die Flächen glatt<br />

und ihr Format ähnelt Bildern.<br />

Das Glas reflektiert nicht nur<br />

den Betrachter, es macht auch<br />

sichtbar, dass darunter noch<br />

etwas anderes liegt. So wie<br />

die Leinwand meist unter der<br />

obersten Schicht weitere aufweist.<br />

Vor allem die vier Vitrinen,<br />

die auf der Galerie des Kunstvereins<br />

stehen, sind Verweise<br />

auf ein Ausstellen, das mit<br />

Modellen arbeitet. Doch auch<br />

hier herrscht Hermeneutik. In<br />

einer der Vitrinen wird verdeutlicht,<br />

wie Leitungen in<br />

Fußbodenheizungen verlegt<br />

werden, in einer anderen finden<br />

sich Keramikobjekte neben<br />

Holzelementen, die Teile<br />

einer so genannten T-Shirt-<br />

Foto: Marc Doradzillo<br />

Kanone sind, mit der bei Großveranstaltungen<br />

T-Shirts in die<br />

Menge geschleudert werden.<br />

Hans-Christian Lotz, der<br />

1980 in Hamburg geboren<br />

wurde, macht keine Kunst, die<br />

sich von selbst versteht, doch<br />

verzichtet zugleich auf vermittelnde<br />

oder sprechende Elemente.<br />

So ist die Schau titellos<br />

geblieben, anderswo erschien<br />

nicht einmal ein Pressetext.<br />

Der Berliner Künstler befasst<br />

sich unter anderem mit Fraktalen,<br />

digitalen Bildgebungsverfahren<br />

und Verschlüsselungsprogrammen,<br />

die eine<br />

seltsame Retro-Ästhetik generieren.<br />

Was vom Künstler<br />

beeinflusst ist, was durch die<br />

Programme erzeugt wird, ist<br />

für den Laien nur schwer zu<br />

durchschauen. Sind die hakenkreuzförmigen<br />

Muster, die<br />

unter den Darstellungen von<br />

Fraktalen auftauchen, gewollt<br />

oder ein untergründiges Muster?<br />

Nicht grundlos jedenfalls<br />

hat Hans-Christian Lotz für<br />

eine seiner drei Chiffrierungsarbeiten<br />

ein Reenactment der<br />

Süddeutschen Zeitung von<br />

den NSU-Prozessen als Ausgangsmaterial<br />

gewählt. Von<br />

den Schauspielern, die vor<br />

Mikros am Tisch die Texte der<br />

Prozessbeteiligten sprechen,<br />

ist auf dem Video nichts mehr<br />

zu erkennen. Artefakte, wie<br />

man sie von Bildbearbeitungen<br />

kennt, wie Strudel oder Moiréeffekte<br />

fließen über den Bildschirm.<br />

Doch das muss man<br />

wissen. Lotz‘ Kunst erklärt<br />

sich nicht, sie fügt dieser digitalen<br />

Wirklichkeit eine weitere<br />

Verunsicherung hinzu.<br />

Hans-Christian Lotz. Kunstverein<br />

Freiburg, Dreisamstr.<br />

21. Dienstag bis Sonntag 12<br />

bis 18 Uhr, Mittwoch 12 bis 20<br />

Uhr. Bis 11. März.<br />

Annette Hoffmann<br />

Dunkelheit voller Licht und Schatten<br />

Die Nacht. Alles außer Schlaf – Sonderausstellung im Museum für Kommunikation in Berlin<br />

