E_1949_Zeitung_Nr.009
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Nr. 9 - MITTWOCH, 2. MÄRZ 194»<br />
AUTOMOBIL REVUE<br />
Am 1. Februar hatte sich die alliierte Gegenblockaöe<br />
gegen die Mnssnahmen der Russen in<br />
Berlin bereits derart ausgewirkt, dass fast 80 %<br />
der früher regelmässig die Sowjetzonengrenze<br />
passierenden Motorfahrzeuge mit ihren Transporten<br />
ausfielen. Von der russischen Seite waren<br />
bis zu jenem Zeitpunkt 188 Wagen dieses ehemaligen<br />
Zubringerdienstes nicht wieder über die<br />
westliche Zonengrenze zurückgelassen worden.<br />
Aber auch die Ostzonenomnibusse sahen sich<br />
durch die Gegenblockade zur Einstellung ihres<br />
Dienstes gezwungen. Gegenwärtig steht lediglich<br />
noch der Interzonenomnibus über Hof-<br />
Leipzig in Betrieb.<br />
In den Bizonengebieten ist die Rückgabe der<br />
früher beschlagnahmten westdeutschen Motorfahrzeuge<br />
so gut wie abgeschlossen, wobei ihrer<br />
fast 2000 allein in Rheinland-Westfalen und<br />
Württemberg-Nord ihren Besitzern wieder zurückerstattet<br />
werden konnten. Vor der Uebergabe<br />
ging ein jedes dieser Fahrzeuge noch zu<br />
einer gründlichen Reparatur und Kontrolle, und<br />
obwohl die meisten davon aus den Baujahren<br />
1932—1942 stammen, sind sie auch jetzt noch<br />
voll betriebsfähig.<br />
DEUTSCHLAND<br />
Streiflichter auf den deutschen Automobilverkehr<br />
*<br />
Die Aufhebung des «Kraftfahrzeug-Missbrauchgesetzes»<br />
und dessen Ersetzung durch<br />
neue Zulassungsbestimmuhgen hat in der Bizone<br />
keineswegs etwa zu einer Flut von Neuzulassungen<br />
geführt, wie man da und dort befürchtete.<br />
In München beispielsweise hat seit dem 1.Januar<br />
die Zahl der im Verkehr stehenden Fahrzeuge<br />
kaum um 8 % zugenommen, und ähnlich liegen<br />
die Dinge auch in Städten wie Bamberg, Augsburg,<br />
Würzburg und anderen. Das deutet darauf<br />
hin, dass man in Süddeutschland zumindest<br />
auch für die kommenden Monate nicht mit einer<br />
plötzlichen Sturzwelle einer wiedererwachenden<br />
Motorisierung zu rechnen braucht. Dagegen hat<br />
dank dem milden Winter der ausländische Autotourismus<br />
besonders nach den süddeutschen<br />
Fremdenkurorten und Wintersportplätzen eine<br />
sichtliche Belebung erfahren. Garmisch, Berchtesgaden<br />
usw. verzeichnen Frequenzen von<br />
fremden Autogästen, die nur um 17 % hinter den<br />
Ankünften in den Jahren vor Kriegsausbruch<br />
zurückbleiben. Namentlich sind es viele Holländer<br />
und Automobilisten aus den skandinavischen<br />
Ländern, die ihren Weg bis nach Bayern und<br />
Süd-Württemberg finden.<br />
Hannover wird im März den Schauplatz einer<br />
Konferenz der deutschen Verkehrserzieher bilden.<br />
Dazu gehören sowohl die Leiter der wiedererstandenen<br />
Autofahrschulen als auch technische<br />
Fachlehrer, denn an den führenden Stellen des<br />
Schulwesens besteht das Bestreben, den Schulunterricht<br />
auch der 9- und 10jährigen bereits<br />
auf die Erfordernisse des Autoverkehrs auszudehnen.<br />
Die Schulstufen vom 12. Lebensjahre an<br />
sollen durch besondere Fachlehrer praktischen<br />
Unterricht im Gebiete der Verkehrstechnik erhalten.<br />
Durch ihre Schulbehörden hat die Stadt<br />
FRANKREICH<br />
Eine zwar offiziell noch nicht bestätigte, aber<br />
glaubwürdige Nachricht findet sich in der Samstagausgabe<br />
der Pariser Morgenzeitung « L'Aurore».<br />
