LOGISTIK express Fachzeitschrift | 2017 Journal 1
Wirtschaft, Handel, E-Commerce, Intralogistik, Industrie 4.0, Digitalisierung, Transportlogistik, Job Karriere
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Was das mit der Seidenstraße zu<br />
tun hat? Viel. Durch die Seidenstraße<br />
wird die Möglichkeit, billige chinesische<br />
Ware zeitnah nach Europa<br />
zu bringen, wesentlich attraktiver.<br />
Die Strecke der neuen Seidenstraße<br />
führt voraussichtlich vom chinesischen<br />
Chongquing über den Alatau-Pass und<br />
Russland bis nach Duisburg, 20 Mal täglich<br />
verkehren Frachtzüge mit 41 Waggons.<br />
Die Fracht: Elektronik, Textilien<br />
und Markenware nach Europa, Milchpulver<br />
und fertig montierte PKW retour.<br />
Will: „Über die Strecke versorgt China<br />
Europa, die Türkei, Russland und Afghanistan.<br />
Bislang hat Peking 64 Staaten,<br />
in der Initiative „One Belt, One Road“<br />
vereint.“ Die Bahnverbindung bietet<br />
einen Mittelweg zwischen der langsamen,<br />
aber günstigen Schiffsfracht und<br />
der schnellen, aber teuren Luftfracht.<br />
In 10 bis 18 Tagen hat die Ware ihr Ziel<br />
erreicht – sobald die unterschiedlichen<br />
Schienensysteme besser angeglichen<br />
werden, wird diese Laufzeit noch verkürzt.<br />
Das bedeutet, künftig werden<br />
chinesische Pakete nicht mehr einen<br />
Monat unterwegs sein – zusätzliche<br />
Konkurrenz für den heimischen Handel.<br />
In ihrer weltweiten Investitionslaune<br />
haben chinesische Unternehmen den<br />
griechischen Hafen Piräus gekauft, in<br />
der Ostsee ist ein Tiefwasserhafen für<br />
Containerfrachter geplant. Riesige Industrieareale<br />
entlang der Seidenstraße<br />
sind bereits im Entstehen. „Man will<br />
die gesamte Wertschöpfungskette<br />
selbst abbilden, denkt und setzt in anderen<br />
Dimensionen um.“, erklärt Will.<br />
E-Commerce als Weltwirtschaftstreiber<br />
„Aufgrund dieser Entwicklungen sehen<br />
wir den e-Commerce als den Treiber für<br />
die Weltwirtschaft“, konstatiert der Geschäftsführer<br />
des Handelsverbandes.<br />
„Es ist wichtig, heimische Betriebe und<br />
kleinere lokale Handelsunternehmen<br />
zu unterstützen. Deshalb haben wir<br />
die umfassende Initiative „RETAIL 24/7“<br />
(www.retail247.at) gestartet, mit der wir<br />
auch kleineren Händlern die Möglichkeit<br />
geben, informiert und abgesichert<br />
ihren Platz in der neuen Handelswelt zu<br />
finden.“ Neue EU-Regulierungen aus<br />
der Single Digital Markt-Initiative (vgl.<br />
Geoblocking) befeuern die Entwicklung<br />
zusätzlich. Der Handelsverband<br />
geht daher davon aus, dass Händler<br />
mit wenigen Marken im Sortiment langfristig<br />
nicht oder nur in Nischen überleben<br />
werden. „Einzelne Markenanbieter<br />
hingegen können mit innovativen<br />
Shops und gut positionierten Marken<br />
erfolgreich sein, da der klassische Handel<br />
(leider) umgangen und Kosteneinsparungen<br />
durch das Aussparen dieser<br />
Wertschöpfungsstufe immer stärker Realität<br />
wird, um den Konsumenten durch<br />
günstigste Preise bei Laune halten zu<br />
können“, ergänzt Will.<br />
Vorbild Alibaba<br />
Die Onlineplattform Alibaba ist in Asien<br />
quasi konkurrenzlos. Dabei sind erst 40<br />
Prozent der chinesischen Bevölkerung<br />
online. Das Potential beträgt 1,3 Mrd.<br />
Menschen. Alibaba hat einen „mobile“-Anteil<br />
