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Schnurgerade Landstrasse

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Zum Aufführungsrecht<br />

• Das Recht zur Aufführung erteilt der<br />

teaterverlag elgg, CH-3123 Belp<br />

Tel. + 41 (0)31 819 42 09<br />

www.theaterverlage.ch / information@theaterverlage.ch<br />

Montag - Freitag von 09.00 bis 11.30 Uhr & 13.30 bis 17.00 Uhr<br />

• Der Bezug der nötigen Texthefte - Anzahl Rollen plus 1 - berechtigt<br />

nicht zur Aufführung.<br />

• Es sind darüber hinaus angemessene Tantièmen zu bezahlen.<br />

• Mit dem Verlag ist vor den Aufführungen ein Aufführungsvertrag<br />

abzuschliessen, der festhält, wo, wann, wie oft und zu welchen<br />

Bedingungen dieses Stück gespielt werden darf.<br />

• Auch die Aufführung einzelner Teile aus diesem Textheft ist<br />

tantièmenpflichtig und bedarf einer Bewilligung durch den Verlag.<br />

• Bei eventuellen Gastspielen mit diesem Stück, hat die aufführende<br />

Spielgruppe die Tantième zu bezahlen.<br />

• Das Abschreiben oder Kopieren dieses Spieltextes - auch<br />

auszugsweise - ist nicht gestattet (dies gilt auch für<br />

Computerdateien).<br />

• Übertragungen in andere Mundarten oder von der Schriftsprache in<br />

die Mundart sind nur mit der Erlaubnis von Verlag und Verfasser<br />

gestattet.<br />

• Dieser Text ist nach dem Urheberrechtsgesetz vom 1. Juli 1993<br />

geschützt. Widerhandlungen gegen die urheberrechtlichen<br />

Bestimmungen sind strafbar.<br />

• Für Schulen gelten besondere Bestimmungen.<br />

"Es gibt Leute, die ein Theaterstück als etwas "Gegebenes"<br />

hinnehmen, ohne zu bedenken, dass es erst in einem Hirn erdacht,<br />

von einer Hand geschrieben werden musste.“<br />

Rudolf Joho


<strong>Schnurgerade</strong><br />

<strong>Landstrasse</strong><br />

Von<br />

Markus Michel<br />

- 1 -<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.


Personen:<br />

Erich<br />

Kurt<br />

Autofahrer<br />

Kripo<br />

Alter Mann<br />

Strauss<br />

Mann mit 2 Koffern<br />

Mutter<br />

Ingrid<br />

1. Frau<br />

2. Frau<br />

Polizistin<br />

Hausmeisterin<br />

ein Kollege von Rolf<br />

Freundin von Rolf<br />

Die Rollen können wie folgt verteilt werden:<br />

Erich<br />

Kurt/Mann mit 2 Koffern<br />

Autofahrer/Kripo/Alter Mann/Strauss<br />

Mutter<br />

Ingrid<br />

1. Frau/Polizistin<br />

2. Frau/Hausmeisterin<br />

- 2 -<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.


Schurgerade <strong>Landstrasse</strong><br />

Ein Stück von Markus Michel<br />

D / 4 D/ 3H/<br />

- 3 -<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.


Leere weisse Bühne<br />

1. Szene<br />

Friedhof. Ein Holzkreuz. Mutter und Ingrid. Etwas<br />

abseits 1. Frau und 2. Frau. Ebenfalls etwas abseits<br />

Erich.<br />

1. Frau: Die arme Mutter!<br />

(Ingrid legt eine Rose auf den Boden vor das<br />

Holzkreuz. Sie wendet sich ab, verbirgt das Gesicht<br />

in den Händen. Die Mutter beobachtet sie, tritt<br />

schnell auf die Rose, zertritt sie)<br />

1. Frau: Das dort: seine Freundin.<br />

(Die beiden Frauen mustern Ingrid)<br />

1. Frau: Hätt auch eine andere Strumpfhose anziehen dürfen.<br />

2. Frau: Eben.<br />

1. Frau: Ich sag nichts mehr.<br />

2. Frau: Eben.<br />

1. Frau: Servieren tut sie. In der Sonne. Selber bin ich noch nie<br />

dort gewesen, nicht dass Sie denken....<br />

(Die Mutter legt „ihre“ Rose auf den Boden vor das<br />

Holzkreuz, wendet sich ab, verbirgt das Gesicht in<br />

den Händen)<br />

2. Frau: (zeigt auf Erich) Und das dort?<br />

(1. Frau zuckt die Schultern. Schweigen)<br />

- 4 -<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.


1. Frau: Eine richtige Beerdigung ist schon was anderes.<br />

2. Frau: Nicht wahr.<br />

1. Frau: Gefunden hat man ihn ja nie. Drei Tage lang haben sie<br />

mit einem Motorboot den See abgesucht.<br />

2. Frau: Wahnsinn!<br />

1. Frau: Traurig ist es.<br />

2. Frau: Eben.<br />

1. Frau: Wenn man denkt....<br />

Erich:<br />

Ingrid:<br />

Erich:<br />

Erich:<br />

Mutter:<br />

Mutter:<br />

Ingrid:<br />

Erich:<br />

Mutter:<br />

Erich:<br />

Mutter:<br />

Erich:<br />

Mutter:<br />

(Erich nähert sich der Mutter und Ingrid)<br />

Ich bin sein bester Freund gewesen. Der einzige<br />

Freund, scheinbar.<br />

(Ingrid fährt auf, schaut ihn lange an)<br />

So?<br />

Der einzige, der....<br />

(Die Mutter schaut ihn an)<br />

Niemand hat ihn gekannt. Nie. Nur ich. Vielleicht.<br />

Wer sollt’ ihn besser kennen, als seine eigene Mutter?<br />

(Erich lächelt)<br />

Ich bin seine Mutter.<br />

Warum lachen Sie?!<br />

Es ist ja traurig.<br />

Ich hab ihn schliesslich schon von klein an....<br />

Dann ist er gross geworden.<br />

Nicht mal seine Freundin dürfte....<br />

Die nicht. Nein. Auch nicht.<br />

Es ist mein Bub!<br />

- 5 -<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.


Erich:<br />

Ingrid:<br />

Erich:<br />

Ingrid:<br />

Ich hab die Heuchelein gehört. Alle. Jetzt sitzen sie<br />

bereits in der Kneipe. Und prosten sich zu. Man<br />

erwartet Sie.<br />

Hören Sie mal, was erlauben Sie sich eigentlich!<br />

Gibt’s eine kalte Platte?<br />

Bitte!<br />

Erich:<br />

Ingrid:<br />

Erich:<br />

Mutter:<br />

Ingrid:<br />

Mutter:<br />

Erich:<br />

Ingrid:<br />

Mutter:<br />

Ingrid:<br />

Mutter:<br />

Ingrid:<br />

Mutter:<br />

Ingrid:<br />

(Die Mutter schluchzt)<br />

Heuchler.<br />

Bitte.<br />

Nein, Sie können ja nichts dafür.<br />

Wo er doch so eine gute Stelle gehabt hat!<br />

(abschätzig) Verkäuferlehrling in einem Warenhaus.<br />

(stolz) Abteilung Haus und Garten.<br />

(ironisch) Eine gute Stelle.<br />

Was geht Sie das an!<br />

(beharrend) Eine gute Stelle.<br />

(zu Erich) Geht Sie einen Dreck an!<br />

Er hat bereits gut verdient.<br />

Hören Sie auf! Man wird beschissen, von vorne bis<br />

hinten. Überall. Aber erst recht als Verkäuferlehrling<br />

bei..... Haus und Garten! Angeschissen hat’s ihn! Der<br />

Rolf....<br />

Deshalb ist er jedenfalls nicht.... Deshalb ist das sicher<br />

nicht passiert. Nicht deshalb!<br />

Passiert.<br />

(Sie nestelt eine Zigarette aus der Schachtel, zündet<br />

sie mit fahrigen Bewegungen an, bemerkt die<br />

empörten Blicke der Mutter, besinnt sich, drückt<br />

die Zigarette am Schuhabsatz aus, versorgt sie in<br />

der Schachtel.<br />

- 6 -<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.


Mutter: Ist kein Umgang für ihn. Hab es ihm oft genug gesagt.<br />

Schon allein die Sprache und .... eben.<br />

Ingrid: Meinen Sie mich?<br />

Mutter: Gewiss nicht. Ich....<br />

Ingrid: Schon kapiert. Sie haben mich oft genug schlecht<br />

gemacht.<br />

Mutter: Bitte. Nicht jetzt. Nicht hier.<br />

1. Frau: Vielleicht wird’s noch regnen.<br />

2. Frau: (die kein Wort vom Gespräch zwischen Mutter,<br />

Ingrid und Erich verpassen will; zornig) Pst!<br />

Erich: Personaleingang. Er steckt eine Karte in die Stechuhr.<br />

Fahrscheinautomat. Er steckt eine Karte unten in den<br />

Schlitz. Schlafzimmer. Er....<br />

Ingrid: Was wollen Sie eigentlich?!<br />

Erich: Personaleingang. Er steckt eine Karte in die Stechuhr.<br />

Abteilung Haus und Garten. Er schaut zum<br />

Schaufenster hinaus. Auf der Strasse geht eine junge,<br />

hübsche Frau vorbei.<br />

Ingrid: Spinner!<br />

Erich: Spanner!<br />

Ingrid: Idiot!<br />

Erich: Es war einmal einer, der ging an seine eigene<br />

Beerdigung.<br />

Ingrid: Seine eigene Beerdigung?<br />

1. Frau: Ich hab jedenfalls den Regenschirm....<br />

2. Frau: Pst! Herrgottnochmal!<br />

Erich: Keiner hat ihn erkannt.<br />

Mutter: Wie kann jemand an seine eigene Beerdigung gehen?<br />

Erich: Er war ja nicht tot, nicht richtig, das heisst....<br />

Mutter: Versteh ich nicht.<br />

Erich: Er hat es nur vorgetäuscht. Selbstmord.<br />

Mutter: Selbst.... — Schweigen Sie!<br />

Ingrid: Warum?<br />

- 7 -<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.


