E_1948_Zeitung_Nr.031
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V AUTO-MAGAZIN Nr. 31<br />
Für die Rennfahrer unter den Schweizer Buben<br />
Seifenkisten" als Rennwagen<br />
Schon vor zwei Jahren haben wir allgemein über<br />
die «Seifenkistenrennen > berichtet, die seit 1932<br />
in den USA immer populärer wurden und nun<br />
einen neuen Aufschwung erleben. Wir wiederholen<br />
kurz:<br />
Konkurrenten: Buben von 13—15 Jahren<br />
(Klasse A) oder 11—12 Jahren (Klasse B).<br />
Fahrzeuge: Von diesen Buben selbstgebaute<br />
motorlose Wägelchen, die einem bestimmten<br />
Reglement, entsprechen.<br />
Rennstrecke: Ein natürliches oder künstliches<br />
Gefälle von maximal 16 % und durchschnittlich<br />
etwa 9 %, das in eine ebene Strecke ausläuft<br />
und mit dieser zusammen 180—300 m lang ist.<br />
Organisatoren: Lokale Komitees für die<br />
Ausscheidungsrennen der einzelnen Städte. Ein<br />
weiteres Komitee organisiert den nationalen und<br />
internationalen Endlauf. Diese Komitees setzen sich<br />
hauptsächlich aus <strong>Zeitung</strong>smännern und Autogewerbetreibenden<br />
'Zusammen, umfassen aber auch<br />
Leute aus irgendwelchen anderen Berufen, die<br />
Freude an der Jugend und am Sport haben.<br />
Die Chevrolet Motors Division der General Motors<br />
Co. und die führenden amerikanischen Tages-,<br />
Automobil- und Luftfahrtzeitschriften übernehmen<br />
das Patronat. Eine <strong>Zeitung</strong> steht jedem konkurrierenden<br />
Buben als Patin zur Seite.<br />
Klassierung: Durch sukzessives Aussieben<br />
der Konkurrenten, die immer gleichzeitig zu dritt<br />
oder viert miteinander starten. Der schnellste Konkurrent<br />
ist voläufig Sieger und hat sich mit den Siegern<br />
der anderen Gruppen zu messen. Am nationalen<br />
Rennen von Akron treten dann die lokalen<br />
Sieger gegeneinander an. Dem Nationalmeister, den<br />
Stellung der Wägelchen aber auch anderes Baumaterial<br />
verwendet: Holz in Form von Latten, Leisten,<br />
Vierkantstäben oder Sperrholzplatten; Metall<br />
in der Form dünner Bleche, leichter Beschläge<br />
oder fertiger Ausrüstungsgegenstände, z. B. für die<br />
Räder, die Achsen, eventuelle Federn usw. Wichtig<br />
ist nur, dass trotz einer solchen verfeinerten Bauweise<br />
die<br />
Herstellungskosten nicht Ober 10 Dollar,<br />
d. h. heute 43 Schweizerfranken, steigen und dass<br />
der angehende Konkurrent auch dieses Material<br />
selbst zu verarbeiten imstande ist.<br />
stand zwischen Vorder- und Hinterachse) von mindestens<br />
101 cm, eine Länge über alles von höchstens<br />
202 cm und eine Breite über alles von höchstens<br />
106 cm vor.<br />
Der<br />
Betriebssicherheit<br />
dienen folgende Vorschriften: Die Räder dürfen<br />
höchstens 30 cm Durchmesser haben und müssen<br />
mit Voilgummi bereift sein. Ihre Achsen müssen<br />
stillstehen. Chassisrahmen sind aus Holz anzufertigen,<br />
wie auch das Gerippe der Karosserie. Für<br />
Beplankung der Karosserie sind auch Leinwand<br />
oder Blech zulässig. Die Einsteigöffnung der Karosserie<br />
muss ständig offen, ringsum gepolstert und<br />
im übrigen weit genug sein, dass der Fahrer ohne<br />
Abnehmen eines Karosserieteils oder des Lenkrades<br />
ein- und aussteigen kann. Die Lenkung muss<br />
mit Drahtseilen von mindestens 3 mm Dicke auf die<br />
Vorderräder wirken. Sowohl Achsschenkel- wie<br />
Drehschenkellenkungen sind zulässig. Der Lenker<br />
Zwei einfache Ausführungsformen von Rad- bzw. Bodenbremsen.<br />
Berücksichtigung aller dieser Einflüsse kann den<br />
