E_1936_Zeitung_Nr.056
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N^ 56 —> Automohil-Revue<br />
17<br />
Der Nasenhändler<br />
In einem Gasthofe sassen bei der Mahlzeit<br />
mehrere Reisende und unter ihnen auch ein<br />
alter Krämer aus einer wenige Meilen entfernten<br />
Stadt, der als ein Geizhals bekannt<br />
war. Der Krämer hatte eine grosse Nase, die<br />
feuerrot war und die drei kleine Auswüchse<br />
zierten, so dass ihr Besitzer, der wegen seines<br />
Geizes ohnedies nicht beliebt war, oft<br />
ihretwegen verspottet wurde. Dem Krämer<br />
gegenüber hatte sich ein Fremder niedergelassen,<br />
den man für einen Handelsreisenden<br />
halten konnte; der betrachtete mit Aufmerksamkeit<br />
den Krämer und besonders dessen<br />
Nase.<br />
Der Krämer fühlte sich veranlasst, mit<br />
dem Fremden mehrere Worte zu sprechen'<br />
und gab zu verstehen, dass ihn die ungebührlich<br />
lange Betrachtung seines reichlich ausgestatteten<br />
Riechorganes sattsam verdriesse.<br />
Aber wie erstaunte der karge Mann, als<br />
ihm der Fremde mit grösster Höflichkeit zur<br />
Antwort gab: «Sie werden über meine Ihnen<br />
etwas beleidigend vorkommende Betrachtung<br />
Ihrer stattlichen Nase nicht mehr zürnen,<br />
wenn Sie meine Rechtfertigung gehört<br />
haben. Ich bin der Agent einer grossen Nasenhandlung<br />
und reise im Auftrage eines<br />
Handlungshauses, um die stattlichsten Nasen<br />
zu kaufen. Ihre Nase ist nun — ohne Schmeichelei<br />
— die schönste und erhabenste, welche<br />
mir bisher vorgekommen ist. Auch habe<br />
ich bereits einen schönen Vorrat von Nasen<br />
aus allen Ständen, aber Ihre Nase wäre mein<br />
Triumph und die Zierde des ganzen Warenlagers!»<br />
Voll Zweifel, was er sich von dieser Rede<br />
denken solle, schwieg der Krämer ein Weilchen<br />
und der Nasenkäufer fuhr deshalb fort:<br />
«Sie scheinen an meinen Worten zu zwei-<br />
Von Jakob Haringer.<br />
feln? Oh, sprechen Sie nur die Summe aus,<br />
welche Ihnen genügend wäre, für diesen<br />
Schmuck, für diese Königin aller Nasen, fordern<br />
Sie dafür, was Sie wollen!»<br />
«Aber, mein Herr», rief der Krämer unwillig.<br />
«Wie kann man eine Nase verkaufen,<br />
wenn man noch lebt?»<br />
«Oh, vom Leben ist keine Rede», sprach<br />
der Nasenhändler, «solange Sie leben, behalten<br />
Sie Ihre Nase in Frieden, erst nach<br />
Ihrem Tode tritt die Handlung in deren Alleinbesitz.<br />
Ich biete Ihnen hundert Taler in<br />
klingender Münze für die Nase und bin nur<br />
dann der Besitzer, wenn Sie gestorben sind;<br />
so behalten Sie ja die Nase durchs ganze<br />
Leben!»<br />
Dem geizigen Krämer schien es jetzt einzuleuchten,<br />
dass er ja auf diese Weise einen<br />
unerhört vorteilhaften Handel schliessen<br />
könnte; er fragte vorsichtig den Nasenhändler:<br />
«Wenn ich nun Ihren Wunsch erfülle<br />
und den Handel abschliesse, erhalte ich sodann<br />
von Ihnen die genannte Summe?»<br />
«So bald Sie vor der Gesellschaft hier, die<br />
als Zeuge für mich und Sie gültig ist, den<br />
wenn er dem andern 10 Taler Reugeld bezahlt.»<br />
Vergnügt rief der Krämer: «Damit bin ich<br />
gerne einverstanden!»<br />
»Nun gut, die ganze Gesellschaft ist Zeuge<br />
und ich fordere diese Herren auf, über Erfüllung<br />
der festgesetzten Bedingungen immer<br />
zu wachen.»<br />
Mit schwer unterdrücktem Lachen gelobten<br />
das die Anwesenden, die dem seltsamen<br />
Handel gelauscht hatten. Der Nasenhändler<br />
war froher Laune und flüsterte dem Kellner<br />
zu, er solle das Bestellte bringen. Der Kellner<br />
entfernte sich und kehrte bald mit einem<br />
glühenden Brenneisen in der Hand zurück,<br />
das ihm der Reisende abnahm. Damit fuhr<br />
er schnell nach der Nase des Krämers, der<br />
erschrocken zurückwich. Als er wütend nach<br />
der Ursache der Misshandlung, die seiner<br />