Erich: Er hat alles geändert. Sein Aussehen, sein Benehmen,<br />

seine Papiere, sein.... Alles neu. Verstehen Sie?<br />

Ingrid: Was hätt’ er davon?<br />

Erich: Das verstehn Sie nicht.<br />

Ingrid: Rolf würd ich immer erkennen.<br />

Erich: Man sieht’s.<br />

Ingrid: Was wollen Sie damit sagen?!<br />

Erich: Nichts.<br />

2. Frau: (schaut zum Himmel) Sie haben am Ende noch Recht.<br />

1. Frau: Pst!<br />

Erich: Es muss schön sein. Sein eigener Vater, seine eigene<br />

Mutter.<br />

Ingrid: Spinner.<br />

2. Frau: Es tröpfelt bereits.<br />

1. Frau: Pst!<br />

Erich: Schön und gleichzeitig traurig!<br />

Erich:<br />

Ingrid:<br />

Erich:<br />

(Kurt, ein Kollege von Rolf, nähert sich von der<br />

Seite, beobachtet aus einiger Entfernung, ohne<br />

selber gesehen zu werden)<br />

Wer du in Wirklichkeit bist, interessiert nicht.<br />

Verstehen Sie!<br />

Hören Sie endlich auf damit!<br />

(Kurt schleicht davon)<br />

Vielleicht hat diese komische Type, dieser Selbstmord-<br />

Spinner, ja nur gehofft, dass man ihn erkennt, endlich<br />

erkennt.<br />

- 8 -<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.


Ingrid:<br />

Erich:<br />

Ingrid:<br />

Erich:<br />

Mutter:<br />

Sie geben also zu, dass es ein Spinner ist.<br />

Quatsch! Im Gegenteil. Er wollte neu anfangen, selber<br />

total, wie es ihm passt! Dabei könnt er nicht mal sagen,<br />

dass sein früheres Leben verpfuscht gewesen sei, nicht<br />

mehr und nicht weniger als bei den andern auch.<br />

Jetzt müssen Sie aber aufpassen.!<br />

Er hat Fantasie. Und er hat sie umgesetzt.<br />

Hier ist nicht der Ort, um.... schlechte Witze.... Haben<br />

Sie überhaupt kein....<br />

Erich: Abteilung Haus und Garten. Er rollt einen<br />

Gartenschlauch auf. Kaum dreht er ihm den Rücken, er<br />

hat noch keine drei Schritte gemacht, entrollt sich der<br />

Gartenschlauch wieder. Er rollt ihn auf. Der Chef<br />

kommt gewieselt, schnalzt mit der Zunge, schaut auf<br />

die Uhr. In diesem Augenblick entrollt sich der<br />

Gartenschlauch wieder. Der Chef traut seinen Augen<br />

nicht, würd am liebsten dieses Würstchen von einem<br />

Verkäuferlehrling in den Boden stampfen. Hoffungslos<br />

schaut er den Gartenschlauch an.<br />

Mutter:<br />

Erich:<br />

Ingrid:<br />

Erich:<br />

Ingrid:<br />

Erich:<br />

Wer sind Sie eigentlich?<br />

Erkennen Sie mich nicht?<br />

(Die Mutter schaut ihn an, schaut Ingrid an, schaut<br />

ihn an)<br />

Wir rufen gleich die Polizei.<br />

Wir hatten die intimsten Verhältnisse, Rolf und ich.<br />

Sie haben ihn doch nicht....!<br />

Ich weiss nicht. (eilt davon)<br />

- 9 -<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.


2. Szene<br />

Erich kommt von der Seite.<br />

Erich: Ich bin schnurstracks vom Friedhof zum<br />

Autobahnzubringer marschiert. Zugegeben, auf dem<br />

Friedhof hab ich ein bisschen mit dem Feuer gespielt.<br />

Das hätt leicht ins Auge gehen können. Andrerseits hab<br />

ich damit gerechnet, dass.... Im Grunde genommen ist<br />

es gekommen, wie es hat kommen müssen. Wie gesagt,<br />

ich bin schnurstracks vom Friedhof zum<br />

Autobahnzubringer marschiert. Ist nicht weit. Fünf<br />

Minuten, höchstens. Ist praktisch, so kann man die<br />

Autobahntoten direkt auf den Friedhof karren, ohne<br />

erst die Stadt durchqueren zu müssen. — Also — es<br />

hat nicht viel Verkehr gehabt. Ich hab die Hände in die<br />

Hosentaschen gestreckt. Eigentlich ist es nicht kalt<br />

gewesen. Aber ich hab gefroren. Plötzlich ich mit der<br />

rechten Hans aus der Tasche, mit dem Daumen<br />

gewunken. Ein Wagen fährt vorbei. Ich schau ihm<br />

nach. Ein anderer Wagen bremst ab, hält etwas weiter<br />

vorne. Ich renne. In diesem Augenblick fährt er weiter.<br />

— Arschloch! — Ich steck die Hände in die<br />

Hosentaschen. Und schon wieder heraus mit der<br />

Rechten, winke mit dem Daumen.<br />

Autofahrer:<br />

Erich:<br />

Autofahrer:<br />

(Autolärm. Der Wagen hält an. Der Autofahrer, ein<br />

Steuerrad in der Hand, tritt auf. Er kurbelt das<br />

Fenster runter (mimisches Spiel)<br />

Und? Wohin?<br />

Vorwärts!<br />

Wo liegt das? — Nun ja, steig ein.<br />

- 10 -<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.


(Pantomimisches Spiel. Sie fahren davon:<br />

Motorengeräusch. Schweigen)<br />

Autofahrer:<br />

Gesprächig bist du nicht gerade.<br />

(Schweigen)<br />

Autofahrer:<br />

Nun ja — Schadet nichts.<br />

Autofahrer:<br />

Autofahrer:<br />

Erich:<br />

Autofahrer:<br />

Erich:<br />

Autofahrer:<br />

Polizistin:<br />

Autofahrer:<br />

Polizistin:<br />

(Schweigen)<br />

Sag mal — Hast du dir’s überlegt? Ich meine, das<br />

Vorwärts. Das muss doch irgendwo sein. Sonst gibt’s<br />

doch kein — Nun ja.<br />

(Schweigen)<br />

Ich weiss wenigstens, wohin ich im Augenblick fahre.<br />

Schinken und Sauerkraut warten auf mich. Magst du<br />

Schinken und Sauerkraut.<br />

Ja.<br />

Siehst du. Ich würd dich gern einladen, aber.... Und ein<br />

grosses Bier. Ja doch. Saftiger Schinken. Vom Land.<br />

Was ist denn da vorne los — Polizei.<br />

Fahren Sie weiter! Weiter fahren!<br />

Was ist denn mit dir?<br />

(Er hält an. Motorengeräusch. Polizistin tritt heran.<br />

Der Autofahrer kurbelt das Fenster herunter)<br />

Tag.<br />

Tag.<br />

Fahrausweiskontrolle.<br />

- 11 -<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.


(Fahrer gibt ihr den Ausweis, sie schaut hinein, gibt<br />

ihn zurück)<br />

Polizistin:<br />

Danke. Schöne Fahrt. (ab)<br />

Autofahrer:<br />

Erich:<br />

Erich:<br />

Erich:<br />

Erich:<br />

(Sie fahren weiter. Motorengeräusch. Dem<br />

Autofahrer ist es nicht mehr so gemütlich. Er<br />

schielt zu Erich. Dieser schaut mit starrem Gesicht<br />

gerade aus. Der Fahrer brummelt etwas. Plötzlich<br />

bremst er ab, hält an)<br />

Endstation. (ängstlich) Bitte.<br />

(Erich steigt aus. Der Wagen braust davon. Fahrer<br />

ab)<br />

Ist davon gebraust wie ein Weltmeister. Und ich bin am<br />

Strassenrand gestanden. (plötzlich grinst er in sich<br />

hinein. Aber nicht lange, und er starrt vor sich hin)<br />

Mahlzeit! Schinken und Sauerkraut!<br />

(Schweigen)<br />

Depp!<br />

(Schweigen)<br />

Ich hab mich auf die Socken gemacht. Ich hab ja nicht<br />

riskieren wollen, dass die Bullen auf mich aufmerksam<br />

werden. Also ist mir nichts anderes übriggeblieben, als<br />

mich querfeldein zu schlagen. Die Autobahn ist<br />

bekanntlich kein Spazierweg. Ich bin zurück in die<br />

Stadt gelatscht.<br />

- 12 -<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.


Erich:<br />

Mir selber ein Rätsel, wieso ich auf dem Friedhof<br />

plötzlich kalte Füsse gekriegt und mich aus dem Staub<br />

hab machen wollen. Manchmal sind Rätsel leider gar<br />

nicht so doof. Doch erst mal schien mir, das beste sei,<br />

mich in meine neue Bude zu begeben. Irrtum, wie sich<br />

gleich herausstellen sollte.<br />

Erich:<br />

3. Szene<br />

Zimmer. Eine alte Hermes Schreibmaschine. Ein<br />

Spiegel. Erich betrachtet sich im Spiegel.<br />

Rolf Zimmermann ist tot. Jawohl, meine Herrschaften.<br />

Drei Kränze mit Schleifen. Hübsch, sehr hübsch.<br />

(Es klingelt an der Tür. Erich fährt erschrocken<br />

zusammen. Er zögert, geht ab, kommt mit der<br />

Hausmeisterin zurück)<br />

Hausmeisterin: Hoffentlich störe ich nicht. (schaut sich um) Ich wollt’<br />

nur nachfragen, ob alles.... ob Sie noch etwas<br />

benötigen. Ja.<br />

Erich: Nein, nein, danke.<br />

Hausmeisterin: Herr Holzapfel hätt’ Sie mir auch vorher vorstellen<br />

können, bevor er.... verreist. Na ja. Ich bin ja nur die<br />

Hausmeisterin. Scheinbar ist mit der Hauptverwaltung<br />

alles abgesprochen. Also wenn Sie mich fragen.... Ich<br />

würd das nicht erlauben. Wir sind hier schliesslich<br />

nicht in Afrika, wo.... Also nach Schottland ist er,<br />

unser Herr Holzapfel. Das wär nichts für mich. Und<br />

dann noch für sechs Monate. Nur unter lauter Eskimos.<br />

Erich: In Schottland gibt’s keine Eskimos.<br />

- 13 -<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.


