Wahrheit über Isidor
Wahrheit über Isidor
Wahrheit über Isidor
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Zum Aufführungsrecht<br />
• Das Recht zur Aufführung erteilt der<br />
teaterverlag elgg, CH-3123 Belp<br />
Tel. + 41 (0)31 819 42 09<br />
www.theaterverlage.ch / information@theaterverlage.ch<br />
Montag - Freitag von 09.00 bis 11.30 Uhr & 13.30 bis 17.00 Uhr<br />
• Der Bezug der nötigen Texthefte - Anzahl Rollen plus 1 - berechtigt<br />
nicht zur Aufführung.<br />
• Es sind dar<strong>über</strong> hinaus angemessene Tantièmen zu bezahlen.<br />
• Mit dem Verlag ist vor den Aufführungen ein Aufführungsvertrag<br />
abzuschliessen, der festhält, wo, wann, wie oft und zu welchen<br />
Bedingungen dieses Stück gespielt werden darf.<br />
• Auch die Aufführung einzelner Teile aus diesem Textheft ist<br />
tantièmenpflichtig und bedarf einer Bewilligung durch den Verlag.<br />
• Bei eventuellen Gastspielen mit diesem Stück, hat die aufführende<br />
Spielgruppe die Tantième zu bezahlen.<br />
• Das Abschreiben oder Kopieren dieses Spieltextes - auch<br />
auszugsweise - ist nicht gestattet (dies gilt auch für<br />
Computerdateien).<br />
• Übertragungen in andere Mundarten oder von der Schriftsprache in<br />
die Mundart sind nur mit der Erlaubnis von Verlag und Verfasser<br />
gestattet.<br />
• Dieser Text ist nach dem Urheberrechtsgesetz vom 1. Juli 1993<br />
geschützt. Widerhandlungen gegen die urheberrechtlichen<br />
Bestimmungen sind strafbar.<br />
• Für Schulen gelten besondere Bestimmungen.<br />
"Es gibt Leute, die ein Theaterstück als etwas "Gegebenes"<br />
hinnehmen, ohne zu bedenken, dass es erst in einem Hirn erdacht,<br />
von einer Hand geschrieben werden musste.“<br />
Rudolf Joho
Mike LaMarr<br />
Die <strong>Wahrheit</strong> <strong>über</strong><br />
<strong>Isidor</strong> Wanner<br />
Komödie in zwei Akten<br />
Besetzung: 5 Frauen, 8 Männer (teilweise variabel)<br />
Bild: Wohnzimmer<br />
< Neuesten Untersuchungen zu Folge schrieb <strong>Isidor</strong><br />
Wanner jeden Abend von halb neun bis Punkt elf. ><br />
Dank des professionellen Managements seines Verlegers<br />
sowie der seriösen Arbeit seines Lektors gelingt dem<br />
Karosserie-spengler <strong>Isidor</strong> Wanner die Sensation: Sein<br />
Erstlingsroman «Der Wirbelmacher» wird von den Medien<br />
als Höhepunkt der deutschsprachigen Literatur betrachtet und<br />
erreicht schwindel-erregende Auflagen. Mitten in einen<br />
Medientermin platzt allerdings der Grundschullehrer Felix<br />
Hungerbühler, der behauptet, Wanner habe ihm die Diskette<br />
mit dem Roman im Zug gestohlen...Das Gerangel um die<br />
«<strong>Wahrheit</strong> <strong>über</strong> <strong>Isidor</strong> Wanner » beginnt.<br />
< Sie verzeihen, wenn ich ein weiteres Mal den Begriff<br />
„Meisterwerk“ bemühe. ><br />
elgger schaulust 17<br />
© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />
Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />
Kein Aufführungsrecht.
Personen<br />
Führerin<br />
Schöne Frau<br />
Junge Frau<br />
Älterer Herr<br />
Junger Mann<br />
<strong>Isidor</strong> Wanner<br />
Verleger<br />
Felix Hungerbühler<br />
TV-Reporterin<br />
Zeitungsjournalist<br />
Lektor<br />
Fotografin<br />
Kameramann<br />
Ort<br />
Wanners Wohnzimmer<br />
Zeit<br />
Heute<br />
- 2 -<br />
© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />
Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />
Kein Aufführungsrecht.
Die <strong>Wahrheit</strong> <strong>über</strong> <strong>Isidor</strong> Wanner<br />
Prolog<br />
Führerin<br />
Junger Mann<br />
Ein biederes Wohnzimmer. Hinten links ein Sofa,<br />
dahinter eine Pendule, davor ein ovales Holztischchen.<br />
In der Mitte ein Fenster mit geblümten<br />
Gardinen und Blumenkistchen auf dem Sims. Hinten<br />
rechts eine Wohnwand samt Fernseher, kitschigen<br />
Figürchen und Reader’s Digest-Bänden. In der Ecke<br />
ein Gummibaum. Zwischen Sofa und Wohnwand<br />
eine Stehlampe. Auf dem Boden ein älterer<br />
Spannteppich.<br />
Rechts vorne - nicht im Einklang mit der übrigen<br />
Einrichtung - ein Personal Computer auf einem<br />
Tischchen. Über dem PC-Bildschirm einige Wörterbücher,<br />
davor ein Bürostuhl. An der rechten Wand<br />
ein Porträtfoto von <strong>Isidor</strong> Wanner und seiner Frau.<br />
Links eine Tür hinaus in den Gang.<br />
Durch diese Tür treten fünf Personen ein, drei<br />
Frauen und zwei Männer. Angeführt wird die Gruppe<br />
von einer älteren, streng blickenden Frau.<br />
Und dies, meine Damen und Herren, ist das<br />
Wohnzimmer. Auf diesem Sofa hier studierte <strong>Isidor</strong><br />
Wanner jeden Abend die Lokalzeitung. Mit gespielter<br />
Bescheidenheit. Mit Vorliebe übrigens die von mir<br />
betreute Kulturseite.<br />
Die übrigen, mit Ausnahme einer jungen,<br />
unkonventionell gekleideten Frau am Schluss der<br />
Gruppe, nicken bedeutungsschwer. Ein junger Mann<br />
mit Brille macht sich eifrig Notizen.<br />
Wissen Sie zufällig, wo genau er jeweils sass? Eher<br />
links oder eher rechts?<br />
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Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />
- 3 -<br />
Kein Aufführungsrecht.
Führerin<br />
Junger Mann<br />
Schöne Frau<br />
Älterer Herr<br />
Junge Frau<br />
Führerin<br />
Schöne Frau<br />
Älterer Herr<br />
Junger Mann<br />
Führerin<br />
Führerin<br />
Junger Mann<br />
Die Beschaffenheit des Sofabezugs lässt erkennen,<br />
dass <strong>Isidor</strong> Wanner meistens auf der linken Seite<br />
gesessen haben muss.<br />
notiert. Links. Natürlich.<br />
Eine attraktive Frau streicht - zum Missfallen der<br />
Führerin – <strong>über</strong> die betreffende Stelle.<br />
betont ergriffen. Mein Gott! Wie authentisch!<br />
versucht der schönen Frau zu imponieren. Sie sagen<br />
es. Die Luft vibriert geradezu vor literarischer<br />
Bedeutung.<br />
hat nicht zugehört. Puah! Ist das muffig hier drin. Als<br />
hätte man ewig nicht gelüftet. Sieht sich auf eigene<br />
Faust um, während die übrigen missbilligend den<br />
Kopf schütteln.<br />
weist feierlich auf den PC. Und hier drüben schuf<br />
<strong>Isidor</strong> Wanner sein schriftstellerisches Œuvre.<br />
zwischen Faszination und Enttäuschung. Was für ein<br />
bescheidenes Tischchen.<br />
Gewaltiges wächst häufig durch Bescheidenheit. Sartre<br />
beispielsweise schrieb ausschliesslich im Bistro. Auf<br />
Papierservietten.<br />
Die schöne Frau zeigt sich beeindruckt, während die<br />
Führerin Belehrungen anderer nicht schätzt.<br />
Fotografieren ist doch gestattet?<br />
Nur ohne Blitzlicht.<br />
Der jüngere Mann zückt seine Kamera. Da sich der<br />
ältere Mann dem PC nähert.<br />
Nicht berühren, bitte! Auch dieses Zimmer wurde<br />
genau so belassen, wie es sich an jenem tragischen<br />
Abend präsentiert haben muss.<br />
Am 3. April!<br />
Der schönen Frau entfährt ein kleiner Schrei.<br />
- 4 -<br />
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Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />
Kein Aufführungsrecht.
Die <strong>Wahrheit</strong> <strong>über</strong> <strong>Isidor</strong> Wanner<br />
Älterer Herr Ein Trauertag.<br />
Führerin zeigt effektvoll auf den Teppich. Wer genau hin sieht,<br />
erkennt da und dort noch Blutflecken.<br />
Schöne Frau Mein Gott! Wie schrecklich! Weicht einen Schritt<br />
zurück. Der ältere Mann möchte sie am liebsten<br />
beschützend in die Arme nehmen.<br />
Älterer Herr Sie sagen es.<br />
Junge Frau versucht am anderen Ende des Zimmers den<br />
Spannteppich etwas anzuheben. Diesen<br />
scheusslichen, fleckigen Spannteppich dürfte man<br />
doch raus reissen, oder? Da drunter versteckt sich<br />
garantiert ein wunderbarer Parkettboden.<br />
Führerin entsetzt. Raus reissen?! <strong>Isidor</strong> Wanners Teppich?!<br />
Hindert die junge Frau an ihrem Vorhaben.<br />
Schöne Frau Mein Gott! Wie pietätlos!<br />
Älterer Herr Um nicht zu sagen: blasphemisch!<br />
Junge Frau nachdenklich. Allerdings müsste man das Parkett<br />
wohl noch gehörig abschleifen.<br />
Führerin Ich muss doch sehr bitten!<br />
Jüngerer Mann immer noch fotografierend. Verzeihung, weiss man<br />
eigentlich, zu welchen Zeiten <strong>Isidor</strong> Wanner jeweils<br />
schrieb?<br />
Führerin Nun, neuesten Untersuchungen zu Folge, an denen<br />
mitzuwirken ich die Ehre hatte, schrieb <strong>Isidor</strong> Wanner<br />
jeden Abend von halb neun bis Punkt elf. Mit einer<br />
kurzen Pause um viertel vor zehn.<br />
Älterer Herr Von einer solchen Disziplin könnte sich manch junger<br />
Schnösel eine Scheibe abschneiden.<br />
Führerin Hätte <strong>Isidor</strong> Wanner geahnt, wie knapp seine Zeit<br />
bemessen sein würde, er hätte zweifellos sogar bis um<br />
halb zwölf gearbeitet.<br />
Junger Mann Wo hat man ihn denn - gefunden?<br />
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Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />
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Kein Aufführungsrecht.
Führerin<br />
Schöne Frau<br />
Älterer Herr<br />
Junge Frau<br />
Schöne Frau<br />
Älterer Herr<br />
Führerin<br />
Junge Frau<br />
Führerin<br />
Junge Frau<br />
Führerin<br />
Junge Frau<br />
Führerin<br />
Junge Frau<br />
Führerin<br />
Junge Frau<br />
Schöne Frau<br />
mit routinierter Ergriffenheit. Sein Kopf lag genau<br />
hier, in dieser Blutlache.<br />
Mein Gott! Weicht in die offenen Arme des älteren<br />
Herrn zurück. Wie tragisch!<br />
tätschelt der schönen Frau besänftigend die Schulter.<br />
Was für ein Verlust!<br />
kommt wieder hinzu. Tschuldigung, darf man hier<br />
eigentlich Katzen halten? Im Inserat stand nichts von<br />
Haustieren.<br />
Katzen?<br />
Inserat?<br />
Wovon in aller Welt reden Sie <strong>über</strong>haupt?<br />
Na, vom Zeitungsinserat... Ob der entrüsteten Blicke<br />
unsicher. Dies ist doch die freie Mietwohnung an der<br />
Glockengasse 4, oder?<br />
spitz. Bedaure. Dies ist das <strong>Isidor</strong> Wanner-Museum an<br />
der Glockengasse 6.<br />
Ach du Schande. Da hab’ ich mich offenbar im<br />
Eingang geirrt.<br />
Ganz offensichtlich.<br />
Na sowas. Tja, dann geh’ ich mal wieder.<br />
Das wird wohl das Beste sein.<br />
will ab, zögert. Was für ein Museum, sagten Sie, ist<br />
das?<br />
mit Nachdruck. Das <strong>Isidor</strong> Wanner-Museum!<br />
Aha. Und was war das für einer?<br />
Alle starren sie entsetzt und ungläubig an, auch der<br />
junge Mann, der mit Fotografieren und Notieren<br />
beschäftigt war. Schliesslich.<br />
Das gibt’s doch gar nicht.<br />
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Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />
Kein Aufführungsrecht.
