E_1948_Zeitung_Nr.026
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Nr. 26 - MITTWOCH, 9. JUNI <strong>1948</strong><br />
AUTOMOBIL-REVUE 11<br />
Der Weber-Fallstromvergaser<br />
In der Jünglingszeit des Automobilismus fanden<br />
sich auf dem Lenkrad neben dem Hebel für die<br />
Zündverstellung noch zwei 6olche für die Regulierung<br />
des Gasgemisches. Damit war es dem Belieben<br />
und den technischen Kenntnissen des Fahrers<br />
anheimgegeben, ob er rassiger und damit teurer,<br />
oder gemütlicher und billiger fahren wollte. Mit<br />
Ausnahme weniger Wagen, die die Bedienung<br />
durch einen sachkundigen Chauffeur voraussetzen,<br />
ist diese Einrichtung bei den modernen Typen verschwunden;<br />
durch die vollständige Automatisierung<br />
der Vergaser hat man dem Fahrer die Sorge um<br />
die Zusammensetzung des Gasgemisches abgenommen.<br />
Ob man ihm damit einen wirklichen Dienst<br />
erwiesen hat, ist eine andere Frage, denn auch der<br />
beste vollautomatische Vergaser ist im allergünstigsten<br />
Fall eine Kompromisslösung.<br />
Vor etwa 30 Jahren lebte im Toggenburg Eduard<br />
Weber, ein Chauffeur-Mechaniker, der über diese<br />
Fragen Bescheid wusste. In seiner Freizeit bastelte<br />
er an allen möglichen Vergasertypen herum, verwendete<br />
dafür den grössten Teil seines Verdienstes<br />
und glaubte auch schliesislich, etwas Brauchbares gefunden<br />
zu haben. Als er jedoch versuchte, seine<br />
Entdeckung finanziell auszuwerten, ging es ihm wie<br />
6ovielen anderen schweizerischen Erfindern: Der<br />
Boden der Heimat war allzu steinig, und er wanderte<br />
darum nach Italien aus. Zwar hatten dort die<br />
Niederlassungen ausländischer Vergaser-Fabriken<br />
nicht auf den Schweizer gewartet, um sich ins Geschäft<br />
pfuschen zu lassen; doch die im allgemeinen<br />
auf rassiges Fahren erpichten Italiener erkannten<br />
bald die Vorzüge der Weberschen Konstruktion.<br />
Heute existiert in Bologna die S.A. Edoardo Weber,<br />
in der mehrere hundert Arbeiter monatlich ca.<br />
6000 Vergaser herstellen. Weber durfte seinen Erfolg<br />
noch gemessen, kann sich heute seines blühenden<br />
Werkes jedoch nicht mehr erfreuen, denn<br />
seit den Wirren während des deutschen Rückzugs<br />
ist er verschollen.<br />
In der Schweiz hört man vom Weber-Vergaser<br />
vornehmlich seit etwa zwei Jahren, und zwar vor<br />
allem von sportlich eingestellten Fahrern, die ihm<br />
verbesserte Beschleunigungsvermögen und grosse<br />
Sparsamkeit nachrühmen. Die Fabrik selbst verspricht<br />
in ihren Druckerzeugnissen eine Benzinersparnis<br />
in extremen Fällen bis zu 27 %.<br />
Die «A.-R.» hatte Gelegenheit, einen Weber-<br />
Vergaser, Typ 30 DR 4, auf Lancia-Ardea während<br />
mehreren Monaten auszuprobieren. Dieser Kleinwagen<br />
ist bekannt für seine Lebendigkeit und<br />
Sparsamkeit. Das in Rede stehende Exemplar war<br />
unter seinem früheren Besitzer durch den Einbau<br />
von besonderen Kolben und Ringen zu Versuchen<br />
benutzt worden, die eine gewisse Erhöhung von<br />
Beschleunigungsvermögen und Spitzengeschwindigkeit<br />
bewirkt hatten, ohne jedoch an der technischen<br />
Spezifikation etwas zu ändern, So be6ass<br />
der Wagen auch seinen Original-Vergaser. Versuche<br />
mit. Düsen verschiedener Bphrun.g hatten ergehen,<br />
dass grössere Düsenweiten noch eine spürbare Erhöhung<br />