Hausmeisterin: Natürlich nicht. Wie kommen Sie darauf. Wie ich sehe,<br />

haben Sie sich bereits.... eingelebt. Na nu, was ist denn<br />

das für ein Möbel!<br />

Erich: Meine Schreibmaschine.<br />

Hausmeisterin: Ihre was? — Au wei! Das es sowas überhaupt noch<br />

gibt. Sieh mal einer an! — Wir haben schon seit Jahren<br />

einen Computer. Im Schlafzimmer.<br />

Erich: Ich nehm sie überall mit. Ich häng dran.<br />

(Die Hausmeisterin sieht die Etikette an der<br />

Schreibmaschine)<br />

Hausmeisterin: (liest) Rolf Zi.... Na nu, was ist?<br />

Erich: Nichts.<br />

Hausmeisterin: Sie sind plötzlich.... so.....<br />

Erich: Ach — ich — ich komm grad von einer Beerdigung —<br />

Beerdigung.<br />

Hausmeisterin: Wirklich! Das tut mir leid! Darf ich Ihnen kondolieren?<br />

Erich: Freut mich.... äh.<br />

Hausmeisterin: Ein naher Verwandter?<br />

Erich: Eine Tante, entfernt.<br />

Hausmeisterin: (enttäuscht) Ach so. Aber um Gottes Willen! Jetzt<br />

brennen mir bestimmt die Kartoffeln an. Ich muss....<br />

Erich: Wiedersehen! Und grüssen Sie mir Ihren Gatten.<br />

Hausmeristerin: Der isst in der Kantine. Und dann meckert er das ganze<br />

Wochenende über die Kantinenkost. Überhaupt ist er<br />

immer schlecht gelaunt in letzter Zeit. Er weiss eben<br />

nicht, ob er seine Stelle behalten kann. Sie wollen auf<br />

Ende Jahr einige entlassen. Aber Namen sagen sie<br />

nicht. Da sollten sie von der Belegschaft eben<br />

zusammenstehen. Aber nein.<br />

Erich: Jeder für seinen Schatten.<br />

Hausmeisterin: Wie meinen Sie? (ihr Blick fällt wieder auf die<br />

Etikette an der Schreibmaschine) Rolf Zimm....<br />

- 14 -<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.


Erich: Die Kartoffeln!<br />

Hausmeisterin: Um Gottes Willen! Danke, dass Sie mich daran<br />

erinnern. Wiedersehen, Herr Wild! (ab)<br />

Erich: (reisst die Etikette von der Schreibmaschine) Dass<br />

man überall seinen Namen..... Um zu protestieren, dass<br />

man gelebt hat. — Protestieren? (betrachtet sich im<br />

Spiegel. Plötzlich lacht er auf)<br />

Kurt:<br />

Erich:<br />

Erich:<br />

Kurt:<br />

Erich:<br />

Kurt:<br />

Erich:<br />

Erich:<br />

Kurt:<br />

Erich:<br />

(Kurt kommt herein)<br />

Tschuldigung — ich.... ich such nömlich.... Soll hier<br />

wohnen. Frisch eingezogen.<br />

Kurt! Endlich!<br />

(Kurt starrt Erich an)<br />

Was ist?<br />

Rolf?<br />

„Nömlich.“ — Nein, mit Rolf ist es aus. Rolf<br />

Zimmermann ist tot. Amtlich und überhaupt. — Eine<br />

schöne Beerdigung. Ich hab die Wette gewonnen.<br />

Gratuliere.<br />

Wenn sie mich nur nicht noch zu meinem Mörder<br />

machen.<br />

(Pause)<br />

Sag, spinnen wir?<br />

Wir?<br />

Es war deine Idee.<br />

(Kurt schüttelt den Kopf)<br />

- 15 -<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.


Erich:<br />

Kurt:<br />

Erich:<br />

Kurt:<br />

Erich:<br />

Du hast mich darauf gebracht. Und wir haben gewettet.<br />

Ich täusche Selbstmord vor, verwandle mich in Erich<br />

Wild und geh an meine eigene Beerdigung. Du bist der<br />

einzige, der alles weiss. Sonst hättest du mich ebenfalls<br />

nicht erkannt.<br />

Möglich.<br />

Bühnenreif, was!<br />

Ich muss gehen. Ich hab nömlich noch eine<br />

Verabredung. Tschau! (ab)<br />

He! (betrachtet sich im Spiegel)<br />

Erich:<br />

Erich:<br />

Kripo:<br />

Erich:<br />

Kripo:<br />

Erich:<br />

Kripo:<br />

Erich:<br />

Kripo:<br />

Erich:<br />

Kripo:<br />

Erich:<br />

(Pause)<br />

Ist ja nur ein Traum! Nur ein Traum! Mensch, wach<br />

auf! Träum ich oder schäum ich — sagte das<br />

Wildschwein, als es sich im Spiegel....<br />

(Es klingelt an der Tür. Erich geht ab, kommt mit<br />

dem Kripo zurück)<br />

So sehen sie also aus, die Herren von der Kripo.<br />

Haargenau wie im Fernsehen.<br />

Danke. Wenn Sie mich genügend bewundert haben,<br />

wollen wir uns ein bisschen zusammen unterhalten —<br />

Herr Wild.<br />

Bitte.<br />

Sie haben Rolf Zimmermann gekannt. Nicht?<br />

Ja.<br />

Gut?<br />

Nun....<br />

Sie waren befreundet?<br />

Nun....<br />

Jedenfalls haben Sie dies behauptet.<br />

So?<br />

- 16 -<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.


Kripo:<br />

Erich:<br />

Kripo:<br />

Erich:<br />

Kripo:<br />

Erich:<br />

Kripo:<br />

Erich:<br />

Kripo:<br />

Erich:<br />

Kripo:<br />

Erich:<br />

Kripo:<br />

Kripo:<br />

Erich:<br />

Kripo:<br />

Erich:<br />

Kripo:<br />

Vor seiner Mutter. An der Beerdigung.<br />

Ach so.<br />

Wie war Ihr Verhältnis? Vielleicht wär es besser, Sie<br />

würden antworten. Klar! Hat er vor Ihnen mal<br />

angedeutet, dass er Schluss machen will?<br />

Eigentlich nicht. Doch.<br />

Wie war das gleich? Was verstehen sie unter<br />

„intimsten Verhältnissen?“<br />

Hätt ich gesagt?<br />

Vor der Mutter.<br />

Was wollen Sie von mir?<br />

Rolf Zimmermann hat nicht Selbstmord gemacht.<br />

Hat man ihn gefunden? Ich meine, seine Leiche?<br />

Finden Sie es nicht seltsam, dass er in seinem<br />

„Abschiedsbrief“ schreibt, man solle nicht nach seiner<br />

Leiche suchen? Es wäre vergeblich?<br />

War es auch. Leider!<br />

Bis jetzt. (sein Blick fällt auf die Schreibmaschine,<br />

bleibt einen Augenblick daran heften)<br />

Ich hab den Abschiedsbrief natürlich gelesen.<br />

Natürlich.<br />

Welcher Gott war Hermes? Bei den alten Griechen?<br />

Äh....<br />

Der Brief wurde auf dieser Schreibmaschine getippt.<br />

Ich muss Sie leider bitten, mitzukommen.<br />

- 17 -<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.


4. Szene<br />

Kneipe. Drei runde Tische. An einem davon sitzen<br />

die 1. und die 2. Frau. Sie haben beide ein grosses<br />

Bier vor sich stehen. Erich kommt von der Seite.<br />

Erich: Ein Sprung. Und ich steh auf dem Fenstersims.<br />

„Machen Sie keine Dummheiten!“, ruft der Kripo. Ich<br />

springe hinunter. Und das alles ohne Stuntman. Ich<br />

lande auf dem winzigen Balkon vor dem Schlafzimmer<br />

unter meiner Wohnung. Die Balkontür einen Spalt breit<br />

geöffnet. Die Nachbarin liegt im Bett. Und mir scheint,<br />

sie liegt nicht allein drin, oder sie hat vier Füsse, die<br />

unter der Decke hervorzuckeln. Bei dieser Krankheit<br />

ist es angezeigt, das Bett zu hüten, ich gestatte ihr also,<br />

mich nicht zur Tür zu begleiten, wie das die<br />

Höflichkeit gegenüber einem Gast erfordert. Ganz<br />

abgesehen davon hab ich es eilig. Zum Glück ist die<br />

Wohnungstür nicht zugesperrt. Wie nachlässig! Ich<br />

sause die Treppe runter, trabe die Strasse runter. Am<br />

sichersten ist man in der Höhle des Löwen. Also setz<br />

ich mich in die Kneipe, wo Rolfs Freundin als<br />

Serviererin arbeitet. Vielleicht ist es nicht die Höhle<br />

des Löwen, oder ich sitz erneut einem Irrtum auf. —<br />

Als erstes erwarten mich alte Bekannte vom Friedhof.<br />

(setzt sich an den zweiten Tisch. Schweigen)<br />

1. Frau: Mord. Jawohl. S’ist ein Mord.<br />

2. Frau: Haben sie ihn geschnappt?<br />

1. Frau: Ich glaub nicht. Haben eben keinen Schneid, unsere<br />

Kripo.<br />

2. Frau: Ja, da müsste einer her, der....<br />

(Schweigen)<br />

- 18 -<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.