Die <strong>Wahrheit</strong> <strong>über</strong> <strong>Isidor</strong> Wanner<br />
Älterer Herr Wollen Sie, mein Fräulein, allen Ernstes behaupten,<br />
Sie hätten noch nie etwas von <strong>Isidor</strong> Wanner gehört?<br />
Junge Frau Nein. Das heisst: Mein Oberstufenlehrer hiess Wanner.<br />
Doch soweit ich mich erinnere, war sein Vorname<br />
Willy. Nachdenklich. Oder Walter? Jedenfalls nannten<br />
wir ihn nur „Wanner, den Spanner“. Weil er uns<br />
Mädchen beim Turnunterricht immer auf die...<br />
Führerin <strong>Isidor</strong> Wanner war zufälligerweise der bedeutendste<br />
Schweizer Autor der letzten fünfzig Jahre.<br />
Junger Mann strebsam. Wahrscheinlich sogar der letzten fünfundsiebzig<br />
Jahre.<br />
Älterer Herr bemüht, den Jüngeren zu <strong>über</strong>trumpfen. Oder der<br />
letzten hundert Jahre.<br />
Junge Frau Ach tatsächlich? Ich dachte immer, das waren Frisch<br />
und Dürrenmatt.<br />
Führerin So wichtig diese beiden auch gewesen sein mögen,<br />
ihre Werke verblassen vor der unerhörten<br />
Schaffenskraft eines <strong>Isidor</strong> Wanners.<br />
Schöne Frau Vor seiner animalischen Fabulierlust.<br />
Junger Mann Vor seiner bestechenden Erzähltechnik.<br />
Älterer Mann wie oben. Und vor seiner philosophischen Stringenz.<br />
Junge Frau Wirklich? Ich werde mir mal was von ihm ausleihen.<br />
Üblicherweise lese ich ja nur Krimis. Oder Gaston-<br />
Comics. Will ab, zögert. Woran ist der Typ denn<br />
gestorben?<br />
Führerin mit Nachdruck. <strong>Isidor</strong> Wanner wurde ermordet.<br />
Junge Frau Donnerwetter nochmal, wirklich? Erschauernd. Und<br />
ich wollte hier einziehen... Mit neu erwachtem<br />
Interesse. Und wurde der Täter gefasst?<br />
Führerin Wenigstens das, ja.<br />
Schöne Frau Ein geisteskranker Fanatiker.<br />
Junger Mann Ein arglistiger Meuchler.<br />
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Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />
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Kein Aufführungsrecht.
Älterer Herr<br />
Ein impotenter Milchbart.<br />
Führerin Zweifellos. Doch vergessen wir nicht: <strong>Isidor</strong> Wanner<br />
zerbrach nicht zuletzt auch an seiner Zeit.<br />
Junger Mann Er war ihr um Jahre voraus.<br />
Älterer Herr Um Jahrzehnte!<br />
Junge Frau Und wann geschah dies alles?<br />
Junger Mann wie an einem Examen. Am 3. April vor zwei Jahren,<br />
gegen zehn Uhr abends.<br />
Älterer Herr ebenso. Dreieinhalb Monate nach Erscheinen seines<br />
sensationellen Erstlings.<br />
Schöne Frau entnimmt der Handtasche ein Buch. „Der Wirbelmacher“.<br />
Junger Mann und Älterer Herr ziehen ebenfalls je ein Buch hervor.<br />
„Der Wirbelmacher.“<br />
Führerin Richtig. Doch im Grunde nahm das Unglück bereits<br />
einige Tage zuvor seinen Lauf.<br />
Junger Mann Ende März also. Notiert.<br />
Führerin nickt. Anfänglich deutete noch nichts auf eine<br />
tragische Entwicklung der Ereignisse hin. Im<br />
Gegenteil: <strong>Isidor</strong> Wanner stand auf dem Zenith seiner<br />
jungen Karriere. Sein erstes Buch...<br />
Schöne Frau, Junger Mann und Älterer Herr ihr Exemplar<br />
präsentierend. „Der Wirbelmacher“.<br />
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Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />
Kein Aufführungsrecht.
Führerin<br />
Junger Mann<br />
Schöne Frau<br />
Älterer Herr<br />
Junge Frau<br />
Führerin<br />
Die <strong>Wahrheit</strong> <strong>über</strong> <strong>Isidor</strong> Wanner<br />
<strong>über</strong> die Unterbrechung genervt. Ähm, genau. „Der<br />
Wirbelmacher“ also hatte mit ungeahntem Erfolg<br />
eingeschlagen und nun wollten sie alle ein Interview<br />
oder eine Reportage: Die Presse, die Radiostationen,<br />
Fernsehsender aus dem In- und Ausland, einfach alle.<br />
Auch an jenem Tag war es nicht anders. Doch ich<br />
weiss, Sie kennen dies alles schon. Kokett. Ich möchte<br />
niemanden langweilen.<br />
Aber keineswegs.<br />
Über <strong>Isidor</strong> Wanner kann gar nicht genug gesagt<br />
werden.<br />
mit Blick auf die junge Frau. Ausserdem können<br />
gewisse Leute hier etwas Nachhilfe in Sachen Literatur<br />
durchaus vertragen.<br />
arglos. Mir geht’s wie ihm. Zu gerne möchte ich<br />
wissen, weshalb dieser Wanner abgemurkst wurde.<br />
Na schön, wenn Sie alle darauf bestehen. Wie gesagt:<br />
An jenem Tag wimmelte es in dieser Wohnung nur so<br />
von Leuten: Fernsehmitarbeitern und Verlegern,<br />
Zeitungsjournalisten und Lektoren, Radioreportern und<br />
Fotografen...<br />
Ihre Stimme wird leiser und die Gruppe zieht sich<br />
von der Bühne zurück (möglichst nicht durch die<br />
Türe), während die besagten Personen das<br />
Wohnzimmer betreten.<br />
Kein Vorhang.<br />
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Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />
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Kein Aufführungsrecht.
1. Akt<br />
Gleiches Bühnenbild. Bereits gegen Ende des<br />
Prologs hat ein Kameramann damit begonnen, seine<br />
Geräte ins Wohnzimmer zu schleppen. Er richtet die<br />
Kamera sowie einen Scheinwerfer auf das Sofa. Eine<br />
sehr gepflegte Fernsehjournalistin <strong>über</strong>prüft ihre<br />
Notizen und den Sitz ihres Deux-Pièce.<br />
Ein Zeitungsjournalist und eine Fotografin treten<br />
ebenfalls ins Wohnzimmer. Der Journalist, ein<br />
nachlässig gekleideter Kettenraucher, stösst mit dem<br />
Knie an den Scheinwerfer, der gleich bei der Türe<br />
steht.<br />
Journalist Autsch! Verdammt nochmal, müsst ihr Fernsehfritzen<br />
eure Scheisskameras ausgerechnet beim Eingang hin<br />
stellen.<br />
Reporterin Erstens ist dies keine Scheisskamera, sondern ein<br />
Scheissscheinwerfer. Und zweitens lassen wir uns von<br />
einem Zeilenschinder der „Goldpost“ gewiss nicht vorschreiben,<br />
wie wir zu arbeiten haben.<br />
Journalist Im Gegensatz zu euch verschleudern wir wenigstens<br />
keine Steuergelder.<br />
Reporterin zum Kameramann, den Journalisten meinend.<br />
Ungebildeter Torfkopf!<br />
Journalist zur Fotografin, die Reporterin meinend. Eingebildete<br />
Schnepfe!<br />
Sie richten sich weiter ein.<br />
Reporterin mit Blick auf die Uhr. Wenn die nicht bald kommen,<br />
wird’s knapp für’s Abendjournal.<br />
Fotografin nickt zum „Goldpost“-Team hin. Die beiden sind erst<br />
noch vor uns dran.<br />
- 10 -<br />
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Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />
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Reporterin<br />
Journalist<br />
Reporterin<br />
Journalist<br />
Reporterin<br />
Verleger<br />
Wanner<br />
Die <strong>Wahrheit</strong> <strong>über</strong> <strong>Isidor</strong> Wanner<br />
Ich weiss, ich weiss. Betrachtet sich zufrieden in<br />
einem Handspiegel und zupft an ihrem Haar herum.<br />
An diesen schlaffen Strähnen kannst du noch lange<br />
rumzupfen, Schätzchen, das wird nie eine Frisur.<br />
ihn abschätzig musternd. So? Was verstehen denn<br />
ausgerechnet Sie von Frisuren?<br />
Ich betreue nebenher noch unsere „Beauty“-Seite.<br />
sarkastisch. Die „Beauty-Seite“ der „Goldpost“? Da<br />
bin ich aber ausserordentlich beeindruckt.<br />
Dennoch betrachtet sie sich nun mit neuer Skepsis<br />
im Spiegel und zieht schliesslich verstohlen einen<br />
Kamm hervor. <strong>Isidor</strong> Wanner und sein Verleger<br />
treten ein, gefolgt vom Lektor. Wanner ist Ende<br />
Vierzig und von ungeschlachtem Äussern. Er spricht<br />
nur wenig und dies erst noch zögernd und unsicher.<br />
Der Verleger, Anfang Vierzig, ist selbstgefällig,<br />
dynamisch und momentan hochzufrieden. Der<br />
Lektor wiederum wirkt dürr und verkniffen.<br />
in sein Funktelefon. Die komplette vierte Auflage ist<br />
weg? Wiederhol’ das bitte, es klang so wunderschön.<br />
Lauscht entzückt. Nochmals! Lauscht nochmals. Das<br />
ist ja grossartig. 100'000 Exemplare in nur dreieinhalb<br />
Monaten. Die anderen Verlage werden sich in den<br />
Hintern beissen. Und wir sind fürs erste saniert. Gib<br />
sämtlichen Redaktionen Bescheid, dass wir für<br />
Interviews bereit stehen. Und mit sämtlichen meine ich<br />
sämtliche, klar? Steckt das Telefon weg und klopft<br />
Wanner auf die Schulter. Na, das nenn’ ich eine gute<br />
Nachricht, was, Wanner? Und als nächstes stürmen wir<br />
den Zweihunderttausender. „Der Wirbelmacher“ wird<br />
als der Superbestseller in die Geschichte der<br />
deutschsprachigen Literatur eingehen. Da verschlägt’s<br />
Ihnen glatt die Sprache, was, Wanner?<br />
Ich äh...<br />
- 11 -<br />
© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />
Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />
Kein Aufführungsrecht.
Verleger zu den Journalisten. Tja, Qualität setzt sich letzten<br />
Endes eben doch durch. Professionelles Management<br />
vorausgesetzt natürlich.<br />
Lektor Und gewissenhaftes Lektorat.<br />
Verleger Natürlich.<br />
Reporterin die Haare neu frisiert. Wir gratulieren, Herr Wanner.<br />
Wie fühlt sich denn ein Automechaniker als neuer<br />
Stern am Schweizer Literaturhimmel?<br />
Wanner eher leise. Karosseriespengler. Nicht Automechaniker.<br />
Journalist Halt, so nicht! Wir sind zuerst dran.<br />
Verleger beschwichtigend. Nun, offenbar eilt es den<br />
Fernsehleuten.<br />
Journalist Mir Wurscht. Wanner kriegt unser Titelblatt. Und vier<br />
Seiten gleich nach dem Horoskop.<br />
Verleger Gleich nach dem Horoskop? Legen Sie los. Zum<br />
Fernsehteam. Wollen Sie sich unterdessen mit Herrn<br />
Döbeli unterhalten, unserem Lektor...<br />
Lektor Cheflektor.<br />
Verleger Natürlich. Er wird Ihnen erzählen, wie wir <strong>Isidor</strong><br />
Wanner entdeckt und aufgebaut, ich meine: gefördert<br />
haben. Und hier noch unsere Dokumentationsmappe<br />
mit Biografie, Pressestimmen aus ganz Europa sowie<br />
unserem übrigen Verlagsprogramm. Reicht der<br />
Reporterin die Mappe; Lektor und Fernsehcrew<br />
gehen nach rechts. Verleger wählt auf seinem Funktelefon<br />
eine Nummer. Während er auf Anschluss<br />
wartet, zu Wanner.<br />
Verleger Nennen Sie möglichst oft den Buchtitel, Wanner. Und<br />
den Verlag. Und natürlich den Preis: Nur 29 Franken<br />
90.<br />
Wanner begriffsstutzig. 29 Franken 90? Wozu denn?<br />
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Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />
Kein Aufführungsrecht.
Verleger<br />
Journalist<br />
Verleger<br />
Journalist<br />
Wanner<br />
Verleger<br />
Journalist<br />
Wanner<br />
Verleger<br />
Fotografin<br />
Verleger<br />
Journalist<br />
Die <strong>Wahrheit</strong> <strong>über</strong> <strong>Isidor</strong> Wanner<br />
klopft ihm auf die Schulter. Ganz der weltfremde<br />
Künstler, was? Na gehen Sie schon.<br />
auf das Sofa zeigend. Hier r<strong>über</strong> bitte, Herr Wanner.<br />
ins Funktelefon. Ich bin’s. Sag’ der Druckerei, wir<br />
erhöhen die fünfte Auflage um 10'000, klar? Die<br />
„Goldpost“ knallt Wanner aufs Titelblatt; das heisst,<br />
jede Hausfrau, die beim nächsten Kaffeekränzchen<br />
nicht stumm wie ein Fisch dasitzen will, sprintet<br />
nächsten Donnerstag Richtung Buchhandlung. -<br />
Ausgezeichnet. Klappt das Telefon zu.<br />
Also, die eigentliche Homestory hatten wir ja schon.<br />
Diesmal wollen wir unseren Leserinnen zeigen,<br />
wie bescheiden und natürlich Sie trotz allem geblieben<br />
sind. Ich nehme an, Sie kriegen täglich Fanpost.<br />
Was für Post?<br />
Natürlich kriegt er Fanpost. Weist auf einen Korb voll<br />
Briefe. Das kam allein diese Woche.<br />
pfeift beeindruckt. Alle Achtung.<br />
verblüfft. Die sind alle an mich? Will einen Brief<br />
rausnehmen.<br />
klopft ihm auf die Finger. Herr Wanner beantwortet<br />
jeden Brief persönlich. Von unserem Sekretariat<br />
wirkungsvoll unterstützt.<br />
Herr Wanner, würden Sie den Korb bitte auf die Knie<br />
nehmen. Genau so. Knipst mehrfach. Und jetzt<br />
vielleicht noch mit Ihrem Verleger.<br />
Wenn Sie darauf bestehen. Schiebt sich fürs Foto in<br />
den Vordergrund.<br />
tippt einen Text in seinen Laptop. „Eine gemütliche<br />
Stube in einer heimeligen Altbauwohnung. Niemand<br />
würde vermuten, dass hier einer der führenden<br />
Schweizer Schriftsteller lebt...“<br />
- 13 -<br />
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Kein Aufführungsrecht.
