s'Magazin usm Ländle, 8. April 2018
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SCHICKSAL<br />
Tagebuch einer Tochter<br />
Das Schreiben ist für Christiane Mähr (40) ein Ventil. Beruflich sowie privat<br />
bringt sie ihre Gedanken aufs Papier. Vor neun Jahren begleitete die<br />
Feldkircherin ihre krebskranke Mutter auf dem letzten Lebensweg. Ein<br />
Tagebuch half ihr damals –nun veröffentlicht sie ihre persönliche Geschichte.<br />
Was tutman, wenn ein geliebter<br />
Mensch plötzlich<br />
dem Tode nah ist?<br />
Wie geht man damit<br />
um? Mit der Angst, mit<br />
der Ausweglosigkeit, mit dem eigenen<br />
Ich? Die Feldkircherin Christiane<br />
Mähr verlor ihre Mutter vor neun<br />
Jahren an eine Krebserkrankung –<br />
wie immer, viel zu früh. Sie war<br />
67. „Ich hätte gerne zu dieser Zeit<br />
irgendeine Hilfestellung gehabt,<br />
die mir sagt, wie ich in manchen<br />
Situationen reagieren soll.“ Sie<br />
schrieb ein Tagebuch, brachte ihre<br />
Gedanken und Sorgen so an die<br />
Oberfläche. „Es war für mich wie<br />
ein Ventil. Die Last fiel von mir<br />
ab“, beschreibt sie ihre Art des<br />
Trauerns.Sie suchteAntworten auf all die<br />
Fragen, die sich für sie in der Zeit des Abschiednehmens<br />
stellten. Sie verlagerte<br />
ihren Lebensmittelpunkt von Vorarlberg<br />
nach Wien, wo ihre Mutter lebte und begleitete<br />
sie auf ihrem letzten Lebensweg.<br />
„Ich bin nicht mehr die Frau, die ich damals war“,sagt<br />
Christiane Mähr im „Krone“-Interview über die Zeit der Trauer.<br />
„Ichkonnte für meineMama da sein,habe<br />
sie eingecremt, ihr die Haare gewaschen.<br />
Man macht es einfach, weil man es machen<br />
muss.“ Der aggressive Krebs raubte<br />
Christiane innerhalb weniger Monate die<br />
Mutter. „Siewar für mich einVorbild und<br />
eine unglaublich tolle Frau,<br />
aber das war kein Leben mehr<br />
für sie. Die Dame, die sie immer<br />
war, konnte sie nicht mehr<br />
sein.“<br />
Als Wertschätzung ihrer<br />
Mutter gegenüber und vielleicht<br />
auch als kleine Hilfestellung<br />
für andere Menschen in<br />
einer ähnlichen Situation<br />
wollte sie ihrepersönlicheGeschichte<br />
erzählen. Nur fand<br />
sich kein Verlag, der sich<br />
Christianes berührender Geschichte annahm.„Ichbekamimmer<br />
dieselbe Absage,<br />
undsolandete das Tagebuch in derSchublade.“<br />
Im vergangenen Jahr kramte sie es<br />
aber wieder hervor. „In einem Blogeintrag<br />
schrieb ich mir als meine Mutter einen<br />
Brief. Ich bekam so viele Reaktionen darauf,<br />
sodass ich die Veröffentlichung<br />
selbst in die Hand nahm.“ Nach all den<br />
Jahren las sie ihre Gedanken, die sie während<br />
dieser schweren Zeit inWorte fasste,<br />
noch einmal durch. Eswar schmerzhaft,<br />
aber sie konnte mit dem Schicksal Frieden<br />
schließen: „Ich bemerkte, dass ich nicht<br />
mehr diese Frau bin, die ich damals war.<br />
Es ist immer noch traurig, aber ich kann<br />
heute mit der Tatsache leben, dass meine<br />
Mama viel zu früh gegangen ist.“<br />
Das Tagebuch ist kein Roman mit Happy<br />
End, kein Ratgeber. Es ist die Geschichte<br />
von Christiane, ihrer Mutter und<br />
der Abschiedsworte, die sie für immer begleiten<br />
:„Bussi,baba!“ Sandra Nemetschke<br />
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