Danach hat der neue Staatssekretär für<br />
Wirtschaft, Pinay, der Redaktion des Blattes eine<br />
Mitteilung zukommen lassen, in der es wörtlich<br />
heisst: « Die französische Regierung beabsichtigt,<br />
vom Beginn des zweiten Quartals <strong>1949</strong> ab allen<br />
französischen Konstrukteuren die Verkaufsfreiheit<br />
am Binnenmarkt wieder einzuräumen,<br />
und zwar hauptsächlich aus der Erwägung her-<br />
Man schreibt uns:<br />
Die «AR» hat kürzlich (namentlich Nr.42<br />
und 54/1948) einige interessante Tatsachen Über<br />
die russische Automobilproduktion veröffentlicht.<br />
Es mag von Interesse sein, auch etwas<br />
Hannover bereits fcn Aussicht «teilen lauen, tie<br />
werde den städtischen Schulen für diesen Zweck<br />
und für eine bestimmte Zeit einen Wagen zur<br />
Verfügung stellen. Beiläufig sei hier auch der<br />
Hinweis eingefügt, dass mehrere Städte mit<br />
höheren Lehranstalten und technischen Fortbildungsschulen<br />
in Nordwestfalen und Hannover<br />
beschlossen haben, Ihren Schülern, die unter<br />
schlechten Verkehrsverbindungen leiden, mit<br />
der Anschaffung eines « Zubringer-Autobusses »<br />
beizuspringen, ganz nach amerikanischem Muster.<br />
Allerdings hätten die Eltern der Schüler<br />
gewisse Beiträge an die Betriebskosten zu leisten.<br />
Umgekehrt hofft man, die Automobilfabriken<br />
werden solche Autobusse verbilligt und mit<br />
langfristigen Krediten abgeben.<br />
Freigabe des Automobilhandels in Frankreich ab 1. April?<br />
(Von unserem Korrespondenten)<br />
aus, dass sich die Fabrikation an Personenwagen<br />
im Laufe der letzten Monate zusehends<br />
gebessert hat. Voraussetzung für diese Befreiung<br />
von den letzten Fesseln der .Kriegszwangswirtschaft<br />
ist aber die Aufrechterhaltung, ja die<br />
Steigerung Bes Exportes und die Zuteilung eines<br />
gewissen Kontingentes an bezugsbevorrechtigte<br />
Verwaltungen. »<br />
Die « Aurore » knüpft an diese Mitteilung die<br />
Erwartung, dass die Regierung — wenn sie<br />
schon den Bezug von Personenwagen frei gibt —<br />
den Käufern auch den nötigen Treibstoff zuteilen<br />
werde. Man spricht in diesem Zusammenhang<br />
wieder sehr ernsthaft von der Schaffung<br />
des Doppelsektors mit einem «prix fort» ton<br />
60 fFr. pro Liter für den gewöhnlichen Sterblichen;<br />
Die Anomalie zwischen der ständig gesteigerten<br />
Produktionsaktivität der französischen Raffinerien<br />
und der nur tropfenweise erfolgenden<br />
Zuteilung von Benzinbons bleibt in der Tat bestehen.<br />
Man kann höchstens annehmen, die Regierung<br />
wolle sich aus irgendwelchen Gründen<br />
grössere Treibstoffvorräte anlegen und den Umfang<br />
ihrer heutigen Lager nicht bekanntgeben.<br />
Jedenfalls aber kann sich in Frankreich heute<br />
jeder, der das Geld hiefür .hat, zu Schwarzpreisen<br />
(die immer noch 80—100 fFr. pro Liter<br />
betragen) Benzin kaufen, soviel er will. Im<br />
Interesse aller Beteiligten und nicht zuletzt des<br />
Fiskus läge es also, wenn man auch auf dem<br />
RUSSLA2VD<br />
Gebiete der Treibstoffzuteilung endlich mit<br />
Ueberresten aus der Kriegszeit aufräumen und<br />
damit zugleich dem üblen Benzin-Schwarzhandel<br />
den Garaus machen würde. wbg.<br />
Vom russischen Automobilverkehr<br />
über die Verwendung dieser Fahrzeuge zu vernehmen.<br />
Personenverkehr. Bisher hat der<br />
Verkehr mit Personenwagen nie grosse Bedeutung<br />
erlangt, wenn man von den städtischen<br />