Fotografin<br />
Wanner<br />
Verleger<br />
Fotografin<br />
Journalist<br />
Wanner<br />
Verleger<br />
Wanner<br />
Fotografin<br />
Wanner<br />
Journalist<br />
Wanner<br />
Verleger<br />
Journalist<br />
Fürs Titelblatt, Herr Wanner, bräuchten wir noch ein<br />
Bild mit Ihrer Frau.<br />
Mit... mit meiner Frau? Blickt hilfesuchend zum<br />
Verleger.<br />
Mit seiner Frau?<br />
nickt Richtung Bild, das <strong>über</strong> dem PC hängt. Wie<br />
schon letztes Mal. Ein glückliches Paar auf dem Cover<br />
zieht immer.<br />
Deshalb haben wir auch so wenige Titelstories mit<br />
dem Papst.<br />
Also meine Frau ist...<br />
In Urlaub. Bei ihrer Schwester. Nicht wahr, Wanner?<br />
erstaunt. In Urlaub? Begreift, nachdem ihm der<br />
Verleger gegen das Bein getreten hat, doch noch. Au!<br />
Aber ja, doch. In Urlaub. Sie ist in Urlaub.<br />
Das ist aber jammerschade. Haben Sie wenigstens ein<br />
Haustier? Was Niedliches mit Pelz?<br />
Mit Pelz? Nein, ich äh...<br />
Arbeiten Sie eigentlich bereits an einem neuen Pelz,<br />
ich meine: an einem neuen Stoff, Herr Wanner?<br />
Also ich...<br />
Wir haben mit <strong>Isidor</strong> Wanner einen Vorvertrag für drei<br />
weitere Bücher abgeschlossen. Die nächste Veröffentlichung<br />
ist bereits für Mitte Dezember geplant. Übers<br />
nächste Weihnachtsgeschenk braucht sich also<br />
niemand den Kopf zu zerbrechen, hehe. Das dürfen Sie<br />
ruhig so verwenden.<br />
Danke.<br />
Der Journalist tippt. Der Kameramann hört sich<br />
desinteressiert die engagierten Ausführungen des<br />
Lektors, der immer wieder auf sich zeigt, an,<br />
- 14 -<br />
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Kein Aufführungsrecht.
Fotografin:<br />
Verleger<br />
Lektor<br />
Verleger<br />
Reporterin<br />
Wanner<br />
Reporterin<br />
Die <strong>Wahrheit</strong> <strong>über</strong> <strong>Isidor</strong> Wanner<br />
während die Reporterin wieder mit ihrer Frisur<br />
beschäftigt ist.<br />
Noch eine abschliessende Serie bei der Wohnwand,<br />
Herr Wanner.<br />
Wanner posiert mit einem „Wirbelmacher“-<br />
Exemplar vor der Wohnwand. Das Funktelefon des<br />
Verlegers piepst.<br />
Ja? - Ah, buenas dias. Sì... sì..., momentos. Zum<br />
Lektor. Döbeli! Der spanische Übersetzer möchte<br />
wissen, ob man „Wirbelmacher“ mit „Der wirbelnde<br />
Macher“ oder „Der wirblige Macher“ <strong>über</strong>setzt. Hier.<br />
entrüstet. Aber beides ist doch falsch; aus dem<br />
Gesamtkontext geht unzweifelhaft hervor, dass ...<br />
Erzählen Sie das nicht mir, sondern dem Übersetzer.<br />
Lektor mit Telefon ab. Verleger zum Fernsehteam.<br />
So, ich denke, Ihre Kollegen von der Presse sind gleich<br />
fertig.<br />
Kamm und Spiegel wegsteckend. Das sind nicht<br />
unsere Kollegen.<br />
Sie begibt sich zum Sofa, wo Wanner wieder Platz<br />
genommen hat. Die Fotografin knipst Wanners PC.<br />
Also, Herr Wanner Der berüchtigte Literaturkritiker<br />
Luzius Muggli-Hofstetter schreibt <strong>über</strong> Sie: „Unsere<br />
selbsternannte Schriftsteller-Intelligenzia mit ihrer<br />
blutleeren Buchhalterprosa wird ausgerechnet von den<br />
subtilen Gefühlsdiagrammen eines Automechanikers in<br />
den Schatten gestellt.“<br />
Karosseriespengler, nicht Automechaniker.<br />
Was denken Sie? Geniessen Sie als Automechaniker<br />
eine Art Arbeiterbonus?<br />
- 15 -<br />
© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />
Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />
Kein Aufführungsrecht.
Wanner unsicher. Einen Bonus? Also, ich hatte immer einen<br />
ganz normalen Monatslohn. Ohne dreizehnten. Das<br />
heisst, bevor ich entlassen wurde. Wegen meines<br />
Rückens, wissen Sie?<br />
Verleger <strong>Isidor</strong> Wanners begründeter Erfolg beruht einzig und<br />
allein auf harter Arbeit und professionellem<br />
Management.<br />
Lektor den Kopf ins Zimmer steckend. Und gewissenhaftem<br />
Lektorat.<br />
Verleger Verschwinden Sie, Döbeli. Im übrigen will sich Herr<br />
Wanner inskünftig ausschliesslich der Schriftstellerei<br />
widmen.<br />
Reporterin Sie sind Automechaniker, Herr Wanner,...<br />
Wanner Karosseriespengler.<br />
Reporterin ...schreiben aber <strong>über</strong> die erschütternden Erfahrungen<br />
eines ehemaligen Primarschullehrers in einer psychiatrischen<br />
Klinik. Wie gelang es Ihnen, sich derart<br />
hautnah und wortgewaltig in diese besondere Situation<br />
ein-zufühlen?<br />
Wanner Nun, also, ich...<br />
Von draussen werden Rufe hörbar wie: „Wo ist er?<br />
Ich muss zu ihm!“<br />
Reporterin Kamera stopp! Was in aller Welt ist da draussen los?<br />
In der Türe steht Felix Hungerbühler, ein hagerer<br />
Mann Ende Dreissig mit dicken Brillengläsern und<br />
einer abgewetzten Aktentasche. Seine dünne Stimme<br />
<strong>über</strong>schlägt sich wiederholt. Der Lektor zerrt an<br />
seinem Ärmel.<br />
Hungerbühler Wo ist er?! Wo ist dieser elende Schurke?! stösst beim<br />
Eintreten mit dem Knie gegen den Scheinwerfer.<br />
Aua!<br />
Fotografin Sagen Sie mal, können Sie denn nicht aufpassen.<br />
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Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />
Kein Aufführungsrecht.
Die <strong>Wahrheit</strong> <strong>über</strong> <strong>Isidor</strong> Wanner<br />
Hungerbühler sich das Knie reibend. Verzeihung.<br />
Lektor Ich habe ihm gesagt, er dürfe da nicht rein.<br />
Verleger zu Hungerbühler. Was zum Henker fällt Ihnen ein,<br />
einfach so hier reinzuplatzen?<br />
Hungerbühler Ich, nun...<br />
Lektor Gerade wollte ich diesem Übersetzer erklären, weshalb<br />
es weder „Der wirblige Macher“ noch „Der wirbelnde<br />
Macher“ heissen kann, wenn alles im Gesamtkontext<br />
darauf hinweist, dass...<br />
Verleger zum Lektor. Halten Sie die Klappe, Döbeli. Zu<br />
Hungerbühler. Na?<br />
Hungerbühler ob der vielen Blicke verwirrt. Ich... ich hatte nicht mit<br />
derart vielen Leute gerechnet.<br />
Verleger Dann sorgen Sie augenblicklich dafür, dass es einer<br />
weniger wird. Für Autogrammkarten oder <strong>Isidor</strong><br />
Wanner-T-Shirts wenden Sie sich gefälligst an unser<br />
Sekretariat. Bedeutet dem Lektor, Hungerbühler<br />
hinaus zu begleiten.<br />
Hungerbühler wendet sich humpelnd zum Gehen. Ach so. Na dann<br />
werde ich... Aber Moment mal! Ich will ja gar kein T-<br />
Shirt. Schüttelt den Arm des Lektors ab, wobei er mit<br />
der Hand gegen den Scheinwerfer stösst. Aua! Zum<br />
Kameramann. Verzeihung.<br />
Verleger ungeduldig. Wir haben auch <strong>Isidor</strong> Wanner-<br />
Baseballmützen oder Aschenbecher, wenn Sie lieber<br />
wollen. Und jetzt gehen Sie endlich.<br />
Hungerbühler eindringlich. Ich will doch nur Gerechtigkeit. Zu<br />
allen. Nichts als Gerechtigkeit.<br />
Journalist Ich fürchte, fürs Bezirksgericht müssen Sie schon nach<br />
Zürich.<br />
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Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />
Kein Aufführungsrecht.
Hungerbühler mit <strong>über</strong>schlagender Stimme. Das Buch „Der<br />
Wirbelmacher“ stammt nicht von <strong>Isidor</strong><br />
Wanner!<br />
Verblüfftes Schweigen. Wanner sitzt regungslos auf<br />
dem Sofa. Schliesslich.<br />
Reporterin ungläubig. Was haben Sie da eben gesagt?<br />
Hungerbühler <strong>Isidor</strong> Wanner hat das Buch „Der Wirbelmacher“ nicht<br />
geschrieben. Nicht eine Silbe.<br />
Journalist So? Und wer war es dann? DJ Bobo?<br />
Hungerbühler Nein. Ich! Ich habe es geschrieben!<br />
Kurzes Schweigen, anschliessend explodierendes<br />
Gelächter.<br />
Was ist daran so komisch?<br />
Noch mehr Gelächter. Einzig <strong>Isidor</strong> Wanner rutscht<br />
unruhig auf dem Sofa hin und her, während Verleger<br />
und Lektor einen raschen Blick austauschen. Der<br />
Verleger nimmt Hungerbühler am Arm.<br />
Verleger Werter Herr...<br />
Hungerbühler Hungerbühler, Felix Hungerbühler. Ehemals Primarschullehrer<br />
in Zürich-Altstetten.<br />
Verleger Hören Sie, Herr Hugentobler, als Verleger schätze ich<br />
phantasiebegabte Menschen ausserordentlich. Wie<br />
beispielsweise meine liebe Grossmutter. Ach, sie<br />
konnte uns Kindern stundenlang die unglaublichsten<br />
Geschichten erzählen, und wir hingen ihr wie gebannt<br />
an den Lippen. Und wissen Sie, Herr Hugentobler, was<br />
ich tun würde, wenn diese gütige alte Frau in diesem<br />
Augenblick zur Türe rein geschlurft käme?<br />
Hungerbühler blickt unwillkürlich zur Türe. Nein. Keine Ahnung.<br />
Verleger Ich würde sie hochkant rauswerfen lassen. Weil ich im<br />
Moment auf gar keinen Fall gestört werden will. Habe<br />
ich mich einigermassen deutlich ausgedrückt? Macht<br />
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Kein Aufführungsrecht.