2. Frau: Mord sei nicht ausgeschlossen. Steht in der Zeitung.<br />

1. Frau: S’ist ein Mord. Der Rolf Zimmermann hat nicht<br />

Selbstmord gemacht. Hätt’ ja keinen Grund.<br />

(Erich zieht eine Rose aus der Vase auf seinem<br />

Tisch, steckt sie sich ins Knopfloch)<br />

2. Frau: Die arme Mutter. (öffnet eine Schachtel mit Nüssen,<br />

knabbert)<br />

(Schweigen. 1. Frau wirft einen gierigen Blick auf<br />

die Nüsschen. 2. Frau hält ihr die Schachtel hin)<br />

1. Frau: Ich darf ja nicht.<br />

2. Frau: Nur zu! Die dürfen Sie. Ich hab sie vom Nebentisch.<br />

Mal sehen, ob die Serviererin was merkt. Wenn sie<br />

nichts sagt, bezahlen wir sie nicht.<br />

1. Frau: (greift gierig zu) Aber dass jetzt selbst bei uns....<br />

2. Frau: So ist es.<br />

(Schweigen)<br />

1. Frau: Ach, ich möcht gar nicht mehr jung sein.<br />

2. Frau: Man ist es, oder man....<br />

1. Frau: (pikiert) Wie meinen Sie?<br />

2. Frau: Neulich hat doch mein Frauenarzt mein jugendliches<br />

Aussehen gelobt. Nach der Untersuchung. Der muss es<br />

ja.... Sieht schliesslich so einiges.<br />

1. Frau: Allerdings.<br />

(Schweigen)<br />

1. Frau: Nein, nein, ich möcht gar nicht mehr....<br />

2. Frau: Das sind die Drogen.<br />

1. Frau: Jaja<br />

- 19 -<br />

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Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.


2. Frau: Also. (zündet sich eine Zigarette an, raucht<br />

knabbert gleichzeitig Nüsschen)<br />

(1. Frau zündet sich ebenfalls eine Zigarette an,<br />

knabbert Nüsschen)<br />

2. Frau: Findet akkurat eine Persönlichkeits.... eine....<br />

1. Frau: Eine persönliche Veränderung der Person.<br />

2. Frau Ja, so eine.... — eben.<br />

Erich:<br />

Ingrid:<br />

Erich:<br />

Ingrid:<br />

Erich:<br />

Ingrid:<br />

Erich:<br />

Ingrid:<br />

Erich:<br />

Ingrid:<br />

Erich:<br />

1. Frau: Ja.<br />

2. Frau: So.<br />

(Ingrid, die hier serviert, kommt und geht zu Erichs<br />

Tisch)<br />

Tschau!<br />

Tag!<br />

Kennst Du mich nicht?<br />

Sollte ich?<br />

Weiss nicht.<br />

Was darf ich bringen?<br />

Ein Bier.<br />

(Ingrid geht ab. 1. Frau schaut zu Erich hinüber,<br />

macht 2. Frau mit Blicken auf ihn aufmerksam. Die<br />

beiden Frauen belauern ihn. Ingrid bringt das Bier)<br />

Sie sind an der Beerdigung gewesen.<br />

Beerdigung?<br />

Das sind doch Sie gewesen. — Was wollen Sie?<br />

Nichts.<br />

(1. Frau schaut 2. Frau an)<br />

- 20 -<br />

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(Schweigen)<br />

Erich: Er sitzt mit seiner Freundin an Mutters Küchentisch.<br />

Sie essen Kartoffelbrei mit Buletten und Bratensosse.<br />

Von draussen dröhnt dumpf der Strassenlärm. „ Früher<br />

wolltest du von der Sosse immer einen kleinen See in<br />

den Kartoffelbrei, sagt die Mutter. „Doch, doch, Rolf<br />

wollte immer einen kleinen See in den Kartoffelbrei<br />

haben. Sonst hätte er nichts gegessen.“<br />

Ingrid: Was erzählen Sie da! Verrückt geworden! Total<br />

durchgedreht!<br />

Erich: Eben.<br />

1. Frau: Jaja.<br />

2. Frau: Also.<br />

Erich: Weiter Sandstrand. Zwei Sandburgen. Rolf und seine<br />

Freundin kauern nackt jeder für sich in seiner Burg. Sie<br />

bespähen sich. Weit draussen laufen kleine Wellen im<br />

Sand aus.<br />

Ingrid: (verunsichert) Ich hab zu tun. (ab)<br />

Erich: Personaleingang. Er steckt seine Karte in die<br />

Stempeluhr. Fahrscheinautomat. Er steckt seine Karte<br />

unten in den Schlitz. Schlafzimmer. Er....<br />

Ingrid:<br />

Kurt:<br />

(Kurt kommt, setzt sich an den dritten Tisch, Ingrid<br />

geht zu ihm)<br />

(leise) Hallo Kurt!<br />

Hallo, Ingrid!<br />

(Sie küssen sich auf die Wangen. Ingrid setzt sich<br />

nahe neben Kurt. Er streichelt sie. Erich beobachtet<br />

verwundert die beiden. Ingrid macht mit dem Kinn<br />

Kurt auf Erich aufmerksam)<br />

- 21 -<br />

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Kurt:<br />

Ingrid:<br />

Was ist mit dem?<br />

(leise) Ein Spinner. Total verrückt.<br />

(Erich dreht sich lächelnd zu ihnen um)<br />

Erich:<br />

Ingrid:<br />

Kurt:<br />

Erich:<br />

Grüsst du mich nicht mehr — Kurt?<br />

Ihr kennt euch?<br />

Augenblick!<br />

Gut, dass ich die hier treffe.<br />

Kurt:<br />

Erich:<br />

Kurt:<br />

Erich:<br />

Kurt:<br />

Erich:<br />

Kurt:<br />

Erich:<br />

Kurt:<br />

Erich:<br />

Kurt:<br />

Erich:<br />

Kurt:<br />

Erich:<br />

(Ingrid geht hinaus)<br />

Kennen wir uns?<br />

Mach mich nicht verrückt. Du, ich weiss nicht, was ich<br />

tun soll. Ich werde verfolgt.<br />

Verfolgt?<br />

Sie haben mich zu meinem Mörder gemacht.<br />

Interessant.<br />

Und ich hab noch mitgespielt. Frag mich bitte nicht<br />

warum.<br />

Was wollen Sie von mir?<br />

Mach mich nicht verrückt!<br />

Womit, wenn ich fragen darf.<br />

Hör zu, kaum warst du von mir weg, taucht ein Kripo<br />

auf.<br />

Richtig, ich hab Sie tatsächlich für einen andern<br />

gehalten. Für einen Kollegen, den man umgelegt hat.<br />

Kurt! Es ist deine Idee gewesen! Ja. Täuschst<br />

Selbstmord vor. Verwandelst dich in — in einen<br />

andern — in einen andern — Menschen. Und gehst an<br />

deine Beerdigung.<br />

Ich find’s nicht lustig.<br />

Kurt!<br />

- 22 -<br />

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Kurt:<br />

Ich weiss nichts davon. Aber woher kennen Sie<br />

eigentlich meinen Namen?<br />

(Ingrid kommt zurück)<br />

Ingrid:<br />

Erich:<br />

Ingrid:<br />

Die Polizei ist gleich hier.<br />

Schlampe!<br />

Lass ihn nicht weg!<br />

1. Frau: Nein so.<br />

2. Frau: Also.<br />

Erich:<br />

(Erich läuft hinaus. Kurt verfolgt ihn)<br />

5. Szene<br />

Strasse. Erich kommt von links.<br />

Ich trabe durch die Strassen. Öffentliche Toilette. Ich<br />

stehe vor dem Spiegel, betrachte mich. Rolf<br />

Zimmermann. Erich Wild. Rolf Zimmermann, Erich<br />

Wild. Ein Labyrinth von Eisenbahnschienen.<br />

Abgestellte Eisenbahnwagen. Ich trabe quer über die<br />

Schienen. Die Sonne schräg im Horizont. Ich trabe<br />

durch die Strassen. Rolf und seine Freundin essen<br />

Spaghetti. (rollt pantomimisch Spaghetti auf die<br />

Gabel) „Hast du noch nie das Verlangen gehabt, aus<br />

dir auszubrechen?“ fragt Rolf. „Blöd, dass ich<br />

vergessen hab, Parmesankäse zu kaufen“, sagt Ingrid.<br />

„Zu Spaghetti gehört einfach Parmesankäse!“ (wedelt<br />

mit einer Handbewegung die Gedanken weg) Ich<br />

trabe durch die Strassen. Völlig ausgepumpt lehne ich<br />

mich gegen eine Wand.<br />

- 23 -<br />

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(Ein alter Mann kommt von links. Von rechts<br />

kommen die 1. und die 2. Frau)<br />

Alter: (zu 1. Frau) Grüss Gott, gnädige Frau!<br />

1. Frau: (lächelnd) Grüss Gott! (streckt ihm eine Karte hin.<br />

Er knipst mit einer Zange)<br />

2. Frau: Gnädige Frau? — Kennt ihr euch?<br />

1. Frau: Nur so.<br />

2. Frau: Mich hat er nicht gegrüsst.<br />

Alter:<br />

(Der Alte dreht sich um, kommt zurück)<br />

Ist es nicht ein Jammer, dass sich in unserer Stadt<br />

niemand mehr grüsst! Ich grüsse für nur fünfzig<br />

Pfennig. Ob alt ob jung. Ich grüsse auch im<br />

Abonnement. Karten erhältlich zu günstigen<br />

Konditionen.<br />

(2. Frau kramt in ihrer Handtasche, zieht einen<br />

Geldbeutel hervor, gibt dem Alten 50 Pfennig)<br />

Alter: Grüss Gott, gnädige Frau. (ab)<br />

2. Frau: Grüss Gott!<br />

Erich:<br />

Mutter:<br />

Erich:<br />

Mutter:<br />

(Die beiden Frauen werden auf Erich aufmerksam,<br />

stossen sich gegenseitig an, werfen sich Blicke zu,<br />

hasten davon. Die Mutter kommt, nähert sich<br />

Erich, fesselt ihn mit einer Handschelle an sich)<br />

He, was soll das!<br />

Sie haben ihn umgebracht, meinen Rolf! Sie! Sie sind<br />

der Mörder meines Sohnes!<br />

Lassen Sie mich los, oder....!<br />

Hilfe! — Hilfe!<br />

- 24 -<br />

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Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.