Nase zugedacht war, fragen wollte, stand<br />
der Nasenhändler mit dem glühenden Eisen<br />
schon wieder neben ihm und bat ihn freundlich,<br />
er solle seine Nase ein Weilchen herhalten,<br />
weil er sie, die er doch gekauft habe,<br />
mit dem Stempel seiner Firma bezeichnen<br />
müsse, um sie wiederzuerkennen. Der Krämer<br />
geriet in Zorn und verbat sich ein solches<br />
Ansinnen, allein der Nasenhändler bestand<br />
auf seinem erkauften Rechte und rief<br />
die zu Zeugen gebetene Gesellschaft um Bei-<br />
an. Alle traten auf seine Seite und<br />
Handel redlich abmachen, erhalten Sie diestand<br />
100 Taler.»<br />
behaupteten, dass er im Rechte sei.<br />
Fröhlich rief der Krämer: «Ja, ich bin mit Was sollte der geizige Krämer tun? Nach<br />
Ihrem Angebot vollkommen 2ufrieden, Sie langem, vergeblichem Sträuben musste er<br />
sollen nach meinem Tode die gekaufte Nase sich doch entschliessen — da er seine Nase<br />
haben!<br />
unbezeichnet behalten wollte — von dem geschlossenen<br />
Handel zurückzutreten und dem<br />
«Schön, der Handel ist abgeschlossen,<br />
aber ich habe noch eine Bedingung zu machen,<br />
nämlich wegen des Reugeldes, denn es len.<br />
Nasenhändler zelyi Taler Reugeld zu bezah-<br />
könnte Sie oder mich der Handel gereuen; Mit lauten Verwünschungen über seinen<br />
daher wird festgesetzt, dass derjenige, welcher<br />
von uns beiden sein Wort zurücknimmt, Gasthof, in dem man seine Habsucht so derb<br />
Verlust verliess der geizige Krämer den<br />
vom ganzen Handel nur ablassen kann, gestraft hatte.<br />
Der Nasenagent aber war ein lustiger Vogel,<br />
der sich mit der Gesellschaft verschworen<br />
hatte, den geizigen Krämer zu prellen.<br />
Kaum war der Geizhals fort, begann die<br />
ganze Gesellschaft erst recht lustig zu werden.<br />
Es wurde solange getrunken, bis des<br />
Krämers 10 Taler im Besitze des Gastwirtes<br />
waren. Aber der Krämer mied von nun<br />
an ängstlich das ihm so gefährlich gewordene<br />
Gasthaus, was sich der Wirt nicht sehr<br />
zu Herzen nahm, da der geizige Kunde beinahe<br />
nichts zu verdienen gegeben hatte,<br />
während die lustige Gesellschaft sehr oft bei<br />
ihm einkehrte.<br />
Zwei Bitten und ein Opfer.<br />
Alexander I. von Russland schätzte den Fürsten<br />
Suboff ausserordentlich und war ihm so gewogen,<br />
dass er ihm gern jeden Wunsch, der sich in vernünftigen<br />
Grenzen hielt, erfüllte. Nur in einem<br />
Punkte konnte er ihm nicht willfahren, und das<br />
war in der Angelegenheit des Generals Arbenjeff.<br />
Dieser Mann war Armeeführer gewesen und hatte<br />
sich, nachdem er sonst immer tapfer und mutig<br />
gewesen, in einer Schlacht verleiten lassen, zu<br />
fliehen. Und der Kaiser konnte nichts so wenig<br />
leiden wie Feigheit. Er entsetzte den General von<br />
seinem Posten und verbannte ihn. Die Bemühungen<br />
Suboffs gingen nun dahin, den Kaiser zu bestimmen,<br />
Arbenjeff in Gnaden wieder aufzunehmen und in<br />
seinen alten Rang einzusetzen. Der Kaiser weigerte<br />
sich beharrlich, das zu tun. Eines Tages waren die<br />
beiden allein. Man sprach über dies und das. Plötzlich<br />
fragte der Fürst:<br />
« Würden mir Eure Majestät eine Bitte gewähren,<br />
ohne zu fragen? »<br />
« Gewiss, Suboff, welche Frage! »<br />
« Wirklich ohne zu fragen, Majestät? »<br />
«Du hast mein kaiserliches Wort!»<br />
Da legte Suboff dem Kaiser die Wiedereinsfellungturkunde<br />
für Arbenjeff vor. Der Kaiser zog<br />
die Brauen zusammen. Dann unterschrieb er.<br />
Schon wollte sich der Fürst freudig entfernen, als<br />
der Kaiser ihn zurückrief und sagte:<br />
« Eine Liebe ist der anderen wert. Willst du<br />
auch mir eine Bitte erfüllen, ohne zu fragen? »<br />
« Gewiss, Majestät.»<br />
«Dann zerreisse die Urkunde in deiner Hand.»<br />
Arbenjeff blieb in der Verbannung.<br />
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