Die <strong>Wahrheit</strong> <strong>über</strong> <strong>Isidor</strong> Wanner<br />
dem Lektor ein Zeichen, worauf dieser Hungerbühler<br />
ebenfalls am Arm packt.<br />
Hungerbühler erregt und hastig. Vor acht Monaten, am 16. August,<br />
fuhr ich mit dem Schnellzug von Winterthur nach<br />
Zürich. Während der Fahrt muss mir eine Diskette aus<br />
dieser Aktentasche hier gefallen sein. Er hält die<br />
Tasche hoch und stopft ein Buch, das aus einer<br />
zerschlissenen Ecke ragt, in die Tasche zurück. Und<br />
auf jener Diskette befand sich das nahezu fertige<br />
Manuskript meines allerersten Romans.<br />
Journalist zündet sich eine Zigarette an. Oje, mir kommen gleich<br />
die Tränen.<br />
Hungerbühler Ich weiss: Ein banales Missgeschick, werden Sie<br />
sagen. Doch es war eine Katastrophe. Denn nur zwei<br />
Tage zuvor hatte mir ein bösartiger Festplattenvirus<br />
sämtliche Computerdaten zerstört. Und deshalb besass<br />
ich einzig diese eine Sicherheitskopie.<br />
Verleger Ein böser, böser Virus. Hört, hört.<br />
Hungerbühler Nachdem ich mich bei sämtlichen Fundbüros<br />
vergeblich nach der Diskette erkundigt hatte, blieb mir<br />
nur eines übrig: den gesamten Roman aus meinem<br />
Gedächtnis zu reproduzieren. Reisst sich vom Verleger<br />
und vom Lektor, die ihn beinahe draussen hatten,<br />
los, wobei er mit dem Kopf gegen den Scheinwerfer<br />
stösst. Aua! Hält sich den Kopf, zum Kameramann.<br />
Verzeihung. Es war eine unerhört mühevolle Aufgabe,<br />
glauben Sie mir. Vorgestern aber, wie ich zum zweiten<br />
Mal so gut wie fertig war, blättere ich in einer<br />
Buchhandlung in einem der ausgestellten Bücher, und<br />
da trifft mich fast der Schlag: Das war mein Roman.<br />
Satz für Satz. Wort für Wort. Einzig der Titel war<br />
geändert worden. Und natürlich der Autor. Mit<br />
Abscheu. <strong>Isidor</strong> Wanner. Ein erbärmlicher Dieb und<br />
Hochstapler. Zum ersten Mal zeigt Wanner eine<br />
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Regung der Empörung. Dieser jämmerliche Betrüger<br />
muss die Diskette damals gefunden und an sich<br />
gerissen haben. Und deshalb bin ich nun gekommen,<br />
um meinen Roman zurück zu fordern. Hier auf der<br />
Stelle!<br />
Schweigen. Alles blickt auf Wanner, der weiterhin<br />
schweigt.<br />
Reporterin mit nachsichtiger Skepsis. Eine äusserst<br />
ungewöhnliche Geschichte, Herr Hungerbühler. Ich<br />
nehme an, Sie haben Ihr Manuskript zuvor schon<br />
verschiedenen Leuten gezeigt, die Ihre Darstellung nun<br />
alle belegen können.<br />
Hungerbühler Ja. Das heisst: nein. Ich... seit ich aus der<br />
psychiatrischen Klinik entlassen wurde, lebe ich sehr<br />
zurück gezogen.<br />
Die anderen sehen sich vielsagend an.<br />
Journalist Aha. Keine Menschenseele hat Ihr Wahnsinnsmanuskript<br />
also jemals gelesen: Was für ein unglaubliches<br />
Pech.<br />
Hungerbühler Ja, aber Sie müssen mir glauben...<br />
Verleger Verzeihen Sie, meine Damen und Herren, aber mich<br />
packt gleich ein heiliger Zorn. Kaum landet ein bodenständiger<br />
Arbeiter dank professionellem Management<br />
...<br />
Lektor ... und gewissenhaftem Lektorat...<br />
Verleger ...Schnauze, Döbeli! Kaum landet dieser also einen<br />
Bestseller, spaziert auch prompt so ein intellektueller<br />
Klugscheisser daher und behauptet ohne zu erröten, er<br />
habe das Buch geschrieben. Das musste wohl noch so<br />
kommen.<br />
Hungerbühler verzweifelt. Aber ich habe das Buch geschrieben.<br />
Journalist So, jetzt fehlt mir nur noch die Schlagzeile.<br />
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Die <strong>Wahrheit</strong> <strong>über</strong> <strong>Isidor</strong> Wanner<br />
Verleger etwas beruhigt. Herr Hugentobler, verraten Sie mir<br />
bitte etwas. Wie viele Autos haben Sie in Ihrem<br />
Leben schon auseinander genommen? Nur so<br />
ungefähr.<br />
Hungerbühler Autos auseinander genommen? Ich?<br />
Verleger Sieht es etwa so aus, als rede ich mit diesem<br />
Scheinwerfer hier? Natürlich Sie.<br />
Hungerbühler Ich... noch keines. Ich bin ja auch kein<br />
Automechaniker.<br />
Wanner Karosseriespengler.<br />
Verleger Aha. Sie sind also kein Automechaniker. Aber wissen<br />
Sie was: <strong>Isidor</strong> Wanner ist Automechaniker.<br />
Wanner Karosseriespengler.<br />
Verleger Bis vor wenigen Monaten nahm er Tag für Tag<br />
unzählige Autos auseinander und setzte sie<br />
auch wieder zusammen. Bis sein Rücken irgendwann<br />
nicht mehr mit machte. Bis er von seiner langjährigen<br />
Firma auf Knall und Fall entlassen wurde. Ohne das<br />
leiseste Danke-schön.<br />
Hungerbühler kleinlaut. Das tut mir wirklich leid.<br />
Verleger Es braucht Ihnen aber nicht leid zu tun, Herr<br />
Hugentobler. Denn <strong>Isidor</strong> Wanner hatte Glück. <strong>Isidor</strong><br />
Wanner verfügt nämlich <strong>über</strong> eine wundervolle Gabe.<br />
Nach einem harten Arbeitstag hockt er sich nicht etwa<br />
stumpfsinnig vor den Fernsehkasten. Wanner hustet<br />
schuldbewusst. O nein, <strong>Isidor</strong> Wanner setzt sich<br />
Abend für Abend an diesen PC und schreibt an einem<br />
Buch. Und als er das Buch schliesslich vollendet hat,<br />
findet er tatsächlich einen couragierten Verleger...<br />
Lektor ... und einen gewissenhaften Lektor...<br />
Verleger Döbeli! Er findet also einen selbstlosen Verleger, der<br />
ihm zu einem Sensationserfolg verhilft. Und nun<br />
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kommen Sie, Herr Hugentobler, und wollen sich mit<br />
fremden Federn schmücken.<br />
Hungerbühler Hungerbühler. Felix Hungerbühler.<br />
Verleger Schämen Sie sich, Herr Hugentobler!<br />
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Die <strong>Wahrheit</strong> <strong>über</strong> <strong>Isidor</strong> Wanner<br />
Die übrigen Anwesenden nicken. Die Medienleute<br />
beginnen das Interesse an Hungerbühler zu verlieren<br />
und sehen ungeduldig auf die Uhr. Die Reporterin<br />
ändert nochmals ihre Frisur.<br />
Hungerbühler geht auf Wanner zu. Reden Sie endlich, Sie<br />
Scharlatan! Geben Sie zu, dass Sie mein Manuskript<br />
im Schnellzug aufgelesen haben! Los, gestehen Sie,<br />
zum Teufel nochmal! Will Wanner an den Schultern<br />
packen, doch hält ihn dieser mit Riesenpranken an<br />
den Handgelenken fest. Der Verleger, der Lektor und<br />
der Kameramann eilen zu Hilfe.<br />
Verleger Immer schön sachte, Herr Hugentobler.<br />
Journalist weiterhin auf seinem Laptop tippend. Den haben sie<br />
ein paar Jahre zu früh aus der Klappsmühle entlassen.<br />
Hungerbühler Hilfe! Meine Handgelenke! Meine Handgelenke!<br />
Reporterin Lassen Sie Herrn Wanner sofort los. Wir wollen<br />
endlich drehen.<br />
Hungerbühler Wo waren Sie am Dienstag, 16. August, gegen<br />
sechzehn Uhr, Herr Wanner? Im Schnellzug<br />
Winterthur - Zürich, nicht wahr? Ganz hinten in der 2.<br />
Klasse, nicht wahr?<br />
Wanner mit leisem Triumph. Ich fahre gar nie mit dem Zug.<br />
Ich habe ja ein Auto.<br />
Verleger Da hören Sie es, Sie Psychopath. Er hat ein Auto.<br />
Reisst Hungerbühler weg.<br />
Journalist Sonst wäre er wohl auch der erste Automechaniker, der<br />
mit dem Zug pendelte.<br />
Allgemeines Gelächter.<br />
Hungerbühler ausser sich. Er lügt! Glauben Sie mir doch, er lügt!<br />
Haben Sie sich als kritische Journalisten denn gar nie<br />
gefragt, ...<br />
Reporterin Und Journalistinnen, bitte.<br />
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Kein Aufführungsrecht.
Hungerbühler Natürlich, Verzeihung. Haben Sie sich nie gefragt,<br />
weshalb ein Automechaniker ausgerechnet <strong>über</strong> einen<br />
nervenkranken, ehemaligen Primarschullehrer<br />
schreibt? Wie in aller Welt sollte er sich in dessen<br />
Gefühle und Gedanken versetzt haben?<br />
Journalist Erich von Däniken schreibt von kleinen grünen<br />
Männchen und hat auch noch keinem das Händchen<br />
geschüttelt.<br />
Hungerbühler Und der Stil? Schreibt so etwa ein ungebildeter<br />
Automechaniker?<br />
Wanner Karosseriespengler.<br />
Reporterin Ihr akademischer Dünkel ist hier denkbar fehl am<br />
Platz, mein Herr. Offensichtlich gibt es tatsächlich<br />
noch Automechaniker, denen Goethe und Musil mehr<br />
sagen als nackte Brüste auf dem Pirelli-Jahreskalender.<br />
Wanner hustet schuldbewusst.<br />
Verleger Im übrigen hat sich Wanner mit Hilfe verschiedener<br />
Wörterbücher selber weitergebildet. Weist auf die<br />
Wörterbücher <strong>über</strong> dem PC. Autodidaktisch.<br />
Journalist Das ist meine Schlagzeile: <strong>Isidor</strong> Wanner, der Auto -<br />
Strich - Didakt. Einfach genial. Tippt.<br />
Hungerbühler zu sich, verstört. Sie wollen mir einfach nicht glauben.<br />
Niemand interessiert sich für die <strong>Wahrheit</strong>.<br />
Reporterin steckt ihren Kamm weg. Können wir jetzt endlich<br />
weiter drehen? Wir sind bereits deutlich in Verzug.<br />
Verleger Bringen Sie ihn weg, Döbeli.<br />
Der Lektor will den ermatteten Hungerbühler hinaus<br />
führen, doch bricht dieser vorne links schluchzend<br />
zusammen.<br />
Fotografin Psst. Ton läuft.<br />
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Die <strong>Wahrheit</strong> <strong>über</strong> <strong>Isidor</strong> Wanner<br />
Hungerbühler Verzeihung. Schluchzt leiser. Der Lektor reicht ihm<br />
ein Taschentuch. Das Fernsehteam dreht, während<br />
sich die Fotografin verabschiedet. Hungerbühler<br />
schneuzt sich geräuscharm.<br />
Vier Jahre. Vier lange Jahre habe ich an den „Hoden<br />
meines Cousins“ gearbeitet.<br />
Lektor verständnislos. „Die Hoden Ihres Cousins“?<br />
Hungerbühler „Die Hoden meines Cousins“. Der geplante Titel<br />
meines Romans. Und ihr habt daraus „Der<br />
Wirbelmacher“ gemacht. Was für ein scheussliches,<br />
gefühlloses Verbrechen.<br />
Lektor beleidigt. Was passt Ihnen nicht an meinem... ich<br />
meine: an diesem Titel?<br />
Hungerbühler Die Schlüsselszene meines Romans ist unbestreitbar<br />
die Stelle, wo der Erzähler seinen Cousin erstmals<br />
unbekleidet in der Herrengarderobe sieht. Da wird ihm<br />
seine eigene Unzulänglichkeit schlagartig bewusst.<br />
Lektor nickt herablassend. Penisneid, na schön. Doch<br />
weshalb widmen Sie dieser Begebenheit gerade mal<br />
eine viertel Seite, während Sie auf 125 Seiten<br />
ausführlich <strong>über</strong> Ihren Psychiatrieaufenthalt... Ihren<br />
Psychiatrieaufent-halt... Die Bedeutung seiner Worte<br />
beginnt ihm zu dämmern. Erschrocken und<br />
hilfesuchend sieht er sich nach dem Verleger um, der<br />
tatsächlich Unge-mach wittert und hinzu kommt.<br />
Flüsternd zum Verleger. Ich fürchte beinahe, er...<br />
Verleger Herr Hugentobler. Jetzt hören Sie mir mal gut zu.<br />
Hungerbühler Mein Name ist...<br />
Verleger Nehmen wir doch einmal rein theoretisch an, das Buch<br />
„Der Wirbelmacher“ wäre wahrhaftig von Ihnen. Ich<br />
betone: rein theoretisch. Sie hätten sich nach Ihrer<br />
Entlassung aus der Irrenanstalt also tatsächlich<br />
hingesetzt, rasch eines der besten Bücher der letzten<br />
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Kein Aufführungsrecht.