Erich:<br />

Mutter:<br />

Erich:<br />

Mutter:<br />

Erich:<br />

Mutter:<br />

Erich:<br />

Mutter:<br />

Erich:<br />

Mutter:<br />

Erich:<br />

Mutter:<br />

Erich:<br />

Mutter:<br />

Erich:<br />

Mutter:<br />

Mutter:<br />

Erich:<br />

Mutter:<br />

Erich:<br />

Mutter:<br />

Seien Sie doch ruhig. Bitte. Ich hab Ihnen nichts getan.<br />

Nichts getan? Sie haben meinen Rolf umgebracht! Und<br />

jetzt behaupten Sie mir ins Gesicht, Sie hätten mir<br />

nichts getan!<br />

Das stimmt doch alles nicht.<br />

Hilfe!<br />

Bitte. — Sie brauchen keine Angst vor mir zu haben.<br />

Ich hab keine Angst. Ich fürcht mich vor nichts mehr.<br />

Jetzt nicht mehr. Aber Sie! Sie haben ja auch allen<br />

Grund dazu. Gut, von mir aus brauchen wir hier auf der<br />

Strasse kein grosses Aufsehen zu verursachen. Das<br />

hängt ganz von Ihnen ab.<br />

Was haben Sie vor?<br />

Ich werd Sie der Polizei abliefern.<br />

Ich bin’s doch. Ich bin Rolf.<br />

Hilfe!<br />

Bitte.<br />

Sagen Sie sowas nie mehr! Nie mehr, hören Sie!<br />

Aber....<br />

Gleich schrei ich.<br />

Ich....<br />

Sie sind ein Teufel!<br />

(Erich schüttelt den Kopf)<br />

Wieso haben Sie das getan? Wieso?!<br />

Ich — ich konnte nicht anders. Ich musste seinen Platz<br />

einnehmen. Das war stärker als ich. Ich musste ihn<br />

beseitigen.<br />

Wie?! Was?!<br />

Was für ein gutes Zuhause Rolf gehabt hat.<br />

Wohingegen ich.... Fast tagtäglich ist mir das vor<br />

Augen geführt worden. Rolf’s Mutter.... Sie hat alles<br />

für ihn getan. Ja, alles.<br />

Ich, ich bin seine Mutter.<br />

- 25 -<br />

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Kein Aufführungsrecht.


Erich:<br />

Mutter:<br />

Erich:<br />

Mutter:<br />

Erich:<br />

Mutter:<br />

Erich:<br />

Mutter:<br />

Erich:<br />

Mutter:<br />

Erich:<br />

Kripo:<br />

Alles haben Sie für ihn getan. Und er? Er hat es gar<br />

nicht richtig geschätzt.<br />

Das stimmt nicht.<br />

Lustig hat er sich drüber gemacht.<br />

Das.... das stimmt nicht.<br />

Wenn ich so eine Mutter gehabt hätt.... So eine Mutter<br />

hab ich mir immer gewünscht. Und wenn mich alle<br />

Welt Muttersöhnchen genannt hätt, mir egal!<br />

Er war kein Muttersöhnchen.<br />

Nein, nein. Sicher nicht. So eine Mutter hab ich mir<br />

immer gewünscht.<br />

Wieso? Ihre Mutter wird bestimmt ebenfalls....<br />

bestimmt.<br />

Besoffen ist sie. Jeden Tag. So lang ich mich erinnern<br />

kann. Nie hat sie auch nur die kleinste Mahlzeit<br />

gekocht. Ich musste immer alles selber zubereiten.<br />

Meistens hab ich kalt gegessen. Schimpfwörter, das ist<br />

alles, was ich je von ihr bekommen hab. „Blöder<br />

Hund“ am Morgen und „blöder Hund“ am Abend.<br />

Sie sollen nicht so von Ihrer Mutter sprechen. Das<br />

dürfen Sie nicht.<br />

„Blöder Hund“. — Ich wollte Rolfs Platz einnehmen.<br />

Ich.... — Ich weiss, wie schlecht ich bin. Ich hab die<br />

grösste Strafe verdient. Man sollte mich aufhängen.<br />

Einschläfern, wie einen tollwütigen Hund. Mich hat<br />

noch nie jemand gern gehabt auf dieser Welt.<br />

(Der Kripo kommt)<br />

Um Himmels Willen, Frau Zimmermann, wissen Sie<br />

überhaupt, in welche Gefahr Sie sich gebracht haben!<br />

Überlassen Sie diese Arbeit uns.<br />

(Mutter schliesst Erich von der Handschelle los)<br />

- 26 -<br />

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Mutter:<br />

Lauf!<br />

(Erich läuft davon. Der Kripo zieht eine Pistole. Die<br />

Mutter knallt ihm ihre Handtasche ins Gesicht)<br />

6. Szene<br />

Bushaltestelle. Eine Wartebank. Erich kommt von<br />

links.<br />

Erich: Öffentliche Toilette. Ich schaue lang in den Spiegel. —<br />

Personaleingang. Rolf steckt eine Karte in die<br />

Stechuhr. Fahrscheinautomat. Er steckt eine Karte<br />

unten in den Schlitz. Zimmer von Rolfs Freundin. Wir<br />

hören Rolf schnaufen — wie — wie eine Wildsau. Wir<br />

sehen Ingrids Schuhe mitten auf dem Teppich stehen.<br />

Unser Blick wandert weiter. Wir sehen Pullover und<br />

Hose der Freundin auf dem Teppich liegen. Ein<br />

Teddybär steht Kopf gegen einen Stuhl gelehnt. Auf<br />

dem Tisch ein schmutziger Teller. Wir sehen eine<br />

Strumpfhose, die von einer Zimmerpflanze runterhängt,<br />

wie Engelshaar am Weihnachtsbaum. Ingrid starrt an<br />

die Decke. Rolf dreht sich auf die Seite. Ingrid setzt<br />

sich auf. (er wedelt mit der Hand, die Gedanken zu<br />

verscheuchen) Immer wieder. Und keinen Schalter,<br />

um abzuschalten. Den Kripo hab ich abgehängt. Aber<br />

ich selber bleib mir auf den Fersen. Eigentlich bin ich<br />

ganz schön in der Scheisse gesessen. Das ist selbst mir<br />

langsam klar geworden. Nur eine Frage der Zeit, bis<br />

die Polizei die Schlinge....<br />

(Strauss kommt)<br />

- 27 -<br />

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Kein Aufführungsrecht.


Strauss:<br />

Stimme von<br />

Strauss:<br />

Erich:<br />

Sieh mal an! Sieh mal an! — Kennst wohl deinen<br />

ehemaligen Lehrer nicht mehr, was! Steh mal auf und<br />

sag “Guten Tag, Herr Strauss,“ anstatt hier auf<br />

städtischem Eigentum rumzulümmeln! Das Geschmeiss<br />

schmarotzt frech am hellichten Tag! Zu faul, um zu<br />

arbeiten! Aber ich hab schon immer gewusst, was für<br />

ein Früchtchen du bist. Keine Videogames. Dabei ist<br />

das elektronische Killen ein Kinderspiel, alle haben es<br />

gespielt. Nur er nicht! Dabei hätten es dir die Eltern<br />

nicht etwa verboten. Ich hab mir die Mühe genommen,<br />

mich zu erkundigen. Dafür hat er eine klapprige<br />

Hermes-Schreibmaschine zu hause stehen gehabt. Hat<br />

Geschichten getippt. Theaterstücke. Wahnsinn! Ich hab<br />

dir die Schulstunden versüsst, wie ich nur konnte, ich<br />

hab dich vor der Klasse reingelegt, blossgestellt. Hat<br />

nichts gefruchtet. Ich hab mich sogar hinreissen lassen,<br />

dich zu ohrfeigen, obwohl mir das bei allen andern<br />

Schülern garantiert Scherereien beschert hätte. Nichts!<br />

— Schwul ist er. Und bringt seinen Freund um. Einen<br />

unschuldigen jungen Menschen auf dem Gewissen.<br />

(schwenkt die Zeitung ) Hier steht alles drin. Aber<br />

wart nur, Bürschchen. Du hast deine Rechnung ohne<br />

den alten Strauss gemacht. Na warte! (geht rückwärts,<br />

fällt in einen offenen Kanalisationsschacht.<br />

He! Hilf mir da raus! He! Na, wird’s bald!<br />

(Erich wuchtet den gusseisernen Deckel auf den<br />

Schacht. Schweigen)<br />

Aber wieso hat Erich einen ehemaligen Lehrer,<br />

wenn....?<br />

(Ingrid kommt)<br />

- 28 -<br />

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Kein Aufführungsrecht.


