02.03.2018 Aufrufe

Fisch im Keller

Fisch im Keller

Fisch im Keller

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Zum Aufführungsrecht<br />

• Das Recht zur Aufführung erteilt der<br />

teaterverlag elgg, CH-3123 Belp<br />

Tel. + 41 (0)31 819 42 09<br />

www.theaterverlage.ch / information@theaterverlage.ch<br />

Montag - Freitag von 09.00 bis 11.30 Uhr & 13.30 bis 17.00 Uhr<br />

• Der Bezug der nötigen Texthefte - Anzahl Rollen plus 1 - berechtigt<br />

nicht zur Aufführung.<br />

• Es sind darüber hinaus angemessene Tantièmen zu bezahlen.<br />

• Mit dem Verlag ist vor den Aufführungen ein Aufführungsvertrag<br />

abzuschliessen, der festhält, wo, wann, wie oft und zu welchen<br />

Bedingungen dieses Stück gespielt werden darf.<br />

• Auch die Aufführung einzelner Teile aus diesem Textheft ist<br />

tantièmenpflichtig und bedarf einer Bewilligung durch den Verlag.<br />

• Bei eventuellen Gastspielen mit diesem Stück, hat die aufführende<br />

Spielgruppe die Tantième zu bezahlen.<br />

• Das Abschreiben oder Kopieren dieses Spieltextes - auch<br />

auszugsweise - ist nicht gestattet (dies gilt auch für<br />

Computerdateien).<br />

• Übertragungen in andere Mundarten oder von der Schriftsprache in<br />

die Mundart sind nur mit der Erlaubnis von Verlag und Verfasser<br />

gestattet.<br />

• Dieser Text ist nach dem Urheberrechtsgesetz vom 1. Juli 1993<br />

geschützt. Widerhandlungen gegen die urheberrechtlichen<br />

Best<strong>im</strong>mungen sind strafbar.<br />

• Für Schulen gelten besondere Best<strong>im</strong>mungen.<br />

"Es gibt Leute, die ein Theaterstück als etwas "Gegebenes"<br />

hinnehmen, ohne zu bedenken, dass es erst in einem Hirn erdacht,<br />

von einer Hand geschrieben werden musste.“<br />

Rudolf Joho


Jürg Fankhauser<br />

<strong>Fisch</strong> <strong>im</strong> <strong>Keller</strong><br />

Ein Quartett nach Schubert<br />

Besetzung 1 Frau, 3 Männer<br />

Bild <strong>Keller</strong>raum<br />

«Einfach herrlich, wie schlicht und einfach die Forellenmelodie<br />

eingeführt wird.»<br />

Warum müssen vier Musiker gerade in einem <strong>Keller</strong> das<br />

Forellenquintett proben? Dass draussen eine Katastrophe <strong>im</strong><br />

Gang ist, wird zusehends klar; klar auch, dass das gemeinsame<br />

Ignorieren der Zeichen von draussen, die gemeinsame<br />

Flucht zur Musik und zum klugen Gespräch die Katastrophe<br />

nicht zu übertünchen vermögen. Die Zeichen mehren sich,<br />

werden penetranter und unerträglicher mit ihnen die Angst.<br />

Alte Feindseligkeiten treten zutage, Charaktere und Haltungen<br />

treten <strong>im</strong> Kampf ums Überleben gegeneinander an. Und<br />

während die Welt vielleicht untergeht, denkt der vermeintliche<br />

Sieger an:<br />

«Reine Töne!»<br />

elgger schaulust 2<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.


Violine<br />

Viola<br />

Violoncello<br />

Klavier<br />

Die Ausführenden sind:<br />

Ludwig Schönhuber<br />

Wladislaw Brajinski<br />

Friedrich Reinhard Hotz<br />

Irena Gabriella von Gässer<br />

Ort<br />

Ein <strong>Keller</strong>raum, karg eingerichtet mit einem Schrank,<br />

einer Truhe und Stühlen. Eine Tür.<br />

- 2 -<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.


<strong>Fisch</strong> <strong>im</strong> <strong>Keller</strong><br />

Von Gässer<br />

Hotz<br />

Brajinski<br />

Von Gässer<br />

Hotz<br />

Von Gässer<br />

Hotz<br />

Von Gässer<br />

Schönhuber<br />

Die vier Musiker spielen das Thema (Andantino) des<br />

vierten Satzes aus dem Forellenquintett von<br />

Schubert.<br />

Einfach herrlich, wie schlicht und bescheiden die<br />

Forellenmelodie eingeführt wird.<br />

Ein unglaublicher Kontrast zum aufschäumenden<br />

Scherzo vorher.<br />

Waren erster bis dritter Satz quasi Bach, in welchem<br />

lebt Forelle.<br />

Dieses Gefühl hatte ich eben auch. Im ersten Satz sehe<br />

ich den grünen Fluss durch den Auenwald sch<strong>im</strong>mern,<br />

mit ruhigen Altwässern unter schattigen Bäumen.<br />

Genau, Irene. Das hat Schubert meisterhaft gemacht,<br />

wie die Forellenmelodie durch die ersten drei Sätze<br />

vorbereitet wird. Schon der Anfang. Pam! Ein heller<br />

A-Dur Akkord, das Staunen am Ufer über eine gehe<strong>im</strong>nisvolle<br />

Quelle.<br />

Ich stelle mir so etwas vor wie den Blautopf, einen<br />

Felsenschlund <strong>im</strong> Wald, abgründig, am Rande<br />

blaugrün, gegen die Mitte zu <strong>im</strong>mer schwärzer, aber<br />

kristallklar.<br />

Wasserströme stossen aus dem Erdinnern hervor und<br />

bewirken ein Überlaufen des rätselhaften Brunnens, ab<br />

Takt 25 strömt das Wasser über die Felsenschwelle,<br />

wird zum Bach und fliesst weg.<br />

Das ganze Bild entsteht aus einem Ton heraus.<br />

A propos Blautopf. Da wollte ein junger Taucher das<br />

Höhlensystem des Blautopfs erforschen. Hinter sich<br />

spulte er wie Theseus <strong>im</strong> Labyrinth eine Leine ab, um<br />

den Eingang wieder zu finden, denn er wirbelt Wolken<br />

von feinstem Schlamm auf, vor ihm öffnen sich <strong>im</strong><br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

- 3 -<br />

Kein Aufführungsrecht.


Von Gässer<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Von Gässer<br />

Hotz<br />

Von Gässer<br />

Hotz<br />

Schönhuber<br />

Schein der Lampe kristallklare Gänge, hinter ihm aber<br />

fällt alles in gelbliches Nichts. Der Taucher kehrte nie<br />

zurück. Viel später fanden andere Taucher in einem<br />

der Seitengänge eine zusammengekrümmte Gestalt,<br />

nicht weit vom Eingang entfernt. Aus der<br />

Taucherbrille glotzten gelbliche, knöcherne<br />

Augenhöhlen, fast wie die Höhlengänge, in denen sie<br />

waren. Im Taucheranzug steckte ein Skelett. Die<br />

Taucher müssen einen mächtigen Schock gekriegt<br />

haben.<br />

So hat Mozart gearbeitet. Bei ihm wächst aus einem<br />

Ton ein sinfonischer Baum.<br />

War es Minotauros, der die Leine gekappt hatte? Oder<br />

ein gehe<strong>im</strong>nsivoller Geist? Ein Phantom? Eine unterseeische<br />

Werwolfforelle?<br />

Bei Schubert strömt aus einer tiefen Quelle ein Bach<br />

voller Leben.<br />

Das sind schöne Bilder. Die drei ersten Sätze zeigen<br />

den Lebensraum der Forelle, das Element Wasser,<br />

einmal tiefgründig, dunkel...<br />

Hier zum Beispiel. Im ersten Satz nach der Quelle.<br />

Spielt auf dem Cello oder singt die Takte 64 - 71.<br />

Und dann wieder das Wilde, Sprudelnde...<br />

Spielt auf dem Klavier oder singt die Takte 116 - 122.<br />

Plötzlich weitet sich das Flussbett, die Musik zeigt uns<br />

einen trägen Waldfluss, dunkel, kaum bewegt. Man<br />

ahnt die Tiefe nur.<br />

Spielt oder singt den Basspart der Takte 165 - 170.<br />

Habt ihr schon mal eine Wasserleiche gesehen? Kein<br />

schöner Anblick.<br />

- 4 -<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.


Von Gässer<br />

Schönhuber<br />

Von Gässer<br />

Schönhuber<br />

Von Gässer<br />

Brajinski<br />

Schönhuber<br />

<strong>Fisch</strong> <strong>im</strong> <strong>Keller</strong><br />

Und dann der zweite Satz. Er zeigt uns den Bach als<br />

Lebensraum.<br />

Ein Bekannter von mir arbeitet bei der Seepolizei. Die<br />

müssen ein Netz um den Körper der Wasserleiche<br />

legen, damit sie be<strong>im</strong> Herausnehmen nicht zerfällt, die<br />

Wasserleiche.<br />

Dem schattigen Gewässer nach zieht sich voll he<strong>im</strong>lichen<br />

Lebens der Auenwald. Man muss still werden<br />

und gut schauen, dann entdeckt man plötzlich ein<br />

silbernes Spinnennetz, hört ein Rascheln, ein Vogel<br />

fliegt weg, eine Libelle steht schwirrend <strong>im</strong> Licht.<br />

Einmal nistete in einer Bauchhöhle einer solchen<br />

Wasserleiche ein Aal. Als der Polizist eben das Netz<br />

um den Körper legen wollte, schlängelte sich der Aal<br />

zwischen den aufgedunsen gespreizten Beinen heraus.<br />

Es riecht feucht nach Waldboden und Bachufer, <strong>im</strong><br />

Auenwald.<br />

Von ferne unterbrochener, an- und abschwellender<br />

Sirenenheulton. Brajinski singt das Thema des<br />

dritten Satzes.<br />

Dritter Satz zeigt Gewalt des Wassers. Bach ist<br />

gestaut, rauscht über Schwelle. Mühlen werden<br />

angetrieben, Räder drehen, Hammerwerk stampft. Und<br />

dann, in eingeschobenem Trio, treibt Floss, wird vom<br />

Fluss mitgetragen durch Wälder, vorbei an Dörfern<br />

und Städten.<br />

Wasser ist gefährlich. Ich bin mal mit einem Kajak<br />

gekentert, mitten in einer Stromschnelle. Ich riss wie<br />

verrückt an der Spritzdecke, wollte mich aus dem<br />

Rumpf rollen, da blieb das verdammte Boot an einem<br />

Felsen hängen, knickte, mitten in der Strömung, meine<br />

Beine waren festgeklemmt. Ich zog wie verrückt,<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

- 5 -<br />

Kein Aufführungsrecht.


Von Gässer<br />

Schönhuber<br />

Von Gässer<br />

Brajinski<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

stemmte mich mit aller Kraft gegen die Macht des<br />

Wassers, riss mir fast die Beine weg, schluckte<br />

Wasser, war schon lange in Panik geraten, die Sinne<br />

schwanden, da riss mich etwas empor, ich kriegte Luft,<br />

starke Arme hielten mich über Wasser, ein bärtiges<br />

Gesicht schaute mich an und sagte: Na? Es war ein<br />

<strong>Fisch</strong>er. Er war ins Wasser gesprungen. Ich war wie<br />

zum zweiten Mal geboren.<br />

Erst <strong>im</strong> vierten Satz fällt der Blick ins Wasser wie in<br />

ein Aquarium, jetzt wird das Leben <strong>im</strong> Bach sichtbar.<br />

Die Forelle wird vorgestellt. Es ist herrlich, wie wir<br />

fünf Variationen lang dem Tier zuschauen können.<br />

Oder in der Verzasca <strong>im</strong> Tessin, da gibt’s unterirdische<br />

Abflüsse. Die Taucher werden am Grund festgesogen,<br />

in die Ritzen gesogen, versuchen wegzukrabbeln,<br />

schaffen’s aber nicht, das Wasser ist kristallklar, zieht<br />

sie <strong>im</strong>mer wieder zurück, die Forelle schaut verständnislos<br />

zu, glotzt blöd, wie der Taucher jämmerlich ersäuft,<br />

verreckt, und nichts kann ihn retten.<br />

Ludwig.<br />

Schlage ich vor, dass spielen wir Thema nochmals.<br />

Fritz, singe Basspart dazu.<br />

Gute Idee, Braschi. Der Bass fehlt wirklich. Es ist nun<br />

mal ein Quintett, und nicht ein Quartett.<br />

Singt Bassmelodie des Andantinos.<br />

Bam - bambam baam, bambam baam, Pause und so<br />

weiter.<br />

Hotz singt mit. Der Heulton <strong>im</strong> Hintergrund ist<br />

manchmal lauter, dann wieder leiser zu vernehmen.<br />

Die Musiker ignorieren ihn.<br />

Gut, ich werd’s versuchen.<br />

- 6 -<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.


Hotz<br />

Von Gässer<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Von Gässer<br />

Von Gässer<br />

Schönhuber<br />

Von Gässer<br />

Hotz<br />

Schönhuber<br />

Von Gässer<br />

Schönhuber<br />

<strong>Fisch</strong> <strong>im</strong> <strong>Keller</strong><br />

Sie spielen das Andantino noch einmal. Hotz singt<br />

den Bass dazu.<br />

Es ist natürlich nicht dasselbe, wie wenn Louis den<br />

Bass spielt.<br />

Schade, ist er nicht da.<br />

Er war wohl unterwegs, als es losging.<br />

Jetzt hören die vier auf den Heulton. Schönhuber<br />

blickt auf die Uhr.<br />

Es reicht! Jetzt hat’s doch wirklich jeder gehört!<br />

Ein schauriger Ton.<br />

Warten.<br />

Was ist bloss geschehen? Hoffentlich sind die Kinder<br />

auch <strong>im</strong> <strong>Keller</strong>. Die Lehrer werden dafür sorgen.<br />

Mich würde auch langsam interessieren, was da oben<br />

los ist. Ein solches Affentheater! Das ist doch nicht<br />

normal.<br />

Immer, wenn das Geheul aufhört, meinst du, jetzt sei<br />

alles in Ordnung. Und dann fängt’s wieder an.<br />

Vielleicht haben sie in einer chemischen Fabrik die<br />

Fenster geöffnet, und nicht weit davon wurden gerade<br />

Messungen durchgeführt. Das ist der Wahnsinn, was<br />

heutzutage nicht alles gemessen wird. Du kannst nicht<br />

mal mehr mit gutem Gewissen Bohnen essen aus<br />

Furcht, es löse Alarm aus.<br />

Vielleicht ist <strong>im</strong> AKW ein Ventil gerissen.<br />

Ist etwas mit dem Ozon?<br />

Genau zwei Minuten. Unterbrochener, an - und<br />

abschwellender Heulton von zwei Minuten. So steht’s<br />

<strong>im</strong> Merkblatt. Strahlenalarm.<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

- 7 -<br />

Kein Aufführungsrecht.