des Beschleunigungsvermögens, allerdings<br />
auch eine unverhältnismä6sige Steigerung des Benzinverbrauchs,<br />
verursachten. Der Einsatz kleinerer<br />
Düsen ergab gegenüber dem von der Fabrik<br />
angegebenen Normverbrauch keine feststellbare<br />
Verringerung, zeitigte aber die bekannten Martgelerscheinungen,<br />
wie Nies6en, übermässige Wärmeentwicklung<br />
etc. Es wurde darum wieder zur Normaleinstellung<br />
zurückgekehrt. In dieser Verfassung<br />
zeigte 6ich der Wagen sehr lebendig mit angenehm<br />
niedrigem Benzinverbrauch, Vom Einbau des Weber-Vergasers<br />
wurden deshalb keine wesentlichen<br />
Veränderungen, besonders keine Einsparung am<br />
Verbrauch, höchstens noch eine kleine Steigerung<br />
des Beschleunigungsvermögens, erwartet. Als Resultat<br />
einer Anzahl Versuche im praktischen Gebrauch,<br />
also nicht in Form einer exakten Prüfung,<br />
war eine merkbare Steigerung der Beschleunigung<br />
festzustellen; der Wagen, der sich schon vorher<br />
durch Lebendigkeit auszeichnete, reagierte auf<br />
das Gaspedal, besonders in den unteren Gängen,<br />
noch besser. Auch an Steigungen machte sich ein<br />
Kraftzuwachs fühlbar. Zum Erstaunen des Prüfers<br />
wurde aber auch noch eine Reduktion des Brennstoffverbrauches<br />
festgestellt, die zwar nicht so weit<br />
ging, wie von der Fabrik in optimalen Fällen versprochen,<br />
aus den Kontrollblättern über Fahr-<br />
T R U t<br />
Fio- 1<br />
SCHNITT DURCH DEN FAUSTROMVERGASER, TYP DR<br />
Links aussen das Spar- und Beschleunigerdispositiv ESA.<br />
A Benzinzufuhr zu ESA, B Leerlauf-Gemischzufuhr, C Venturi<br />
für Gemischverbesserung, D Lufttrichter, E Düse des ESA,<br />
F Luftbremse, G Schwimmer, H Düsenhalter für Beschleunigungsdüse,<br />
J Zahnrad für die Betätigung des ESA, L Drosselklappe,<br />
M Leerlaufdüse, N Leerlaufdusenträger, O Hauptdüsenträger,<br />
P Hauptdüse, Q Lufteintritt zum ESA, R Stellschraube<br />
für Sommer- und Wintereinstellung des ESA, S<br />
Schwimmernadelsitz, T ESA-Rohr, U Lufteintritt, V Leerlaufregulierung,<br />
W Schwimmergehäuse, Y VerschluBspindel des<br />
ESA, Z Lufteintritt in Schwimmerkammer.<br />
strecke und Verbrauch aber deutlich sichtbar. Besonders<br />
augenfällig wird die Verbrauchsminderung<br />
bei der Fahrt über lange Strecken bei warmer<br />
Witterung, wobei der ständige Gebrauch des unten<br />
beschriebenen ESA-Dispositivs möglich wird. Bei<br />
Stadtfahrten, welche die Betätigung dieser Vorrichtung<br />
ausschliessen, ist die Ersparnis, weniger ausgesprochen,<br />
aber ebenfalls vorhanden.<br />
Aus der beigegebenen Schnittzeichnuag (Fig. 1)<br />
ist der Aufbau des Vergasers ohne weiteres<br />
auch dem Laien verständlich. Es handelt sich um<br />
ein ausgesprochenes Präzisionsfabrikat, in seinem<br />
Hauptteil jedoch um einen normalen Vergaser mit<br />
Leerlauf und Hauptdüse. Beide sind von aussen zugänglich,<br />
der Leerlauf durch Stellschraube und Anschlag<br />
regulierbar. Eine weitgebohrte Beschleunigerdüse<br />
macht eine Beschleunigerpumpe überflüssig.<br />
Von der herkömmlichen Bauart abweichend ist<br />
das auf der Zeichnung links sichtbare ESA-Dis-<br />
Fig. 2 und 3<br />
STELLUNGEN DER SPINDEL DES ESA-DISPOSITIVS<br />
Links Sparstellung (Zusatzluft), rechts Beschleunigungs- und<br />
Startstellung (Zusatzluft und Zusatztreibstoff).<br />