Ingrid:<br />

Erich:<br />

Ingrid:<br />

Erich:<br />

Ingrid:<br />

Erich:<br />

Ingrid:<br />

Erich:<br />

Ingrid:<br />

Erich:<br />

Ingrid:<br />

Erich:<br />

Ingrid:<br />

Erich:<br />

Ingrid:<br />

Erich:<br />

Ingrid:<br />

Erich:<br />

Ingrid:<br />

Erich:<br />

Ingrid:<br />

Erich:<br />

Rolf!<br />

Was!?<br />

Rolf.<br />

Was wollen Sie?<br />

Hör auf!<br />

Verwechslung.<br />

Hör endlich auf!<br />

Tschuldigung, ich heisse Erich. Erich Wild. Sorry.<br />

Was soll denn der Quatsch! Begreifst du denn nicht,<br />

was du damit.... was du uns antust!<br />

Uns?<br />

Deiner Mutter, mir und.... und....<br />

Meine Mutter ist gestorben. Schon lange. Bei meiner<br />

Geburt.<br />

Du hälst mich wohl für total bescheuert! — Wieso hast<br />

du mich nicht wenigstens vorher eingweiht? Hab ich<br />

dir denn überhaupt nie was bedeutet? — Rolf....<br />

Von welchem Rolf reden Sie eigentlich?<br />

Es reicht! Man wird dich einsperren. Das ist alles, was<br />

du....<br />

Sprechen Sie etwa von jenem Rolf, der die Englein<br />

singen hört?<br />

Verrückt bist du! Völlig bekloppt! Schon immer<br />

gewesen. Und ich dumme Kuh.... Ich hätt es wissen<br />

müssen. Wie konnt ich nur auf dich reinfallen!<br />

Wir kennen uns ja gar nicht. Aber wer kennt sich<br />

schon.<br />

Dich kenn ich, Rolf Zimmermann.<br />

Rolf Zimmermann ist tot. Amtlich und überhaupt.<br />

Lesen Sie keine Zeitung? „Gewalteskalation unter<br />

Jugendlichen jetz auch in unserer Stadt!“<br />

Das ist nicht lustig.<br />

Nein. Mord ist eine ernste Sache.<br />

- 29 -<br />

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Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.


Ingrid:<br />

Erich:<br />

Ingrid:<br />

Erich:<br />

Ingrid:<br />

Erich:<br />

Ingrid:<br />

Erich:<br />

Ingrid:<br />

Erich:<br />

Ingrid:<br />

Erich:<br />

Ingrid.<br />

Erich:<br />

Ingrid:<br />

Erich:<br />

Ingrid:<br />

Erich:<br />

Ingrid:<br />

Erich:<br />

Hör auf, bevor es zu spät ist. — Glaubst du, ich find es<br />

geil, immer diese Ingrid Moser zu sein, Serviererin in<br />

der „Sonne“? Glaubst du, ich sei schon so beknackt,<br />

dass ich mir nicht anderes vorstellen könnt? — Sei<br />

froh, hast du überhaupt eine Stelle! Sei froh, hast du<br />

keine schiefe Nase, sei froh, bist du nicht.... — Wir<br />

wollten doch zusammen alt werden.<br />

Jeden Sommer im Urlaub nach Mallorca. Mit Sonne,<br />

Sangria und viel Fun das Gehirn leer brennen und es<br />

„auftanken“ nennen. Und zu Hause: Ihr Kinderlein<br />

kommet!<br />

Auf im Urlaub! Jede Nacht vor dem Einschlafen und<br />

jeden Morgen nach dem Aufwachen. Und von mir aus<br />

auch während des Mittagsschläfchens.<br />

Eben.<br />

Was eben? Ich weiss ja, dass ich dick und hässlich bin.<br />

Quatsch!<br />

Doch. Der Po.<br />

Ist knackig.<br />

Du denkst nur an das eine!<br />

Denk ich nicht!<br />

Rolf....<br />

Rolf ist tot. Endgültig.<br />

Rolf....<br />

Sie sind doch jene Serviererin, die die Polizei<br />

verständigt hat.<br />

Ich?<br />

Schon vergessen, was?<br />

Ich war bloss wütend. Und ich.... Aber ich wollte<br />

nicht... Ich wollte doch nur....<br />

Sie werden gleich sehen, was passiert.<br />

Wieso?<br />

Dort! Der Polizeiwagen. Dort vorne dreht er. Sie haben<br />

mich gesehen. (rennt davon)<br />

- 30 -<br />

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Kein Aufführungsrecht.


Ingrid:<br />

Polizistin:<br />

Wart! Wart doch!<br />

(rennt mit gezogener Waffe vorbei) Halt! Stehen<br />

bleiben, Stehen bleiben!<br />

Alter:<br />

Ingrid:<br />

Alter:<br />

(Ein Schuss hinter der Bühne. — Ein zweiter<br />

Schuss. Ein alter Mann hastet mit einem<br />

Fotoapparat über die Strasse)<br />

Am Arm hat’s ihn getroffen! Hm! Das blutet! Erwischt<br />

haben sie ihn trotzdem nicht! Sowas! Das erzähl ich<br />

meiner Alten! Nur am Arm! Das kommt davon, wenn<br />

man jetzt auch die Weiber mit Waffen.... Und das Bild<br />

ist wahrscheinlich ebenfalls verwackelt. Der ist gerannt<br />

wie ein Wiesel!<br />

Altes Arschloch!<br />

Die heutige Jugend! Unverschämtheit!<br />

- 31 -<br />

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Kein Aufführungsrecht.


Strauss:<br />

7. Szene<br />

Traumszene. Erich und Ingrid sitzen mit einigem<br />

Anstand voneinander auf dem Boden. Zwei<br />

Flaschen Cola und eine brennende Kerze stehen von<br />

ihnen. Schweigen. Sie starren an die Flaschen.<br />

Ingrid hebt plötzlich den Kopf, schaut Erich an. Er<br />

spürt es, hebt ebenfalls den Blick. Ingrid lächelt.<br />

Erich lächelt zurück. Sie starren beide wieder an<br />

die Cola-Flaschen. Plötzlich steht Erich auf, setzt<br />

sich nahe neben Ingrid. Sie hebt den Blick, schaut<br />

ihn an, starrt wieder an die Flasche. Erich schaut<br />

vor sich auf den Boden. Pötzlich nimmt er einen<br />

Fuss von Ingrid in die Hände, hält ihn fest. Er zieht<br />

ihr den Schuh aus. Er streichelt ihren Knöchel,<br />

fährt mit der Hand höher. Sie schüttelt den Kopf.<br />

Er zieht die Hand zurück, schaut auf den Boden.<br />

Ingrid hebt ihre Flasche hoch, schaut Erich<br />

lächelnd an. Sie trinkt aus der Flasche, stellt sie<br />

zurück. Erich stellt seine Flasche ohne getrunken zu<br />

haben zurück. Er berührt ihren Nacken, schaut sie<br />

an. Sie starrt an ihre Flasche. Er streichelt ihren<br />

Nacken. Sie lehnt ihren Kopf gegen seine Schulter.<br />

Er streichelt ihr Haar, streichelt mit der andern<br />

Hand ihr Knie, gleitet mit der Hand weiter hinauf.<br />

Sie schüttelt den Kopf. Er zieht die Hände zurück.<br />

Sie schauen vor sich hin. Ingrid zieht ihren Pullover<br />

aus. Strauss kommt, entrollt einen Gartenschlauch.<br />

Keine Angst! Mit einem Schlauch von „Haus und<br />

Garten“ wird jede Flamme gelöscht! (richtet den<br />

Schlauch auf die Kerze. Ingrid läuft hinaus) Wenn<br />

Not am Mann, auf Lehrer Strauss kannst du vertraun!<br />

(Die Mutter kommt gehastet)<br />

- 32 -<br />

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Kein Aufführungsrecht.


Mutter:<br />

Strauss:<br />

Strauss:<br />

Herr Strauss! Die Leitung ist vereist!<br />

Wir haben Zeit. Halten Sie mal! (drückt ihr den<br />

Schlauch in die Hand, geht ab, kommt mit den<br />

Schlittschuhen zurück)<br />

Wozu war ich Goldmedaillenträger, beinah, in der<br />

Lehrer-Kür! (setzt sich zieht sich die Schlittschuhe<br />

an)<br />

(Erste und zweite Frau mit Kuhköpfen treten im<br />

Hintergrund auf. Nebelschwaden)<br />

1. Frau: Hast du gelesen, die Wildschweine rennen in der Nacht<br />

auf den Acker und fressen die Maiskolben.<br />

2. Frau: Aber wenn sie unter dem elektrischen Draht<br />

durchgehen, erhalten sie doch einen Schlag.<br />

1. Frau: Das sind eben Schweine!<br />

2. Frau: Maiskolben, das würd ich auch gern fressen.<br />

1. Frau: Wir Kühe sind eben zu gutmütig.<br />

2. Frau: Wie willst denn du unter dem Zaun durch?<br />

1. Frau: Die Wildschwine gehen an ihre eigene Beerdigung.<br />

2. Frau: Das sind eben Schweine!<br />

1. Frau: Aber wir Kühe sollen Milch geben.<br />

2. Frau: Wir sind eben zu gutmütig.<br />

1. Frau: Dafür machen sie Jagd auf sie, auf die Wildschweine.<br />

2. Frau: Die lassen sich nicht so schnell erschiessen.<br />

1. Frau: Das sind eben Schweine.<br />

2. Frau: Und wir werden dem Schlachter verkauft.<br />

1. Frau: Sei endlich still, du dumme Kuh!<br />

Strauss:<br />

(Beide ab. Strauss steht auf mit den Schlittschuhen<br />

an den Füssen. Er strauchelt)<br />

Halten Sie mich fest! Festhalten!<br />

- 33 -<br />

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Kein Aufführungsrecht.