jungen Konstrukteur bereits vor recht knifflige Aufgaben<br />
stellen.<br />
Von nicht geringerer Bedeutung ist aber die<br />
Rücksichtnahme auf den Luftwiderstand.<br />
Selbst wenn die kleinen Fahrzeuge im Rennen nur<br />
Geschwindigkeiten bis etwa 40 km/h erreichen,<br />
kann der Luftwiderstand doch schon recht spürbar<br />
zur Geltung kommen. Von zwei sonst gleich gut<br />
laufenden Wagen wird er bestimmt den schlechter<br />
geformten stärker abbremsen als den andern und<br />
deshalb zum Ausscheiden bringen. Die jungen Konstrukteure<br />
sehen sich also vor das zweite wichtige<br />
Problem gestellt, Wagenformen zu entwickeln, die<br />
möglichst windschlüpfig sind.<br />
Schliesslich ist noch das besonders grosse Problem<br />
zu lösen, den ersten Entwurf mit den Gewichts-<br />
und Kostenvorschriften zum Einklang zu<br />
IENKUNG. 1 = Eisenrohr als Unks5ule. 2 » lenkhebel.<br />
3 = Drehzapfen. 4 = Spanner. S = Umlenkrolle.<br />
lokalen Siegern und den Nächstklassierten winken<br />
zahlreiche Trophäen und Preise in Form wertvoller<br />
Gebrauchsgegenstände.<br />
Zweck der Veranstaltung: Die Jugend<br />
zu konstruktiver, die Phantasie und Erfindungsgabe<br />
fördernder Tätigkeit anregen. Den Sinn für fairen<br />
Wettkampf wecken.<br />
Drei einfache Batrformen von Chassisrahmen.<br />
T = Rechfeckrahmen, von unten gesehen. 2 «= Sperrholz-Eckversteifungen. 3 •> Hinterachse. 4 = Eisenwinkel. 5 = Vorderachse.<br />
6 = Scharnier. 7 = Feder. 8 = Gummiüberzug. 9 = Rahmen mit Bodenbremse, von unten gesehen. 10 =» Rahmen<br />
mit doppelter Bodenbremse, von oben gesehen. 11 = Drehzapfen. 12 = Vorderachse. 13 = Pedal. 14 = Gelenkig befestigt.<br />
15 = Bodenbremse.<br />
Die jüngeren und älteren Knaben unter unseren<br />
Lesern werden nun genauer wissen wollen, wie<br />
denn so eine < Seifenkiste > beschaffen sein muss,<br />
damit sie etwas taugt. Das ist nicht leicht zu beschreiben.<br />
Die Renner der amerikanischen Jungen<br />
sind schon derart fein ausgetüftelt, dass sie mit<br />
Kisten kaum mehr etwas gemeinsam haben. Sie<br />
gleichen in der Form viel mehr Fischen, Flugzeugrümpfen<br />
oder Vogelkörpern. Von Kisten stammt<br />
vielfach nur noch ihr Bauholz, wobei es natürlich<br />
gleichgültig ist, ob diese Kisten ursprünglich eur<br />
Verpackung von Seife, Makkaroni, Konserven oder<br />
anderen Waren dienten. Vielfach wird für die Her-<br />
Der Wagen eines nationalen und internationalen Meisters.<br />
I = Länge über alles 190 cm. 2 = Höhe über olles 55 cm. 3 = Rodstand 168 cm. 4 = Spurweile 80 cm. 5 = Breite über<br />
alles 85 cm. 6 = Feder. 7 = Drehiapfen. 8 = Ein Stück. 9 = Achsbefestigungsbo-Izen. 10 = Lenkarm. 11 = Achse. 12 •=<br />
Querschnitt durch Führerraum. 13 = Massives Bugholz. 14 = Federbefestigungswinkel. 15 = Oeffnung für Achse. 16 —<br />
Vorderfeder. 17 = Umlenkrolle. 18 = Bodenbremse. 19 = Seilspanner. 20 = Hinterachs-Stabilisator 21 = Sperrholz.<br />
22 = Hinterfeder. 23 = Federbefestigung. 24 = Heckholm. 25 = Rumpf-Seitenholm. 26 = Bodenbrett. 27 = Celluloid-<br />
V/indschutz.<br />
« Dann baue ich mir wohl am besten einen<br />
zünftigen Rennner, indem ich mir einen- schweren,<br />
alten, etwas faulen Baumstamm beschaffe, ihn vorn<br />
und hinten zuspitze, damit er leicht wie ein Zeppelin<br />
durch die Luft schlüpft, ihn aushöhle, damit ich<br />
hineinkriechen kann, und mit vier alten Velorädern<br />
versehe, die recht leicht laufen... > denkt sich<br />
vielleicht ein interessierter Leser.<br />
Nein, soviel Freiheit ist den Konkurrenten denn<br />
