E_1948_Zeitung_Nr.048
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Nr. 48 - MJTTWOCH, 10. NOVEMBER<br />
AUTOMOBIL REVUE<br />
SPORTNACHRICHTEN<br />
SPANIEN<br />
Der Grosse Preis von Pena Rhin<br />
in Barcelona<br />
Haben wir in der letzten « AR » in<br />
einem Kurzbericht die wichtigsten Phasen<br />
festgehalten, die den Verlauf des Grossen<br />
Preises von Pena Rhin kennzeichneten, so<br />
kommen wir im folgenden etwas ausführlicher<br />
auf dieses letzte internationale Formelrennen<br />
der Saison zurück.<br />
Das Drum und Dran<br />
Dem fernen Spanien war es vorbehalten, mit<br />
dem 9. Grossen Preis von Pena Rhyn, der am<br />
31. Oktober zum zweitenmal auf der schnellen<br />
Rundstrecke von Pedralbes in Barcelona ausgetragen<br />
wurde, die an Formelrennen, aber weniger<br />
an Sensationen reiche Sportsaison zu be-<br />
schhessen. Noch schien zwar in letzter Minute<br />
eine Ueberraschung in Gestalt eines Erfolges<br />
der neuen 1,5-Liter-Kompressor-Ferraris irTden<br />
Bereich der Möglichkeit gerückt zu sein. Denn<br />
angesichts des Fernbleibens von Alfa Romeo<br />
war für einen spannenden Kampf zwischen dem<br />
Ferrari-Stall (mit Farina, Bira und dem Spanier<br />
Pola, der ein Fahrzeug des 1,5-Liter-Typs zum<br />
Preise von 10 Millionen Lire erstanden hatte), den<br />
schnellen Maseratis von Villoresi und Ascari und<br />
den Talbots der Ecurie France, die wieder Chiron,<br />
Comotti, Rosier und Giraud-Cabantous in den<br />
Kampf sandte, das Feld frei. Ja, in den letzten<br />
24 Stunden, nachdem im Training vom Samstag<br />
Farina mit seinem Ferrari auf der 4,64 km langen<br />
Piste die beste Rundenzeit mit 1' 46,0" =<br />
151 km/h aufgestellt und damit den Rekord Villoresis<br />
aus dem Jahre 1946 gleich mit 5 km/h<br />
unterboten hatte, stiegen die Wetteinsätze für<br />
die Farben des Konstrukteurs von Maranello zu<br />
schier unglaublichen Höhen. Diese allzu Voreiligen<br />
kamen schnell um ihren Obolus, brachte<br />
doch der Rennverlauf Ueberraschungen am laufenden<br />
Band. Nicht nur die drei Ferraris, auch<br />
9 von 13 gestarteten Maseratis blieben auf der<br />
Strecke; mit einem Sieg der Talbots oder der<br />
ERAs zu rechnen schien schliesslich gar nicht so<br />
abwegig. Abgesehen von Villoresi hinterliessen<br />
die Engländer und Franzosen den weitaus besten<br />
Eindruck. Vier von fünf Fahrern Britanniens<br />
konnten sich klassieren mit Parnell (Maserati<br />
4 CTL) als Zweitem, Ashmore (ebenfalls Maserati<br />
des gleichen Typs) als Sechstem und den<br />
zwei alten ERAs des C-Typs mit Harrison und<br />
Gerard im 5., bzw. 9. Rang! Der fünfte Platz<br />
wäre beinahe Helvetiens Farben zugefallen, doch<br />
eine gebrochene Ventilfeder zwang de Graffenried<br />
noch zwei Runden vor Torschluss zur Aufgabe.<br />
Nur das Duo Canonica-Bernheim auf<br />
einem Maserati der Ecuria Autosport stand das<br />
Rennen durch und landete mit 15 Runden RücRstand<br />
auf den Sieger auf dem 10. Platz.<br />
Die Organisation des Rennens, die wiederum<br />
in den Händen des Automobilclubs von Spanien<br />
und der Peiia-Rhin-Gesellschaft lag, stand<br />
im Zeichen einer seltenen Grosszügigkeit, was<br />
zur Folge hatte, dass mit Ausnahme von Wimille<br />
und Trossi die besten Fahrer Europas<br />
schon viele Tage vorher in der Hauptstadt Kataloniens<br />