Brajinski<br />

Von Gässer<br />

Schönhuber<br />

Brajinski<br />

Hotz<br />

Von Gässer<br />

Hotz<br />

Schönhuber<br />

Brajinski<br />

Schönhuber<br />

Brajinski<br />

Hotz<br />

Brajinski<br />

Hotz<br />

Von Gässer<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Vielleicht ist explodiert AKW und haben wir ungünstigen<br />

Wind.<br />

Meine Güte, Wladislaw, mach mir nicht Angst!<br />

Erzähl keinen Mist, Braschi. Du jagst Irene unnötig<br />

Furcht ein.<br />

Entschuldigung. Haben wir eben kein Radio zum<br />

Hören, was ist los.<br />

Wozu? Was sagen die? Wir sollen uns ganz ruhig in<br />

den <strong>Keller</strong> begeben. Und dann bringen sie beruhigende<br />

Musik.<br />

Die haben wir auch. Spielen wir die Variationen.<br />

Gute Idee. Da wir schon in diesem <strong>Keller</strong> sitzen.<br />

Wenn es wenigstens ein Weinkeller wäre! Ohne etwas<br />

Anständiges zu trinken hier unten vergrauen zu<br />

müssen, ist die reinste Zumutung.<br />

Soll ich was holen?<br />

Du bleibst da.<br />

In Variation eins, Bass ist sehr wichtig. Wenn Fritz<br />

könnte singen plum plum plum... ist alles pizzicato.<br />

Hm. Geht runter bis ins G. Sollte drinliegen.<br />

Gut. Spielen wir.<br />

Sie spielen Variation eins. Hotz singt den Bass.<br />

Tönt ganz anders, wenn Louis den Bass zupft.<br />

Unglaublich, diese Geigentriller. Wie ein Mückenschwarm<br />

über der Wasseroberfläche tanzen sie.<br />

Ersaufen muss saumässig sein.<br />

Und ruhig ist <strong>im</strong> Wasser die Forelle, dargestellt vom<br />

Klavier. Meine Damen und Herren. Mesdames et<br />

- 8 -<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.


Von Gässer<br />

Hotz<br />

Schönhuber<br />

Von Gässer<br />

Hotz<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Brajinski<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Brajinski<br />

Schönhuber<br />

Brajinski<br />

<strong>Fisch</strong> <strong>im</strong> <strong>Keller</strong><br />

messieurs. Signori e signore, am Pianoforte la signora<br />

Irena Gabriella von Gässer!<br />

Die drei Männer applaudieren.<br />

Hört auf. Fritz, ich bitte dich. Das ist peinlich. So ein<br />

scheussliches Klavier.<br />

Da capo! Da capo!<br />

Sirenengeheul wie vorher.<br />

Es reicht! Es reicht, hab’ ich gesagt! Donnerwetter,<br />

warum können diese Idioten das verdammte Geheul<br />

nicht endlich abstellen? Das gibt’s doch nicht! Aufhören!<br />

Abstellen!<br />

Er n<strong>im</strong>mt die Geige und «sirent» ebenfalls. Hotz und<br />

Brajinski fangen auch an. Crescendo.<br />

Halt! Hört auf! Aufhören! Bitte.<br />

Stille. Heulton von weit weg.<br />

Eine, die nicht merkt, dass hat aufgehört alles.<br />

Was aufgehört?<br />

Eben.<br />

Haben Sirenen aufgehört, Verseuchung nicht.<br />

Da muss etwas Gravierendes geschehen sein. Sonst<br />

würden die nicht so sirenen. Immer und <strong>im</strong>mer wieder.<br />

Wir sind hier in Sicherheit.<br />

Ha. Bin ich nicht so sicher. Tür schliesst schlecht.<br />

Der Rahmen ist verzogen. Die Tür auch. Fingerbreite<br />

Spalten. Da könnte eine Maus durchkriechen. Die<br />

müssen zu. So etwas ist doch kein Schutzraum.<br />

St<strong>im</strong>mt. Ist alter Kornkeller. Abstellraum der Musikschule.<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

- 9 -<br />

Kein Aufführungsrecht.


Von Gässer<br />

Schönhuber<br />

Von Gässer<br />

Hotz<br />

Von Gässer<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Schönhuber<br />

Von Gässer<br />

Brajinski<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Brajinski<br />

Schönhuber reisst an der Türfalle. Diese löst sich, er<br />

taumelt in den Raum. Die Tür öffnet sich.<br />

Schaut! Die Tür!<br />

Helft doch, H<strong>im</strong>melsternennocheinmal!<br />

Die Männer ziehen die Tür zu. Von Gässer wühlt in<br />

der Truhe.<br />

Da. Schnur, Draht, alte Riemen.<br />

Gib her. So sollte es gehen. Hat’s noch Lappen oder<br />

Säcke oder sonst welche Fetzen? Wir müssen die<br />

Spalten stopfen.<br />

Hier. Jutesäcke. Ein Leintuch. Pfui Teufel, mieft das<br />

Zeug. Da sind Lappen, jede Menge, Kleider.<br />

Gib das Zeug, schnell. Stopft, aber richtig. Drückt den<br />

Dreck ins Loch. Da darf keine Luft mehr durch. Oben<br />

noch.<br />

Verflucht nochmal. Die Scheisstür hängt völlig schief<br />

in den Angeln.<br />

Jetzt ist nicht schlecht, glaube ich. Jetzt hört man auch<br />

das verdammte Geheul weniger.<br />

Gut, haben wir daran gedacht. Ich rieche jedenfalls<br />

noch nichts.<br />

Ich auch nicht.<br />

Gott sei Dank.<br />

Radioaktivität riecht nicht nach faulen Eiern.<br />

Was Radio… Spinnst du?<br />

Bieridee. Unsere AKWs sind sicher.<br />

Todsicher.<br />

- 10 -<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.


Schönhuber<br />

Von Gässer<br />

Brajinski<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Brajinski<br />

Von Gässer<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Brajinski<br />

Von Gässer<br />

Hotz<br />

Schönhuber<br />

<strong>Fisch</strong> <strong>im</strong> <strong>Keller</strong><br />

Nicht so billiger Ramsch wie bei euch <strong>im</strong> Osten,<br />

Braschi.<br />

Wir haben hier so absolute Sicherheitsbest<strong>im</strong>mungen.<br />

Papiertiger gegen Strahlung.<br />

Jetzt mach einen Punkt, du Witzkanone.<br />

Wirklich. Du musst die arme Irene nicht so erschrecken.<br />

Schwarzer Humor in Ehren, aber...<br />

Aber was? Sirene heult nicht <strong>im</strong>mer und <strong>im</strong>mer wieder<br />

für Unterhaltung!<br />

Er hat recht. Es muss etwas Furchtbares geschehen<br />

sein.<br />

«Es muss etwas Furchtbares geschehen sein.» Aber<br />

was? Diese Idioten dürften langsam eine Karre mit<br />

Lautsprechern zirkulieren lassen. Kannst doch nicht<br />

verlangen, dass jeder Kerl ein Radio mit sich ‘rumschleppt.<br />

Ludwig, reg dich nicht so auf. Wir müssen jetzt<br />

einfach Geduld haben.<br />

Jaja, ich weiss. Mist.<br />

Vergesst nicht. Oben sind noch zwei Türen. Die sind<br />

dicht. Hört! Jetzt ist es still.<br />

Totenstill.<br />

Warten.<br />

Mich schaudert. Fritz, es ist kaum auszuhalten. Was<br />

tun wir?<br />

Irene, beruhige dich, es kommt schon gut.<br />

«Musik! Musik! Die Schwarzen soll’n<br />

Hier auf dem Verdecke tanzen.<br />

- 11 -<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.


Hotz<br />

Brajinski<br />

Schönhuber<br />

Von Gässer<br />

Hotz<br />

Schönhuber<br />

Brajinski<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Brajinski<br />

Hotz<br />

Brajinski<br />

Von Gässer<br />

Und wer sich be<strong>im</strong> Hopsen nicht amüsiert,<br />

Den soll die Peitsche kuranzen.»<br />

Variation zwo. Jetzt kommt dein grosser Auftritt,<br />

Braschi. Du hast die Melodie.<br />

Ich weiss. Ist schönste Variation.<br />

Ach ja, eben. Der Bass. Im ersten Teil ist nicht viel. Im<br />

zweiten musst du wieder schauen, was du machen<br />

kannst.<br />

Sie spielen Variation zwei.<br />

Wunderbar, Wladislaw. Richtig feierlich hat das<br />

geklungen. Was würden wir machen ohne Musik? Ein<br />

Leben ohne Musik ist wie...<br />

Ein <strong>Fisch</strong> ohne Wasser.<br />

<strong>Fisch</strong> ohne Weisswein.<br />

<strong>Fisch</strong> <strong>im</strong> <strong>Keller</strong>.<br />

Könntest du nicht noch etwas mehr hervortreten, Fritz?<br />

Erst der Bass macht den richtigen Sound. Verstehst<br />

du? Den Schubert Groove in der Schubert Gruft.<br />

Was? Noch mehr? Ich muss jetzt schon spielen und<br />

singen. Sing doch du mal! Oder Braschi.<br />

Oder Irene.<br />

Flauer Witz. Ich kann’s ja nochmal versuchen.<br />

Sehr schöne Klavierst<strong>im</strong>me, Irene.<br />

Danke, Wladislaw. Die Bratsche ist warm empfunden,<br />

bescheiden, und obendurch flackert unruhig die Geige,<br />

da muss das Klavier klar und best<strong>im</strong>mt bleiben.<br />

- 12 -<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.


Schönhuber<br />

Hotz<br />

Schönhuber<br />

Von Gässer<br />

Schönhuber<br />

Brajinski<br />

Schönhuber<br />

Brajinski<br />

Schönhuber<br />

Brajinski<br />

Schönhuber<br />

Brajinski<br />

Hotz<br />

Brajinski<br />

Hotz<br />

Schönhuber<br />

<strong>Fisch</strong> <strong>im</strong> <strong>Keller</strong><br />

Vorhin hat’s geheissen, ich juble, und jetzt flackere ich<br />

bereits unruhig. Buh! Wer wohl am unruhigsten ist von<br />

uns?<br />

Es geht um die Forelle!<br />

Ach so, ihr redet vom <strong>Fisch</strong>.<br />

Nichts kann so unglaublich entspannen wie die Musik.<br />

Wenn ich gestresst bin, wenn mich alles nervt, die<br />

Kinder, die Proben, die Kollegen, dann brauche ich<br />

meine Dosis Bach.<br />

Blabla Bach.<br />

Bach ist <strong>im</strong>mer gut.<br />

Der ist auch nicht mehr, was er mal war. Frag den<br />

<strong>Fisch</strong>.<br />

Ich bevorzuge die Moderne. Schönberg. Lutoslawski.<br />

Noch moderner, wenn es geht. Chaos, Auflösung. Das<br />

ist ehrliche Musik. Die passt zu heute. Aber wenn<br />

Seele krank, wenn braucht sie Balsam, dann...<br />

Gib ihr Whisky.<br />

Bach ist besser. Glaube, Klarheit, Zuversicht.<br />

Hol uns was zu trinken, Braschi.<br />

Soll ich?<br />

Spinnst du? Du bleibst da. Die Forelle verlässt den<br />

Bach nicht. Es sei denn, sie sei an der Angel oder tot.<br />

Bach. Musikalische He<strong>im</strong>at.<br />

Ein feste Burg ist unser Gott. Der Stil.<br />

singt. Ein feste Burg ist unser Gott, all unser Tun und<br />

Lassen!<br />

- 13 -<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.


Von Gässer<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Hotz<br />

Schönhuber<br />

Von Gässer<br />

Schönhuber<br />

Mehr als das Best<strong>im</strong>mte suche ich bei ihm das<br />

Meditative, die Stellen, wo Musik entstofflicht wird,<br />

zu kosmischem Staub zerfällt, woraus sich Neues<br />

bilden kann. Ich denke an die Goldberg-Variationen.<br />

Das Thema ist das reinste Raga.<br />

Kosmischer Goldstaub.<br />

Hör auf!<br />

Von Gässer spielt oder singt das Thema der Goldberg<br />

Variationen. Sirenengeheul wie vorher.<br />

Nein, nein, nein! Das darf nicht wahr sein!<br />

Das Geheul tötet mir den letzten Nerv. Da muss einer<br />

ein lahmer Arsch sein, wenn er jetzt noch nicht <strong>im</strong><br />

<strong>Keller</strong> sitzt.<br />

Nicht zum Aushalten, dieser Ton.<br />

Schönhubers Lied<br />

ein Ton ein Ton<br />

da ist er schon<br />

von rück von vorn<br />

a song is born<br />

kaum erronnen<br />

kaum begonnen<br />

wie ein Dieb<br />

schleicht ein Lied<br />

legt ein ei<br />

knackt dabei<br />

bricht entzwei<br />

macht sich frei<br />

gebiert aus nichts<br />

- 14 -<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.