fünfzig Jahre geschrieben und anschliessend das<br />
Manuskript auf fahrlässige Art und Weise<br />
verschlampt. Nehmen wir eine halbe Minute lang an,<br />
Ihre abstruse und lächerliche Geschichte wäre nicht<br />
von A bis Z erstunken und erlogen. Können Sie mir<br />
einigermassen folgen, Herr Hugentobler?<br />
Hungerbühler nickt. Gut. Selbst für diesen<br />
schlechterdings unmöglichen Fall müsste ich Ihnen<br />
dringendst raten, nicht länger zu insistieren. Ich habe<br />
weder Aufwand noch Mühe gescheut, den Medien die<br />
verblüffende Story vom schreibenden Automechaniker<br />
schmackhaft zu machen. Es dauerte ein Weilchen, bis<br />
sie alle anbissen, aber mittlerweile kann es sich keine<br />
Zeitung, kein Radio und kein Fernsehsender mehr<br />
leisten, nicht <strong>über</strong> dieses Phänomen zu berichten.<br />
Ausführlich zu berichten, wohl-gemerkt. Und deshalb<br />
werde ich es keinesfalls zulassen, dass ein daher<br />
gelaufenes Exemplar aus der Heerschar schreibender<br />
Schullehrer mein Werk zunichte macht. Haben Sie<br />
mich verstanden, Herr Hugentobler?<br />
Hungerbühler sich aufrappelnd. Und wenn ich vor Gericht gehe?<br />
Verleger Ohne Beweise? Nur zu. Mein Anwalt wird Sie wegen<br />
Verleumdung derart in die Mangel nehmen, dass Sie<br />
sich danach nicht einmal mehr einen Bleistiftstummel<br />
werden leisten können. Legt seinen Arm um<br />
Hungerbühlers Schulter. Doch ich bin ja kein<br />
Unmensch. Sollten Sie mit Ihrer blühenden Phantasie<br />
tatsächlich einmal ein Buch schreiben, schicken Sie es<br />
mir ruhig zu. Ich werde einen Blick reinwerfen.<br />
Hungerbühler Aber ich habe ein Buch geschrieben: „Die Hoden<br />
meines Cousins“.<br />
Verleger Deshalb brauchen Sie noch lange nicht ausfällig zu<br />
werden. Guten Tag. Nickt dem Lektor zu. Döbeli.<br />
Lektor Kommen Sie schon.<br />
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Die <strong>Wahrheit</strong> <strong>über</strong> <strong>Isidor</strong> Wanner<br />
Hungerbühler wirft einen letzten Blick auf Wanner,<br />
der starr wegsieht, und lässt sich schliesslich resigniert<br />
vom Lektor hinausführen.<br />
Verleger Am besten, meine Damen und Herren, vergessen wir<br />
den Zwischenfall einfach. Offenbar gewährt man<br />
Geistesschwachen wieder vermehrt Ausgang.<br />
Reporterin Eine kuriose Geschichte. So absurd, man möchte sie<br />
fast wieder glauben.<br />
Verleger forciert lachend. Ich bitte Sie: Bereits von<br />
Shakespeare behaupteten Neider, er lasse die Stücke<br />
schreiben. Lächerlich.<br />
Journalist Trotzdem gäbe es vielleicht eine Story her: „Irrer<br />
springt Erfolgsautor an die Gurgel!“ Anna, hast du von<br />
dem Spinner ein paar Bilder geschossen? Sieht sich<br />
um. Ach ja, sie ist bereits auf der Redaktion. Nun,<br />
lassen wir das. Tippt weiter.<br />
Reporterin Herr Wanner, was sagen Sie zu den Anwürfen von<br />
vorhin?<br />
Wanner Anwürfe? Nun, ich...äh...<br />
Verleger Erfolg zieht Profiteure nun mal an wie das Licht die<br />
Motten. Deshalb vertraut <strong>Isidor</strong> Wanner<br />
ausschliesslich seinen wahren Freunden, nicht wahr?<br />
Legt seinen Arm auf Wanners Schulter.<br />
Reporterin Sehr schön. Also, legen wir endlich los.<br />
Fotografin Moment. Herr Wanners Gesicht wirkt eine Spur<br />
blasser als vorhin.<br />
Verleger Finden Sie? Na das haben wir gleich. Entnimmt seiner<br />
Jackentasche eine Puderdose und bepudert Wanners<br />
Gesicht.<br />
Reporterin Bestens. Also Herr Wanner, Sie gelten als der grosse<br />
Favorit für den diesjährigen Friedrich Glauser-Preis<br />
und Sie werden die Schweiz auch an der Frankfurter<br />
Buchmesse vertreten. Haben Sie jemals damit<br />
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Kein Aufführungsrecht.
gerechnet, dass „Der Wirbelmacher“ derart... Ihre<br />
Stimme wird leiser.<br />
Vorhang<br />
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Kein Aufführungsrecht.
2. Akt<br />
Die <strong>Wahrheit</strong> <strong>über</strong> <strong>Isidor</strong> Wanner<br />
Wanner<br />
Gleiches Bühnenbild. Es herrscht beträchtliche<br />
Unordnung. Bierdosen, Pizzaschachteln, Zigarettenstummel<br />
und Zeitungsausschnitte liegen herum; der<br />
Fernseher steht nicht mehr in der Wohnwand,<br />
sondern auf dem ovalen Tischchen; das Sofa schräg<br />
davor. <strong>Isidor</strong> Wanner sitzt am PC, auf dem Tisch eine<br />
Flasche Bier (darunter einige mehr), und versucht zu<br />
schreiben. Allerdings hat er, da offenkundig angetrunken,<br />
bereits beträchtliche Mühe, auch nur die<br />
richtige Taste zu treffen.<br />
Scheiss-Tastatur! Nimmt einen langen Schluck aus<br />
der Flasche. Wie er sie hinstellt, klirrt Fensterglas im<br />
Zimmer nebenan. Wanner glaubt, das Geräusch<br />
selber erzeugt zu haben, und sieht die Flasche<br />
verdutzt an. Da er nichts entdecken kann, nimmt er<br />
sicherheitshalber einen weiteren Schluck. Wie er sie<br />
hinstellt, klirrt es nebenan nochmals. Wieder studiert<br />
Wanner die Flasche, nimmt einen Schluck und stellt<br />
sie vorsichtig hin. Da es diesmal nicht klirrt, will er<br />
beruhigt weitertippen, als es nochmals klirrt. Er<br />
stutzt und erhebt sich schliesslich, wegen<br />
Rückenschmerzen und Trunkenheit eher mühevoll.<br />
Mein Rücken! Und mein Kopf! Nicht verängstigt.<br />
Holla! Äh, hallo! Wer ist da? Keine Antwort. Wanner<br />
trinkt mit einem langen Schluck die Flasche leer und<br />
hält sie als Schlagwaffe, mit schwerer Zunge. Ich<br />
weiss, dass jemand da ist. Ich gebe Ihnen drei<br />
Sekunden, hervor zu treten: Eins, zwei... Rülpst<br />
unbeabsichtigt. Tschuldigung.... drei! Erblickt im<br />
Flur jemanden, den wir noch nicht sehen. Sieh einer<br />
an. Sie sind’s also. Dacht’ ich’s mir doch.<br />
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Kein Aufführungsrecht.
Felix Hungerbühler tritt ein, in der einen Hand die<br />
Aktentasche, in der anderen einen mittelgrossen<br />
Stein.<br />
Hungerbühler Ganz recht. Ich bin’s. Felix Engelbert Hungerbühler.<br />
Autor Ihres unwahrscheinlichen, vielbejubelten, epochalen<br />
und sensationellen Bestsellers, Herr Wanner.<br />
Hat den Stein weggeworfen. Realisiert, dass sein<br />
rechter Zeigefinger blutet. Verflixt nochmal, diese<br />
vertrackten Doppelfenster.<br />
Wanner Niemand hat Ihnen befohlen, dort einzusteigen. Ich<br />
hätte Ihnen die Türe schon aufgemacht. Ich habe nichts<br />
zu verbergen.<br />
Hungerbühler drückt ein Taschentuch gegen die Wunde. Kein<br />
Wunder. Ich habe ja auch kein Manuskript mehr zu<br />
stehlen.<br />
Wanner wirft erbost die Flasche weg. Ich habe in meinem<br />
ganzen Leben noch nie gestohlen. Zumindest nicht,<br />
seit mich mein Vater einmal erwischte. Reibt sich<br />
noch in Erinnerung die Wange.<br />
Hungerbühler Und ob Sie gestohlen haben, Sie kleptomanischer<br />
Lügenbold. Entnimmt seiner Aktentasche ein<br />
Wörterbuch, schlägt es an einer markierten Stelle<br />
auf. Unter Diebstahl versteht man laut Duden: „Das<br />
unrechtmässige Ansichbringen fremden Eigentums.“<br />
Entnimmt seiner Tasche ein Strafgesetzbuch. Und im<br />
Schweizerischen Strafgesetzbuch, Artikel 139 heisst<br />
es: „Diebstahl wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren<br />
oder mit Gefängnis bestraft.“ Sehr empfehlenswerte<br />
Lektüre für Ihresgleichen. Sie dürfen sie behalten.<br />
Reicht die beiden Bücher Wanner, der sie erzürnt<br />
wegwirft. Ich sehe, Sie haben Ihr eigenes<br />
Ablagesystem.<br />
Wanner Verlassen Sie meine Wohnung.<br />
- 30 -<br />
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Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />
Kein Aufführungsrecht.
Die <strong>Wahrheit</strong> <strong>über</strong> <strong>Isidor</strong> Wanner<br />
Hungerbühler Jedenfalls war das, was Sie am Dienstag, 16. August,<br />
gegen sechzehn Uhr getan haben, nichts weiter als<br />
Diebstahl, Herr Wanner. Ein besonders verabscheuungswürdiger<br />
Diebstahl obendrein.<br />
Wanner Ich habe Ihnen schon einmal gesagt, dass ich nie Zug<br />
fahre. Wer hat schon je von einem Automechaniker<br />
gehört, der Zug fährt. Lacht gezwungen.<br />
Hungerbühler Karosseriespengler, lieber Wanner, nicht Automechaniker.<br />
Zieht einen Ordner aus der Aktentasche<br />
und schlägt ihn auf. Darf ich Ihr Gedächtnis etwas<br />
auffrischen: Am Montag, 15. August, zwei Monate<br />
nach Ihrer Entlassung, verkauften Sie Ihr Auto Ihrem<br />
ehemaligen Arbeitgeber.Vermutlich brauchten Sie<br />
Geld, obwohl er Ihnen einen miserablen Preis zahlte.<br />
Wanner unwillkürlich. Dieser elende Halunke.<br />
Hungerbühler Erst vor vier Wochen kauften Sie Ihr Auto wieder<br />
zurück. Zu einem stolzen Aufpreis von 1500 Franken.<br />
Wanner erregt. Diesem Halsabschneider hätte ich am liebsten...<br />
Stutzt. Aber woher...? Verstummt.<br />
Hungerbühler Woher ich das alles weiss? Tja, wir Schriftsteller<br />
pflegen dann und wann zu recherchieren. Doch das<br />
brauche ich Ihnen ja nicht zu sagen, nicht wahr, werter<br />
Kollege? Wanner holt sich schweigend eine Dose<br />
Bier, Hungerbühler blättert im Ordner weiter. Somit<br />
verfügten Sie am Dienstag, 16. August, <strong>über</strong> kein Auto<br />
und reisten mit dem Zug von Winterthur nach Zürich.<br />
Abfahrt fünfzehn Uhr vierzig, 2. Klasse hinten,<br />
Nichtraucher. Da sich Wanner eine Zigarette anzündet.<br />
Oh, ich sehe, Sie haben sich ausser dem<br />
Stehlen noch weitere Laster angewöhnt.<br />
- 31 -<br />
© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />
Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />
Kein Aufführungsrecht.
Wanner Das geht Sie einen feuchten Dreck an. Zieht an der<br />
Zigarette und wirft sie angewidert zu Boden. Und<br />
selbst wenn ich in jenem verdammten Zug drin war.<br />
Das bedeutet noch lange nicht, dass ich diese alberne<br />
blaue Diskette gefunden habe.<br />
Hungerbühler Ach? Und woher wissen Sie dann, dass es eine blaue<br />
Diskette war? Immerhin sind die meisten Disketten<br />
grau oder schwarz. Es gibt sie aber auch in rot oder<br />
grün oder gelb, gelegentlich sogar in orange, meiner<br />
Lieb-lingsfarbe.<br />
Wanner nach einem Schluck Bier, fast schon müde. Weshalb<br />
scheren Sie sich nicht endlich zum Teufel!<br />
Hungerbühler Ich kann Sie mit Ihren Gewissensqualen doch nicht<br />
allein lassen, Wanner. Entnimmt dem Ordner ein<br />
Blatt. Ich habe ein schriftliches Geständnis vorbereitet,<br />
das Sie einfach unterschreiben können. Soll ich es<br />
vorlesen? Oder können Sie lesen?<br />
Wanner entreisst Hungerbühler zornig das Blatt, liest<br />
stockend. „Hiermit gestehe ich, <strong>Isidor</strong> Wanner, im<br />
Vollbesitz meiner bescheidenen geistigen Fähigkeiten,<br />
dass ich...“ Zerknüllt das Blatt und wirft es weg.<br />
Hungerbühler Ts, ts, Sie haben gar nicht zu Ende gelesen, Wanner...<br />
Wanner Gar nichts werde ich unterschreiben.<br />
Hungerbühler Sie können auch einfach drei Kreuze hinsetzen. Ich<br />
habe noch ein paar Exemplare dabei.<br />
Wanner Ich habe nichts gestohlen. Ich habe die Diskette<br />
gefunden.<br />
Hungerbühler Natürlich. Immer vorausgesetzt man fasst den Begriff<br />
„finden“ etwas weniger eng als der Duden dort, was?<br />
Wanner Ich wollte sie im Fundbüro abgeben. Doch es - war<br />
geschlossen.<br />
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© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />
Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />
Kein Aufführungsrecht.
Die <strong>Wahrheit</strong> <strong>über</strong> <strong>Isidor</strong> Wanner<br />
Hungerbühler blättert im Ordner. Ihr Schnellzug kam um sechzehn<br />
Uhr nullfünf an - allenfalls mit drei, vier Minuten<br />
Verspätung. Das Fundbüro schliesst wochentags um<br />
zweiundzwanzig Uhr fünfzig. Sechseinhalb Stunden<br />
müssten eigentlich gerade noch reichen.<br />
Wanner Ich war in Eile. Ich wollte das dämliche Ding am<br />
nächsten Tag abgeben.<br />
Hungerbühler Was Sie nicht sagen.<br />
Wanner Ich vergass es in meiner Tasche. Denken Sie bloss<br />
nicht, ich hätte mir deswegen ständig den Kopf<br />
zerbrochen. Ein Arbeitsloser mit Rückenschaden hat<br />
ganz andere Sorgen, das lassen Sie sich mal gesagt<br />
sein.<br />
Hungerbühler Ach? Rannten Sie deshalb mit der Diskette zum<br />
nächstbesten Verlag und gaben sich als grossen<br />
Schriftsteller aus?<br />
Wanner trinkt eine Dose leer und wirft sie weg. Also gut, Sie<br />
Nervtöter: Ich werd’ Ihnen verraten, wie’s wirklich<br />
war.<br />
Hungerbühler Es wird auch langsam Zeit.<br />
Wanner Letzten Sommer besuchte ich in Zürich einen<br />
Computerkurs für Arbeitslose.<br />
Hungerbühler mit Blick in den Ordner. Von Juli bis September bei<br />
einer Frau Lydia Schnellmann.<br />
Wanner Schlimm. Nicht nur wegen dieser Frau Schnellmann,<br />
sondern auch wegen diesen winzigen Tasten. Und<br />
diesem flirrenden Bildschirm. Ich hatte ständig einen<br />
solchen Brummschädel. Jedenfalls nahm ich die<br />
vermaledeite Diskette in den Kurs mit, um nachzusehn,<br />
ob <strong>über</strong>haupt etwas drauf war.<br />
Hungerbühler Worauf Sie dann Ihren Augen nicht trauten, wie?<br />
Wanner Stimmt. Völlig hirnrissiges Kauderwelsch war da<br />
drauf. Wie von einem Verrückten.<br />
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Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />
Kein Aufführungsrecht.