eingetroffen waren und bei einem<br />
Publikumsandrang, der allein manchen Grand-<br />
Prix-Organisator Mitteleuropas der Sorgen über<br />
jedes Defizit am Rennen selbst enthoben hätte,<br />
ihre Trainingsrunden absolvierten. Der günstige<br />
Standort der Strecke brachte es mit sich, dass<br />
am Sonntag nicht weniger als 180 000 Zuschauer<br />
von den frühen Morgenstunden an die<br />
Piste säumten. So gelang es, nicht zuletzt dank<br />
der reichlich vertretenen Franco-Polizei, die<br />
einen erfolgreichen Kampf gegen Palmenkletterer<br />
und « Schwarzseher > führte,, den Organisatoren<br />
ihre Auslagen für glanzvolle Feste und<br />
Empfänge teilweise hereinzubringen. Fast wie<br />
bei einem Stierkampf wurde die Begeisterung<br />
der Zuschauer erst stundenlang durch Lautsprecher<br />
und Paraden uniformierter Motorradfahrer<br />
gesteigert, bis schliesslich um die Mittagsstunde<br />
die motorisierten Toros mit allem<br />
Pomp und Zeremoniell einer echt spanischen<br />
Corrida an die Startlinie geschoben wurden.<br />
Nach Marken geordnet setzte sich das Feld aus<br />
folgenden 23 Konkurrenten zusammen:<br />
ERA: Gerard und Harrison (England).<br />
Ferrari: tBira» (Siam), Farina (Italien) und Pola (Spanien).<br />
Maserati: Ascari Taruffi und Villoresi (Italien), Ashmore,<br />
Brooks und Parnell (England), Bernheim und de Graffenried<br />
(Schweiz), Bucci (Argentinien), Landi (Brasilien), Godia und<br />
Jover iSpanien).<br />
Talbot: Choboud, Chiron, Comotti, Giraud-Cabantous und<br />
Rosier (Frankreich), Ap6zteguia ISponien).<br />
Der Rennverlaul<br />
Mit dem Fallen der Startflagge schössen die<br />
23 Rennwagen, in eine dichte Rauchwolke gehüllt,<br />
los, um schon nach 1% Minuten der Spannung<br />
wieder in die Zielgerade einzuschwenken,<br />
zuerst fast geschlossen eine Spitzengruppe mit<br />
Bira, Parnell und Villoresi, denen sich in der<br />
zweiten Runde schon Farina und Chiron näherten.<br />
Der Monegaske konnte zwar das Tempo,<br />
das die Leader mit Rundenzeiten bis zu 1' 47" =<br />
149,9" km/h diktierten, nicht mithalten und fiel<br />
vorderhand etwas zurück, um aber dank seiner<br />
Zähigkeit und Gleichmässigkeit, aber auch dank<br />
dem Ausscheiden zahlreicher gefährlicher Gegenspieler,<br />
zum Schluss doch einen ehrenvollen<br />
dritten Platz zu erobern.<br />
An der Spitze lieferten sich im ersten Drittel<br />
des Rennens, das über 70 Runden oder 312,5 km<br />
Links im Bilde der Talbot (Nr 26] von Giraud-Cabanfous. Unmittelbar vor ihm befindet sich unser Lands idsmann de Graffensicher<br />
in Aussicht<br />
ried auf Maserati (Nr. 10), der sich kurz vor Ende des Rennens infolge eines Ventildefektes um den ihm<br />
stehenden fünften Platz gebracht sah.<br />
ausgetragen wurde, der Ferrari Biras und der<br />
Maserati Villoresis (Ascari war bereits in der<br />
zweiten Runde mit Verteilerdefekt ausgefallen)<br />
ein eindrucksvolles Duell, bei dem beide Koryphäen<br />
offensichtlich aufs Ganze gingen und mit<br />
ihrem Maschinenmaterial das Letzte herauszuholen<br />
trachteten. Immerhin erwies sich der zweite<br />
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Eine Phase des Rennverlaufs: Links vorne der nachmalige Sieger Villoresi auf dem 4CTL-Maserati (Nr 6), gefolgt vom Engländer<br />
Harrison auf ERA (Nr. 48), dem diesjährigen französischen Meister Giraud-Cabantous auf Talbot (Nr. 26) und dem<br />
