Altlandkreis Ausgabe Mai/Juni 2018 - Das Magazin für den westlichen Pfaffenwinkel
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Die Geschichte von „Asyl im Oberland“<br />
Einzigartige Anlaufstelle<br />
<strong>für</strong> Flüchtlingshelfer<br />
Weilheim | Als im Jahr 2015 die große<br />
Flüchtlingswelle nach Deutschland<br />
überschwappte, war Pfarrer<br />
Jost Herrmann einer der ersten, der<br />
ehrenamtliche Flüchtlingshelfer<br />
koordinierte. Und er hatte eine Vision:<br />
Unterstützer im ganzen Weilheim-Schongauer<br />
Landkreis unter<br />
dem Namen „Asyl im Oberland“<br />
zu vernetzen. Seit 2016 darf er sich<br />
gemeinsam mit Susanne Seeling<br />
hauptamtlich um diese Aufgabe<br />
kümmern. Mit Hilfe von Caritas<br />
Weilheim, Herzogsägmühle, Diakonie<br />
Oberland, dem Landratsamt<br />
Weilheim-Schongau sowie Geldern<br />
des Freistaats Bayern wur<strong>den</strong> diese<br />
zwei Stellen geschaffen – eine bayernweit<br />
einzigartige Konstellation.<br />
Herrmann und Seeling verstehen<br />
sich als Fürsprecher, Unterstützer<br />
und Ansprechpartner aller 28 Helferkreise<br />
im Landkreis Weilheim-<br />
Schongau. Sie klären auf, trösten<br />
und vermitteln zwischen Ämtern<br />
und Flüchtlingen, zwischen Asylhelfern<br />
und Flüchtlingen, zwischen<br />
Flüchtlingen und Flüchtlingen,<br />
zwischen der Bevölkerung und<br />
Flüchtlingen. Ihr Zuständigkeitsbereich<br />
erstreckt sich von Penzberg<br />
bis Ingenried, von Pähl bis Steinga<strong>den</strong>.<br />
Ein klassisches Beispiel<br />
aus dem Alltag: Anwohner einer<br />
Flüchtlingsunterkunft beschweren<br />
sich darüber, dass afrikanische<br />
Flüchtlinge oft laut im Garten mit<br />
dem Handy telefonieren, was viele<br />
Einheimische auf Dauer nervt.<br />
Jost Herrmann ist in solchen Fällen<br />
bestrebt, Verständnis <strong>für</strong>einander<br />
zu entwickeln. Einerseits versucht<br />
er <strong>den</strong> Anwohnern klarzumachen,<br />
28 | altlandkreis<br />
dass Afrikaner eine andere Mentalität<br />
haben. „Lautstärke ist in vielen<br />
Kulturen kein Problem. Man redet<br />
einfach lauter miteinander. Auch<br />
am Telefon.“ Darüber hinaus sei<br />
die Telefonverbindung in die Heimat<br />
oft sehr schlecht. Andererseits<br />
erklärt Herrmann <strong>den</strong> Geflüchteten<br />
die Mentalität der Deutschen. Viele<br />
wollten nach Feierabend schlichtweg<br />
ihre Ruhe haben, was es zu<br />
respektieren gilt.<br />
Auslandserfahrung<br />
in Afrika<br />
Jost Herrmann, 53, war vor seiner<br />
hauptamtlichen Tätigkeit bei<br />
Asyl im Oberland neun Jahre lang<br />
evangelischer Pfarrer in Weilheim,<br />
engagierte sich davor viele Jahre in<br />
Afrika, „wo ich sehr viel gesehen<br />
und erlebt habe“. Wie kaum ein<br />
Zweiter kennt er die deutsche und<br />
afrikanische Kultur, kann sich gleichermaßen<br />
gut hineinversetzten in<br />
die Sorgen der hierher geflüchteten<br />
Eritreer, Afghanen und Syrer, aber<br />
auch in die der Weilheimer, Schongauer,<br />
Penzberger, die sich plötzlich<br />
auseinandersetzen müssen mit<br />
wildfrem<strong>den</strong> Menschen, die so anders<br />
aussehen, so anders sprechen,<br />
so anders ticken. „<strong>Das</strong> ist natürlich<br />
eine große Herausforderung“, sagt<br />
Jost Herrmann, der bis heute damit<br />
zu kämpfen hat, dass die Arbeit<br />
von Asyl im Oberland in großen<br />
Teilen der Bevölkerung falsch<br />
wahrgenommen wird. „Wir sind<br />
nicht die Lobbyisten der Flüchtlinge“,<br />
betont er ausdrücklich. Herr-