positiv (Economia-Super-Alimentazione), bestehend<br />
aus einem Hilfsvergaser mit Doppelventil, das<br />
durch Kabelzug vom' Führersitz aus bedient wird.<br />
In NormaUtellung, beispielsweise bei Stadtfahrten,<br />
ist das Doppelventil beidseits geschlossen. Auf der<br />
Landstrasse, wo es mehr auf gleichmässiges Tempo<br />
als auf Beschleunigung ankommt, zieht man den<br />
Knopf bis zum ersten Anschlag; das obere Ventil<br />
öffnet sich und gewährt einer kleinen Menge Zusatzluft<br />
Durchtritt, wodurch ein mageres Gemisch<br />
mit entsprechend herabgesetztem Verbrauch entsteht<br />
(Fig. 2). In Situationen jedoch, wo man auf<br />
besonders kräftige Beschleunigung Wert legt, so<br />
beim Ueberholen, wird man den Regulierknopf<br />
ganz herausziehen, worauf 6ich nun das Doppelventil<br />
beidseitig in voller Höhe öffnet (Fig. 3); zum<br />
maximalen Quantum der Zusatzluft tritt ein entsprechender<br />
Zusatz an Brennstoff; man erhält damit<br />
ein überfettetes Gemisch und entsprechende<br />
Leistungsverstärkung 6amt Mehrverbrauch. Notwendig<br />
zur Errielung des vollen Effektes ist die<br />
. Fig. 4<br />
DER WEBER-FALLSTRÖMVERGASER 30 DR 3<br />
Die Einstellschraube für das ESA-Dispositiv ist zwischen den<br />
Verbindungsflanschen von Deckel und Körper sichtbar.<br />
entsprechend offene Stellung der Gasdrossel, die in<br />
solchen Situationen ohnehin gegeben ist. Oeffnet<br />
man die Drossel zu wenig, so gibt der Motor Anzeichen<br />
von Ueberfütterung. Das gleiche Dispositiv<br />
macht eine besondere Anlasshilfe überflüssig. Bei<br />
kalter Temperatur genügt es, den Motor mit voll<br />
geöffnetem ESA-Schieber kurze Zeit anzuwärmen,<br />
um alsdann mit der NormaLstellung losfahren zu<br />
können. Wahrscheinlich in Berücksichtigung des<br />
italienischen Temperaments empfiehlt die Fabrik,<br />
Start und Fahrt während der ersten 600 m mit Super-Alimentation.<br />
Davon ist aus bekannten Gründen<br />
eher abzuraten. Dagegen konnten wir einmal<br />
mit total verschmutzten Düsen auf dem ESA-Dispositiv<br />
störungsfrei soweit fahren, bis sich Gelegenheit<br />
bot, die Düsen zu reinigen.<br />
Das ESA-Dispositiv besitzt zwei gegenständig<br />
angeordnete Bohrungen von verschiedenen Weiten,<br />
wodurch es durch einfache Halbdrehung des von<br />
aussen zugänglichen und mit den Buchstaben E<br />
und I bezeichneten Knopfes für Sommer- oder<br />
Winterbetrieb eingestellt wird.<br />
Bei den vorstehenden Ausführungen handelt es<br />
sich, wie nochmals ausdrücklich hervorgehoben sei,<br />
um eine Dauerbeobachtung mit lediglich praktischer<br />
Kontrolle an Hand des Fahrtenbuches.<br />
Ein unter technisch einwandfreien Bedingungen<br />
durchzuführender Test soll die zur abschliessenden<br />
Beurteilung notwendigen ziffernmässigen Unterlagen<br />
liefern. Der Weber-Vergaser wird .in den<br />
Typen 22 (Topolino), 26—28—30—32—36—40 DR<br />
(normal mit ESA), dazu in den Typen 30 und 36<br />
DCR als Doppelvergaser mit Beschleunigerpumpe<br />
geliefert. Für eine Anzahl europäischer und amerikanischer<br />
Personen- und Lastwagen kommt er einbaufertig<br />
mit eingestellten Düsen aus dem Werk,<br />
so dass seine Montage ohne Nebenarbeiten in kurzer<br />
Zeit erfolgt. Für andere Motoren ist die Anpassung<br />
meistens ohne besondere Schwierigkeiten<br />
möglich,<br />
brz.<br />
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