Briten Gerard nuf ERA.<br />
Ferrari mit Farina am Steuer um einiges schneller,<br />
übernahm er doch mit einer Rekordzeit von<br />
l'40,0" (160,722 km/h) in der 19. Runde die<br />
Führung, die er bis über die Hälfte des Rennens<br />
hinaus nicht mehr abgab. Ein überaus schnelles<br />
Tanken trug zwar in diesem Stadium Villoresi,<br />
der nur wenige Sekunden hinter ihm lag, einen<br />
kleinen Vorteil ein, worauf sich zwischen den<br />
beiden italienischen Marken neuerdings ein<br />
Kampf aufs Messer entspann, der schliesslich<br />
zugunsten von Maserati endete, denn in der 49.<br />
Runde, nachdem zehn Runden zuvor schon der<br />
Ferrari Polas die Weiterfahrt eingestellt hatte,<br />
machten sich auch bei jenem Farinas Schwierigkeiten,<br />
anscheinend in der Treibstoffzuleitung,<br />
bemerkbar, die von den Mechanikern nicht behoben<br />
werden konnten, weshalb das erste Pferd<br />
des Ferrari-Stalles hinter den Boxen verschwand.<br />
Bira, der bis dahin den dritten Platz<br />
gehalten hatte, trat nun zum Endspurt an. Er<br />
schob sich während der nächsten zehn' Runden<br />
um einige hundert Meter vor, doch schien diese<br />
Kraftanstrengung für seinen Wagen zuviel zu<br />
sein: eine geborstene Zylinderkopf dich tung<br />
setzte seinen Bemühungen in der 63. Runde ein<br />
Ende. Damit bezog der Engländer Parnell, der<br />
den Vorsprung Villoresis nicht mehr in Frage<br />
stellen konnte, definitiv die zweite Position. Der<br />
Jubel der Menge wurde ihm zwar, als er mit<br />
nur 26 Sekunden Abstand auf den Sieger das<br />
Ziel querte, zu gleichen Teilen zuteil. Am meisten<br />
aber staunte er selbst über sein Glück, als<br />
er aus seinem Fahrzeug stieg und ein eingedrücktes<br />
Heck vorfand: in der letzten Kurve<br />
noch hatte ihn der ERA Harrisons gerammt,<br />
doch lief diese Karambolage glücklicherweise<br />
ohne schwerere Schäden für beide ab. Etwas<br />
schlimmer schon hatte das Schicksal in der<br />
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zweiten Runde Brooke mitgespielt, der in einer<br />
Kurve ins Schleudern geriet und in den Sandsäcken<br />
landete. Sein Maserati war beschädigt,<br />
er selbst aber kam mit einigen Hautschürfungen<br />
davon.<br />
Die Resultate haben wir bereits in der letzten<br />
« AR » wiedergegeben, wobei sich eine Richtigstellung<br />
insofern aufdrängt, als Chiron die<br />
volle Rundenzahl mit der Zeit von 2 h 13' 26",<br />
Bernheim/Canonica dagegen 55 statt 54 Runden<br />
bewältigten, während anderseits eine Nachkontrolle<br />
der Rundenzeiten ergab, dass der Rundenrekord<br />
und damit auch die entsprechende Prämie<br />
nicht dem Konto von Villoresi, sondern, wie<br />
aus dem vorliegenden Bericht hervorgeht, jenem<br />
von Farina gutzuschreiben ist.<br />
ITALIEN<br />
Chinetti auf Rekordjagd<br />
Drei internationale Rekorde der Klasse E<br />
auf dem 2-Liter-Ferrari.<br />
Auf dem gleichen gebläselosen Ferrari-2-Liter-Wagen,<br />
womit der in Frankreich beheimatete<br />
Italiener Luigi Chinetti am 12. September letzthin<br />
in überlegener Manier das 12-Stunden-Rennen<br />
für Sportwagen auf der Rennbahn von Linas—Montlhe'ry<br />
gewann, hat am letzten Mittwoch<br />
der gleiche Fahrer drei internationalen<br />
Klassenrekorden der Klasse E (1501—2000 cm')<br />