je nach Region zwischen<br />
60-80 Prozent, was dieses Thema auch<br />
für heimische Händler ins Zentrum aller<br />
Innovationsinvestitionen rücken sollte.<br />
Der Vorteil des asiatischen Giganten<br />
ist die enge Beziehung zu regionalen<br />
Lieferanten, die Logistik, und das eigene<br />
Ökosystem, das stetig erweitert wird<br />
(Marktplatz, Payment, Online-Kaufhaus,<br />
Retail-Beteiligungen: all in one).<br />
Alibaba hat für 2,6 Mrd. US-Dollar die<br />
chinesische Warenhauskette „Intime“<br />
übernommen. 29 Warenhäuser und 17<br />
Shoppingmalls: für Showrooms, Events<br />
und vor allem für Logistik, um nahe<br />
beim Kunden zu sein. Schon jetzt werden<br />
rund 5,9 Mio. Pakete täglich aus<br />
China ins Ausland geschickt.<br />
Ende der Mehrwertsteuerbefreiung?<br />
Angesichts dieser Entwicklungen ist es<br />
von fundamentaler Wichtigkeit, die<br />
Mehrwertsteuerbefreiung für Postlieferungen<br />
aus Drittländern unter 22 Euro<br />
aufzuheben. Der Handelsverband hat<br />
darauf schon lange auf nationaler als<br />
auch europäischer Ebene hingewiesen.<br />
Nun liegt endlich ein EU Kommissionsvorschlag<br />
zur Mehrwertsteuerrichtlinie<br />
vor. Die Steuerbefreiung für<br />
die Einfuhr von Kleinsendungen aus<br />
Drittstaaten unter 22 Euro Warenwert<br />
soll demnach mit 1. Jänner 2021 abgeschafft<br />
werden. Dies bedeutet einen<br />
Anstieg der Mehrwertsteuereinnahmen<br />
der Mitgliedstaaten von 7 Mrd. EUR<br />
jährlich und verbesserte Wettbewerbsbedingungen<br />
für die gegenwärtig benachteiligten<br />
Unternehmen aus der<br />
EU. Will dazu: „Im Sinne eines funktionierenden<br />
europäischen Binnenmarkts<br />
wäre es sinnvoll, dass die geplante<br />
Geoblocking Verordnung frühestens<br />
mit der Mehrwertsteuerrichtlinie in Kraft<br />
tritt.“ Ein weiterer Dorn im Auge des<br />
Handelsverbandes ist die Einkommenssteuerverschonung<br />
ausländischer Online-Player,<br />
die ihre Betriebsstätten als<br />
Hilfsstätten deklarieren und so einen unfairen<br />
Wettbewerbsvorteil generieren.<br />
Rahmenbedingungen verbessern!<br />
In Österreich stehen 580.000 Arbeitsplätze<br />
im Handel auf dem Spiel. „Entwicklungen<br />
in China können wir nicht<br />
beeinflussen, aber wir können österreichische<br />
Unternehmen wettbewerbsfähiger<br />
machen“, gibt sich der Geschäftsführer<br />
des Handelsverbandes<br />
kämpferisch. „Eine Lohnnebenkostenentlastung<br />
der Arbeitgeber, die mit<br />
dem im Arbeitspaket der Bundesregierung<br />
enthaltenen Beschäftigungsbonus<br />
erreicht werden soll, ist positiv und<br />
längst überfällig.<br />
Der Handelsverband macht sich schon<br />
lange dafür stark, um die Jobs im Handel<br />
zu halten und neue zu schaffen.<br />
Der Beschäftigungsbonus kann dabei<br />
helfen. Jedoch hoffe ich, dass die<br />
praktische Umsetzung nicht noch mehr<br />
Bürokratie in der Lohnverrechnung erzeugt.<br />
Die Investitionsanreize müssen<br />
auch mitarbeiterintensive Branchen<br />
wie den Handel berücksichtigen, um<br />
relevante Beschäftigungseffekte zu<br />
erzielen. Dass das Thema Arbeitszeitflexibilisierung<br />
wieder aufgeschoben<br />
und Verantwortung abgeschoben<br />
wurde, ist aus der Sicht des Handels<br />
enttäuschend. Denn die aktuellen Arbeitszeitregelungen<br />
sind nicht mehr<br />
zeitgemäß und sorgen für enorme<br />
Kosten und bürokratischen Aufwand.“<br />
(AG)