Der Rote Faden - Anette Kramme
Der Rote Faden - Anette Kramme
Der Rote Faden - Anette Kramme
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
<strong>Der</strong> <strong>Rote</strong> <strong>Faden</strong> Arbeitsvertragsgesetz Seite 38<br />
<strong>Der</strong> Entwurf sei wenig fortschrittlich, heißt es beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB).<br />
Besonders die Normen zur Flexibilisierung von Arbeitszeit und Arbeitslohn sind den<br />
Gewerkschaften ein Dorn im Auge. Nach dem Willen von Henssler und Preis soll es möglich sein,<br />
Arbeitnehmer nach dem Arbeitsanfall einzusetzen. Ohne Lohnausgleich. <strong>Der</strong> Vorwurf steht im<br />
Raum, dass sie damit über das Ziel hinausgeschossen sind und nicht nur geltendes Recht<br />
zusammenfassen, sondern auch ordnend eingreifen. Die Rechtsprechung des<br />
Bundesarbeitsgerichts habe die Flexibilität möglich gemacht, betont Preis. Außerdem könne der<br />
Kündigungsschutz in seiner derzeitigen Form nur erhalten bleiben, wenn die nötige<br />
Binnenflexibilität bestehe, ergänzt Henssler.<br />
Henssler und Preis gehören nicht zu den Arbeitsrechtlern, die sich damit brüsten würden,<br />
Arbeitgebern bei der Entlassung Zehntausender Menschen geholfen zu haben. Es liegt ihnen fern,<br />
im Sinne der Unternehmerverbände das Kündigungsschutzrecht gegen Abfindungsregelungen zu<br />
ersetzen. Doch ebenso wenig wollen sie mit ihrem Entwurf bedingungslos Arbeitnehmerrechte<br />
stärken. Sie suchen einen Ausgleich, der den Arbeitsmarkt fit macht für den Wettbewerb in<br />
globalisierten Märkten. <strong>Der</strong> Rahmenbedingungen dafür schafft, dass Arbeitsplätze entstehen und<br />
erhalten bleiben. Das ist ihre Motivation. „Wenn ich ein Gutachten schreibe, muss das nicht nur<br />
rechtlich korrekt sein, sondern auch sozialpolitisch", sagt Henssler. Man müsse hinterher in den<br />
Spiegel blicken können, sagt sein Kollege. Das ist nicht immer leicht. Preis hat einen Prozess<br />
begleitet, in dem 13 000 Mitarbeiter entlassen wurden. Es habe keine Chance gegeben, die<br />
Umstrukturierung sei notwendig gewesen. Er bemühte sich, die Entlassungen für die betroffenen<br />
Menschen fair zu gestalten, erreichte für viele Teilzeitregelungen. „Anpassungen sind oft mit Leiden<br />
verbunden", sägt Preis.<br />
Auch das Arbeitsrecht erfordert Anpassungen. Selbst bei unverändert guten Rahmendaten der<br />
Wirtschaft. Henssler und Preis suchen deshalb den gesamtgesellschaftlichen Konsens für ihren<br />
Entwurf. Über eine Plattform im Internet können Interessierte den Entwurf einsehen und<br />
Verbesserungsvorschläge zur Diskussion einreichen. Einige davon haben die beiden Professoren<br />
eingearbeitet. Sie werden im Herbst eine neue Version ihres Entwurfs vorstellen. Die Bertelsmann-<br />
Stiftung gewährt ihnen die Zeit und die Ressourcen, an den Normen so lange zu arbeiten, bis ein in<br />
sich stimmiges System vorliegt. Und wenn die große Koalition es nicht schafft, die Steilvorlage<br />
aufzunehmen, klappt es vielleicht dennoch in anderer Konstellation: Die Grünen haben im Juli die<br />
Forderung nach einem einheitlichen Arbeitsgesetzbuch in ihr Fraktionsprogramm „Grüne<br />
Marktwirtschaft" übernommen.