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Carl für Verl

Carl Magazin für Verl, Ausgabe März 2018

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88 | 89 Lebensart Stadtkrimi<br />

DER CONTAINER-FALL<br />

Ein Stadtkrimi von Raiko Relling<br />

Mittlerweile verfolgten die Ermittler aber eine andere Spur:<br />

der Container hätte von unten kommen können. Es gab<br />

mehrere Versuchsanlagen, bei denen Logistikunternehmen<br />

versuchten, Warentransporte in kleinen Tunneln knapp unter<br />

der Erdoberfläche entlang gut ausgebauter Verkehrstrassen<br />

zu testen. Aber auch diese Vermutung stellte sich schnell als<br />

haltlos heraus. Unter dem Sportplatz gab es keinerlei Tunnel.<br />

Der Container schien sich zum »Stonehenge von Gütersloh«<br />

zu entwickeln und so brachten einige Politiker im Stadtrat<br />

den Antrag ein, das leicht verbeulte Metallungetüm sofort ins<br />

Stadtmuseum zu überführen.<br />

Natürlich wurde der Fall an meinem Kiosk mit großer Leidenschaft<br />

diskutiert. Unsere Kunden stellten jeden Tag neue und<br />

noch abenteuerlichere Mutmaßungen an: Gangsterbanden,<br />

denen ein Drogen- oder Waffentransport explodiert war, Aktionskünstler,<br />

die ein Zeichen setzen wollten oder angehende<br />

Abiturienten, die schon mal <strong>für</strong> die Schulabschlussfeierlichkeiten<br />

geübt hatten. Ich hörte wie immer gut zu, konnte mich<br />

aber keiner dieser Theorien anschließen.<br />

sollten das Umladen der Transportungetüme von Schiffen und<br />

Waggons auf LKW und umgekehrt in Zukunft erleichtern. Es<br />

war ihm bereits gelungen, einen leeren Container punktgenau<br />

über fünf Meter zu katapultieren. Da er nun mit größeren<br />

Entfernungen experimentieren musste, hatte er sich den<br />

Marktplatz ausgesucht, auf dem nachts tatsächlich oft LKW<br />

abgestellt wurden. Sein Katapult war allerdings nicht optimal<br />

ausgelegt und so war der Container weit über das Ziel hinausgeflogen<br />

und auf dem benachbarten Sportplatz gelandet.<br />

Kopfschüttelnd fragte Frau Gomez: »Aber warum haben<br />

Sie sich denn nicht gemeldet? Dann wäre der Fall doch ganz<br />

schnell aufgeklärt worden.«<br />

Leidhäuser und ich antworteten gleichzeitig, allerdings nicht<br />

das Gleiche. Während seine Begründung war: «Dann hätte<br />

doch jeder von meiner Erfindung gewusst!«, sagte ich: »Dann<br />

hätten sie ihn doch gleich <strong>für</strong> verrückt erklärt.«<br />

An diesem Aprilmorgen war alles anders in Gütersloh. Als die Klasse 9b des Städtischen<br />

Gymnasiums die Freiluftsaison auf dem Sportgeländer an der Moltkestraße<br />

eröffnen wollte, steckte mitten in der Wiese ein Container – ja ein normaler ISO-Container,<br />

wie sie auf LKW, Zugwaggons und Schiffen Jahr <strong>für</strong> Jahr zu Tausenden transportiert<br />

werden.<br />

»Wir wissen nicht, wie der Container dort hingekommen ist«, erzählte uns ein ratloser<br />

Polizeiobermeister Horst Großejohann später beim Kaffee. »Es gibt keine Zufahrt und<br />

auch keine Reifenspuren.«<br />

»Durch die Luft?«, fragte ich spöttisch.<br />

»Möglich ist alles«, entgegnete Horsts Kollegin Annalena Rüschkötter.<br />

Horst ergänzte noch, dass der Container vollkommen leer war und die Spurensicherung<br />

ihn noch genau untersuchen würde.<br />

Während die Polizei im Dunkeln tappte, hatte Gütersloh ein Gesprächsthema, das<br />

mindestens <strong>für</strong> zwei Wochen gut war. Und natürlich ließ der Fall Frau Gomez nicht<br />

ruhen. Sie überprüfte Einflugschneisen der Flughäfen Düsseldorf, Köln, Hannover, ja<br />

sogar Paderborn. Möglicherweise hatte ein Frachtflugzeug bei Start oder Landung den<br />

