Mitteilungen des Vorstandes - DAV Zittau
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Als wir das Labyrinth der Gletscherspalten ohne Zwischenfälle hinter uns gelassen hatten und an der<br />
Geröllstraße standen, wurde uns die Mächtgkeit <strong>des</strong> Großen Aletschgletschers bewusst� Weder in südlicher<br />
noch in nördlicher Richtung war ein Ende zu erkennen� Wir wussten nur, dass nördlich am Horizont<br />
am Konkordiaplatz der Gletscher seinen Anfang nimmt und sich rechts die Konkordiahütte befinden<br />
muss� Das Wetter besserte sich� Also los, mit Volldampf die unendliche Geröllstraße entlang� Vergnügen<br />
war es keins, denn man musste höllisch aufpassen, um nicht fehl zu treten� Nach Stunden, wir<br />
hatten kaum eine Pause gemacht, rief Holger: „Ich sehe die Konkordiahütte“� Damit hatten wir ein Nahziel<br />
vor Augen� Aber so nah war es nun auch wieder nicht� Erst 16:30 Uhr standen wir unterhalb der<br />
Konkordiahütte� Das heißt, wir mussten ca� 100 m nach oben blicken, denn der Gletscher ist seit dem<br />
Bau der Hütte um diese Höhe abgeschmolzen� Nun war erst mal eine Lageberatung angesagt� Die Meinungen<br />
gingen auseinander� Der bisherige Weg und das Gewicht <strong>des</strong> Rucksacks hatten an den Kräften<br />
gezehrt� Es gab nur zwei Möglichkeiten� Entweder rauf zur Konkordiahütte oder weiter zur Finsteraarhornhütte�<br />
Keiner wollte Schwäche zeigen und so entschieden wir uns trotz Bedenken aber zuletzt einstimmig<br />
für den Weitermarsch� Es ging an großen Gesteinsbrocken vorbei in Richtung Grüneggfirn,<br />
einem kleinen Seitengletscher� Die Sonne verschwand bereits hinter dem Aletschhorn� Die Zeit drängte�<br />
Deshalb konnten wir der Eisromantik <strong>des</strong> Konkordiaplatzes leider nur einen kurzen Blick widmen� Wir<br />
hatten die Grünhornlücke (3280 m) vor uns� Doch diese wollte trotz Mobilisierung aller übrig gebliebenen<br />
Kräfte und Traubenzuckerstöße nicht näher kommen� Der vor einer Woche gefallene Neuschnee<br />
von ca� 40 cm machte uns zu schaffen� Gletscherspalten waren nicht sichtbar� In regelmäßigen Abständen<br />
steckte der eine oder der andere, meist nur bis zu den Hüften, in der Spaltenfalle� Am meisten<br />
erwischte es Holger� Er war der Schwerste von uns� Gott sei Dank waren die Spalten alle relativ schmal,<br />
sodass es zu keinen gefährlichen Spaltenstürzen kam�<br />
Als wir mit Mühen die Lücke erreicht hatten, wurde es dunkel� Ulf hatte die ganze Zeit die Führung und<br />
trieb zur Eile an� Das hatte auch seinen Grund, denn um zur Finsteraarhornhütte zu gelangen, musste<br />
noch ein langer Abstieg und die Querung <strong>des</strong> zerrissenen Fieschergletschers sowie ein Felsaufstieg<br />
bezwungen werden� Ein schwacher Lichtpunkt von der Finsteraarhornhütte, weit in der Ferne, gab uns<br />
die Orientierung� Zum Glück hatte sich der Mond zwischen den schwarzen Berggipfeln und einem Wolkenband<br />
hindurchgezwängt und beleuchtete wie eine große Laterne das lang abfallende Firnfeld und<br />
den nahenden Gletscher� Eigentlich romantisch, wenn die Gefahren nicht überall gelauert hätten� Die<br />
Gletscherquerung war sehr heikel� Trotz Stirnlampen und Mondschein war ein gangbarer Weg zwischen<br />
den reichlichen Gletscherspalten nur schwer zu finden� Ulf hatte ein erstaunliches Gespür entwickelt,<br />
die Spalten eine nach der anderen so zu umgehen, dass wir den steilen Felsen auf der Gegenseite ohne<br />
nennenswerte körperliche Schäden erreichten� Zufällig fanden wir die Markierung für den Aufstieg� Wir<br />
quälten uns mit letzter Kraft im Stirnlampenschein die Felsen hinauf� Das Mondlicht hatte am dunklen,<br />
zerklüfteten Stein keine aufhellende Wirkung� Einzeln, völlig erschöpft kamen wir bei der Nothütte, die<br />
als Winterraum diente, gegen 21:45 Uhr an� Hier hatten sich bereits zwei Schweizer und drei Franzosen<br />
einquartiert� Sie erkannten unseren schlechten Zustand und versorgten uns mit einem riesigen Topf<br />
frisch gekochten Tee, den sie sich eigentlich für den frühmorgendlichen Aufstieg zubereitet hatten� Aber<br />
einen neuen Tee zu kochen war kein Problem, denn Brennholz gab es in der Hütte genug� Nur der Weg<br />
zur Wasserstelle war im Dunklen nicht so leicht zu finden� Ein kurzes Gespräch mit dem Bergführer<br />
brachte wieder Ordnung in die neue Situation� Wir zwängten uns mit auf das Matratzenlager und lagen<br />
wie die Ölsardinen in der Dose� Nur der Zehnte passte nicht mehr dazwischen� Holger schnappte sich<br />
kurzerhand ein paar Decken und machte es sich auf der Terrasse <strong>des</strong> Hauptgebäu<strong>des</strong> an einer windgeschützten<br />
Stelle bequem� Er war der Einzige, der richtig schlafen konnte� Am nächsten Morgen verließen<br />
die anderen vier Bergsteiger mit dem Bergführer die Hütte� Nun konnten wir uns ausbreiten� Wir<br />
brauchten den Tag zur Erholung und zur Vorbereitung auf den Gipfelaufstieg� Ein strahlendblauer<br />
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