doch wieder nicht gelassen. Die zu den Rennen zugelassenen<br />
Wagen müssen nämlich auch für<br />
ihren Fahrer und dasPublikum ungefährlich<br />
und betriebssicher sein. Sie dürfen deshalb<br />
höchstens 61 kg wiegen oder mit dem F.ahrer<br />
zusammen 113 kg. Sie sollen in den Hauptabmessungen<br />
nicht allzusehr voneinander abweichen.<br />
Das Reglement schreibt deshalb eine<br />
Spurweite von 76—91 cm. einen Radstand (Ab-<br />
muss im Wagen normal sitzen können. Die Bremse<br />
kann auf die Räder oder direkt auf den Boden<br />
wirken, muss jedoch den Wagen rasch und geradlinig<br />
anhalten. Der Wagenvorderteil muss einen<br />
Schleppring aufweisen.<br />
Ausdrücklich verboten sind irgendwelche<br />
Schweiss- oder Lötverbindungen, Autobestandteile<br />
mit Ausnahme des Lenkrades, der Lenksäule und<br />
eventueller Federn, Pneus oder Eisenreifen, selbsthergestellte<br />
oder von industriellen Fahrzeugen<br />
stammende Räder, Kugellager oder andere Präzisionsradlager,<br />
die Anwendung von Gips oder Zement<br />
im Karosseriebau, Ketten- oder Seillenkung,<br />
irgendwelche Glasbestandteile.<br />
Will der angehende Konkurrent diese Vorschriften<br />
und Verbote genau berücksichtigen —<br />
und er muss es, wenn sein Wagen die Abnahmeinspektion<br />
vor dem Rennen passieren können soll<br />
— so stellen sich ihm schon grössere konstruktive<br />
Probleme. Vorerst muss er sich klar darüber zu werden<br />
versuchen, welche Mittel ihm übrigbleiben,<br />
um seinen Wagen wenn möglich schneller zu machen<br />
als die Wagen seiner Konkurrenten. Irgendwie<br />
muss er dazu den<br />
Fahrwiderstand verringern.<br />
In erster Linie hat er also dafür zu sorgen, dass<br />
die Räder leicht laufen. Das hängt nicht<br />
nur vom Grad der Bearbeitung der Radlager und<br />
Achszapfen und der Güte ihrer Schmierung ab,<br />
sondern auch von der Elastizität der Bereifung, der<br />
Gewichtsverteilung auf die vier Räder, dem Spurhalten<br />
der Räder und der Präzision der Lenkung.<br />
Wahrscheinlich wird auch eine Abfederung der<br />
Räder deren Lauf erleichtern. Die Beurteilung und<br />
Eine aus Spanten und Holmen aufgebaute Stromlinienkarosserie.<br />
1 = Leinwandbespannung. 2 — Verbindung der Spanten und<br />
Holme mit Klebstreifen. 3 = Nase aus gedrechselten Holzscheiben.<br />
bringen. Was speziell die Kosten betrifft, muss der<br />
Konkurrent später bei der Inspektion vor einem<br />
Rennen darlegen können, was er für die einzelnen<br />
Bestandteile ausgegeben hat. Die Einhaltung der<br />
übrigen Vorschriften wird nicht weniger genau<br />
kontrolliert. Ist auch nur eine der vielen Vorschriften<br />
unbeachtet geblieben, so wird der Wagen<br />
nicht zum Start zugelassen. Der Konkurrent erhält<br />
dann zwar Gelegenheit, in besonderen Reparaturständen<br />
die nötigen Umänderungen vorzunehmen.<br />
Ob er damit aber rechtzeitig fertig wird oder<br />
nicht, ist seine Sache.<br />
Durchschnittlich setzen sich die Gesamtausgaben<br />
ungefähr wie folgt zusammen:<br />
Räder Fr. 22.—<br />
Bauholz > 3.50<br />
Schrauben > —.65<br />
Bolzen > —.65<br />
Farbe > 1 10<br />
Scharniere > 2.20<br />
Verschiedenes > —.90<br />
Zusammen Fr. 31 —<br />
In der Schweiz müsste wohl im allgemeinen mit<br />
etwas höheren Beträgen gerechnet werden, es sei<br />
denn, der junge Konstrukteur würde über besondere<br />
Findigkeit und Geschicklichkeit verfügen.<br />
Was für hübsche Konstruktionen die amerikanischen<br />
Buben schon herausgebracht haben, zeigen<br />
einige der beigegebenen Skizzen. W M.