(Mutter lässt den Schlauch fallen, hält ihn fest)<br />

Strauss:<br />

Der Schlauch! Der Schlauch!<br />

(Sie lässt ihn los, nimmt den Schlauch. Strauss fällt<br />

auf den Hintern)<br />

Strauss:<br />

Mutter:<br />

Au! — So helfen Sie mir doch!<br />

Herr Strauss! Es kommt! (bläst die Kerze aus)<br />

8. Szene<br />

Strasse. Erich kauert am Boden. Erste Frau und<br />

der Mann mit den zwei Koffern gehen vorbei.<br />

1. Frau: Jetzt hocken die auch schon bei uns auf dem Gehsteig!<br />

Mann: Gar nicht hinschauen.<br />

1. Frau: Es ist ein Skandal.<br />

Mann: Was willst du. Das ist unsere Zeit. Gar nicht<br />

hinschauen.<br />

1. Frau: Wo wird das nur enden.<br />

Mann: Aber sag mal, was hast du bloss geladen.<br />

1. Frau: Na, das übliche. Mein Gott!<br />

Mann: Was ist?<br />

1. Frau: Ich hab vergessen, meine Kekse einzupacken!<br />

Mann: Wenn’s mehr nicht ist.<br />

1. Frau: Du weisst doch, die dort unten schmecken mir nicht.<br />

Was mach ich jetzt bloss!<br />

Mann: Wir müssen uns beeilen. Der Zug wartet nicht auf uns.<br />

(1. Frau wirft Erich einen bösen Blick zu)<br />

1. Frau: So gut möchten wir’s auch mal haben. Aber eben! Ein<br />

anständiger Bürger hat hier bald nichts mehr....!<br />

- 34 -<br />

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Kein Aufführungsrecht.


Mann: Gar nicht hinschauen. — Mann, sind die aber schwer!<br />

1. Frau: Beeil dich lieber!<br />

(Beide ab. Die Hausmeisterin kommt, bleibt stehen)<br />

Hausmeisterin: Ist Ihnen nicht gut? Sie bluten ja. — Warten Sie ich<br />

rufe einen Rettungswagen.<br />

Erich: Nein, nein. Ist nicht nötig.<br />

Hausmeisterin: Aber.... — Was ist passiert?<br />

Erich: Ist nichts. (steht schwankend auf, lehnt sich gegen<br />

die Hauswand)<br />

Hausmeisterin: Soll ich nicht lieber....<br />

Erich: Verschwinden Sie!<br />

Hausmeisterin: Na schön. Sie sind doch.... der bei Herrn Holzapfel<br />

eingezogen ist, der jetzt bei den Eskimos.... ich<br />

meine.... bei.... helfen Sie mir....<br />

Erich: Haben Sie nie das Verlangen gehabt, auszubrechen?<br />

Hausmeisterin: Auszu.... — Wie meinen Sie das?<br />

Erich: Ich bin aus der Strafanstalt ausgebrochen. Aus meiner<br />

Strafanstalt. Lebenslänglich.<br />

Hausmeisterin: Kommen Sie. Es ist nicht weit.<br />

Erich: Haben Sie keine Angst?<br />

Hausmeisterin: Sie sind kein entwichener Sträfling.<br />

Erich: Doch. Sie haben kein Recht....!<br />

Hausmeisterin: Kommen Sie.<br />

Erich: Es ist gefährlicher, als ein gewöhnliches Verbrechen.<br />

Verstehen Sie? Für gewöhnliche Verbrechen hat man<br />

genaue Gesetze.<br />

Hausmeisterin: Kommen Sie.<br />

- 35 -<br />

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Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.


9. Szene<br />

Zimmer bei der Hausmeisterin. Ein Bett. Erich sitzt<br />

darauf. Die Hausmeisterin kommt mit einer Flasche<br />

Cognac und einem Glas. Sie giesst ein, reicht Erich<br />

das Glas. Er trinkt.<br />

Erich: <strong>Schnurgerade</strong> <strong>Landstrasse</strong>. Und du trabst vorwärts.<br />

Vorwärts.<br />

Hausmeisterin: Ich hole Verbandstoff. Ziehen Sie die Jacke und das<br />

Hemd aus, wenn Sie es allein schaffen. (geht hinaus)<br />

(Erich versucht die Jacke auszuziehen. Die<br />

Hausmeisterin kommt mit Verbandszeug zurück.<br />

Hausmeisterin: Warten Sie! (hilft ihm) Das reicht schon. (verbindet<br />

ihn) Nun erzählen Sie mal, was mit Ihrem Arm passiert<br />

ist.<br />

Erich: Streifschuss. Ist komisch, was? (lacht) Sonst verfehlen<br />

die Polizisten nie..... den Kopf. (Pause) Da wird einer<br />

zu seinem eigenen Mörder gemacht.... weil er der<br />

einzige ist, der es nicht ist. Und was, wenn er es<br />

plötzlich selbst glaubt, wenn er plötzlich das Spiel<br />

spielt, weil.... (Pause) Haben Sie vom Mordfall Rolf<br />

Zimmermann nicht gehört?<br />

Hausmeisterin: Sie brauchen einen Arzt. Keine Angst, man wird Sie<br />

nicht einsperren, nicht ins Gefängnis. Sie brauchen<br />

einen Arzt.<br />

Erich: Ich bin nicht plemplem, wenn Sie das meinen.<br />

Hausmeisterin: Natürlich nicht.<br />

Erich: Personaleingang. Rolf steckt seine Karte in die<br />

Stechuhr.<br />

Hausmeisterin: Was?<br />

Erich: Abteilung Haus und Garten. Rolf im blauen<br />

Berufsmantel. Er schaut zum Fenster hinaus.<br />

- 36 -<br />

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Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.


Hausmeisterin: Haus und Garten, das kenn ich.<br />

Erich:<br />

Auf der Strasse geht eine junge, hübsche Passantin<br />

vorbei. Der Abteilungsleiter nähert sich Rolf mit leisen<br />

Schritten, schalzt mit der Zunge. Rolf zuckt zusammen.<br />

Hausmeisterin: Ich hab dort einen Gartenschlauch gekauft.<br />

Erich: Der Abteilungsleiter zischt, macht eine kaum<br />

merkliche, dafür um so bösere Kopfbewegung zu drei<br />

alten Damen, Kundinnen, im Landeninnern. Rolf läuft<br />

zu den Kundinnen. Der Abteilungsleiter dreht sich<br />

nach ihnen um, neigt leicht den Kopf, lächelnd<br />

gewinnend. Rolf bedient die Kundinnen. Der<br />

Abteilungsleiter tritt ans Schaufenster, äugt der jungen,<br />

hübschen Passantin nach. Dieser, alte, graue Schatten!<br />

Hausmeisterin: Hat nicht viel getaugt. Voller kleiner Löcher. Ich<br />

musste mir schon bald eine neuen Schlauch kaufen.<br />

Erich: Rolf geht durch einen kahlen Garten. Es ist Winter.<br />

Rolf hat einen Schal umgebunden. Er scheint aber<br />

trotzdem zu frieren. Plötzlich bleibt er stehen. Er stutzt.<br />

Auf den kahlen Ästen eines Baumes sitzen drei alte,<br />

nackte Damen....<br />

Hausmeisterin: Sie phantasieren ja.<br />

Erich: Die Kundinnen....<br />

Hausmeisterin: Ich bring Sie zu Bett.<br />

Erich: Sie lächeln Rolf an.<br />

Hausmeisterin: Sie können hier bleiben. Mein Mann kommt nicht nach<br />

Hause. (zieht ihn aus, deckt ihn zu)<br />

Erich: Mich friert.<br />

Hausmeisterin: Ich wärm dich. (schlüpft zu ihm unter die Decke)<br />

Mutter: (kommt von hinten links) Früher wollte er von der<br />

Sosse immer einen kleinen See in den Kartoffelbrei.<br />

Doch, doch. Rolf wollte immer einen kleinen See in<br />

den Kartoffelbrei. Sonst hätte er nichts gegessen. (ab)<br />

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Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.


Alter: (kommt von rechts) Hm! Das blutet! Aber erwischt<br />

haben sie ihn trotzdem nicht. Sowas! Das erzähl ich<br />

meiner Alten! Ich grüsse für nur 50 Pfennig. Ich grüsse<br />

auch im Abonnement. (ab)<br />

Ingrid: (kommt von hinten rechts) Von der Sosse immer<br />

einen kleinen See in den Kartoffelbrei! Sonst hätt’ er<br />

nichts gegessen. (ab)<br />

Kurt: (schleppt zwei Koffern herbei von vorne rechts) Ist<br />

einer an seine eigene Beerdigung gegangen. Irre, was!<br />

Alles neu! Aussehen, Name.... Keiner hat ihn erkannt.<br />

Allen Ballast hinter sich fallen gelassen.<br />

Runtergerissen all diese Pappe, womit man ihn<br />

zugekleistert hat, während all diesen Jahren, wo er sich<br />

nicht dagegen wehren konnte! Ausgeschlüpft wie ein<br />

Schmetterling. (zerrt an den Koffern) Zum Teufel<br />

nochmal! (ab mit den Koffern)<br />

Autofahrer: (kommt von links, ein Steuerrad in der Hand)<br />

Sauerkraut und Schinken! Saftiger Schinken vom<br />

Land! (ab)<br />

1. Frau: (kommt von rechts unbeholfen auf Schlittschuhen<br />

daher getappt) Drei Tage lang haben sie mit einem<br />

Motorboot den See abgesucht! Er steckt eine Karte<br />

unten in den Schlitz! (sie prustet) Servieren tut sie. In<br />

der „Sonne“. (ab)<br />

Ingrid: (kommt von vorne links) Ich weiss ja, dass ich dick<br />

und hässlich bin. (ab)<br />

Mutter: (kommt mit einem Regenschirm von vorne rechts,<br />

stolz) Personaleingang. Rolf steckt eine Karte in die<br />

Stechuhr. Fahrscheinautomat. Rolf steckt.... (öffnet<br />

den Regenschirm, ab)<br />

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Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.