Hungerbühler Das ist doch...<br />
Wanner Zuerst dachte ich noch, mit dem Computer stimme<br />
etwas nicht.<br />
Hungerbühler entrüstet. Jetzt reicht’s aber, Sie Kunstbanause.<br />
Wanner Doch plötzlich stand diese Frau Schnellmann hinter<br />
mir und wollte wissen, ob dies bereits meine Arbeit für<br />
nächste Woche sei. Und weil mir jene Arbeit ziemlich<br />
auf dem Magen lag, sagte ich halt ja. Worauf Frau<br />
Schnellmann die Diskette gleich mitnahm.<br />
Hungerbühler Und Sie wollen mir weis machen, Ihre Lehrerin habe<br />
Ihnen einen derartigen Text zugetraut?<br />
Wanner schulterzuckend. Offenbar hielt sie mich für total<br />
plemplem. Wie auch immer: Nur wenig später zeigte<br />
sie die Diskette ihrem Schwager, einem Verleger.<br />
Hungerbühler Diesem windigen Wichtigtuer von letzter Woche?<br />
Wanner nickt. Und plötzlich ging alles wahnsinnig schnell. Ich<br />
bin selber noch gar nicht richtig mit gekommen.<br />
Hungerbühler Eine bemerkenswerte Story, Wanner. Hollywood made<br />
in Switzerland. Fürs Happy End brauchen Sie nur noch<br />
zu unterschreiben. Hält ihm ein weiteres Geständnis<br />
hin. Wanner wirft es routiniert weg.<br />
Wanner Wissen Sie, ich habe in letzter Zeit viel nachgedacht.<br />
Hungerbühler So? Womit denn?<br />
Wanner Und ich bin zum Schluss gekommen, dass alles eine<br />
Fügung des Schicksals war.<br />
Hungerbühler Eine Fügung des Schicksals?<br />
Wanner nickt. Als ich mein Auto verkaufen musste, war ich am<br />
Boden stört. Doch gleich bei meiner ersten Zugfahrt<br />
finde ich diese Diskette. Da muss irgendeine<br />
irgendeine höhere Macht im Spiel gewesen sein.<br />
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Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />
Kein Aufführungsrecht.
Die <strong>Wahrheit</strong> <strong>über</strong> <strong>Isidor</strong> Wanner<br />
Hungerbühler Sie glauben doch nicht etwa, ungeschoren davon zu<br />
kommen, wenn Sie Ihre ruchlose Tat einer höheren<br />
Macht unterschieben, oder?<br />
Wanner Was heisst hier „ungeschoren“? Vor zehn Tagen verliess<br />
mich meine Frau, weil sie die Lügen nicht mehr<br />
ertragen konnte.Und meine Stammtischkollegen<br />
wenden sich von mir ab, weil sie mich für einen<br />
abgehobenen Federhelden halten. Und weil ich in<br />
meinem nächsten Buch <strong>über</strong> sie schreiben könnte.<br />
Hungerbühler Ihr nächstes Buch. Ha! Der ist nicht schlecht!<br />
Wanner trotzig. Ich habe einen Vertrag für drei Bücher. Und<br />
am ersten arbeite ich bereits.<br />
Hungerbühler Nicht mehr lange, Wanner. Denn wissen Sie, ich habe<br />
nicht nur Papierkram mit dabei. Zieht aus der Tasche<br />
ein riesiges Klappmesser hervor. Dieses Klappmesser<br />
habe ich vor Jahren einem meiner Schüler<br />
abgenommen. Es ist immer noch verteufelt scharf.<br />
Wanner Dann stecken Sie es besser weg. Bei Ihrem Ungeschick<br />
säbeln Sie sich noch einen Finger ab.<br />
Hungerbühler Erstens bin ich nicht ungeschickt, und zweitens säble<br />
ich Ihnen etwas ab, wenn Sie nicht augenblicklich<br />
unterschreiben.<br />
Wanner Dafür ist es doch längst zu spät. Ich habe bis anhin<br />
zwei Literaturpreise erhalten sowie einen<br />
eidgenössischen Förderbeitrag; ich gelte als Beweis<br />
dafür, wie wirkungsvoll unsere kantonalen<br />
Arbeitslosenprogramme sind; und mein Verleger<br />
verhandelt mit zwei Fernseh-sendern <strong>über</strong> so eine<br />
Talk-Dings.<br />
Hungerbühler Talkshow?<br />
Wanner Genau. Würde ich jetzt gestehen, wäre ich mit einem<br />
Schlag die Witzfigur der Nation.<br />
Hungerbühler grimmig. Lieber eine Witzfigur als eine Leiche.<br />
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Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />
Kein Aufführungsrecht.
Wanner nicht triumphierend. Ach, Hungerbühler, Sie könnten<br />
doch keiner Fliege etwas zu Leide tun. Dank Ihres<br />
Buches kenne ich Sie beinahe ebenso gut wie mich<br />
selbst.<br />
Hungerbühler Na schön. Sie haben es so gewollt. Sterben Sie! Klappt<br />
das Messer auf, schneidet sich dabei aber tief in den<br />
linken Zeigefinger; lässt das Messer fallen. Aua!<br />
Verdammt! Verdammt!<br />
Wanner Sehen Sie. Ich hab’ ja gesagt, Sie sind ein Tollpatsch.<br />
Wenn meine Frau das Blut auf ihrem Teppich sähe...<br />
Geht auf Hungerbühler zu. Na, zeigen Sie schon her.<br />
Hungerbühler hebt rasch das Messer auf und<br />
fuchtelt damit herum, obwohl er es seiner verletzten<br />
Zeigefinger wegen kaum halten kann.<br />
Hungerbühler Kommen Sie mir ja nicht zu nahe. Verwundet bin ich<br />
besonders gefährlich... Sieht das Blut an sich herunter<br />
laufen. O Gott. Mir wird plötzlich so übel. Lässt das<br />
Messer fallen und sinkt in Wanners Arme.<br />
Wanner Aua! Mein Rücken! He Sie! Lassen Sie sich nicht so<br />
hängen! Tätschelt Hungerbühlers Wange. Ohnmächtig,<br />
auch das noch. Was jetzt? Aufs Sofa. Legt<br />
Wanner aufs Sofa. Ich brauche Verbandszeug. Geht<br />
zur Türe, betrachtet das Blut. Das geht wohl nie mehr<br />
raus. Ab. Hungerbühler liegt stöhnend auf dem Sofa.<br />
Plötzlich richtet er sich auf.<br />
Hungerbühler Das Messer. Ich muss ihn umlegen. Wo ist das<br />
Messer? Sieht das Messer am Boden. Dort liegt es.<br />
Will aufstehen. O je, weshalb wird hier alles schwarz?<br />
Fällt aufs Sofa zurück. Wanner kehrt mit einem<br />
Erste-Hilfe-Kasten zurück.<br />
Wanner Wie fühlen Sie sich, Hungerbühler?<br />
Hungerbühler Blendend. Ich verblute ja nur.<br />
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Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />
Kein Aufführungsrecht.
Die <strong>Wahrheit</strong> <strong>über</strong> <strong>Isidor</strong> Wanner<br />
Wanner Sie haben höchstens einen Deziliter Blut verloren. Und<br />
mein Wohnzimmer ruiniert. Verbindet beide Zeigefinger,<br />
während Hungerbühler jammert.<br />
Hungerbühler Aua. Nicht so grob. Meine Finger sind keine Schraubenschlüssel.<br />
Wanner Schraubenschlüssel zappeln wenigstens nicht so<br />
herum.<br />
Hungerbühler Sie brauchen meine Zeigfinger nicht meterdick<br />
einzuwickeln; ich kann sie ja kaum mehr bewegen.<br />
Wanner Ich bin im Zivilschutz bei den Sanitätern, also reden<br />
Sie mir nicht drein. Hungerbühler lässt sich erschöpft<br />
zurück fallen. Wanner versieht Hungerbühlers<br />
Zeigefinger mit dicken Bandagen.<br />
So, das hätten wir.<br />
Hungerbühler Danke, dass Sie mich einbalsamieren wollen.<br />
Kurzes Schweigen.<br />
Wanner sich räuspernd. Ich - ich hätte vielleicht einen recht<br />
brauchbaren Vorschlag, Hungerbühler. Felix.<br />
Hungerbühler Für Sie immer noch Hungerbühler.<br />
Wanner Schön, Hungerbühler. Also: Da Sie ja keinerlei<br />
Beweise gegen mich haben...<br />
Hungerbühler Ich habe Ihr Geständnis. Sobald ich an mein Messer<br />
komme, kriege ich von Ihnen ein Geständnis.<br />
Wanner energisch. Jetzt lassen Sie das Geschwafel und hören<br />
mir zu.<br />
Hungerbühler Na gut. Wie lautet denn Ihr Vorschlag? Sie gestehen<br />
und ich verzichte auf eine Anklage, nehme ich<br />
an.<br />
Wanner Nein. Wir teilen uns die Arbeit.<br />
Hungerbühler Wir teilen uns die Arbeit?<br />
Wanner Genau.<br />
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Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />
Kein Aufführungsrecht.
Hungerbühler Was zum Teufel meinen Sie mit „teilen“?<br />
Wanner Ganz einfach. Sie <strong>über</strong>nehmen das Schreiben und ich<br />
den restlichen Kram.<br />
Hungerbühler Was für einen „restlichen Kram“?<br />
Wanner Sie wissen schon: Die Interviews, die Fototermine, die<br />
Autogrammstunden, die Lesungen, die öffentlichen<br />
Auftritte; halt alles was mit Public Relations<br />
zusammen hängt.<br />
Hungerbühler beeindruckt, dass Wanner dieses Wort kennt. Public<br />
Relations.<br />
Wanner PR. Im Kulturbereich wichtiger denn je. Eifrig. Und<br />
vor allem habe ich darin mittlerweile reichlich<br />
Erfahrung.<br />
Hungerbühler richtet sich auf. Sie wollen mein PR-Verantwortlicher<br />
werden?<br />
Wanner Aber nein. Viel mehr als das. Ich würde Sie gegen<br />
aussen hin repräsentieren, während Sie inkognito<br />
schreiben könnten.<br />
Hungerbühler Inkognito?<br />
Wanner redet sich in Fahrt. Gewiss. Sie könnten in aller Ruhe<br />
arbeiten. Unerkannt und ungestört. Ohne jeden<br />
Presserummel. Ohne diesen fürchterlichen<br />
Erfolgsdruck. Das würde alles ich <strong>über</strong>nehmen.<br />
Hungerbühler Sie?<br />
Wanner Ja, ich. Für Sie. Wir wären zwei Hälften eines Ganzen:<br />
Sing und Sang.<br />
Hungerbühler Sie meinen: Ying und Yang.<br />
Wanner Genau. Ich wäre Ihr Gesicht, Ihre Stimme. Und Sie<br />
wiederum wären mein Geist und meine Seele.<br />
Hungerbühler Ihr Geist und Ihre Seele? Sie sind wohl<br />
<strong>über</strong>geschnappt.<br />
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Kein Aufführungsrecht.
Wanner<br />
Die <strong>Wahrheit</strong> <strong>über</strong> <strong>Isidor</strong> Wanner<br />
Ganz im Gegenteil. Natürlich würden wir uns den<br />
Gewinn fair teilen: Fifty-fifty.<br />
Hungerbühler Kommt <strong>über</strong>haupt nicht in Frage.<br />
Wanner<br />
Na schön: 60 für Sie, 40 für mich.<br />
Hungerbühler Vollkommen absurd.<br />
Wanner<br />
Also gut: 70 für Sie, 30 plus Spesen für mich.<br />
Hungerbühler Verschonen Sie mich mit Ihrem lächerlichen<br />
Kuhhandel. Ich brauche keinen ungebildeten Strohkopf<br />
- Strohmann, um mich dahinter zu verstecken.<br />
Wanner Was ist Ihnen denn wichtiger: Zu schreiben oder Ihr<br />
Bild in der „Goldpost“ zu sehen? Wollen Sie ein<br />
Künstler sein oder nur prominent?<br />
Hungerbühler Ich will meinen Roman zurück, zum Teufel nochmal.<br />
Meine Gedanken, meine Gefühle.<br />
Wanner Papperlapapp. Es geht Ihnen doch nur um den Ruhm,<br />
Hungerbühler. Sie wollen im Rampenlicht stehen,<br />
nichts weiter.<br />
Hungerbühler erbost. Ich will nicht im Rampenlicht stehen, Sie<br />
Ignorant; ich will etwas aussagen.<br />
Wanner Dann sagen Sie es durch mich.<br />
Hungerbühler Ich möchte etwas bewegen.<br />
Wanner Bewegen Sie es durch mich.<br />
Hungerbühler Ich will etwas verändern.<br />
Wanner Verändern Sie es durch mich. Sie würden damit eine<br />
Unmenge Zeit sparen. Und Ihre Kräfte und Nerven<br />
schonen. Sie wirken übrigens immer noch sehr<br />
angespannt und blass.<br />
Hungerbühler Ich fühle mich auch hundeelend. Er lehnt sich wieder<br />
zurück, legt die Brille auf den Boden und massiert<br />
sich die Schläfen. Nach einer Weile. Vielleicht hat Ihr<br />
Vorschlag ja tatsächlich etwas für sich, Wanner.<br />
Womöglich ist er gar nicht mal so unsinnig.<br />
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Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />
Kein Aufführungsrecht.