Autobusbetrieben absieht Bis 1948 befanden sich<br />
keine Personenwagen in Privatbesitz, vielmehr<br />
wurden sie den zur Benutzung berechtigten höheren<br />
Beamten und Dienststellen samt dem<br />
Fahrpersonal von Staates wegen zugeteilt. Man<br />
kann deshalb weder von einem öffentlichen noch<br />
von einem privaten Personenwagenverkehr<br />
sprechen; auch in den offiziellen Statistiken erscheint<br />
ein solcher nirgends. Die Bestände und<br />
Produktionsziffern an Personenwagen waren<br />
demgemäss stets unbedeutend. Neuerdings ist<br />
nun die Rede von neuen, allgemein verkäuflichen<br />
Automobiltypen, ja sogar von Volkswagen,<br />
doch wird wohl noch einige Zeit verstreichen,<br />
bis sich dieses neue Element im russischen<br />
Strassenverkehr bemerkbar machen wird.<br />
Frachtverkehr. Ungleich bedeutender<br />
als der Personenverkehr ist der Güterverkehr<br />
mit Lastwagen. Allerdings bewältigen die russischen<br />
Lastwagen nur etwa 2 % des gesamten<br />
Frachtverkehrs (Schiffahrt = 8 %, Eisenbahnen<br />
= 90 %), doch sind das immerhin etwa 16 Milliarden<br />
Tonnenkilometer. In bezug auf Produktion<br />
und Bestand stehen die Lastwagen in der<br />
allgemeinen Automobilproduktion unbedingt an<br />
erster Stelle.<br />
Die Nutzfahrzeuge gelangen grösstenteils im<br />
Zubringerdienst zum Einsatz (durchschnittliche<br />
Beförderungsweite etwa 12 km), daneben kommen<br />
vereinzelt aber auch Ferntransporte mit<br />
Lastwagenkolonnen vor. Grosse Bedeutung besitzt<br />
der Lastwagentransport für die Erschliessung<br />
der abgelegenen Gebiete Sibiriens, wo im<br />
Winter auch Motorschlitten Verwendung finden.<br />
Strassenwesen. Gegenwärtig umfasst<br />
das Strassennetz der Sowjetunion ungefähr<br />
3 Mill. km. Allerdings darf, gemessen an russischen<br />
Verhältnissen, der Begriff « Strasse » nicht<br />
allzu eng gefasst werden. Zum grössten Teil<br />
fehlt sowohl ein Steinbett als auch eine Entwässerung,<br />
so dass jeder ausgiebige Regen diese<br />
« Strassen » in schlammige Moräste verwandelt,<br />
worin jeder Verkehr steckenbleibt und nur noch<br />
die Raupenschlepper und Geländewagen eine<br />
Chance haben, weiterzukommen. Insgesamt sind<br />
nur etwa 200 000 km mit einer befestigten Fahrbahn<br />
(mit oder ohne Belag) versehen. Das verwundert<br />
weiter nicht, wenn man vernimmt, dass<br />
in Russland der Bau und der Unterhalt einer<br />
Hartbelagstrasse teurer zu stehen kommt als<br />
Erstellung und Unterhalt einer Bahnlinie. Eigentliche<br />
Strassennetze kennen bloss die Einzugsgebiete<br />
grosser Städte und Industriebezirke.<br />
Nur ganz wichtige Orte sind untereinander<br />
durch eigentliche Autostrassen verbunden, so<br />
z.B. Moskau mit Minsk (640 km Betonstrasse).<br />
Aber sogar mit diesen Paradestrassen scheint es<br />
nicht immer zum Besten zu stehen. So schrieb<br />
ein amerikanischer Berichterstatter 1947: «Ein<br />
mutiger Engländer, den ich traf, hatt die Strecke<br />
von Minsk nach Moskau im Auto zurückgelegt.<br />
Seitdem war sein Wagen .nicht mehr der alte*.<br />
Bis kurz vor der Hauptstadt war er nur fünf anderen<br />
Wagen begegnet. »<br />
Bei solchen Strassenverhältnissen ist es begreiflich,<br />
dass in Russland der Automobilverkehr<br />
keine grosse Rolle spielen kann und dass der<br />
Zubringerdienst mit Lastwagen sehr teuer zu<br />
stehen kommt. W. H.<br />
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