<strong>Fisch</strong> <strong>im</strong> <strong>Keller</strong><br />

sich selbst heraus<br />

ein mönsterchen<br />

und gähnt<br />

und reckt sich<br />

schnuppert hungrig<br />

leckt die Lippen<br />

reibt die Händchen sich am Bauch<br />

schliesst die Augen<br />

jodelt gierig<br />

springt in der Oktav herum<br />

rüttelt Becken<br />

schüttelt Saiten<br />

furzt dazu in geiler Lust<br />

und es schnappt sich eine Note<br />

frisst sie samt dem Fähnchen auf<br />

leckt das Maul und saugt sogleich<br />

eine Notenleiter drauf<br />

wütet hin und her und geifert<br />

beisst und schnappt bald links bald rechts<br />

Lücken Lücken Lied mein Leid<br />

was Lied o Noten Töne weg<br />

Monster tobt und schlingt reisst in sich<br />

löst mein armes Liedchen auf<br />

nichts ist von dem Song geblieben<br />

dröhnend rülpst der fette Bauch<br />

gierig sucht’s nach noch mehr Beute<br />

meine Güt - beisst sich ins Knie<br />

frisst die Beine nagt die Arme<br />

auch den Bauch verschlingt’s <strong>im</strong> Nu<br />

- 15 -<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.


Von Gässer<br />

Hotz<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Schönhuber<br />

After nur und Mund verbleiben<br />

alles andre ist schon weg<br />

schwupps - da schluckt der Mund das Arschloch<br />

rülpst noch einmal schluckt sich selbst<br />

Das muss ein Anblick sein. Mittag, aber keine Menschenseele<br />

weit und breit. Nur Tauben, vielleicht ein<br />

Hund. Die Arkaden leer. Die Geschäfte nicht einmal<br />

abgeschlossen. Es ist einfach niemand da. Fähnchen<br />

flattern, der Wind blättert am Kiosk in Magazinen.<br />

Eine Geisterstadt, plötzlich leergefegt, allein, wie <strong>im</strong><br />

Märchen.<br />

Die Biergläser auf den Tischen der Strassencafés nicht<br />

leergetrunken. Die Verkehrsampeln geben sinnlose<br />

Zeichen, grün, gelb, rot. Für niemanden. Ein leerer<br />

Trolleybus mit offenen Türen wartet auf Fahrgäste, auf<br />

einem Grill verkohlen Bratwürste.<br />

Die Girls auf den Plakaten be<strong>im</strong> Pornokino stöhnen<br />

unbeachtet stumm ins Leere.<br />

Aus einem Geschäft tönt Musik. Jetzt könntest du<br />

klauen, was dein Herz begehrt.<br />

Hast du eine Ahnung. Die Polizei patrouilliert. In<br />

Schutzanzügen, mit Masken. Besitz schützen ist<br />

wichtiger als Menschen schützen. Makabre Karnevalsfiguren.<br />

In dieser Häuserkulisse. Wie in der Pestzeit,<br />

die mit den spitzen Kapuzen und langen Mänteln.<br />

Die Naivlinge, die meinten, sie könnten sich so<br />

schützen.<br />

Hallo, hier ist der Leichendienst. Habt ihr was<br />

abzuholen? Habt ihr ‘nen toten Toten? Eine gänzlich<br />

unlebendige Leich’? Wes ist des Leichnams Nam’?<br />

Spielt keine Rolle. Los, rauf mit ihr auf den Wagen,<br />

- 16 -<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.


Von Gässer<br />

Brajinski<br />

Von Gässer<br />

Brajinski<br />

Hotz<br />

Brajinski<br />

Schönhuber<br />

Brajinski<br />

Von Gässer<br />

Brajinski<br />

<strong>Fisch</strong> <strong>im</strong> <strong>Keller</strong><br />

klapper, klapper, Knöchel krallen, Waden winken,<br />

Zähne blecken vom Verrecken und es stinkt. Dicke<br />

Schwaden von Darmdämpfen hocken in den Gassen,<br />

Urin, Scheissdreck, offene Geschwüre, hü, alter<br />

Klepper, schepper, schepper raus auf’s Feld, hinab ins<br />

Grab, es schliert vom Wagen, klebrig, fädenziehend,<br />

grüss’ Gott Rab’, kra, kra, ins Massengrab, kra.<br />

Keiner wusste, ob er morgen noch lebte. Wladislaw,<br />

was hast du?<br />

Ersticke ich an Erinnerungen... Bilder tauchen auf,<br />

schreckliche. Heulton reisst Panzerdeckel weg.<br />

Ludwig, ich habe Angst. Vater, starker Vater, guter<br />

Vater, Vater des In-die-Luft-Werfens, Vater des<br />

Lachens. Vater der Musik, tot. Erschossen.<br />

Das ist... das ist furchtbar, Wladislaw. Das tut mir leid.<br />

Du hast nie etwas gesagt.<br />

Viele Männer tot. Frauen schreien. Weinen. Dann<br />

Mutter krank. Zu viel gearbeitet, <strong>im</strong>mer gehustet, Blut<br />

gehustet. Kinder verteilt in verschiedene Familien,<br />

Mutter und Schwestern nie mehr gesehen. Verschollen.<br />

Da meinst du, so etwas gebe es nur <strong>im</strong> Fernsehen, und<br />

dann ist es dein Mitmensch.<br />

Ein Leben lang Suche nach Gefühl von vor Katastrophe.<br />

Durch Städte, Länder, Musik hat erhalten mich<br />

am Leben. In Musik ich finde Gefühl wieder,<br />

manchmal. Bruchstücke.<br />

Du hättest davon reden sollen. Dazu hat man Freunde.<br />

Danke, Ludwig. Ist nicht unproblematisch. Will keiner<br />

hören. Alle vorsichtig.<br />

Es tut mir leid. Aber dein Freund?<br />

Boris? Wurde ausgewiesen. Letzten Monat.<br />

- 17 -<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.


Hotz<br />

Brajinski<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Von Gässer<br />

Hotz<br />

Schönhuber<br />

Schönhuber<br />

Von Gässer<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Von Gässer<br />

Brajinski<br />

Hätten wir zugehört? Jetzt sitzen wir in diesem<br />

gottverlassenen <strong>Keller</strong> und sind plötzlich schrecklich<br />

sensibel.<br />

Ludwig, habe ich <strong>im</strong>mer gehofft, du würdest, vielleicht…<br />

Die Sirene hat aufgehört.<br />

Es ist still.<br />

Das ist noch fast schl<strong>im</strong>mer. Jetzt hörst du nichts mehr<br />

von draussen. Wenigstens bist du da, Fritz.<br />

Irene.<br />

Schweigen.<br />

H<strong>im</strong>melherrgottsakramentnochmal! Wenn wir nur ein<br />

Radio hätten!<br />

Er bearbeitet den Schrank.<br />

Hat’s wirklich nirgends ein Werkzeug? Doch, hier,<br />

eine Harke. Damit könnte es gehen. Hau Ruck.<br />

Verdammter Schweinehund, elender. Es geht nicht.<br />

Scheissschrank.<br />

Von Gässer tastet die Schrankoberkante ab, findet<br />

den Schlüssel.<br />

Versuch’s damit.<br />

Wie? Aha. Es geht. Wow, der Trödel! Nichts Brauchbares.<br />

Halt, was ist das? Ein Radio. Leute, schaut, ein<br />

Radiogerät! Singt opernhaft. Freunde, Freunde, ha!<br />

welch überirdische Freude!<br />

Hat’s irgendwo eine Steckdose?<br />

Neben der Tür.<br />

Ludwig, warum lehnst du mich ab?<br />

- 18 -<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.


<strong>Fisch</strong> <strong>im</strong> <strong>Keller</strong><br />

Schönhuber Ich lehne dich nicht ab.<br />

Brajinski Aber weshalb denn…<br />

Schönhuber Schweig.<br />

Hotz Scheint zu funktionieren. Das Kontrolllicht flackert.<br />

Schönhuber Radio aktiv.<br />

Hotz Wenn wir bloss etwas empfangen können!<br />

Schönhuber Da. Das ist er. Das muss er sein.<br />

Marschmusik ertönt, stark gestört.<br />

Von Gässer Nein, wie martialisch. Heldenmütig.<br />

Hotz Sind wir daran, einen Krieg zu verlieren?<br />

Schönhuber<br />

Von Gässer<br />

Schönhuber<br />

St<strong>im</strong>me<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Von Gässer<br />

St<strong>im</strong>me<br />

Ist das nicht der General Weissnichtwas-Marsch? Den<br />

Sender hätten wir, als nächstes kommt ein Jodellied.<br />

Ria ria holdrio…<br />

Dass du schon wieder faule Sprüche klopfst.<br />

Was soll ich? Flennen? «Bäche von gesalznen Zähren<br />

rauschen, fluten stets einher.»<br />

Der Marsch ist zu Ende. Ruhige St<strong>im</strong>me, stark<br />

gestört.<br />

Verehrte Zuhörerinnen und Zuhörer, der General-<br />

Ludendorff-Marsch wurde gespielt von der Brassband<br />

der Polizeiakademie…<br />

Störung.<br />

Das darf doch nicht wahr sein!<br />

Ruhe! Den finden wir wieder. Scheisskiste!<br />

Pst!<br />

…ten. Es besteht kein Grund zur Beunruhigung.<br />

Bleiben Sie in ihrem Schutzraum. Verhalten Sie sich<br />

- 19 -<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.


Schönhuber<br />

Von Gässer<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Schönhuber<br />

Von Gässer<br />

Schönhuber<br />

Von Gässer<br />

Schönhuber<br />

ruhig. Verlassen Sie ihren sicheren Aufenthaltsort erst,<br />

wenn Sie auf diesem Sender die ausdrückliche Erlaubnis<br />

dazu erhalten. Spezialeinheiten des Zivilschutzes,<br />

der Polizei und der Armee werden in Kürze beginnen,<br />

in der Kernzone Haus um Haus abzusuchen und die<br />

Bewohner zu evakuieren. Bleiben Sie ruhig. Wir wünschen<br />

Ihnen weiterhin viel Vergnügen mit unserem<br />

Musikprogramm.<br />

Jodellied.<br />

Stellt das verdammte Geheul leiser, sonst dreh’ ich<br />

durch!<br />

Was um H<strong>im</strong>mels Willen ist geschehen?<br />

Haargenau <strong>im</strong> allerdümmsten Augenblick geht der<br />

Kiste der Atem aus.<br />

Sie haben uns nicht vergessen. Falls wir uns hier in der<br />

Kernzone befinden sollten - was nicht unbedingt der<br />

Fall sein muss - werden wir in Kürze gerettet.<br />

Und dann gibt’s Tee und Suppe und jedem eine Jodtablette<br />

samt Reglement und bitte die Personalausweisnummer<br />

angeben und tschüss zusammen, macht’s gut.<br />

Dein Gift ist kaum auszuhalten, Ludwig.<br />

Stellst du dir vor, die Staatskarosse fahre vor, der rote<br />

Teppich werde ausgerollt, und wir werden unter Fanfarenklängen<br />

rausgeholt?<br />

Nein. Aber die werden Spezialkleider mit Atemschutzgeräten<br />

haben, und dann fahren sie uns mit Bussen aus<br />

dem Gefahrenbereich.<br />

Ach so. Das kann aber noch ein Weilchen dauern.<br />

Zuerst kommen die Schulen dran, die Spitäler, die<br />

Altershe<strong>im</strong>e. Dann die Warenhäuser, Bahnhöfe, die<br />

Hauptpost, die Kneipen und Kinos. Dort wird zuerst<br />

- 20 -<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.


Brajinski<br />

Hotz<br />

Von Gässer<br />

Brajinski<br />

Schönhuber<br />

Von Gässer<br />

Schönhuber<br />

Von Gässer<br />

Schönhuber<br />

<strong>Fisch</strong> <strong>im</strong> <strong>Keller</strong><br />

geschaut, wo die Leute wie Ölsardinen ineinandergepackt<br />

sitzen, wegen der Massenhysterie. Viel später<br />

kommen die Wohnhäuser an die Reihe, die Einfamilienhäuser,<br />

wo Esswaren und Getränke für ein paar<br />

Tage lagern. Dann der Zoo mit den armen Hyänen und<br />

Geiern. Und einmal, irgend einmal, kommt es einem<br />

strategischen Oberhirn in den Sinn, in den vergammelten<br />

Altstadtkellern nachzuschauen. Nicht einmal ein<br />

Klo haben wir.<br />

Ist in Schrank E<strong>im</strong>er mit Deckel. Machen wir links von<br />

Schrank Toilette, ist Vorhang in E<strong>im</strong>er. Hilfst du mir,<br />

Ludwig?<br />

Die beiden montieren den Vorhang.<br />

Wir sitzen in der Falle. Irene – so habe ich es mir nicht<br />

vorgestellt.<br />

Ich weiss, Ludwig. Ich auch nicht. So gehen Wünsche<br />

in Erfüllung.<br />

Warum, Ludwig, hast du mich...<br />

Sitz.<br />

Gott sei Dank ist dies Problem mal gelöst.<br />

Das ist doch ein Detail. Mir wäre es scheissegal, in die<br />

Ecke zu pissen. Gut, einverstanden, mit Deckel ist’s<br />

angenehmer. Aber wir haben kein Wasser! Nichts!<br />

Und wenn sich schon jemand opfern würde und<br />

hinaufginge, einen E<strong>im</strong>er voll zu holen, wüssten wir<br />

nicht einmal, ob es verseucht wäre.<br />

Daran habe ich nicht gedacht. Meine Güte! Die<br />

Sirenen schweigen. Jetzt sind alle Menschen <strong>im</strong> <strong>Keller</strong>.<br />

Oder krepiert.<br />

- 21 -<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.


