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VorhangAuf_114_KT

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Es marschierte von Südafrika nach Südostafrika, von Südostafrika<br />

nach Mittelafrika und von Mittelafrika immer weiter<br />

nordöstlich. Es aß die ganze Zeit über Melonen, bis es<br />

schließlich zum großen graugrün-schlammigen Limpopostrom<br />

kam, an dessen Ufern hohe Fieberbäume wachsen.<br />

Bis zu jenem Tag hatte das unersättliche Elefantenkind noch<br />

niemals ein Krokodil gesehen, und es wusste auch nicht, wie<br />

eins aussieht. Aber seine Neugier war eben unersättlich.<br />

Das erste, was ihm zu Gesicht kam, war eine<br />

doppelgescheck te klappernde Riesenschlange, die sich um<br />

einen Felsen geringelt hatte. „Entschuldigung",<br />

sagte das Elefantenkind sehr<br />

höflich, „hast du nicht etwas wie ein<br />

Krokodil in dieser fremden Gegend<br />

gesehen?"<br />

wünschte, schon wieder eins übergezogen zu bekommen.<br />

„Komm her, mein Kleines", rief das Krokodil, „warum fragst<br />

du nach solchen Sachen?" „Entschuldigung", sagte das Elefantenkind<br />

sehr höflich, „mein Verwandten haben mir alle<br />

eins übergezogen, und schließlich auch die doppelgescheck -<br />

te klappernde Riesenschlange mit dem schlüpfrigen<br />

Schwanz, die nicht weit von hier auf dem Felsen liegt und die<br />

stärker zuschlägt als alle anderen. Dies sage ich nur, weil ich<br />

jetzt nichts mehr übergezogen haben möchte."<br />

„Komm her, mein Kleines", knurrte das Krokodil, „ich bin das<br />

Krokodil", und es weinte Krokodilstränen, um zu beweisen,<br />

dass es nicht log. Da stockte dem Elefantenkind der Atem,<br />

und keuchte vor Aufregung; es kniete am Ufer nieder und<br />

rief freudig: „So bist du das Wesen, das ich in all den langen<br />

Tagen gesucht habe? Würdest du die Freundlichkeit haben,<br />

mir zu sagen, was du zu Mittag speist?"<br />

„Komm hierher, mein Kleines", erwiderte das Krokodil, „ich<br />

sage es dir ins Ohr." Da legte das Elefantenkind seinen Kopf<br />

dicht an den speckigen, dreckigen Rachen des Krokodils.<br />

Doch das Krokodil packte es bei seiner kleinen Nase, die bis<br />

zu diesem Augenblick nicht größer war als ein Stiefel.<br />

„Ich denke", sagte das Krokodil, und es sprach dabei durch<br />

die Zähne, ungefähr so: „Ich denke, heute kommt zuerst das<br />

Elefantenkind dran." - Darüber war das Elefantenkind sehr<br />

entsetzt, und es bat mit bebenden Nasenflügeln: „Lass los,<br />

du tust mir ja weh!"<br />

„Ob ich ein Krokodil gesehen habe?" fragte die doppelgescheckte<br />

klappernde Riesenschlange mit fürchterlich wütender<br />

Stimme, „was wirst du mich noch alles fragen?" „Entschuldigung",<br />

bat das Elefantenkind, „aber könntest du so<br />

freundlich sein und mir mitteilen, was es zu Mittag speist?"<br />

Da ringelte sich die doppelgescheckte klappernde Riesenschlange<br />

wie der Blitz von ihrem Felsen herunter und zog<br />

dem Elefantenkind mit ihrem schlüpfrigen Schwanz eins<br />

über. „Seltsam", meinte das Elefantenkind, „meine Verwandten<br />

haben mir alle eins übergezogen, weil ich so unersättlich<br />

neugierig bin - und ich vermute, hier liegt der Fall ebenso."<br />

So sagte das Elefantenkind der doppelgescheckten klappernden<br />

Riesenschlange sehr höflich Lebewohl und half ihr<br />

noch, sich wieder um den Felsen zu ringeln; es ging seiner<br />

Wege, mit etwas brennender Haut, aber durchaus nicht verstimmt,<br />

aß Melonen und warf die Schalen fort, weil es sie<br />

ohne Rüssel ja nicht sammeln konnte.<br />

Plötzlich trat es dicht am Ufer des großen graugrün-schlammigen<br />

Limpopostroms, wo die Fieberbäume stehen, auf einen<br />

harten Gegenstand; es hielt ihn für einen Baumstamm.<br />

Aber es war in Wirklichkeit ein Krokodil, das mit einem<br />

Auge zwinkerte.<br />

Da rutschte die doppelgescheckte klappende Riesenschlange<br />

von ihrem Felsen herunter und zischelte: „Mein junger<br />

Freund, wenn du nicht augenblicklich so kräftig ziehst wie<br />

du nur kannst, wird dich meiner Ansicht nach dein neuer Bekannter<br />

in den nassen Fluss ziehen, ehe du auch nur um Hilfe<br />

rufen kannst."<br />

Da setzte sich das Elefantenkind auf seine kleinen Schinken<br />

und fing an zu ziehen und zu zerren und zu reißen, und seine<br />

Nase wurde lang und länger. Das Krokodil platschte ins<br />

Wasser und schlug es mit seinem Schwanz, dass es schäumte,<br />

und das Elefantenkind zog und zerrte und riss.<br />

Seine Nase wurde länger und länger, und es stemmte sich<br />

mit seinen vier kleinen dicken Beinen fest gegen den Boden;<br />

es zog und zerrte und riss, und seine<br />

Nase wurde immer noch länger.<br />

Das Krokodil wirbelte<br />

seinen Schwanz herum<br />

wie einen<br />

Windmühlenflügel;<br />

„Entschuldigung", sagte das Elefantenkind sehr höflich,<br />

„hast du vielleicht ein Krokodil in dieser Gegend gesehen?"<br />

Da zwinkerte das Krokodil mit dem anderen Auge<br />

und hob seinen Schwanz halb aus dem Schlamm; das<br />

Elefantenkind trat sehr höflich zurück, weil es nicht<br />

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