Wanner<br />
Glauben Sie?<br />
Hungerbühler Manchmal fühle ich mich tatsächlich ungeheuer<br />
erschöpft. Oder wage mich vor lauter<br />
Depressionen kaum aus dem Haus.<br />
Wanner Wirklich? Das freut mich aber. Ich meine, es freut<br />
mich, dass Sie meinen Vorschlag <strong>über</strong>denken wollen.<br />
Drückt <strong>über</strong>schwenglich Hungerbühlers verletzte<br />
Hände.<br />
Hungerbühler Aua! Lassen Sie sofort meine Hände los. Noch habe<br />
ich nicht eingewilligt.<br />
Wanner Aber Sie <strong>über</strong>legen es sich, nicht wahr? Sie <strong>über</strong>legen<br />
es sich.<br />
Es klingelt an der Wohnungstüre.<br />
Hungerbühler sitzt rasch auf. Wer kann das sein? Ihre Frau?<br />
Wanner schüttelt den Kopf. Sie würde nicht klingeln.<br />
Wahrscheinlich mein Verleger.<br />
Hungerbühler Den Mistkerl bringe ich gleich mit um.<br />
Wanner Unsinn. Verstecken Sie sich. Er braucht Sie hier nicht<br />
zu sehen. Hievt Hungerbühler hoch, steht dabei auf<br />
dessen Brille.<br />
Hungerbühler Meine Brille! Sie Halbschuh haben meine Brille<br />
zertreten.<br />
Wanner Verstecken Sie sich hinter dem Sofa.<br />
Hungerbühler Ohne meine Brille sehe ich aber nichts.<br />
Wanner Sie müssen auch nichts sehen. Hauptsache, man sieht<br />
Sie nicht. Es klingelt ungeduldig. Wanner laut. Ich<br />
komm’ ja schon. Zu Hungerbühler. Los. Hinters Sofa<br />
mit Ihnen.<br />
Hungerbühler Wo ist denn das Sofa? Wanner wuchtet<br />
Hungerbühler <strong>über</strong>s Sofa, worauf dieser dahinter zu<br />
Boden plumpst. Aua! Meine Hände.<br />
Wanner Psst.<br />
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Kein Aufführungsrecht.
Die <strong>Wahrheit</strong> <strong>über</strong> <strong>Isidor</strong> Wanner<br />
Der Verleger tritt ein.<br />
Verleger Abend, Wanner. Habe mir erlaubt einzutreten. Ich<br />
kenne ja mittlerweile den Weg. Schüttelt ihm die<br />
Hand. Sagen Sie mal, wie sehen Sie denn aus! Und das<br />
Zimmer erst!<br />
Wanner Ich...<br />
Verleger Vor lauter Schreiben keine Zeit zum Aufräumen, was?<br />
Ich werde Ihnen eine Putzfrau vorbei schicken. Schiebt<br />
das Sofa zur Wand hin, so dass Hungerbühler<br />
dahinter eingeklemmt wird.<br />
Hungerbühler Ahh!<br />
Verleger verblüfft. Was war denn das?<br />
Wanner Das? Äh, das war mein Rücken. Demonstriert seine<br />
Schmerzen. Ahh!<br />
Verleger Sie haben also schon fleissig geschrieben. Darf man<br />
einen Blick drauf werfen?<br />
Wanner stellt sich beschützend vor den Computer. Ich - ich<br />
bin noch nicht ganz fertig.<br />
Verleger Macht nichts. Es geht nur um einen ersten Eindruck.<br />
Wanner Ich bin eigentlich eher noch ganz am Anfang.<br />
Verleger Verstehe. Ein Schreibstau. Ein writer’s block. Klopft<br />
Wanner auf die Schulter. Kein Grund zur<br />
Verzweiflung, Wanner. Das ist schon ganz anderen<br />
widerfahren.<br />
Wanner erleichtert. Wirklich?<br />
Verleger nickt. Konsalik soll mal zwei Wochen lang keine<br />
einzige Zeile geschrieben haben.<br />
Wanner Oh.<br />
Verleger greift in seine Aktentasche. Da ich mit dieser<br />
Möglichkeit beinahe gerechnet habe, habe ich mir von<br />
unserem Lektor ein erstes Manuskript entwerfen<br />
lassen. Noch nicht ganz ausgefeilt, aber, wie ich denke,<br />
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Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />
Kein Aufführungsrecht.
Wanner<br />
Verleger<br />
Wanner<br />
Verleger<br />
Wanner<br />
Verleger<br />
Wanner<br />
Verleger<br />
Wanner<br />
Verleger<br />
Wanner<br />
ganz in Ihrem Sinne. Reicht es Wanner. Gehen Sie es<br />
bei Gelegenheit doch rasch durch, damit ein<br />
waschechter Wanner draus wird, einverstanden?<br />
Also ich...<br />
Und was die Abreise Ihrer Frau betrifft, brauchen Sie<br />
sich nicht länger zu grämen.<br />
Nein?<br />
Nein. Wir gehen damit publizistisch voll in die<br />
Offensive. Wir schildern den Medien, wie Ihre Ehe an<br />
Ihrer Berufung zerbrechen musste und dass Sie als<br />
Autor die Einsamkeit brauchen.<br />
Nun ich weiss nicht recht...<br />
Glauben Sie mir, die einsamen Frauenherzen werden<br />
Ihnen danach nur so zufliegen. Reicht Wanner eine<br />
Aktenmappe. Hier haben Sie noch die Termine für<br />
nächste Woche. Montagvormittag: Autogrammstunde<br />
in der grössten Buchhandlung von Dagmarsellen;<br />
nach-mittags: Fotoaufnahmen für Ihren neuen<br />
Hauptsponsor Krähenbühl Siebdruck; und am Abend:<br />
Podiums-gespräch mit dem Lesezirkel<br />
Schwamendingen.<br />
Am Montagabend wollte ich mir eigentlich eine<br />
Sportsendung ansehen.<br />
leichthin. Daraus wird wohl nichts. Am Dienstagvormittag:<br />
Autogrammstunde in...<br />
Schon wieder eine Autogrammstunde?<br />
Was soll das heissen: „schon wieder“? Jetzt hör’n Sie<br />
mal zu, Wanner. Auf den Tasten rumhauen ist das<br />
eine. Doch wenn man ein Buch auch verkaufen will, ist<br />
es damit noch lange nicht getan.<br />
Aber wollten wir nicht bei Gelegenheit meinen Vertrag<br />
besprechen? Mein Anteil dünkt mich eigentlich<br />
ziemlich bescheiden.<br />
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Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />
Kein Aufführungsrecht.
Die <strong>Wahrheit</strong> <strong>über</strong> <strong>Isidor</strong> Wanner<br />
Verleger Jetzt schlägt’s wohl dreizehn. Ich reiss mir für Sie den<br />
Hintern auf, sorge dafür, dass Ihre Visage bekannter<br />
wird als die von Sepp Trütsch; und zum Dank mäkeln<br />
Sie an unserm Vertrag herum.<br />
Wanner Ich meine doch nur, mein Buch hat dies alles erst<br />
ermöglicht.<br />
Verleger Hören wir endlich auf, uns etwas vorzumachen,<br />
Wanner. Sie haben das Buch nicht geschrieben. Sie<br />
haben das Manuskript im Zugabteil gefunden, so wie<br />
dieser Hugentobler es beschrieben hat.<br />
Hungerbühler hinter dem Sofa. Hungerbühler. Felix Hungerbühler.<br />
Verleger Oder wie dieser Holzkopf auch immer heissen mag.<br />
Das Ganze war mir ja von Beginn weg suspekt, doch<br />
andererseits sagte ich mir: Warum eigentlich nicht?<br />
Bloss weil jemand etwas von Autos versteht, braucht<br />
er keine Dumpfbacke zu sein. Mein Garagist<br />
beispielsweise ist verflucht gerissen. Als aber dieser<br />
Hugentobler...<br />
Hungerbühler Hungerbühler.<br />
Verleger ... meinetwegen, als er auftauchte, war der Fall für<br />
mich noch offensichtlicher als bei „Derrick“. Ihr<br />
Glück, Wanner, dass dieser Typ eindeutig einen<br />
schweren Knacks hat. Und dass sich ein schreibender<br />
Auto-mechaniker bedeutend besser vermarkten lässt<br />
als der zwölftausendste Schullehrer mit dubiosen<br />
literarischen Ambitionen.<br />
Hungerbühler hinter dem Sofa hervorspringend, wobei er die<br />
kaputte Brille so vors Gesicht hält, dass er dennoch<br />
etwas sieht. Jetzt reicht’s aber, Sie skrupelloser<br />
Profitjäger. Ich habe weder einen Knacks noch dubiose<br />
Ambitionen.<br />
Verleger erschrickt. Was zum Henker tun Sie hier?<br />
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Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />
Kein Aufführungsrecht.
Hungerbühler Dasselbe wie vor drei Tagen. Ich fordere meinen<br />
Roman zurück.<br />
Verleger Wenn Sie diese Wohnung nicht augenblicklich<br />
verlassen, hole ich die Polizei.<br />
Wanner fest. Nein, das werden Sie nicht tun.<br />
Verleger Ach? Und weshalb nicht?<br />
Wanner Weil Herr Hungerbühler mein Gast ist.<br />
Verleger Wie bitte? Ihr Gast? Dann verbiete ich Ihnen hiermit<br />
einen derartigen Umgang, Wanner. Zu Hungerbühler,<br />
der auf allen vieren am Boden kriecht. Was tun Sie<br />
da am Boden?<br />
Hungerbühler Ich habe das hier gesucht. Steht mit dem Messer auf.<br />
Er hat Mühe es zu halten, da seine Zeigefinger<br />
eingebunden sind und er mit der linken Hand die<br />
Brille vor das Gesicht halten muss. Wenn Sie nicht<br />
abhauen, haue ich Ihnen was ab. Schwingt das Messer<br />
wild in der Luft.<br />
Verleger bekommt es mit der Angst zu tun. Wanner, halten Sie<br />
mir diesen Wahnsinnigen vom Leib. Wanner sieht<br />
schweigend zu. Der ist ja gemeingefährlich. Rennt,<br />
von Hungerbühler verfolgt, um den Tisch herum. Zu<br />
Hilfe!<br />
Hungerbühler Sie werden schon sehen, wie teuer Diebstahl von<br />
geistigem Eigentum zu stehen kommt.<br />
Verleger tippt auf seinem Funktelefon eine Nummer. Nehmen<br />
Sie ihm das verdammte Messer weg, Wanner. Wanner<br />
setzt sich. Verleger ins Telefon. Hallo? Polizei? Hören<br />
Sie mich?! Ich bin hier an der Glockengasse 6 und<br />
werde von einem Amokläufer verfolgt. Nein, nicht<br />
Schokomasse. Glockengasse. Es geht um Leben und<br />
Tod. Er stürzt, das Telefon rutscht unters Sofa. Na<br />
schön, ich gehe. Ich gehe ja schon. Doch ich werde<br />
dafür sorgen, dass Sie wieder in der Klappsmühle<br />
- 44 -<br />
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Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />
Kein Aufführungsrecht.
Die <strong>Wahrheit</strong> <strong>über</strong> <strong>Isidor</strong> Wanner<br />
landen, Hungerbühler, verlassen Sie sich drauf. Und<br />
Sie, Wanner, spielen unser Spiel zu Ende. Zu meinen<br />
Bedingungen. Ab.<br />
Hungerbühler hat in der Hitze des Gefechts die Brille verloren. Wo<br />
verkriecht sich das Schwein? Ich lege es um.<br />
Wanner Das Schwein ist abgehauen, Hungerbühler. Quiekend,<br />
wie es sich für ein Schwein gehört.<br />
Hungerbühler Abgehauen?<br />
Wanner Ja.<br />
Hungerbühler Quiekend?<br />
Wanner Wie auf dem Weg zur Schlachtbank. Imitiert das<br />
Quieken eines Schweins. Iiii-iiii-iiii.<br />
Hungerbühler Oink-oink-iiii-iiii. Sie imitieren gemeinsam und<br />
lachen herzhaft. Hungerbühler fuchtelt dabei mit<br />
dem Messer herum, weshalb Wanner es ihm<br />
abnimmt und auf den Tisch legt.<br />
Wanner Vorsicht, das Ding kitzelt.<br />
Hungerbühler Vor lauter Schiss hat der doch gleich ein<br />
Ringelschwänzchen gekriegt.<br />
Wanner Etwa so? Deutet ein geringeltes Geschlechtsorgan an,<br />
beide brüllen vor Lachen.<br />
Hungerbühler Der hat von jetzt an grosse Mühe mit dem Zielen.<br />
Gelächter.<br />
Wanner Und mit dem... du weisst schon was... Sie können sich<br />
kaum mehr beruhigen. Schliesslich aber, abrupt.<br />
Hungerbühler Das Schwein will mich einlochen lassen, <strong>Isidor</strong>.<br />
Wanner Ich weiss. Und ich bin schuld. Schweigen. Ich werde<br />
dein idiotisches Geständnis unterschreiben,<br />
Felix.<br />
Hungerbühler ernst. Bist du dir auch ganz sicher?<br />
Wanner Absolut. Lieber eine Witzfigur als eine Marionette.<br />
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Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />
Kein Aufführungsrecht.