Von Gässer<br />

Schönhuber<br />

Von Gässer<br />

Schönhuber<br />

Von Gässer<br />

Schönhuber<br />

Von Gässer<br />

Hotz<br />

Brajinski<br />

Hotz<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Ludwig! Sag so etwas nicht! Meine Kinder. Daniel.<br />

Hoffentlich sind sie <strong>im</strong> <strong>Keller</strong>!<br />

Ich hab’ wenigstens den Kummer nicht. Habt ihr einen<br />

<strong>Keller</strong>?<br />

Ja. Mit Filter und dicker Tür.<br />

Na also. Haben sie zu essen und zu trinken?<br />

Zwei Kisten Mineralwasser, Wein, Essig, Zucker und<br />

Öl.<br />

Na also.<br />

Die Armen, wie furchtbar!<br />

Irene, weine nicht, versuche dich zu beruhigen. Mir<br />

geht es genau wie dir. Aber meine Frau und meine<br />

Kinder müssen in einen Gemeinschaftsschutzraum.<br />

Zweihundert auf dichtestem Raum. Kannst du dir das<br />

vorstellen? Das Geschrei, die flennenden Kinder, einer<br />

hat den Blinddarm entzündet, einer Dauerdurchfall, der<br />

Schutzraumchef dreht durch, einer kotzt über die<br />

Pritschen, und alle spinnen!<br />

Einer von Schutzräumen, bezugsbereit innerhalb von<br />

24 Stunden?<br />

Wenn’s eilt, wirfst du alles raus auf den Gehsteig. Die<br />

haben wenigstens zu essen und zu trinken. Und ein<br />

anständiges Klo.<br />

Und einen Kühlraum. Für Leichen und Abfälle.<br />

Hör auf.<br />

Die Leichen schweissen sie erst in Plastiksäcke ein.<br />

Das ist eine knifflige Arbeit.<br />

Aufhören sollst du!<br />

- 22 -<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.


<strong>Fisch</strong> <strong>im</strong> <strong>Keller</strong><br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Schönhuber<br />

So eine Leiche ist etwas Flutschiges. Die will nicht in<br />

den Plastiksack. Rein mit dem Bein, rein mit dem Arm,<br />

so, gut gestopft, ich brech dir die Knochen, glotz nicht<br />

so unverschämt, Lady.<br />

Willst du uns fertigmachen? Die braucht’s doch nicht,<br />

diese Säcke!<br />

Nein. Genau so wenig wie die Schutzräume, die hat<br />

man einfach so gebaut, zur Beruhigung. Dass das Volk<br />

mitmacht bei der gigantischen Entgleisung.<br />

Hotz<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Schönhuber<br />

Es geht,<br />

Es geht besser,<br />

Geht noch besser,<br />

Noch besser, noch besser, noch besser,<br />

Besseresseresseresser Metzger wetz mir ‘s<br />

Metzgermesser, Metzger wetz mirs gut, bisss... der<br />

Welt... der Atem... pffffffffff...<br />

Von Gässer dreht das Radio laut auf und verschwindet<br />

hinter dem Vorhang. Marschmusik erklingt .<br />

Schutzräume hat’s <strong>im</strong>mer gegeben. Sicherheitszellen.<br />

Fluchtorte. Dämme. Bergfriede. Mauern. Bunker.<br />

Jaja, die Bunker. Hochverrat am Volk. Die Armeespitze<br />

verschanzt sich unter dem Boden und schickt<br />

das Volk auf die Schlachtfelder. Die Helden bauen<br />

einen Unterdrückungsapparat ohne Lücke, dann<br />

hocken sie unter den Boden und zeichnen Linien auf<br />

Karten. Spielen Meister Tod, fressen dazu Kaviar und<br />

saufen Cognac.<br />

Auf irgend eine Art und Weise wollte sich der Mensch<br />

schon <strong>im</strong>mer schützen.<br />

Früher hast du den Feind gesehen. Du konntest ihm<br />

entgegenreiten, ihm ins Auge sehen, ihm deine Lanze<br />

- 23 -<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.


Hotz<br />

Schönhuber<br />

Schönhuber<br />

Brajinski<br />

in den weichen Bauch stossen, ihn an den Boden<br />

nageln und zuschauen, wie ihm Blutschaum aus dem<br />

Maul schoss, wie er zuckte, wie er in Todespein seinen<br />

Gott anschrie, wie seine Augen brachen. Und er war<br />

erledigt, aus, fertig, Schluss. Den Kopf konntest du<br />

abschneiden, auf eine Lanze stecken, ihn deinen<br />

Leuten zeigen und in wildes Geheul ausbrechen.<br />

Damals gab es noch Siege. Und was du nicht gesehen<br />

hast, konntest du mit Hilfe des Aberglaubens sichtbar<br />

machen. Du konntest den Feind lebendigen Leibes<br />

verbrennen oder vor ihm auf die Knie sinken und dich<br />

bedingungslos betend deinem Schicksal beugen. Geh<br />

und begegne einmal einer Strahlung. Einem C-Kampfstoff.<br />

Einer biologischen Waffe. Einer Neutronenbombe.<br />

Der Mensch will sich nun mal schützen. Ganz am<br />

Anfang stieg er auf Bäume, verkroch sich in eine<br />

Höhle. Und irgendwie sind wir nicht weitergekommen.<br />

Doch. Wir haben einen E<strong>im</strong>er in der Höhle. Mit<br />

Deckel!<br />

Von Gässer kommt wieder hinter dem Vorhang hervor.<br />

Der gefährdete Mensch will sich nicht in eine Ecke<br />

verkriechen. Kämpfen will er. Es brennt. Feuer! Und<br />

die Männer rennen und brüllen, zerren an Schläuchen<br />

und schuften. Das gibt einen Wasserschaden und ein<br />

gutes Gefühl. Oder Land unter! Nehmt Gabeln, Hakken,<br />

Schaufeln, schaufelt, schaufelt, schaufelt Wasser<br />

hin und her! Und wir? Wir verkriechen uns in einen<br />

<strong>Keller</strong> und pissen in einen E<strong>im</strong>er.<br />

Kommt mir englisches Lied in Sinn: Anno 1665 brach<br />

Pest aus, in London.<br />

- 24 -<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.


Hotz<br />

Schönhuber<br />

Brajinski<br />

Hotz<br />

Brajinski<br />

Hotz<br />

Brajinski<br />

Schönhuber<br />

Brajinski<br />

Hotz<br />

Brajinski<br />

Schönhuber<br />

Brajinski<br />

Hotz<br />

<strong>Fisch</strong> <strong>im</strong> <strong>Keller</strong><br />

Geh doch raus! Niemand hält dich zurück. Bist ja<br />

versichert.<br />

Verunsichert.<br />

Ein Händler brachte Krankheit in kleines Dorf namens<br />

Eyam.<br />

Was du Monat für Monat ausgibst. Vor lauter Angst,<br />

einmal zahlen zu müssen.<br />

Als die Leute merkten, dass Pest <strong>im</strong> Dorf, sie fassten<br />

Entschluss: Niemand verlässt das Dorf. Sie bauten<br />

Mauer ringsherum und wachten streng, dass niemand<br />

es verliess.<br />

Und dann fährst du mit hundertachzig über die Autobahn,<br />

aber am Heck hast du einen Aufkleber mit der<br />

Telefonnummer des Rettungshelikopters. Damit die<br />

direkt neben deinem Wrack landen und dich mit ihrem<br />

Büchsenöffner rausschneiden.<br />

So warteten sie auf Hungertod. Man stelle sich vor:<br />

Mauer gegen innern Feind, um andere davor zu<br />

schützen.<br />

Immer noch besser als dein <strong>Fisch</strong> am Heck, damit die<br />

<strong>im</strong> H<strong>im</strong>mel dich erkennen, wenn du angeflattert<br />

kommst.<br />

Mit aller Konsequenz.<br />

Lass meinen Glauben aus dem Spiel.<br />

Dreiunddreissig haben überlebt.<br />

Zum Glück haben wir noch diesen Reserveheiland bei<br />

uns.<br />

Von dreihundertundsechzig.<br />

Was sagst du?<br />

- 25 -<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.


Brajinski<br />

Schönhuber<br />

Brajinski<br />

Schönhuber<br />

Von Gässer<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Brajinski<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Schönhuber<br />

Brajinski<br />

Schönhuber<br />

Von Gässer<br />

Brajinski<br />

Sie bauten ihr Dorf neu auf.<br />

Ach nichts.<br />

Gegend war geblieben von Pest verschont.<br />

Was erzählst du da?<br />

In Legenden findest du die vernünftigsten Leute.<br />

Früher, ja früher! Der Feind! Gott erhöhte und<br />

erniedrigte, strafte und prüfte und belohnte. Die Pest.<br />

Schl<strong>im</strong>m, aber dem Hiob war’s noch viel beschissener<br />

gegangen. Eine gute Ernte. Gut gemacht, Chef. Dann<br />

brannte das Haus ab mit der ganzen Familie drin. Des<br />

Teufels. Eine Prüfung. Hat man alles gefressen. Hat<br />

Halleluja geschrien und sich Asche auf’s Haupt<br />

gestreut, Hosianna, danke, danke für diese herrliche,<br />

teuflische Prüfung, zertrete mich elenden Wurm,<br />

zermalme mich sündigen Auswurf, mich räudigen<br />

Abkömmling eines…<br />

Hör auf mit diesem blasphemischen Ton.<br />

Dann kam Darwin.<br />

Aha. Da haben wir’s. Ans Kreuz mit ihm! Der ist<br />

schuld!<br />

Kannst du eigentlich nicht sachlich bleiben?<br />

singt aus der Matthäus Passion. Kroho - hohohohoho<br />

- hoi - ziget ihn! Das Stärkere setzt sich durch.<br />

Ist kosmisches Grundprinzip.<br />

Das Starke ist das Gute. Das Schwache, das Schlechte<br />

wird sofort ausgemerzt.<br />

Das Gute ist das Starke, das Schlechte das Schwache.<br />

Wer entscheidet, was gut, was schlecht?<br />

- 26 -<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.


Hotz<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Schönhuber<br />

Von Gässer<br />

Schönhuber<br />

Von Gässer<br />

Hotz<br />

Von Gässer<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Die Bibel.<br />

Ist ein dickes Buch.<br />

Die Religion.<br />

<strong>Fisch</strong> <strong>im</strong> <strong>Keller</strong><br />

Religionen verhindern, Psychiater bauen Krücken,<br />

Versicherungen gaukeln Sicherheit vor, Schutzräume<br />

blenden. Alles derselbe Beschiss.<br />

Du bist ein Riesenarschloch, ein Tyrann, ein hoffnungsloser<br />

Spötter! Kannst du eigentlich andere nicht<br />

reden lassen, du verdammter Besserwisser?<br />

Leck mich am Arsch, du Knalleluja Erbse.<br />

Jetzt hör mir mal zu: Ich lass mich von dir nicht<br />

provozieren. Wenn du meinst, du könnest mich hier<br />

unten fertigmachen, dann irrst du dich, mein Lieber.<br />

Hast du das verstanden?<br />

Schönhuber lässt seine Hose runter.<br />

Da.<br />

Das geht zu weit. Hört bitte auf, euch in meiner<br />

Gegenwart aufzuführen wie kleine Kinder.<br />

Kannst ja gehen. Bitte!<br />

Schweigen.<br />

Um zu unserer Diskussion zurückzukommen: Ihr habt<br />

völlig unrecht! Alles Schlechte haben wir der Fantasielosigkeit<br />

zu verdanken.<br />

Was?<br />

Ich muss nicht extrem klettern, nicht Bunjee jumpen,<br />

nicht zu Drogen greifen, um tiefe Erlebnisse zu haben.<br />

Auch das noch. Bekenntnisse einer schönen Seele.<br />

Lass sie reden. Du meinst <strong>im</strong>mer, nur du seist klug.<br />

- 27 -<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.


Schönhuber<br />

Von Gässer<br />

Hotz<br />

Von Gässer<br />

Schönhuber<br />

Von Gässer<br />

Brajinski<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Schönhuber<br />

Von Gässer<br />

Tschüss zusammen. Ich geh ein bisschen <strong>im</strong> Wald<br />

spazieren.<br />

Im Dämmerzustand des Halbschlafes kann ich völlig<br />

bewusst mit der Fantasie spielen. Ich weiss, dass ich<br />

träume, kann aber gleichzeitig meine Gedanken steuern.<br />

Vor kurzem war ich in der Eigernordwand. Zuerst<br />

habe ich sie um neunzig Grad gedreht, um mit riesigen<br />

Sprüngen in Zeitlupe darauf herumzuhüpfen. Dann<br />

habe ich alles in die alte Lage zurückgedreht und bin in<br />

der Wand herumgeschwebt, federleicht, habe mich mit<br />

den Händen abgestossen, habe Saltos gedreht. Alpendohlen<br />

sind um mich gekreist, Nebelschwaden haben<br />

sich um die Felszinnen gewoben.<br />

Diese Hitze.<br />

Alle physikalischen Gesetze mussten mir gehorchen.<br />

Alles war möglich. Und dabei habe ich das ganze so<br />

intensiv erlebt, dass die Grenze zwischen Körper und<br />

Geist aufgehoben war. Ich habe es tatsächlich gespürt.<br />

Das totale Erlebnis!<br />

Wie ausserordentlich höchst bemerkenswert. Ein Buntspecht.<br />

Auf diese Art kann der Mensch Grenzen sprengen,<br />

irdische Grenzen, Grenzen <strong>im</strong> Kosmos.<br />

Alles alter Mist.<br />

Schön gesungen, Frau Amsel.<br />

Mir ist heiss.<br />

Wschschschsch! Weg ist sie.<br />

Die Gabe, eigene Ideen zu haben und mit der Idee an<br />

sich zufrieden zu sein, haben nur wenige Menschen.<br />

Der ganze Rest der Menschheit sind Ausführer. Aus<br />

Mangel an Fantasie.<br />

- 28 -<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.