Für die meisten Menschen<br />

erscheint auch heute noch die<br />

Nacht in ihrer tiefen Dunkelheit<br />

als Mysterium und beängstigende<br />

Enge, die lediglich<br />

zum Schlafen genutzt wird.<br />

Aber was geschieht, wenn wir<br />

unsere Aufmerksamkeit einmal<br />

vollkommen in die Dunkelheit<br />

lenken?<br />

Die Welt erscheint in einem<br />

neuen Licht, welchem sich das<br />

Museum für Kommunikation<br />

in Berlin in seiner Sonderausstellung<br />

„Die Nacht“ bis zum<br />

18. Februar widmet. In der<br />

Nacht eröffnen sich neue Räume,<br />

wie die vier Stationen in<br />

der Ausstellung darstellen.<br />

„Sternenklar. So finster<br />

die Nacht?“ Die Ausstellung<br />

beginnt in vollkommener Finsternis,<br />

welche sich wie in prähistorischen<br />

Zeiten über die<br />

Welt legt. Doch jenes Dunkel<br />

ist nicht unbevölkert und so<br />

erwartet die Besucher ein Catwalk,<br />

der nachtaktive Tiere<br />

beherbergt und Nachthimmel<br />

durch Mythen, Gottheiten und<br />

Sinnzuschreibungen wie Sternbilder<br />

zu erklären versucht.<br />

„Stille Nacht. Was<br />

in der Dunkelheit<br />

entsteht“. Die Nacht<br />

ist eine Grenzerfahrung,<br />

die unsere<br />

Sinne bis auf‘s Äußerste<br />

fordert und<br />

strapaziert. Sie kann<br />

bedrücken und beängstigen,<br />

ebenso<br />

sehr wie inspirieren<br />

und leiten. Viele<br />

kreative Menschen<br />

werden erst in der<br />

Nacht aktiv. Zu beobachten<br />

ist das in<br />

musikalischen und<br />

poetischen Kompositionen<br />

und Kunstwerken,<br />

Ritualen<br />

und kulturellen Lichterfesten,<br />

welche<br />

die Nacht auf einer<br />

neuen Ebene präsentieren<br />

und gestalten.<br />

Eigene Dämonen zu entdecken<br />

kann Angst machen, im<br />

sogenannten nächtlichen Gedankenkarussell<br />

können die<br />

Besucher ihre eigene Fahrt<br />

zwischen Realität und Traum<br />

erleben.<br />

Gedankenkarussell: Installation von Bill Domonkos<br />

„Pausenlos. Die Nacht als<br />

Arbeitszeit“. Die Erfindung<br />

des künstlichen Lichts hat eine<br />

neue Arbeitswelt eröffnet. Die<br />

Nachtarbeit ist mehr denn je<br />

in der Mitte der Gesellschaft<br />

angekommen; die Dunkelheit<br />

© Museum für Kommunikation, Berlin Foto: Philipp Jester<br />

auf eine andere Art und Weise<br />

nutzen und nicht mehr nur<br />

als lebendige Grenze ansehen.<br />

Neue Arbeits- und Lebensrhythmen<br />

entstehen. Auch das<br />

private Leben der sogenannten<br />

„pausenlosen Gesellschaft“<br />

wird beleuchtet und<br />

diskutiert.<br />

„Zwielicht. Salon,<br />

Bordstein, Club.“<br />

Nachtschwärmer geben<br />

sich den Verlockungen<br />

des Nachtlebens<br />

hin. Es sind<br />

heiße Verlockungen,<br />

die uns die Nacht bietet.<br />

Zwischen Salons,<br />

Clubs und Bordstein<br />

wird aufgeklärt, wie<br />

sich die Szene der<br />

Nachtschwärmer<br />

in den letzten Jahren<br />

entwickelt hat.<br />

Auch die Dunkelheit<br />

besitzt Schatten;<br />

Schattenseiten, die<br />

Gewalt, Prostitution<br />

und Verbrechen beherbergen.<br />

Die Ausstellung<br />

„Die Nacht“<br />

ist eine lohnenswerte<br />

Grenzerfahrung, die uns die<br />

Dunkelheit voller Licht und<br />

Schatten präsentiert.<br />

Museum für Kommunikation,<br />

Berlin. Bis 18. Februar <strong>2018</strong>.<br />

Infos: www.mfk-berlin.de

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