(Kurt schleppt von hinten links zwei Koffer herbei.<br />

Er stellt sie ab. Er öffnet einen Koffer, stemmt ihn<br />

hoch, dreht ihn um. Eine Handvoll Konfetti rieselt<br />

heraus. Er stellt den Koffer ab, öffnet den zweiten<br />

Koffer. Strauss kommt mit einem Gartenschlauch<br />

von vorne links. Kurt lässt die Koffer stehen, ab)<br />

Strauss:<br />

Wenn Not am Mann, auf Lehrer Strauss kannst du<br />

vertraun. (richtet den Schlauch auf das Bett)<br />

Kripo:<br />

Polizistin:<br />

Kripo:<br />

Polizistin:<br />

Kripo:<br />

Polizistin:<br />

Kripo:<br />

Polizistin:<br />

Kripo:<br />

Polizistin:<br />

Kripo:<br />

Polizistin:<br />

10. Szene<br />

Das Bett im Hintergrund. Rolf und die<br />

Hausmeisterin unsichtbar unter der Decke. Vorne<br />

der Kripo und die Polizistin. Ein Stuhl.<br />

Die ganze Gegend durchkämmt. Nichts! Schlamperei!<br />

(hustet) Diese verdammten Zigaretten!<br />

Einem Onkel von mir mussten sie ein Bein abnehmen.<br />

Er hat weiter geraucht.<br />

Vielen Dank, es zu erwähnen! Aber wenn du besser<br />

zielen könntest, wär ich dir noch dankbarer.<br />

Was ist mit den Hinweisen aus der Bevölkerung?<br />

Nichts.<br />

Aber der Aufruf im Fernsehen.... Da müssten doch....<br />

Jeder will ihn irgendwo gesehen haben. Aber den<br />

kriegen wir schon. Der kann nicht weit sein.<br />

Du bangst doch nicht etwa um deine Beförderung?<br />

Halt den Mund! Was nimmst du dir eigentlich heraus.<br />

Ich bin immerhin dein Vorgesetzter, trotz allem.<br />

Ja, Chef.<br />

Hol den Hodler!<br />

Ja, Chef. (ab)<br />

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Kein Aufführungsrecht.


Kripo:<br />

Und das muss ich mir bieten lassen! Ach, ich wär auch<br />

lieber Bademeister, weiss Gott, oder....<br />

(Polizistin führt Kurt mit Handschellen herein)<br />

Kripo: Setz dich, Hodler.<br />

Kurt: Sie haben kein Recht....<br />

Kripo: Ach nee!<br />

Kurt: Ich....<br />

Kripo: Was hab ich? — Wie war das?<br />

Kurt: Ich hab nichts getan.<br />

Kripo: Tatsächlich.<br />

Kurt: Sie können mich nicht einfach einsperren.<br />

Kripo: Und ob wir das können.<br />

Kurt: Das ist nicht erlaubt.<br />

Kripo: Erlaubt?<br />

Kurt: Ich will mit meinem Anwalt sprechen.<br />

Kripo: (holt einen Telefonapparat herbei) Bitte. Was ist? —<br />

Nummer vergessen? — „Ich wil meinen Anwalt<br />

sprechen.“ Tönt gut, was. Wie im Fernsehen. Vorsicht!<br />

Ich bin nicht der Derrick mit dem triefenden<br />

Hundeblick. — Seit wann hat so einer wie du einen<br />

Anwalt?<br />

Kurt: Auf jeden Fall werd ich es sagen, dass sie mich<br />

geschlagen haben.<br />

Kripo: Wir unterhalten uns doch ganz gemütlich.<br />

Kurt: Bevor ich in die Zelle gebracht wurde.<br />

Kripo: Ach, die paar Ohrfeigen. Vergiss es. — Also. Ein guter<br />

Freund von Rolf Zimmermann willst du gewesen sein.<br />

Und du bleibst bei deiner Aussage?<br />

Kurt: Das hab ich nicht gesagt.<br />

Kripo: Was?<br />

Kurt: Guter Freund, das hab ich nicht gesagt.<br />

Kripo: Nein? Aber ihr seid befreundet gewesen?<br />

- 40 -<br />

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Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.


Kurt:<br />

Kripo:<br />

Kurt:<br />

Kripo:<br />

Kurt:<br />

Kripo:<br />

Kurt:<br />

Kripo.<br />

Polizistin.<br />

Kripo:<br />

Kurt:<br />

Kripo:<br />

Kurt:<br />

Kripo:<br />

Kurt:<br />

Kripo:<br />

Kurt:<br />

Kripo:<br />

Befreundet.... nun....<br />

Aber ihr habt gewettet.<br />

Ja.<br />

Täuschst Selbstmod vor. Gehst an deine eigene<br />

Beerdigung. Neuer Name, neues Aussehen.... Mutter<br />

weint. — Sehr lustig, was?<br />

Nein.<br />

Also nicht.<br />

Es ist nicht lustig.<br />

Alles neu.... macht der Mai. Vorsicht! — Für wie<br />

dumm hälst du uns hier?<br />

Nicht uns.<br />

(wirft ihr einen bösen Blick zu) Ich werd dir jetzt<br />

sagen, was du bist: ein Komplize von diesem Erich<br />

Wild.<br />

Nein.<br />

Selbst wenn du am Mord nicht direkt beteiligt bist. Das<br />

kann dich ein paar Jahre kosten.<br />

Ich kenn diesen Wild nicht.<br />

Oder du bist es selber gewesen. Du hast deinen Freund<br />

Rolf umgelegt.<br />

Das stimmt nicht!<br />

Die Gründe werden wir schon herauskriegen.<br />

Ich hab damit nichts zu tun. Rolf ist nicht mein Freund.<br />

Aber ihr habt gewettet.<br />

(Kurt schüttelt den Kopf)<br />

Kripo: Und wieso hast du uns dieses Märchen aufgetischt? —<br />

Ist sie es gewesen, diese Kellnerin von der „Sonne“,<br />

die Ingrid, die dich dazu aufgefordert hat? — Na,<br />

spuck’s schon aus. Wir wissen mehr, als du denkt.<br />

Diese Ingrid ist ein richtiges kleines Luder. Also. Ist sie<br />

es gewesen?<br />

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Kurt:<br />

Polizistin:<br />

Kripo:<br />

Polizistin:<br />

Kripo:<br />

Ja.<br />

Womit wohl? Ich werd sie mir mal vornehmen.<br />

Überlass sie nur mir.<br />

Gerne. Mit Vergnügen. — Und der?<br />

Nimm ihm die Handschellen ab. — Raus mit dir! Aber<br />

Vorsicht, was du draussen erzählst. Es könnt dich teuer<br />

zu stehen kommen.<br />

11. Szene<br />

Zimmer bei der Hausmeisterin. Das Bett. Erich<br />

steht auf, zieht sich an. Die Hausmeisterin wacht<br />

auf.<br />

Hausmeisterin: Wo willst du hin? — Wieso bleibst du nicht bei mir?<br />

(steht auf, zieht sich einen Hausmantel an) Ich werd<br />

dir helfen. Ich werde.... Die Polizei soll dich nicht<br />

kriegen. Sie werden uns nicht erwischen. Wohin willst<br />

du?<br />

Erich: Halten Sie endlich den Mund!<br />

Hausmeisterin: Bleib. Ich werde dir helfen.<br />

Erich: Kümmern Sie sich um ihren eigenen Dreck!<br />

Hausmeisterin: Wenn du diesen.... Du musstest es tun. Nicht wahr?<br />

Nein, nicht mehr daran denken. Sprechen wir nicht<br />

mehr davon.<br />

Erich: Ist das Ihr Ausbruch? Mit einem Mörder schlafen. Es<br />

ist lächerlich! — Geben Sie mir noch einen Cognac.<br />

Und dann verschwinde ich.<br />

(Hausmeisterin giesst ihm einen Cognac ein)<br />

Hausmeisterin: Ich will dir ja nur helfen.<br />

Erich: Ich brauche keine Hilfe. Und Ihre Hilfe schon gar<br />

nicht. Sie sollen mich in Ruhe lassen! Mehr nicht.<br />

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Hausmeisterin: Soll ich.... Musik machen!<br />

Erich: Wozu! Ich geh ja doch gleich!<br />

Hausmeisterin: Dann lass mich wenigstens noch ein paar Brote für<br />

dich schmieren.<br />

Erich: Nein. (greift sich an den Kopf, setzt sich auf das<br />

Bett)<br />

Hausmeisterin: Was hast du?<br />

Erich: Wer du in Wirklichkeit bist, interessiert nicht.<br />

Hausmeisterin: Was?<br />

Erich: Sein eigener Vater, seine eigene Mutter.<br />

Hausmeisterin: Ich versteh nicht.<br />

Erich: Nichts.<br />

Hausmeisterin: Ich schmier ein paar Brote. (ab)<br />

Erich: Kaufhaus. Rolf sitzt im Keller bei den<br />

Personalgarderobenkästen. Rolf raucht eine Zigarette.<br />

Plötzlich taucht der Abteilungsleiter auf. Der<br />

Abteilungsleiter schaut auf die Uhr, schnalzt, zischt.<br />

Rolf drückt die Zigarette im Aschenbecher aus, eilt<br />

hinauf. Personaleingang. Rolf.... (legt sich hin, schläft<br />

auf dem Bett ein)<br />

Hausmeisterin: (kommt, stutzt) He! — He! Du! Eingeschlafen.<br />

(Pause. Geht auf Zehenspitzen zum Telefonapparat.<br />

Sie nimmt den Hörer ab, überlegt, hängt ein. Sie<br />

nimmt den Hörer ab, wählt eine Nummer. Sie hängt<br />

ein. Sie nimmt wieder den Hörer ab, wählt die<br />

gleiche Nummer) Hallo — Frau Hofer hier. Dieser<br />

Erich Wild ist bei mir in der Wohnung. Ja. Brennweg<br />

45. (hängt ein, geht leise hinaus)<br />

(Erich richtet sich auf. Er lässt sich hinter das Bett<br />

fallen. Die Hausmeisterin kommt, stutzt, bleibt<br />

ratlos stehen. Erich erhebt sich plötzlich.<br />

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Hausmeisterin: Jetzt.... jetzt hast du mich aber erschreckt!<br />

Erich: Adios! (läuft hinaus)<br />

Hausmeisterin: Lauf! — Lauf!<br />

Erich:<br />

12. Szene<br />

Leere weisse Bühne. Erich.<br />

<strong>Schnurgerade</strong> <strong>Landstrasse</strong>. Er läuft.... läuft. Das Blut<br />

rinnt mir den Arm hinunter.<br />

ENDE<br />

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