Hotz<br />

Von Gässer<br />

Brajinski<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Brajinski<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Brajinski<br />

Schönhuber<br />

Brajinski<br />

Schönhuber<br />

Von Gässer<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Heizungsrohre hat’s keine.<br />

<strong>Fisch</strong> <strong>im</strong> <strong>Keller</strong><br />

Christos Verpackereien zum Beispiel. Eine Schnapsidee.<br />

Was wollt ihr verpackt haben? Den Kölner Dom,<br />

vieleicht? Wollt ihr ihn grün, hellgrün vielleicht? Und<br />

die Seile pink? Oder umgekehrt? Es gibt Ideen, die das<br />

Recht haben, reine Idee zu bleiben.<br />

Ludwig, ich muss mit dir reden, es ist mir wichtig, dass<br />

du…<br />

Halt! Hier wird nicht geschissen, verdammter Köter!<br />

Heiss und doch irgendwie frostig.<br />

Hör mir doch wenigstens zu.<br />

Unter jeden Baum scheisst ihr.<br />

Wie <strong>im</strong> Grab.<br />

Ich möchte…<br />

Was möchtest du? Sag’s endlich. Eine Schwubertiade?<br />

Nicht mit mir. Lass mich in Ruhe.<br />

Ich möchte nur…<br />

Ach so, warum hast du das nicht gleich gesagt. Na los,<br />

niemand hindert dich. Wir sind hier unten alle frei, zu<br />

tun, wonach uns der Sinn oder sonst was steht.<br />

Er schubst Brajinski hinter den Vorhang.<br />

Er wäre <strong>im</strong>stande, den Mond mit dem Sternenbanner<br />

zu überziehen.<br />

Viel Vergnügen, Braschi.<br />

Jajaja, natürlich, du hast völlig recht, Irene. Die Hitze<br />

könnte natürlich auch aus uns selber kommen, unsere<br />

Erregung könnte durchaus einen Einfluss haben auf<br />

unseren Körper, es könnte eine metaphysisch-hypo-<br />

- 29 -<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.


Von Gässer<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Schönhuber<br />

Von Gässer<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Schönhuber<br />

Von Gässer<br />

Schönhuber<br />

Von Gässer<br />

Hotz<br />

Von Gässer<br />

physisch ausgelöste pneumatische Körpererregung<br />

sein, welche sich äussert durch erhöhte Spannung, was<br />

wiederum einen Enfluss haben könnte auf die Raumtemparatur,<br />

vermeintlich, das ist eine quasi konspirative<br />

Transpirationsinterpretation, so dass, <strong>im</strong>mer noch<br />

bildlich gemeint, der ganze suggestiv psychomotorisch<br />

reflektierte Wahrnehmungsprozess erigiert und ins<br />

Absurde geführt wird.<br />

Nur geistiges Leben ist wirkliches Leben.<br />

Gib’s ihm, Braschi!<br />

So dass weiter letztlich am Schluss <strong>im</strong> Endeffekt nichts<br />

übrigbleibt als ein metaphorischer Klecks, klebrig und<br />

warm, ein Schuss von der Kanzel ganz <strong>im</strong> unmeyerschen<br />

Sinn, eine Forellenbefruchtung, leicht salzig und<br />

fischig, abgestreift und liegengelassen, Millionen sich<br />

selber überlassen <strong>im</strong> Dreck, zappelnd, auf einem <strong>Keller</strong>boden,<br />

zertreten, tot.<br />

Bravo!<br />

Der Geist ist die Schöpfung selbst.<br />

Tag, was macht ihr denn da?<br />

Sauna.<br />

Soso. Faulen. Man riecht’s.<br />

Brajinski kommt hinter dem Vorhang hervor.<br />

Der geistige Mensch…<br />

Willkommen <strong>im</strong> Reiche der Zombies.<br />

Der geistige Mensch ist frei…<br />

Ich rieche die Dämpfe Sodoms und Gomorrhas.<br />

Frei vom Werk, ist er, der geistige Mensch.<br />

- 30 -<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.


Schönhuber<br />

Von Gässer<br />

Schönhuber<br />

Von Gässer<br />

Schönhuber<br />

Brajinski<br />

Hotz<br />

Schönhuber<br />

Brajinski<br />

Hotz<br />

Schönhuber<br />

Von Gässer<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Brajinski<br />

Von Gässer<br />

Brajinski<br />

zu Brajinski. Setz dich.<br />

Sagt Dschuang Dsi.<br />

<strong>Fisch</strong> <strong>im</strong> <strong>Keller</strong><br />

Oder mach, was du willst. Lass mich in Ruhe.<br />

Dschuang Dsi sagt…<br />

Ist das nicht der Chinese, der die grosse Mauer erbaut<br />

hat? Man sehe sie von blossem Auge vom Mond, hat<br />

mir vorhin <strong>im</strong> Wald einer gesagt, der letzte Woche am<br />

Mare Tranquilitatis <strong>im</strong> Urlaub war.<br />

Einziges Bauwerk sichtbar vom Mond. Viele Werke<br />

sichtbar: Erde vergilbt, leidet an Metastase.<br />

Die Erde errötet vor Scham.<br />

Brajinskis Katakombenpredigt.<br />

Druck steigt.<br />

Die Hitze n<strong>im</strong>mt zu.<br />

Das einundzwanzigste Jahrhundert wird das Jahrhundert<br />

des Überdrucks sein. Die grössten Verbrechen<br />

an der Menschheit der Vergangenheit werden ein<br />

Nichts sein verglichen mit dem Kommenden.<br />

Hör auf, Ludwig.<br />

Ganze Völker werden ausgerottet, Landstriche werden<br />

brennen, Länder verschwinden. Wir gehen apokalyptischen<br />

Zeiten entgegen, ein Fressen für die Frömmler.<br />

Du provozierst schon wieder.<br />

Möchte die Hände waschen.<br />

Immer wieder siegt zuerst die nackte Gewalt über den<br />

Geist. Aber <strong>im</strong>mer wieder steigt der Geist erneuert aus<br />

den Trümmern.<br />

Und Wasser trinken.<br />

- 31 -<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.


Hotz<br />

Schönhuber<br />

Von Gässer<br />

Hotz<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Von Gässer<br />

Schönhuber<br />

Brajinski<br />

Schönhuber<br />

Brajinski<br />

Das Quintett wird die Forelle überleben.<br />

Ein Haufen Dreck kurvt auf keiner Bahn durch keinen<br />

Raum, macht eine Unzahl unschöner Geräusche, für<br />

nichts, weil keiner da ist, und Finsternis lag auf der<br />

Urflut, und da wurde gegeben der kosmische Ankick<br />

von einem, es werde, es werde! Und siehe, es formte<br />

sich, was sich formen wollte, denn was ist, will, und<br />

was will, muss, klappt’s, ok, klappt’s nicht, auch ok,<br />

denn es spinnt sich selber die Welt. Ausser wenn der<br />

Plan sich selbst erkennen würde, wenn der Plan<br />

begänne, sich selber in die Quere zu legen. Wenn aus<br />

dem Plan hunderte von Schlangen geboren würden,<br />

alles neue Pläne, wenn der Plan in Unpläne verkehrt<br />

würde: die Schlangen sich selbst bekämpften...<br />

Der Geist ist das positive Element überhaupt, das sich<br />

allem Pr<strong>im</strong>itiven entgegenstellt!<br />

Der Mensch als Lebensvernichter, als Satan!<br />

Keine Angst, Hotz, du und ich, wir töten die Natur<br />

nicht, wir machen sie nur ein wenig krank. Sie hat<br />

Millionen von Jahren Zeit, sich zu erholen.<br />

Uns braucht es nicht. Ich muss mal.<br />

Er dreht das Radio laut auf und verschwindet hinter<br />

dem Vorhang. Aus dem Radio ein Jodellied.<br />

Der Geist…<br />

Volksdümmliches.<br />

Musik ist beruhigend.<br />

Einlullend.<br />

Volk vergisst Kummer. Gute, alte Zeit.<br />

Schönhuber 14 bis 18 oder 33 bis 45?<br />

- 32 -<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.


Brajinski<br />

Schönhuber<br />

Brajinski<br />

Schönhuber<br />

Brajinski<br />

Schönhuber<br />

Brajinski<br />

Hotz<br />

Brajinski<br />

Hotz<br />

Schönhuber<br />

Von Gässer<br />

Schönhuber<br />

A la recherche du temps perdu.<br />

He<strong>im</strong>weh.<br />

Tünche.<br />

Selbstbetrug.<br />

<strong>Fisch</strong> <strong>im</strong> <strong>Keller</strong><br />

Kitsch, Heuchelei.<br />

Ein Marsch beginnt.<br />

Märsche für Ärsche.<br />

Gibt Gefühl von Sicherheit. Gleichschritt. Marsch.<br />

Alle zusammen. Ein Marsch, ein Volk. Kopf abstellen.<br />

Vorwärts, marsch. Fallen, marsch. Krepieren, marsch.<br />

Hotz kommt zurück, stellt die Musik leiser.<br />

Braschi, so offen wie heute warst du noch nie. Dieser<br />

Supergau sprengt deine Sperrmauern.<br />

Wie hasse ich diese Hundertkilometermarschmusik.<br />

Es ist doch klar, dass du <strong>im</strong> Augenblick, wo alles<br />

durchdreht, nicht hirnwütigen Jazz bringen kannst.<br />

Sehr leise erklingt aus dem Radio der 4. Satz des<br />

Forellenquintetts.<br />

Das ganze Volk sitzt einmütig vor dem Radio und<br />

löffelt dieselbe Sosse. Was für eine einmalige Gelegenheit!<br />

Jetzt kann ihm die Seele wiedergegeben<br />

werden, die es verloren hat. Das ist das Gute an diesem<br />

volksverbindenden Anlass.<br />

Unverbesserlicher Spötter.<br />

Doch doch, Generaldirektor, Arbeiter, Freier und Hure,<br />

alle sitzen nebeneinander <strong>im</strong> Schosse der Erde, verstehen<br />

sich endlich und haben sich gern. Alle <strong>im</strong><br />

gleichen Boot. Und wisst ihr, wie es heisst, das Boot?<br />

- 33 -<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.


Hotz<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Schönhuber<br />

Brajinski<br />

Hotz<br />

Brajinski<br />

Hotz<br />

Hört!<br />

Er dreht das Radio laut auf. Der Empfang ist gestört,<br />

blecherner Ton. Schweigendes Zuhören.<br />

Abstellen! Zum Kotzen, das süsse Zeug. Wie<br />

Leichenduft. Stellt das Gerät ab.<br />

Die Nerven. Scheinst doch nicht so stark zu sein, wie<br />

du <strong>im</strong>mer vorgibst. Ein bisschen falsche Musik <strong>im</strong><br />

falschen Augenblick, und der grosse Ludwig ist<br />

erschüttert.<br />

Stellt das Gerät ein, dreht Musik lauter. Variation 2<br />

beginnt.<br />

Ich möchte die Forelle lieber fressen, blau oder fritiert,<br />

es wäre mir beides recht. Sehr gut wäre sie auch an<br />

einer Rahmsosse mit Trauben oder geräuchert an einer<br />

Zitronensosse. Oder noch besser: Man füllt sie mit<br />

Morcheln, Kräutern und Mascarpone und lässt sie an<br />

einer Weissweinsosse <strong>im</strong> Ofen langsam knusprig<br />

werden. Dazu einen trockenen Riesling oder einen<br />

Weissen aus Orvieto.<br />

Ich bekomme Durst von Musik. Sehr frischer Bach.<br />

In der Gartenwirtschaft am Fluss bestellst du ein<br />

grosses, eiskaltes Bier, blinzelst in die Sonne, das Laub<br />

raschelt in der leichten Brise, wirft ein bewegtes Schattengeflecht<br />

auf Menschen und Tische.<br />

Reiner Impressionismus.<br />

Beginn Variation 3<br />

Das Glas ist von der Hitze beschlagen, Tropfen lösen<br />

sich aus der Schaumhaube und perlen herunter. Du<br />

n<strong>im</strong>mst das kalte Glas in die Hand, setzt es an den<br />

Mund, lässt die Flüssigkeit in den Rachen fliessen,<br />

aaah!<br />

- 34 -<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.


Brajinski<br />

Von Gässer<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Von Gässer<br />

Hotz<br />

Hotz<br />

Schönhuber<br />

Von Gässer<br />

Brajinski<br />

<strong>Fisch</strong> <strong>im</strong> <strong>Keller</strong><br />

Reiner Expressionismus.<br />

Schweigen.<br />

Die Welt ist gemein. Unfassbar schön ist sie, und dann<br />

geschieht so etwas.<br />

Ein ganzer Generalstab diskutiert jetzt in einem<br />

Bunker darüber, in welchem Sirüppchen sie die<br />

ungeheure Katastrophe dem Volke einschenken sollen.<br />

Variation 4.<br />

Sieg, Sieg, Sieg, Sieg, drum geht in den <strong>Keller</strong>, wo das<br />

wahre Leben ist.<br />

Variation 4 pp.<br />

Jetzt fängst du auch an.<br />

Wiederholung ff.<br />

Aushalten, durchhalten. Nicht nachlassen gewinnt!<br />

Bürgerinnen, Bürger!<br />

pp.<br />

Begreif doch, Irene. Was wollen wir?<br />

Es bleiben Zagen, Zähneknirschen, Zynismus. Aber<br />

der Zynismus ist der Grösste unter ihnen.<br />

Variation 5. Von Gässer stellt die Lautstärke noch<br />

höher. Starke Störung.<br />

Hört den warmen Celloton. So viel Zuversicht. Paulus<br />

schreibt <strong>im</strong> Römerbrief: Wer hofft, der wird gerettet.<br />

Ich glaube daran. Es gibt mir Rat, Mut und Zuversicht.<br />

Hilf uns, Vater. Amen.<br />

Beginn Allegretto. Brajinski stellt sehr laut. Aus dem<br />

Radio ertönt kaum noch erkennbares Gequake.<br />

Muss pissen.<br />

- 35 -<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.


St<strong>im</strong>me<br />

Schönhuber<br />

St<strong>im</strong>me<br />

Schönhuber<br />

St<strong>im</strong>me<br />

Schönhuber<br />

St<strong>im</strong>me<br />

Brajinski<br />

Von Gässer<br />

St<strong>im</strong>me<br />

Von Gässer<br />

Schönhuber<br />

Er verschwindet hinter dem Vorhang. Im Radio wird<br />

das Allegretto unterbrochen, eine sehr ruhige<br />

St<strong>im</strong>me ertönt. Brajinski kommt zurückgeeilt, die<br />

Hose zuknöpfend.<br />

Sehr verehrte Zuhörerinnen und Zuhörer, wir hoffen,<br />

dass sie sich in ihren sicheren Unterständen bereits<br />

eingenistet haben.<br />

Eingenistet!<br />

Der für die Volkssicherheit zuständige Einsatzleiter…<br />

Volkssicherheit!<br />

…während dieses ausserordentlichen Ereignisses…<br />

Ha!<br />

Oberstmajor Erich Icher wird einige Worte an uns<br />

richten.<br />

Supergauleiter.<br />

Pst!<br />

des Einsatzleiters. Männer, Frauen! Bürgerinnen und<br />

Bürger! Wir müssen <strong>im</strong> Augenblick durch eine<br />

ausserordentliche Zeit. Es ist so, dass die Lage zwar<br />

schwierig ist, die allgemeine Situation aber keineswegs<br />

als schl<strong>im</strong>m betrachtet werden muss. Nein, dank des<br />

vorbildlichen Reagierens unserer Bevölkerung auf den<br />

Alarm, was nur möglich war dank einer vorbildlichen<br />

Vorbereitung durch die Verantwortlichen, können wir<br />

sagen, dass wir die Situation vollständig <strong>im</strong> Griff<br />

haben.<br />

Gott sei Dank.<br />

Wer hat wen <strong>im</strong> Griff?<br />

- 36 -<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.