Container verloren. Das war auch die Lieblingstheorie der Medien. Denn wenn sich ein<br />

solcher Unfall bestätigen würde, wäre Gütersloh knapp einer Katastrophe entgangen.<br />

Doch mir schien diese Theorie zu gewagt. Solche Riesencontainer wurden mit Sicherheit<br />

mehrfach überprüft und auch Frau Gomez verwarf ihren Gedanken, da sie keinen<br />

einzigen ähnlichen Fall recherchieren konnte.<br />

Zeichnung: Rebecca Bünermann<br />

Es gab wie immer in solchen Fällen auch bei<br />

uns in Gütersloh noch viele andere Theorien:<br />

eine fehlgeschlagene Geheimdienstoperation,<br />

ein supranatürliches Phänomen der Energiebündelung,<br />

ein Drohnentest von amazon oder<br />

die immer wieder gerne bemühten Aliens.<br />

DER KIOSK-CARL:<br />

»Gestatten, mein Name ist <strong>Carl</strong>, <strong>Carl</strong><br />

Beckenfort – oder wie meine Kumpels von<br />

der Citywache immer sagen: Cibi. Jeden<br />

Morgen um sechs öffne ich die Luke meines<br />

Kiosks am Berliner Platz. Ich sehe, was in<br />

Gütersloh los ist. Und das ist erstaunlich<br />

viel. Zuviel, meinen Annalena und Horst. Um<br />

Punkt zehn holen die beiden Polizisten sich<br />

ihren Kaffee. Meinen Ratschlag in Sachen<br />

Verbrechensaufklärung gibt’s gratis dazu.<br />

Ich bin nämlich nicht nur bekannt <strong>für</strong> den<br />

stärksten Mokka der Stadt, sondern auch <strong>für</strong><br />

meine Spürnase. Wenn sich dann auch noch<br />

meine Aushilfe Frau Gomez einmischt, ist<br />

der Fall quasi schon gelöst.«<br />

Wie schon so oft, führte uns schließlich Frau Gomez auf die<br />

richtige Spur. Sie entdeckte im Internet ausführliche Artikel<br />

von Thomas Leidhäuser. Wir hatten ihn vor einigen Jahren<br />

als den Werwolf von Gütersloh überführt. Der notorische<br />

Erfinder hatte damals an einem Sechs-Richtige-Prognostometer<br />

gearbeitet. Um seine Werkstatt in der Dieselstraße vor<br />

Spionage zu schützen hatte er mit einer künstlichen Klaue<br />

und einem Stahlgebiss Passanten attackiert. Damit wollte er<br />

vortäuschen, dass hier ein Wolf sein Unwesen treibt. Leidhäuser<br />

litt unter Verfolgungswahn und wir hatten ihn auf frischer<br />

Tat ertappt.<br />

»Was schreibt er denn?«, wollte ich wissen.<br />

»Genau wie damals tut er sehr geheimnisvoll und behauptet<br />

auch immer noch, er habe das Smartphone erfunden und<br />

Apple habe ihm seine Pläne gestohlen. Nun arbeitet er wieder<br />

an etwas Großartigem, dass die Welt revolutionieren würde«,<br />

erzählte Frau Gomez. »Nichts Genaues schreibt er nicht.«<br />

»Wollen wir heute Abend mal rausfahren nach Avenwedde?«,<br />

fragte ich voller Tatendrang. Leidhäuser tat mir einerseits<br />

leid, andrerseits war ihm vieles zuzutrauen – auch fliegende<br />

Container.<br />

Der Rest war ein Kinderspiel. Auf dem Platz vor seiner Werkstatt<br />

standen Sattelschlepper. Auf einem war eine merkwürdige<br />

Apparatur montiert. Wir hatten die Einfahrt zu seinem<br />

Grundstück noch nicht erreicht, da stürmte er uns schon wütend<br />

entgegen. »Das ist Privatgelände, Sie haben hier nichts<br />

zu .... Herr Beckenfort?« Leidhäuser stockte mitten im Satz<br />

und ich ging kurzentschlossen in die Offensive.<br />

»Wir wollten nur fragen, ob Sie gerne Ihren Container zurückhätten?«<br />

Und nun brach es aus dem angstgeplagten Erfinder hervor.<br />

Er arbeitete an einer Wurfvorrichtung <strong>für</strong> Container. Sie<br />

Vom Autor selbst eingelesen – im Studio von<br />

Hier wird vorgelesen:<br />

www.carl.media/qr/containerfall

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