Tassilo, Ausgabe Mai/Juni 2018 - Das Magazin rund um Weilheim und die Seen
- Keine Tags gefunden...
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Mit Nachwuchsweltmeister vom Ammersee<br />
Segel setzen z<strong>um</strong> Saisonauftakt<br />
Dießen | Ende September 2017 an<br />
der italienischen Küste von Scarlino.<br />
Der Wind pfeift <strong>um</strong> <strong>die</strong> Ohren.<br />
Draußen auf dem Meer t<strong>um</strong>meln<br />
sich mehr als 100 Segelboote. Alle<br />
gleich groß, alle besetzt von zwei<br />
Menschen. Einer davon ist der erst<br />
19-Jährige Tim Wechsler aus Dießen<br />
am Ammersee. Gemeinsam<br />
mit Partner Benedikt Nagel hat<br />
er alle Hände voll zu tun, schon<br />
vor dem Start sich durchzusetzen.<br />
„Üble Beschimpfungen <strong>und</strong><br />
rücksichtslose Vordrängelaktionen<br />
sind in <strong>die</strong>ser Phase ganz normal“,<br />
sagt Tim, der an <strong>die</strong>ser Stelle kurz<br />
grinsen muss, dann anfängt zu erklären:<br />
„Jeder Teilnehmer versucht<br />
sich Platz zu schaffen an der imaginären<br />
Startlinie, damit man von<br />
Anfang an mit einer gewissen Anlaufgeschwindigkeit<br />
in den Wettkampf<br />
gehen kann.“ Tim Wechsler<br />
<strong>und</strong> seinem Partner scheint das<br />
gut zu gelingen in <strong>die</strong>ser Woche.<br />
Nach allen vier Vorläufen qualifizieren<br />
sich <strong>die</strong> beiden als eines<br />
von 53 Booten für <strong>die</strong> Gruppe Gold<br />
A, dürfen somit unter den besten<br />
Flying-Dutchman-Seglern <strong>um</strong> den<br />
heißbegehrten Weltmeistertitel<br />
kämpfen. Und? „Lief richtig gut“,<br />
sagt Tim, der seither stolzer U26-<br />
Weltmeister in der Flying-Dutchman-Klasse<br />
ist.<br />
Wetterkenntnisse,<br />
Fitness <strong>und</strong> Gefühl<br />
Bei der WM 2017 war Tim Wechsler<br />
der Beste unter den Jüngsten,<br />
startete für <strong>die</strong> Segelgemeinschaft<br />
Augsburg, <strong>die</strong> ihn finanziell unterstützt.<br />
Zuhause in Dießen am<br />
Ammersee stellt der bodenständige<br />
Student – Sozialwissenschaften<br />
an der Universität in Augsburg –<br />
den Wettkampfmodus lieber hinten<br />
an <strong>und</strong> kümmert sich <strong>um</strong> den<br />
Nachwuchs seines Heimatvereins<br />
MTV Dießen. Aus eigener zehnjähriger<br />
Erfahrung kann der inzwischen<br />
20-Jährige sagen: „Wer<br />
ein guter Segler werden will,<br />
muss früh anfangen <strong>und</strong> jede<br />
Menge St<strong>und</strong>en auf dem Wasser<br />
verbringen.“ Segeln sei ein komplexer<br />
Sport, weil er unglaublich<br />
viel Gefühl, hervorragende Wetterkenntnisse,<br />
körperliche Fitness<br />
<strong>und</strong> obendrein verdammt viel<br />
Geduld abverlange. „So sehr ich<br />
<strong>die</strong>sen Sport auch liebe, an manchen<br />
Tagen macht er mich regelrecht<br />
fertig“, sagt Tim. Gemeint<br />
sind Trainings oder Wettkämpfe,<br />
an denen er mit seinem Boot<br />
nicht auf Geschwindigkeit kommt,<br />
während <strong>die</strong> Anderen locker-flockig<br />
an ihm vorbeiziehen. „Und<br />
du einfach nicht weißt, was du in<br />
<strong>die</strong>sem Moment falsch machst.“<br />
Bevor er mit seinen drei Zweier-<br />
Teams vom MTV, aktuell zwischen<br />
zwölf <strong>und</strong> 17 Jahre jung, hinaus<br />
auf den Ammersee fährt, gilt es<br />
<strong>die</strong> Ausrüstung zu überprüfen.<br />
Gerade jetzt z<strong>um</strong> Auftakt der Saison,<br />
<strong>die</strong> Anfang April beginnt <strong>und</strong><br />
bis Ende Oktober andauert.<br />
Schwimmweste,<br />
darunter Neopren<br />
Der Segler selbst trägt immer<br />
eine Schwimmweste, darunter<br />
Neoprenanzug, Neoprenschuhe<br />
<strong>und</strong> Neoprenhandschuhe,<br />
<strong>um</strong> auch bei kalt-nassen<br />
Verhältnissen seiner Leidenschaft<br />
uneingeschränkt nachgehen<br />
zu können. In Sachen<br />
Boote ist <strong>die</strong> Beschreibung<br />
wesentlich komplizierter,<br />
„weil es sehr viele verschiedene<br />
Klassen <strong>und</strong> damit<br />
auch Modelle gibt“. Lediglich im<br />
Kinder- <strong>und</strong> Jugendbereich hält<br />
sich <strong>die</strong> Vielfalt in Grenzen. Die<br />
Kleinsten lernen im „Opti“ – ein<br />
kompakter, stabiler, viereckiger<br />
Einer mit nur einem Segel. Schüler<br />
<strong>und</strong> Jugendliche in etwas größeren<br />
Segelbooten der Klassen<br />
420er oder 29er – beide Modelle<br />
werden immer im Zweier-Team<br />
gefahren. G<strong>r<strong>und</strong></strong>sätzlich bestehen<br />
Segelboote aus sehr leichtem<br />
Material wie Carbon oder glasfaserverstärktem<br />
Kunststoff, kosten<br />
knapp 40 000 Euro, müssen je<br />
nach Klasse bau- <strong>und</strong> gewichtsgleich<br />
sein <strong>und</strong> tragen in der<br />
Regel drei verschiedene Segel:<br />
Hauptsegel, Vorsegel <strong>und</strong> Spinnacker.<br />
„Letzteres wird zusätzlich bei<br />
Wind von hinten aufgespannt“,<br />
sagt Tim. Im Optimalfall versuche<br />
der Segler jedoch immer<br />
mit dem leicht schräg gestellten<br />
Hauptsegel gegen <strong>die</strong> Windrichtung<br />
zu fahren. Entgegen? „Trifft<br />
der Wind auf das Segel, wirbelt<br />
er <strong>um</strong> <strong>die</strong>ses her<strong>um</strong>. Dabei entsteht<br />
ein Sog, der das Boot im<br />
wahrsten Sinne nach vorne zieht.“<br />
Gelenkt wird mit einem klassischen<br />
Ruder, angebracht am hintersten<br />
Ende des Bootes. „Meine<br />
Der Konkurrenz voraus: Tim Wechsler<br />
(re.) <strong>und</strong> sein Partner Benedikt Nagel<br />
sind amtierende U26-Segel-Weltmeister<br />
in der Flying-Dutchman-Klasse.<br />
30 | tassilo