St<strong>im</strong>me<br />

Hotz<br />

St<strong>im</strong>me<br />

Schönhuber<br />

St<strong>im</strong>me<br />

Schönhuber<br />

Von Gässer<br />

Schönhuber<br />

Brajinski<br />

Hotz<br />

<strong>Fisch</strong> <strong>im</strong> <strong>Keller</strong><br />

des Einsatzleiters. Frauen, Männer, Bürgerinnen und<br />

Bürger! Noch ist es für die allgemeine Sicherheit und<br />

Gesundheit besser, den Ort, an dem sie sich <strong>im</strong> Augenblick<br />

aufhalten, nicht zu verlassen.<br />

Sag doch mal warum, du Depp!<br />

des Einsatzleiters. Es besteht nicht <strong>im</strong> geringsten eine<br />

wesentliche Gefahr, trotzdem hat der Einsatzstab es als<br />

gegeben erachtet, den Schutzraum, bis alles zu hundert<br />

Prozent unter völliger Kontrolle ist, und die Entwarnung<br />

mit hundert prozentiger Überzeugung gegeben<br />

werden kann, nicht zu verlassen. Gerade in einem<br />

solchen Augenblick erleben wir, dürfen wir erleben,<br />

was es heisst, ein Volk zu sein, was es heisst, in aller<br />

Gefahr zusammenzustehen und in einem grossen,<br />

gemeinsamen...<br />

Grab.<br />

des Einsatzleiters. ...Geist zu vertrauen auf unsere<br />

grosse Vergangenheit, in der die Väter und die Mütter<br />

unzählige Male zusammengestanden sind und<br />

glorreich unsere Gegenwart gegründet haben.<br />

Schönhuber haut auf das Radio. Störung.<br />

Aufhören! Verlogenes Arschloch!<br />

Ludwig. N<strong>im</strong>m dich doch bitte zusammen.<br />

Nein! Fertig zusammengenommen! Haltet euch am<br />

Rettungsring von gestern, an dem sind wir schon oft<br />

abgesoffen.<br />

Brajinski sucht den Sender.<br />

Will ich wissen, was ist Katastrophe.<br />

Die reden bloss um den heissen Brei herum. Es muss<br />

verzweifelt um uns stehen.<br />

- 37 -<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.


Von Gässer<br />

Schönhuber<br />

Von Gässer<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Brajinski<br />

Schönhuber<br />

Krieg wird nicht sein.<br />

Doch! Krieg! Irgend einem Mafiamegaboss sind aus<br />

Versehen ein paar dicke Knaller losgegangen, und nun<br />

fallen die Dominosteine um. Bummm, München.<br />

Bummbumbum, Prag. Bummm, Düsseldorf und<br />

Hannover, Zürich, Belgrad. Bummmumum, Paris,<br />

Hamburg. Wummmmm, Dresden.<br />

Stille. Nur das Rauschen des Radios bleibt.<br />

Das hat mit Zynismus nichts mehr zu tun.<br />

Nein. Das hat mit Realität zu tun. Glaubst du <strong>im</strong>mer<br />

noch, der Generaldirektor einer chemischen Fabrik<br />

habe gefurzt? Die ganze elektronische Wahnsinnseinanderüberwachungstechnologie,<br />

die Ketten von Systemen,<br />

die agieren, reagieren, völlig selbständig, ohne<br />

Mensch. Und dann kommt ein cleverer Schuljunge und<br />

setzt irgendwo in einem Winkel eines Systems ein<br />

Virus aus, an dem wir verrecken. Computer Aids.<br />

Angesteckt per Telefonkopulation. Bummmmbumbum,<br />

die Panzer unserer glorreichen Armee. Wumm, das<br />

Scheisshaus der Kaserne Schönbrunn. Peng! Die<br />

Munitionsdepots von Liechtenstein. Waff, jetzt fliegt<br />

sogar der Sanitätseisenbahnzug 13 aus den Schienen,<br />

der bis anhin durch die Berge gekurvt ist.<br />

Singt dazu aus Händels Feuerwerkmusik und dirigiert<br />

mit grossen Gesten.<br />

Das ist ein Chemieunfall.<br />

Ruhe, verdammt nochmal! Suche Sender.<br />

Ach, so! Bloss Chemie! Na dann ist ja gut. Naivling!<br />

Halt du mal deinen Kopf rein ins Cello. Meinst du, die<br />

Tür sei dicht? Stellst du dir Gasmoleküle wie dicke,<br />

hässliche Fliegen vor? Dann ist mir ein Knall noch<br />

lieber, und alles ist aus. Sakrament, in der Ver-<br />

- 38 -<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.


St<strong>im</strong>me<br />

Hotz<br />

Schönhuber<br />

Schönhuber<br />

Brajinski<br />

Schönhuber<br />

Brajinski<br />

Schönhuber<br />

Von Gässer<br />

Schönhuber<br />

Von Gässer<br />

<strong>Fisch</strong> <strong>im</strong> <strong>Keller</strong><br />

zweiflung glauben erwachsene Männer wieder an den<br />

Weihnachtsmann.<br />

…stens verboten. Ebenso ist es verboten, die<br />

Schutzräume zu verlassen. Es besteht kein Grund zur<br />

Beunruhigung. Wir wünschen Ihnen weiterhin gute<br />

Unterhaltung mit unserem musikalischen Programm.<br />

Marschmusik.<br />

A Marsch. A Marsch. A leck mi doch am Arsch. A<br />

Marsch. A Marsch. A leck mi doch am Arsch. Mier<br />

san am Arsch, mier san am Arsch, mier san a Marschmusik.<br />

Mier san a Marsch, mier san a Marsch, mier san<br />

a leck mi doch am Arsch.<br />

Eins, zwei, eins, zwei, vorwäääärts, marsch!<br />

Hotz und Schönhuber marschieren in Einerkolonne<br />

herum. Dazu Hotz’ Rap.<br />

Zwe<strong>im</strong>al Richtung rechts, marsch! Zwe<strong>im</strong>al Richtung<br />

links, marsch! Spitze kurz, vorwärts marsch! links,<br />

links, links!<br />

Aufhören!<br />

Left, left, I left my wife in New Orleans with fortyfive<br />

kids and a can of beans and I thought it was right,<br />

right, right for my country woop de doo! Rösselsprung.<br />

Aufhören!<br />

Abteilung halt! Das ist innere Aufrüstung. Kopf aus,<br />

Beine an, Brajinski daher. Abteiluuuung, vorwärts!<br />

Halt! Ich dreh’ durch!<br />

Ruhe! Setzen, marsch!<br />

Hört auf!<br />

- 39 -<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.


Brajinski<br />

Schönhuber<br />

Von Gässer<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Schönhuber<br />

Brajinski<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Von Gässer<br />

Brajinski<br />

Schönhuber<br />

Gut gemacht.<br />

Streichen wir das M und setzen uns auf den Rest.<br />

Warten.<br />

Wenn wir schon nichts tun können als warten, warum<br />

spielen wir nicht? Weshalb könnten wir nicht noch<br />

einmal einen Versuch wagen?<br />

Schubert, du bist umzingelt, komm raus!<br />

Fahren wir weiter mit unserer Probe.<br />

Peng. Hat ihn.<br />

Als wäre nichts geschehn.<br />

Mitten in den Kopf. Gespritzt hat’s.<br />

Eins bis drei haben wir gespielt. Satz vier, Variation<br />

drei.<br />

Wie eine reife Tomate. Pflatsch. Das hab’ ich mal<br />

gelesen. Wenn man einen Menschen in den Kopf<br />

schiesst, ist das, wie wenn der Kopf explodieren<br />

würde. Blut und Gehirnmasse spritzt meterweit, der<br />

Kopf zerspeit förmlich.<br />

Dein grosser Auftritt, Irene.<br />

Bereit? Ich versuche, zu spielen wie <strong>im</strong>mer.<br />

Als wäre nichts geschehen.<br />

Sie spielen jämmerlich Variation 3 ohne<br />

Schönhuber. Dazu Schönhubers Monolog.<br />

In einem Bächlein helle, da schoss mit froher Eil. Ich<br />

bin, ich bin eine Muräne. Wer mit Eile kommt geschossen,<br />

wird gefrossen. Eine <strong>Keller</strong>muräne. <strong>Keller</strong>asselforellenschlamasselfrasselquassel.<br />

Ein Stachelrochen.<br />

Der gräbt sich ein, wachselt Ferbe. Es naht der<br />

- 40 -<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.


Brajinski<br />

Hotz<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Schönhuber<br />

<strong>Fisch</strong> <strong>im</strong> <strong>Keller</strong><br />

Schnorchler Georges. Peng. Rochen röchelt. Stachelschnorchelröchelrochen.<br />

Des Hammers gräuliche Ungestalt<br />

zu balligen Scheusseln geklumpt der haiig<br />

Entsetz des Hyes Merän und hing da mit Wusseln<br />

gegraut von hilflichem Mensche ödiger Trauer.<br />

<strong>Fisch</strong>chen, <strong>Fisch</strong>chen! Mich reizt dein schönes<br />

Geflöss, Silberfischchen. Den Türmer die Würmer die<br />

Glocke b<strong>im</strong>b<strong>im</strong>. Hotz, hast du Würmer?<br />

Ist wie KZ-Kapelle. Macht Situation noch sarkastischer.<br />

Schönberg ginge. Begleitmusik zu einer Lichtspielszene.<br />

Jazz, Death Metal. Von hier innen muss es kommen.<br />

Die Angst! Da springt keine lustige Forelle mehr. Da<br />

läuft in einer ätzenden roten Brühe Gift in den Bach.<br />

Da verfaulen tote <strong>Fisch</strong>e in einer Kloake. Es stinkt! Es<br />

stinkt grässlich! Bulldozer schaufeln tausende von<br />

schle<strong>im</strong>igen <strong>Fisch</strong>kadavern in ihrem Transchlamm in<br />

Mulden, dass es schwappt. Lassen wir den<br />

Biedermeier Franzl. Friede seiner verfaulten Leiche.<br />

Brüllen, schluchzen, schreien, kotzen wir! Und wenn<br />

die Geige in Brüche geht.<br />

Ein Leben lang hast du schwarze Pünktchen gespielt.<br />

Hätte eine Fliege hingeschissen, hättest du dies auch<br />

noch intoniert. Und ein Heer von Spezialisten mit<br />

Schuppen auf den Achseln und Brillen mit so dicken<br />

Gläsern hat streng darüber gewacht, dass alles<br />

peinlichst seine Richtigkeit hatte. Wir können gar<br />

nichts anderes.<br />

Ha! Zum Teufel mit Schönberg! Jetzt kommt Schönhuber!<br />

Er spielt infernalische Töne. Brajinski beginnt<br />

ebenfalls, dann Hotz. Zuletzt haut auch Von Gässer<br />

- 41 -<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.


Von Gässer<br />

Hotz<br />

Brajinski<br />

Schönhuber<br />

Von Gässer<br />

Brajinski<br />

Hotz<br />

Brajinski<br />

Schönhuber<br />

Von Gässer<br />

Brajinski<br />

Von Gässer<br />

Brajinski<br />

Hotz<br />

Brajinski<br />

Hotz<br />

Brajinski<br />

Von Gässer<br />

der Klaviatur herum. Der Lärm fällt zurück. Sie<br />

finden sich auf dem A. Mit Entschlossenheit spielen<br />

sie Variation 4. Während des zweiten Teiles ertönt<br />

fernes Donnergrollen. Das Stück entgleist, endet <strong>im</strong><br />

Chaos. Das Licht flackert.<br />

Was war das?<br />

Es hat gedonnert.<br />

Sehr grosser Lärm. Von weit her.<br />

Ein Gewitter.<br />

Ein Gewitter?<br />

Ein Gewitter!<br />

Es ist heiss.<br />

Das sind wir.<br />

Die Lampe spinnt. Jetzt brennt sie wieder normal.<br />

Gott sei Dank.<br />

Sollten wir uns einrichten, für wenn es noch schl<strong>im</strong>mer<br />

wird.<br />

Noch schl<strong>im</strong>mer?<br />

Schönhuber verschwindet hinter dem Vorhang.<br />

Untersuchen wir den Schrank sorgfältig.<br />

Richtig. Man weiss nie. Den E<strong>im</strong>er mit Deckel samt<br />

Vorhang hat auch jemand bereitgestellt. Los, an die<br />

Arbeit. Da. Ein Spritkocher. Ein Kanister.<br />

Leer.<br />

Konserven!<br />

Uralt. Unlesbar, was drin.<br />

Angerostet.<br />

- 42 -<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.