Hungerbühler Du wirst es nicht bereuen, <strong>Isidor</strong>.<br />
Wanner<br />
Wahrscheinlich doch. Ich hole meinen Füller. Ab.<br />
Hungerbühler nachdenklich. Ich krieg’ meinen Roman zurück.<br />
Erfreut. Ich krieg’ meine vier Jahre zurück. Jubelnd.<br />
Und ich werde berühmt und angesehen. Etwas ertappt<br />
zur Türe hin. Was freilich völlig nebensächlich ist.<br />
Meine Dokumente. Wo ist die Aktentasche? Sucht auf<br />
dem Boden. Ohne Brille finde ich gar nichts in diesem<br />
Schweinestall! Oink-oink-iiii-iiii. Lacht. Moment, lag<br />
die Tasche nicht noch eben auf dem Tisch... Wirft<br />
Pizzaschachteln, Bierdosen und anderen Abfall<br />
beschwingt nach allen Seiten. Auch sein Messer<br />
schleudert er, ohne es zu realisieren, weg; links - zur<br />
Türe hinaus.<br />
Wanner von draussen. Also, dann wollen wir... aaaaah!<br />
Hungerbühler hat weiter gesucht und die Aktentasche gefunden.<br />
Ah, da ist sie ja.<br />
Wanner torkelt ins Zimmer, das Messer im Bauch. Scheisse,<br />
Felix. Damit hatte ich nicht mehr gerechnet.<br />
Hungerbühler Was ist denn mit dir los? Sieht zu Wanner und<br />
erschrickt. Du meine Güte, was hast du denn?<br />
Wanner Wenn mich nicht alles täuscht, ein Messer im Bauch.<br />
Hungerbühler O mein Gott! Wie ist das passiert? Was habe ich bloss<br />
getan!<br />
Wanner ohne Vorwurf. Ich wollte diesen albernen Wisch doch<br />
gerade unterschreiben. Lässt den Füller fallen.<br />
Hungerbühler Um Himmels Willen, das war doch keine Absicht,<br />
<strong>Isidor</strong>. Das war ein Unfall. Meine Brille. Wo ist meine<br />
gottverdammte Brille? Tastet nach ihr.<br />
Wanner Bis anhin zwickte es mich ständig im Rücken. Jetzt<br />
sticht’s mal zur Abwechslung im Bauch.<br />
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© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />
Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />
Kein Aufführungsrecht.
Die <strong>Wahrheit</strong> <strong>über</strong> <strong>Isidor</strong> Wanner<br />
Hungerbühler seine Brille suchend. Nicht reden, <strong>Isidor</strong>. Du darfst<br />
dich jetzt nicht anstrengen.<br />
Wanner<br />
Ich seh bestimmt aus wie eine abgestochene Sau. Iiiiiiii.<br />
Lacht, bis er husten muss und auf die Knie fällt.<br />
Hungerbühler Nein, <strong>Isidor</strong>! Findet die Brille. Gütiger Himmel! Was<br />
soll ich bloss tun? Du warst doch bei den Sanitätern.<br />
Soll ich das Messer rausziehn oder eben nicht?<br />
Wanner Du musst... Hustet. Du musst...<br />
Hungerbühler Ich muss was? Sag, was ich tun muss!<br />
Wanner Du musst mir verraten: Waren die Hoden deines<br />
Cousins wirklich so unglaublich... du weisst schon...<br />
Fällt zu Boden.<br />
Hungerbühler Neeeiiin! Du darfst nicht sterben, <strong>Isidor</strong>. Stützt<br />
Wanners Kopf. Du musst doch noch unterschreiben.<br />
Du musst der Welt die <strong>Wahrheit</strong> verkünden. Die<br />
<strong>Wahrheit</strong> <strong>über</strong> <strong>Isidor</strong> Wanner.<br />
Wanner entrückt lächelnd. Verrückt, dass selbst ein einfacher<br />
Automechaniker mit einem so grossen Geheimnis<br />
abtreten kann.<br />
Hungerbühler Karosseriespengler, <strong>Isidor</strong>, nicht Automechaniker.<br />
Wanner Was soll’s. Sein Kopf fällt zurück.<br />
Hungerbühler Beatmen. Ich muss ihn beatmen. Mein Gott, wie macht<br />
man das schon wieder? Versucht es.<br />
Wanner gutmütig. Nicht ins Ohr, du Tollpatsch. Stirbt.<br />
Hungerbühler schreiend. <strong>Isidor</strong>!!! Wanner! Schüttelt ihn. Hör sofort<br />
auf damit!! O mein Gott! Lässt Wanners Kopf fallen.<br />
O mein Gott! Steht auf. Das wird mir keiner glauben.<br />
Niemals. Stolpert <strong>über</strong> den Tisch und ergreift die<br />
Aktentasche. Mit einem letzten Blick auf Wanner. O<br />
mein Gott! Taumelnd ab.<br />
Kein Vorhang<br />
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Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />
Kein Aufführungsrecht.
Epilog<br />
Die Gruppe aus dem Prolog betritt wieder die Bühne,<br />
wenn möglich nicht durch die Türe. Wanner bleibt<br />
tot liegen; die Gruppe benimmt sich aber so, als habe<br />
sich gegen<strong>über</strong> dem Prolog nichts verändert.<br />
Führerin Und so, meine Damen und Herren, endete also der<br />
unvergleichliche <strong>Isidor</strong> Wanner.<br />
Schöne Frau mit einem Taschentuch eine Träne wegtupfend. Ein<br />
furchtbares Ende.<br />
Junger Mann Ein tragisches Ende.<br />
Älterer Herr bemüht den Jüngeren zu <strong>über</strong>treffen. Ein<br />
alttestamentarisches Ende.<br />
Junge Frau Wahnsinn. Dann war dieser Wanner also nichts weiter<br />
als ein Schwindler. Und sein Tod nur ein dummer<br />
Unfall.<br />
Schöne Frau entsetzt. Wie bitte? <strong>Isidor</strong> Wanner ein Schwindler?<br />
Junger Mann verständnislos. Sein Tod nur ein Unfall?<br />
Älterer Herr Nun gehen Sie aber entschieden zu weit, mein<br />
Fräulein.<br />
Junge Frau Aber wieso denn? Wir haben doch eben gehört, wie<br />
dieser Wanner...<br />
Führerin Was ich Ihnen erzählt habe, weiss ich sehr wohl.<br />
Nämlich das, was Felix Hungerbühler am nächsten Tag<br />
der Polizei zu Protokoll zu geben beliebte.<br />
Älterer Herr Die Ausgeburt seiner kranken Phantasie.<br />
Führerin Seine eigene Version der Geschehnisse vermochte<br />
<strong>Isidor</strong> Wanner leider nicht mehr zu schildern.<br />
Älterer Herr Selbst der Wortgewaltigste verstummt im Tode. Da die<br />
schöne Frau schluchzt, tätschelt er sie. Nanana, es<br />
wird ja alles wieder gut.<br />
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Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />
Kein Aufführungsrecht.
Die <strong>Wahrheit</strong> <strong>über</strong> <strong>Isidor</strong> Wanner<br />
Führerin <strong>über</strong> die Unterbrechung wenig erfreut. Glücklicherweise<br />
gibt es da noch die höchst glaubwürdige<br />
Aussage seines Verlegers, der Wanner an jenem<br />
Abend in der Gewalt dieses bewaffneten Unholds<br />
vorfand. Und der, selber von dessen Schusswaffe<br />
bedroht, in aller-höchster Not zu fliehen und die<br />
Polizei zu alarmieren vermochte.<br />
Älterer Herr Die jedoch leider Gottes zu spät eintraf.<br />
Führerin Nach diesen unfassbaren Ereignissen verschrieb sich<br />
der Verleger ganz der Aufgabe, Wanners Erbe zu bewahren.<br />
Nur wenige Wochen nach dieser Bluttat<br />
gelang es ihm, aus dem unerwartet reichhaltigen<br />
Nachlass einen Roman sowie einen Gedichtband zu<br />
veröffentlichen.<br />
Junger Mann eifrig notierend. „Neues vom Wirbelmacher“ und<br />
„Folgt mir nach, ich geh voraus“.<br />
Älterer Mann Jedes für sich ein Meisterwerk.<br />
Führerin Zur Zeit sichtet dieser verdienstvolle Kunstförderer<br />
<strong>Isidor</strong> Wanners Frühwerk. Und wie Sie sicherlich<br />
wissen, gründete er auch die <strong>Isidor</strong> Wanner-Stiftung,<br />
die alljährlich den <strong>Isidor</strong> Wanner-Gedenkpreis vergibt<br />
und der vorzusitzen ich die Ehre habe.<br />
Junge Frau Und wie erging es eigentlich Felix Hungerbühler?<br />
Älterer Herr erzürnt. Diesem gewissenlosen Schlächter erging es<br />
noch viel zu gut.<br />
Führerin Wegen vorgeblicher Unzurechnungsfähigkeit landete<br />
er wieder in einer Psychiatrischen Klinik. Es heisst, er<br />
schreibe dort unter irgendeinem Pseudonym an einem<br />
Theaterstück.<br />
Junger Mann Interessant. Weiss man, wor<strong>über</strong>?<br />
Führerin Angeblich lautet der Titel „Die <strong>Wahrheit</strong> <strong>über</strong> <strong>Isidor</strong><br />
Wanner“.<br />
Junger Mann „Die <strong>Wahrheit</strong> <strong>über</strong> <strong>Isidor</strong> Wanner“.<br />
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Kein Aufführungsrecht.
Älterer Herr<br />
Junge Frau<br />
Junger Mann<br />
Älterer Herr<br />
Junge Frau<br />
Führerin<br />
Schöne Frau<br />
Älterer Herr<br />
Führerin<br />
Älterer Herr<br />
Schöne Frau<br />
Älterer Herr<br />
Führerin<br />
Junger Mann<br />
Führerin<br />
„Die <strong>Wahrheit</strong> <strong>über</strong> <strong>Isidor</strong> Wanner“? Welch widerwärtiger<br />
Zynismus.<br />
Na, ich weiss nicht. Vielleicht tauchen ja tatsächlich<br />
ein paar neue Fakten auf. Immerhin, verwunderlich ist<br />
es ja schon, wenn ein Karosseriespengler urplötzlich...<br />
Die schöne Frau schreit auf.<br />
lässt sein Notizmaterial fallen. Meine Güte, bin ich<br />
erschrocken.<br />
Was haben Sie denn?<br />
zeigt auf Wanner am Boden. Da... da...<br />
genervt. Was ist da?<br />
Ich... einen Augenblick lang hätte ich schwören<br />
können, <strong>Isidor</strong> Wanner liege hier am Boden. Erstochen<br />
in seinem Blut.<br />
Das sind die Nerven. Sie sind etwas angespannt. Mit<br />
vorwurfsvollem Blick auf die junge Frau. Kein<br />
Wunder angesichts des Benehmens gewisser Leute.<br />
Gibt es noch Fragen zu <strong>Isidor</strong> Wanner?<br />
zur schönen Frau. Kommen Sie. Ein romantisches<br />
Candle Light-Dinner wird Sie wieder beruhigen.<br />
Meinen Sie?<br />
Bestimmt. Zufällig kenne ich ein gemütliches Lokal<br />
gleich um die Ecke.<br />
Beide ab.<br />
ruft ihnen nach. Beachten Sie bitte die Kasse beim<br />
Ausgang. Spenden für die <strong>Isidor</strong> Wanner-Stiftung sind<br />
immer willkommen.<br />
<strong>Isidor</strong> Wanners Frühwerk wird bald publiziert, sagten<br />
Sie?<br />
Ganz richtig. Erstaunlich reife Aufsätze aus seiner<br />
Lehrzeit sowie Kurzgeschichten, die er in<br />
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Junge Frau<br />
Führerin<br />
Die <strong>Wahrheit</strong> <strong>über</strong> <strong>Isidor</strong> Wanner<br />
Arbeitspausen auf ölverschmierte Blätter hingeworfen<br />
hat. Ich hatte das Privileg, einige Kostproben lesen zu<br />
können, und Sie verzeihen, wenn ich ein weiteres Mal<br />
den Begriff „Meisterwerk“ bemühe.<br />
Und dieses Theaterstück von Felix Hungerbühler oder<br />
wie er sich jetzt nennt: „Die <strong>Wahrheit</strong> <strong>über</strong> <strong>Isidor</strong><br />
Wanner?“ Weiss man, wann es erscheinen soll?<br />
scharf. Ich weigere mich mir vorstellen, dass ein derart<br />
verlogenes Machwerk <strong>über</strong>haupt je vollendet werden<br />
wird, junge Frau. Aber falls doch, so werde ich als<br />
Vorsitzende der <strong>Isidor</strong> Wanner-Stiftung persönlich<br />
dafür sorgen, das es niemals aufgeführt wird. Mit<br />
Nachdruck. Glauben Sie mir: Niemals!<br />
Vorhang<br />
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