die Spitze gebrochen, und zwar gleichfalls auf<br />
der Piste von Montlhery, auf der er nach den<br />
vorliegenden unvollständigen 'Berichten folgende<br />
Durchschnittsgeschwindigkeiten erzielte:<br />
1 Stunde 203,843 km/h<br />
200 km 203.378 km/h<br />
100 Meilen 203,435 km/h<br />
Die bisherigen Bestzeiten liegen volle 17<br />
Jahre zurück. Sie wurden am 15. Oktober 1931<br />
ebenfalls auf der Montlh6ry-Bahn von der Engländerin<br />
Mrs. Stewart am Steuer eines Derby-<br />
Special aufgestellt und seinerzeit wie folgt homologiert:<br />
1 Stunde 195,942 km/h<br />
200 km 195,944 km'h<br />
100 Meilen 195,754 km/h<br />
Vor Rekordversuchen Taruffis<br />
Wie verlautet, beabsichtigt der Italiener Piero<br />
Taruffi, demnächst verschiedenen Kurzdistanzrekorden<br />
der 500-cm'-Klasse zu Leibe zu rükken,<br />
wobei über das Fahrzeug, dessen er sich zu<br />
diesem Zwecke bedienen wird, allerdings noch<br />
der Mantel des Schweigens gebreitet ist.<br />
SCHWEDEN<br />
Vor einem Rekurs im « Fall Bira » ?<br />
Das internationale Schiedsgericht der FIA<br />
behandelte Anfang Oktober den Protest Gordinis,<br />
den dieser auf Grund der Disqualifikation<br />
des Prinzen Bira im Grossen Preis von Stockholm<br />
<strong>1948</strong> eingereicht hatte. Wir können es uns<br />
versagen, die Hintergründe jener Disqualifikation,<br />
von denen hier seinerzeit ausführlich die<br />
Rede war, neuerdings aufleben zu lassen und<br />
rufen lediglich in Erinnerung, dass der Protest<br />
des französischen PS-Zauberers vom FIA-Tribunal<br />
geschützt wurde. Damit bestand für Bira<br />
nicht nur der Anspruch auf die Klassierung im<br />
ersten Rang, sondern auch der nicht minder<br />
wichtige auf Auszahlung des ihm zukommenden<br />
entsprechenden Geldpreises. Dass die nachträgliche<br />
Honorierung von Biras legitimer Forderung<br />
auf etwelche Schwierigkeiten stossen<br />
musste, stand um so eher zu erwarten,-als der<br />
betreffende Barpreis an den nunmehr entthronten<br />
Sieger des Rennens, den Italiener Biondetti,<br />
seit langem ausbezahlt war.<br />
Wenn daher Biondetti neulich an die italienische<br />
Sportkommission herangetreten ist mit dem<br />
Ersuchen, sich seiner Sache anzunehmen, so will<br />
dieser Schritt ohne Zweifel im Rahmen dieser<br />
unliebsamen Vorgeschichte gewürdigt sein. Biondetti<br />
macht geltend, der sportliche Leiter der<br />
Gruppe Inter, Zehender, sei im Besitze einer von<br />
den Sportkommissären des schwedischen Rennens<br />
abgefassten und signierten Erklärung, wonach<br />
Bira reglementswidrig gestartet und als<br />
aus dem Rennen genommen zu betrachten sei.<br />
obzwar er dieses fortsetze. Auf Grund dieser,<br />
gegenüber Zehender abgegebenen Erklärung<br />
habe für ihn, Biondetti, keine Notwendigkeit<br />
bestanden, sein bisheriges hohes Tempo beizubehalten.<br />
Er habe es vielmehr im Hinblick auf<br />
den sicher in Aussicht stehenden Kies; stark gemässigt<br />
und begreife daher nicht, wieso das internationale<br />
Schiedsgericht den Protest Gordinis<br />
gutgeheissen habe.<br />
An der Existenz der erwähnten Erklärung<br />
besteht zwar kein Zweifel, aber ebenso ist es<br />
Tatsache, dass Prinz Bira — wie aus dem Entscheid<br />
des Schiedsgericht klar hervorging —<br />
nicht unter Beobachtung der geltenden Vorschriften<br />
aus dem Rennen genommen wurde, wie