Hotz<br />

Brajinski<br />

Von Gässer<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Schönhuber<br />

Brajinski<br />

Von Gässer<br />

Hotz<br />

Brajinski<br />

Von Gässer<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Von Gässer<br />

Schönhuber<br />

Von Gässer<br />

Brajinski<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Von Gässer<br />

Brajinski<br />

<strong>Fisch</strong> <strong>im</strong> <strong>Keller</strong><br />

Konserven, Konserven. Noch mehr Konserven. Petrol.<br />

Die Lampe dazu. Eingewickelt in eine Zeitung. Kerzen.<br />

Streichhölzer.<br />

Papier, ein Bleistift.<br />

Die Zeitung ist von vierundvierzig. Oktober.<br />

Schönhuber kommt hinter dem Vorhang hervor.<br />

Was habt ihr da?<br />

Jemand hat das nach dem Krieg <strong>im</strong> <strong>Keller</strong> liegengelassen.<br />

Jemand, der das Kriegsende nicht erlebt hat.<br />

blättert in der Zeitung. «Auf zum letzten Gefecht.»<br />

Eine Konzertanzeige. Schubert: Die Unvollendete.<br />

Was ist das?<br />

Kiste. Sehr staubig.<br />

Noch ein Radio.<br />

Ein Funkgerät!<br />

Ein Messgerät.<br />

Sieht neuer aus.<br />

Zeig her! Da, ein roter Knopf.<br />

Der Zeiger hat ausgeschlagen.<br />

Gezuckt.<br />

Das Ding lebt.<br />

Scheint zu funktionieren.<br />

Was ist es?<br />

Schwer zu sagen.<br />

- 43 -<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.


Hotz Und da, in dem Sack?<br />

Schönhuber Kleider.<br />

Hotz Masken. Schutzanzüge!<br />

Schönhuber Pestanzüge.<br />

Von Gässer Wir sind gerettet!<br />

Brajinski Drei Stück.<br />

Schönhuber Besser, als nichts.<br />

Brajinski Alt. Sehr alt.<br />

Donnergrollen in der Ferne.<br />

Von Gässer Da, es donnert wieder.<br />

Hotz Alte Säcke. Froschglotzaugen. Moderiges Zeug.<br />

Brajinski<br />

Schönhuber<br />

Brajinski<br />

Schönhuber<br />

Brajinski<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Von Gässer<br />

Von Gässer<br />

Ungeheurer Knall, gefolgt von Rumpeln. Von der<br />

Decke rieselt Staub. Das Licht erlöscht, kommt<br />

flackernd wieder. Donnergrollen in der Ferne. Von<br />

Gässer und Hotz halten sich umschlungen.<br />

Das Ende.<br />

Das Haus!<br />

Es ist vorbei.<br />

Es ist wieder still.<br />

Da. Ein Riss.<br />

Quer über die Decke. Eine Spalte. Was ist mit euch?<br />

Fritz, Irene, regt euch!<br />

Die war schon.<br />

Rührt nichts an.<br />

Das Messgerät piepst zum ersten Mal.<br />

Das Radio!<br />

- 44 -<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.


<strong>Fisch</strong> <strong>im</strong> <strong>Keller</strong><br />

St<strong>im</strong>me Aus Sicherheitsgründen müssen die Kraftwerke<br />

ausgeschaltet werden. Es besteht aber kein Grund zu<br />

Panik. Störung. …Grund zu Panik.<br />

Schönhuber<br />

Brajinski<br />

Schönhuber<br />

Brajinski<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Von Gässer<br />

Hotz<br />

Schönhuber<br />

Brajinski<br />

Hotz<br />

Schönhuber<br />

Von Gässer<br />

Hotz<br />

Schönhuber<br />

Brajinski<br />

Schönhuber<br />

Brajinski<br />

Licht und Radio aus. Schönhuber entzündet ein<br />

Streichholz. Die Petrollampe wird in Betrieb genommen.<br />

Das Messgerät piepst hie und da.<br />

Scheisse! Und wir sitzen mitten drin.<br />

Was war das vorhin?<br />

Eine Explosion.<br />

Draussen oder drinnen?<br />

Schwer zu sagen.<br />

Mein Puls rast.<br />

Es ist aus.<br />

Wie lange reicht das Petrol?<br />

Frag du: Wie lange reicht die Luft?<br />

Geigerzähler piepst.<br />

Was Geigerzähler?<br />

Geigenzähler? Ein Geiger.<br />

Die Schutzanzüge!<br />

Wenigstens genauer betrachten könnten wir sie.<br />

Für alle Fälle. Für den Fall eines Ernstfalles. Falls<br />

doch noch etwas geschehen könnte, was ja nicht<br />

unbedingt der Fall sein muss.<br />

Drei.<br />

Für den Phallus eines Phallus. Kondome.<br />

Wir sind aber vier.<br />

- 45 -<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.


Schönhuber<br />

Hotz<br />

Hotz<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Von Gässer<br />

Hotz<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Sehr scharfsinnig.<br />

Perfid für einen. Doch, eins, zwei, drei. Augenblick,<br />

vielleicht habe ich nicht gut geschaut. Drei. Es bleibt<br />

dabei. Nichts zu machen. Dann n<strong>im</strong>mt niemand einen.<br />

Schleudert die Anzüge in den Schrank. Die vier<br />

beobachten einander. Warten.<br />

Gegen Sauerstoffmangel sind die Masken ohnehin<br />

nichts. Das sind keine Atemschutzgeräte. Die haben<br />

nur einen Filter. Gegen Gas.<br />

Messgerät piepst rascher.<br />

Ich hab’s gesagt. Die Tür ist nicht dicht. Oben muss<br />

der Teufel los sein. Eben doch ein AKW.<br />

Hör auf!<br />

Die Sonne ist erloschen. Der Krieg ums Öl tobt.<br />

Ich bitte dich!<br />

Das Messgerät piepst schneller.<br />

Es hat keinen Sinn! Drei Anzüge hat’s!<br />

Nun mal ganz mit der Ruhe. Es dürfte klar sein, wer<br />

best<strong>im</strong>mt einen Anzug kriegt. Irene ist Mutter von zwei<br />

Kindern.<br />

Danke, Fritz.<br />

Achte darauf, dass die Maskenriemen fest angezogen<br />

sind. So sitzt sie richtig. Wie ich gesagt habe: Eltern<br />

tragen ihren Kindern gegenüber eine besondere<br />

Verantwortung. Ich als Vater von drei Knaben weiss<br />

das.<br />

So. Und wer keine Nachkommen hat, soll verrecken?<br />

Wenn nur du überlebst.<br />

Es geht nicht um mich. Als treuer, besorgter Vater…<br />

- 46 -<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.


Schönhuber<br />

Hotz<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Schönhuber<br />

<strong>Fisch</strong> <strong>im</strong> <strong>Keller</strong><br />

Hahahaha! Treu. Sag das noch einmal, es tönt so nett<br />

aus deinem Mund. Meinst du eigentlich, wir seien<br />

blind? Ist dir der Schle<strong>im</strong> nicht peinlich, der dir aus<br />

allen Körperöffnungen tropft? Da, sieh, wie’s dir<br />

runterläuft, und da, pfui!<br />

Der geile Bock bist du. Du bist scharf auf jeden Rock.<br />

Ich bin niemandem Rechenschaft schuldig.<br />

Niemandem mehr. Seit deiner Scheidung.<br />

Brajinski verschwindet, von Schönhuber unbemerkt,<br />

mit einem Schutzanzug hinter dem Vorhang.<br />

Das geht dich einen feuchten Scheissdreck an.<br />

Ich habe deine Ex-Frau früher nicht verstanden. Jetzt<br />

aber versteh’ ich sie. Mit dir kann man nicht<br />

zusammenleben.<br />

Nein? Aber mit dir schon. Du Heuchler, du Heiliger<br />

mit flotten Bibelsprüchen auf den Lippen und Parisern<br />

in der Westentasche. Du bist der Weltmeister <strong>im</strong><br />

Süssholzraspeln. Wie du dich auf der Tournee mit der<br />

neuen Flötistin abgerackert hast! Mit feuchten Lefzen<br />

und dauerndem Begrapschen. Das war vielleicht peinlich.<br />

Alle haben krampfhaft weggesehen.<br />

Sie hat sich bei mir beklagt, wie pr<strong>im</strong>itiv du sie<br />

angemacht habest. Und sie war mir dankbar, dass sich<br />

überhaupt jemand um sie gekümmert hat.<br />

Oho! Du lügst wie gedruckt. Wo hast du sie eigentlich<br />

gemacht? Auf deinem Z<strong>im</strong>mer?<br />

Halt ‘s Maul!<br />

Wie manchen doppelten Scotch hast du Louis, dem<br />

versoffnen Hund, bezahlt, damit er dir das Feld überlassen<br />

hat?<br />

- 47 -<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.


Hotz<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Schönhuber<br />

Willst du jetzt die Klappe halten? Du stinkst vor<br />

Pr<strong>im</strong>itivität!<br />

Oder auf dem Flügel <strong>im</strong> leeren Saal? Lüstern unter<br />

dem Kristalllüster? Bläst sie so gut wie <strong>im</strong> Konzert?<br />

Hat sie gute Musik gemacht? Gestöhnt, geschrien?<br />

Geile Sache! Bravo, Hotz. Hosenlatz-Hotz. Hoden-<br />

Hotz.<br />

Perverse Sau! Lass mich in Ruhe!<br />

Nein, hier unten ist’s schön, hier unten weht des<br />

Teufels Odem der Wahrheit, der das Leben oben<br />

unmöglich machen würde. Aber in der Unterwelt, da<br />

gibt’s nichts Unterschweliges, hörst du, unter Tag<br />

kommt alles an den Tag. Auch das mit der Schwarzen,<br />

Feurigen, die du letzte Woche in die Kneipe geschoben<br />

hast.<br />

Eine Sängerin, wenn du’s genau wissen willst.<br />

Hotz beginnt, den letzten Schutzanzug anzuziehen.<br />

Natürlich. Die machen’s am besten. Da kann der<br />

biedere Familienvater Hotz den wilden Mann rauslassen.<br />

Im Duett bumsen, <strong>im</strong> Dreivierteltakt vögeln,<br />

fortiss<strong>im</strong>o ficken, was die Latte hält.<br />

Jetzt reicht’s aber! Du bist ein elender Drecksack!<br />

Noch etwas.<br />

Niemand hört dir zu.<br />

Ein brisantes Histörchen. Als ich letzte Woche deine<br />

Frau anrief, war sie sehr erstaunt und meinte, wir<br />

hätten Probe. Ich redete dich noch aus dem Dreck,<br />

dabei…<br />

Was rufst du meine Frau an?<br />

Dabei hätte ich ihr besser gesagt, eines der Mädchen…<br />

- 48 -<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.


Hotz<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Schönhuber<br />

Was du meine Frau anzurufen hast, frage ich.<br />

<strong>Fisch</strong> <strong>im</strong> <strong>Keller</strong><br />

aus dem Jugendorchesters müsse wohl eben herhalten.<br />

Was rufst du meine Frau an, wenn du weisst, dass ich<br />

nicht zu Hause bin? Weisst du, was ich demnächst mit<br />

dir mache, du widerlicher, hinterhältiger Kerl?<br />

War sie überhaupt volljährig?<br />

Wenn du nicht augenblicklich schweigst, hau ich dir<br />

eine in die Fresse. Deine Frau ist abgerauscht, weil du<br />

andern unter den Rock gegriffen hast. Und deine<br />

Tochter wolle scheint’s auch nichts mehr mit dir zu tun<br />

haben.<br />

Ich habe keine Tochter.<br />

Nicht? Und weshalb bezahltest du all die Jahre<br />

Al<strong>im</strong>ente?<br />

Wer sagt sowas?<br />

Deine Ex.<br />

Aha. Die Ex be<strong>im</strong> Sex.<br />

Du verdrehst alles. Schweig! Du brauchst einen<br />

Psychiater, der dich von deinen Sex-Wahnideen<br />

befreit.<br />

Und wie gut du dich mit der Irene verstehst! Wo treibt<br />

ihr es eigentlich?<br />

Hör nicht auf ihn, er spinnt.<br />

Ach so, natürlich, deshalb palavert ihr stundenlang von<br />

euren Gören!<br />

Von Gässer quakt etwas unter ihrer Schutzmaske<br />

hervor.<br />

- 49 -<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.


Hotz<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Schönhuber<br />

Schönhuber<br />

Ich habe ein reines Gewissen. Aber du hast meine Frau<br />

nicht anzurufen, verstanden, du Schwein! Warte nur,<br />

wenn du mit der was gehabt hast, bringe ich dich um.<br />

Halt die Klappe! Irgend einer muss es ihr ja besorgen,<br />

wenn du <strong>im</strong>mer andere fickst.<br />

Eins sage ich dir, Schönhuber. Hier unten hat’s keinen<br />

Zweck, dir die Eier abzureissen. Aber wenn wir hier<br />

lebend rauskommen, hast du ausgeschissen, das<br />

schwöre ich.<br />

Und da wird sein Heulen und Zähneklappen, ich weiss.<br />

Ich freu’ mich schon, Räuber Hotzenplotz. Nun zu dir,<br />

Schöngeistchen. Immer nur «Ach der Mozart, ach der<br />

Schubert, Freude schöner Götterfunken». Du bist eine<br />

richtige Tochter aus Elysium. Immer freudentrunken.<br />

Nie triebetrunken. Hast du nicht nötig. Brauchst dich<br />

nicht zu bewegen. Du machst es mit den Augen. Den<br />

Pauken-Emil hast du schon völlig abhängig gemacht,<br />

den alten Narren. Und der senile Fagot Vollsaberer<br />

José geht ganz krumm neben dir her. José Beuleinhose.<br />

Eieiei, so flinke Pianistinnenfingerchen. Und jetzt sitzt<br />

ihr da wie Marsmenschen, glotzt und habt eure Scham<br />

gut versteckt. Und da ich heute deinetwegen auch noch<br />

zu Vaterehren gekommen bin, nehme ich eben den<br />

letzten Anzug. Mir graut vor euch; ihr seid weniger<br />

fein als der gute alte Brajinski, der sich ’s von Jungs<br />

hinterm Bahnhof besorgen lässt. St<strong>im</strong>mt’s, Braschi?<br />

Wo ist er?<br />

Er reisst den Vorhang weg. Brajinski ist fix fertig<br />

angezogen. Das Messgerät piepst schneller.<br />

Das gibt’s doch nicht. So habt ihr es euch also<br />

vorgestellt. Jetzt kommt der schwule Ausländer und<br />

n<strong>im</strong>mt mir, Ludwig Schönhuber, den mir zustehenden<br />

Schutzanzug weg. Hast du gehört! Steig sofort aus,<br />

- 50 -<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.


Schönhuber<br />

Brajinski<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Hotz<br />

Hotz<br />

<strong>Fisch</strong> <strong>im</strong> <strong>Keller</strong><br />

Lump. Du verstehen nix? Du mir geben Anzug! Ich<br />

brech’ dir die Knochen.<br />

Schönhuber packt Brajinski und will ihn aus dem<br />

Schutzanzug zerren. Brajinski schlägt Schönhuber zu<br />

Boden. Dieser findet einen Schraubenzieher und<br />

stürzt sich auf Brajinski, Hotz fällt ihm in den Arm.<br />

Schönhuber schmettert Hotz gegen die Tür. Hotz<br />

bleibt bewusstlos liegen.<br />

Da siehst du, was du angerichtet hast, verdammtes<br />

Ostschwein. Wärst du verreckt in deinem Kaff.<br />

Erneuter Kampf, der Schutzanzug zerreisst. Schönhuber<br />

schlägt Brajinski bewusstlos, reisst ihm die<br />

Fetzen vom Leib.<br />

Ludwig!<br />

Von Gässer schreit hysterisch.<br />

Zerrissen. Donnerwetter. Hotz! Rasch!<br />

Hotz, der zu sich kommt, will sich wehren, wird aber<br />

von Schönhuber abermals niedergeschlagen. Der<br />

zieht ihm den Anzug aus und schlüpft hinein. Bewaffnet<br />

mit dem Schraubenzieher, setzt er sich mit<br />

dem Rücken zur Wand.<br />

Mein Kopf. Schönhuber, dich bring ich um. Sobald ich<br />

kann, bring ich dich um. Braschi! Kaputt. In Fetzen.<br />

Das Messgerät rast.<br />

Mir ist übel. Hab Kopfschmerzen. Ihr lasst mich<br />

abkratzen! Was nützt mir das Fetzengewand. Nein!<br />

Er stürzt sich auf Von Gässer, reisst ihr den Schutzanzug<br />

vom Leib, schubst sie auf Brajinski. Schönhuber<br />

schaut regungslos zu.<br />

Zieh dir sein Zeug an! Der merkt nichts mehr.<br />

- 51 -<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.


Brajinski<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Von Gässer<br />

Von Gässer<br />

Hotz schlüpft in Von Gässers Anzug und setzt sich<br />

Schönhuber gegenüber, ebenfalls mit dem Rücken<br />

zur Wand, mit einem Werkzeug bewaffnet.<br />

Ah, mein Kopf. Mir ist schlecht. Wasser, brauche ich<br />

Wasser.<br />

Von Gässer n<strong>im</strong>mt ein Stuhlbein, nähert sich<br />

Brajinski.<br />

Blasinski, mach Platz! Platz hab ich gesagt!<br />

Hopp, vorwärts, steig aus. Müssen wir nachhelfen,<br />

widernatürlicher Kretin, von Gott verstossene Ausgeburt?<br />

Die drei kreisen Brajinski ein und holen aus zum<br />

Schlag. Von Gässer lässt ihre Waffe sinken.<br />

Nein, ich mache nicht mit. Geht. Setzt euch auf eure<br />

lächerlichen Stühle.<br />

Das Messgerät rast.<br />

Das Spiel ist aus. Wenn es sein muss, dann soll’s. Der<br />

Mensch wird zur Furie. Alles mitmachen, um sich zu<br />

retten. Ihr seid reingefallen! Ich will nicht. Ich will die<br />

stärkste sein. Nichts, nichts, nichts ist echt an euch<br />

ausser euren grauenvollen Trieben. Ludwig. Friedrich.<br />

Charmant seid ihr, hilfsbereit, geistreich. Jede Gelegenheit<br />

kaltblütig ausnützend. Wie ihr einen Menschen<br />

behandeln könnt. Ein Fünkchen Sympathie löst eine<br />

Explosion aus. Ihr kommt als Tröster. Als St<strong>im</strong>mungskanone.<br />

Immer der Situation entsprechend. Wenn eine<br />

geistreich ist, verdient sie für ihre Arroganz eine<br />

Strafe. Lohn und Strafe. Freude und Trost. Lust und<br />

Hass. Dasselbe. Vergib meine Gedanken, Daniel. Mit<br />

dir war’s schön. Du warst echt. Deine Liebe. Deine<br />

Wut. Jetzt sehe ich die wahre Bedeutung. In guten und<br />

schlechten Zeiten. Mir ist schlecht. Gebt mir Wasser.<br />

- 52 -<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.


Schönhuber<br />

Hotz<br />

Von Gässer<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

<strong>Fisch</strong> <strong>im</strong> <strong>Keller</strong><br />

In der Au ist klares, <strong>im</strong> Bach unter dem Holzsteg<br />

zwischen den Bäumen, wenn die Sonne darin funkelt.<br />

Der Friede, mein Vater, diesem Ort sagtest du der<br />

Friede, weisst du noch? Pass auf, Mischa, n<strong>im</strong>m dich<br />

in acht. Kinder! Mischa, Helena. Haltet euch fest.<br />

Daniel, halte sie fest, ich, ich kann nicht. Ich komme<br />

nicht weg hier. Jetzt kommen sie auf die grosse Wiese.<br />

Sie rennen einem Schmetterling nach. Sie gehen. Sie<br />

verschwinden <strong>im</strong> Wald. Der H<strong>im</strong>mel wird schwarz.<br />

Hotz!<br />

Jawohl.<br />

Hotz öffnet die <strong>Keller</strong>tür.<br />

Sie gehen, sie verschwinden. Wartet, wartet auf mich!<br />

Von Gässer ab. Hotz schliesst sorgfältig. Brajinski<br />

schluchzt.<br />

Hotz!<br />

Jawohl!<br />

Er schmettert das Messgerät an die Wand.<br />

Eine edle Frau.<br />

Jawohl.<br />

Eine gute Frau.<br />

Jawohl.<br />

Pflichtbewusst.<br />

Sehr.<br />

Der Kunst verpflichtet.<br />

Ein treues Weib.<br />

Sie legen eine vergilbte Stoffblume auf das Klavier<br />

und schweigen. Wortlos stellen sie die Notenständer<br />

- 53 -<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.


Schönhuber<br />

Brajinski<br />

Schönhuber<br />

Brajinski<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Hotz<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

wieder auf, nehmen die Instrumente zur Hand,<br />

warten. Brajinski quält sich zu einem Stuhl. Zu dritt<br />

spielen sie Variation 5. Brajinski spielt sehr verhalten.<br />

Die Musik ist wirr.<br />

Noch einmal.<br />

Sehe nichts. Kann nicht.<br />

Noch einmal.<br />

Hotz und Schönhuber wiederholen Variation 5.<br />

Brajinski versucht mitzuhalten, mit abnehmendem<br />

Erfolg. Sein Notenständer kippt, der Bogen entfällt<br />

seiner Hand, er reisst sich die Maske vom Kopf.<br />

Luft! Mir ist schlecht. Saust Kopf. Die Realität ist eine<br />

Garrotte.<br />

Hotz!<br />

Jawohl.<br />

Brajinski wird zur Tür geleitet und hinausgeschoben.<br />

Die Tür wird wieder verrammelt.<br />

hebt die Maske leicht an. Genial, der Schubert.<br />

mit Maske. Der Schubert!<br />

Aus nichts heraus.<br />

Dieser Schubert!<br />

Ein Brennpunkt. Des Lebens Quintessenz.<br />

Schubert!<br />

Balsam-Melodie tropft auf die wunde Seele.<br />

Jawohl.<br />

Wenn wir bedenken, welch miserables Leben der arme<br />

Junge hatte.<br />

- 54 -<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.


Schönhuber<br />

Hotz<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Hotz<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Schönhuber<br />

Richtig.<br />

Stockschwul, und niemand durfte es wissen.<br />

Niemand.<br />

<strong>Fisch</strong> <strong>im</strong> <strong>Keller</strong><br />

Syphilis hatte der, einen verwesenden P<strong>im</strong>mel am<br />

Leib, einen <strong>Fisch</strong> in der Hose.<br />

Einen Stinkefisch.<br />

Machte so h<strong>im</strong>mlische Musik…<br />

…stank zum H<strong>im</strong>mel, der <strong>Fisch</strong>.<br />

Hier stinkt es auch. Das ist Gottes Strafe. Ich muss hier<br />

<strong>im</strong> Fegefeuer büssen, dass ich mich mit dir eingelassen<br />

habe. Da hilft nur eines: Ausmerzen, verbrennen.<br />

Und vergib uns, wie auch wir vergeben diesem<br />

Arschloch. Ich werde dich umbringen.<br />

Wie kann ein Toter einen Lebenden umbringen?<br />

Ich hab mir schon einen Plan zurechtgemacht.<br />

Du bist schon gerichtet. Du kommst zu spät.<br />

Alles Gute braucht seine Zeit. Das ist wahre Lust.<br />

Ich geniesse dein Sterben.<br />

Schweigen. Sie verfallen in autistische Bewegungen,<br />

entdecken sich plötzlich. Hotz packt Schönhuber am<br />

Kopf, Schönhuber packt Hotz am Kopf, langsam<br />

ziehen sie sich an den Masken, bis die Riemen<br />

reissen.<br />

Hilfe, ein Mensch!<br />

Zieh das Ding wieder an!<br />

Sei still!<br />

Du machst mich fertig.<br />

- 55 -<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.


Hotz<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Schönhuber<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Schönhuber<br />

Aus dir blickt öde die Sinnlosigkeit.<br />

Häng dich auf!<br />

Geh raus! Wirf dich unter den Zug. Ich hab Durst.<br />

Ich erkenne dich. Du bist der <strong>Fisch</strong>.<br />

Wasser! Der Durst wird <strong>im</strong>mer schl<strong>im</strong>mer.<br />

In deinen gebrochenen Glotzaugen spiegelt sich die<br />

Welt.<br />

Wasser! Wegen dir dreh’ ich durch.<br />

Wegen dir selbst.<br />

Wasser. Wasserwasserwasser. Ich will Wasser.<br />

aus «Die schöne Müllerin» von Schubert. Vom<br />

Wasser haben wir’s gelernt, vom Wasser. Vom<br />

Wasser. Vom Wasser. Vom Wasser. Vom Wasser.<br />

Vom Wasser. Vom Wasser...<br />

Gebt mir Wasser, kaltes!<br />

Übergang in die «Forelle». Des muntern <strong>Fisch</strong>leins<br />

Bade <strong>im</strong> klaren Bächlein zu. Im klaren Bächlein zu. Im<br />

klaren Bächlein zu. Im klaren Bächlein zu.<br />

Hotz hustet.<br />

Aufhören!<br />

Kann nicht.<br />

Aufhören!<br />

Geht nicht.<br />

Aufhören, aufhören, aufhören, h<strong>im</strong>melherrgottsakrament,<br />

habe ich gesagt! Hotz! Hotz! Was hast du? So<br />

rede doch?<br />

- 56 -<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.


Hotz<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

Schönhuber<br />

Schönhuber<br />

Hotz<br />

<strong>Fisch</strong> <strong>im</strong> <strong>Keller</strong><br />

Die Hitze. Trockene Luft. Wasser, dringend benötigt,<br />

Wasser.<br />

Jaja, Flüssigkeitsverlust. Jaja, der Anzug. Jaja, Wasser<br />

dringend benötigt. Da hinten ist ein E<strong>im</strong>er, da ist was<br />

drin.<br />

Luft. Luft. Kriege keine Luft.<br />

Du musst schlucken, viel schlucken, so, siehst du?<br />

Immer schlucken.<br />

Keine Spucke.<br />

Schön schlucken, <strong>im</strong>mer weiterfahren, nicht aufhören,<br />

hörst du? Ja warum machst du denn nicht, was man dir<br />

sagt? Steckst mich an mit deinem verdammten öhö,<br />

öhö.<br />

Kann nicht.<br />

Verreck mir nicht, Kamerad. Da, n<strong>im</strong>m, aufbehalten,<br />

die Maske, aufbehalten. Kamerad, willst du mich<br />

alleine lassen in der Gruft? Du bleibst hier, hörst du?<br />

Raus, raus... hier drin ist die Hölle. Ich kann nicht<br />

mehr.<br />

Schönhuber reisst ihn zurück, schleudert ihn in den<br />

Raum.<br />

Fritz, mein Freund, Hotz, verdammter Verräter, du<br />

kannst mich nicht alleine lassen! Ohne dich kann ich<br />

nicht hier unten sein.<br />

Hotz stürzt auf die Knie. Schönhuber reisst ihn hoch.<br />

Konzentriere dich auf den Bauch, Kamerad. Ein, aus.<br />

Ein, aus. Ein, aus. Ein, aus...<br />

Hotz torkelt der Wand entlang, alles niederreissend.<br />

Luft!<br />

- 57 -<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.


Schönhuber<br />

Hotz<br />

Schönhuber<br />

Ein, aus. Ein, aus.<br />

Raus! Er reisst die Tür auf, Sturmwind braust. Hotz<br />

verschwindet, seine St<strong>im</strong>me verklingt <strong>im</strong> Brausen.<br />

starrt ihm nach. Er verrammelt die Tür von neuem,<br />

sinkt mit dem Rücken dagegen, rafft sich auf,<br />

schleppt sich zu einem Stuhl. Unter grosser<br />

Anstrengung n<strong>im</strong>mt er sein Instrument. Wladislaw,<br />

Irene, wo seid ihr? Fritz und Louis werden jeden<br />

Augenblick eintreffen. Kommt! Kommt, wir wollen<br />

beginnen.Wir wollen musizieren, wir wollen das<br />

Allegretto spielen. Schön, Fritz, sehr schön. Er heult<br />

und quietscht mit dem Bogen über die Saiten. Ein<br />

voller, warmer Ton. Irene, das perlt herrlich. Frisch.<br />

Das jubelt, das singt. Alle, alle! Dem Ende zu, dem<br />

Ende zu! Zurück, zurück, decrescendo, pianiss<strong>im</strong>o,<br />

pianiss<strong>im</strong>o. Behutsam legt er sein Instrument zur<br />

Seite, n<strong>im</strong>mt Papier und Bleistift und kritzelt.<br />

Reine Töne! Reine Töne!<br />

Er bleibt sitzen, Licht aus.<br />

- 58 -<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!