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Die Monatszeitung für Stadt und Landkreis Regensburg

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16 Aus dem Nähkästchen<br />

www.ostbayern-kurier.de<br />

Verdächtige Personen, vergessene Waffen<br />

Polizeistreifen und Betriebsausflug – Franz Niebauer erzählt aus dem Alltag eines Polizisten<br />

Nürnberg. Ich war müde<br />

und abgespannt, niedergeschlagen<br />

und nach der<br />

Aufregung einfach missmutig.<br />

Die Dienstgruppe<br />

saß in einem Roundtable-<br />

Gespräch, so zumindest<br />

sagt man heute.<br />

Die „C-ler“, so nannten sich<br />

die einzelnen Dienstgruppen.<br />

Die „C-ler“ jedenfalls saßen<br />

beim Igor, dem Jugoslawen-<br />

Wirt, um die Ecke, um den<br />

tatsächlich runden Tisch.<br />

Wir berieten über unseren<br />

nächsten Betriebsausflug.<br />

Es gab dabei einiges zu<br />

organisieren.<br />

Halt, beinahe hätte ich es<br />

vergessen, damals gab es<br />

noch Jugoslawien, soviel<br />

kurz zum Wirt. Der übrigens<br />

wahnsinnig gut kochen<br />

konnte und der extrem gerne<br />

mit uns anstieß. Slibowitz,<br />

glaube ich, hieß dieser süffige<br />

Schnaps.<br />

Nur in der Freizeit<br />

Auf jeden Fall, jetzt war Planung<br />

angesagt. Wir durften<br />

ja nur in der Freizeit unseren<br />

Ausflug durchführen. Die<br />

Sicherheitslage, gerade in<br />

dieser Zeit, in der die Rote<br />

Armee Fraktion – kurz RAF –<br />

ihre Dominanz praktizierte,<br />

war es wichtig, immer voll<br />

besetzt zu sein. Es wurden<br />

vermehrt Kontrollen<br />

durchgeführt und Personen<br />

überprüft.<br />

Fred und ich wurden wieder<br />

mehrfach für zivile Streifen<br />

eingesetzt. Wir bekamen<br />

dazu einen uralten goldfarbenen<br />

Opel Rekord P II, der<br />

Profi, weiß was dies für ein<br />

Fahrzeug war, enorm groß,<br />

enorm durstig und enorm<br />

langsam. Für die Fußgängerkontrollen<br />

war er daher<br />

„enorm“ gut geeignet.<br />

Aber wir sprachen ja über<br />

unseren Ausflug. Der erste<br />

Punkt: Wer fährt mit? Gut,<br />

wir waren uns einig, wir waren<br />

eine Gruppe, wir fahren<br />

alle. Das war also geklärt.<br />

Die Frage „Wohin?“ musste<br />

noch akribisch erörtert werden.<br />

Wichtig natürlich: nicht<br />

zu weit weg. In die Berge,<br />

mal wandern, das wär‘s<br />

doch, oder? Vornehmlich<br />

Einigkeit.<br />

Anton brachte den Achensee<br />

ins Gespräch, weil er dort immer<br />

mit seiner Frau und<br />

den drei Kindern in einer<br />

Baby-Pension Urlaub<br />

machte. Hallo,<br />

Baby-Pension, warf<br />

Fred sogleich ein.<br />

Nein, nein, meinte<br />

Anton, natürlich<br />

nicht für den<br />

Ausflug mit den<br />

Kollegen, aber die<br />

Gegend wäre doch<br />

was. Berge, See und<br />

ausspannen. Relaxen –<br />

diesen Ausdruck kannten<br />

wir damals noch nicht.<br />

Nach der Schicht geht‘s los<br />

Dann ging alles schnell. Wir<br />

einigten uns auf Pertisau, das<br />

lag am Achensee. Außerdem<br />

lag der Achensee zwar in<br />

Österreich, aber nicht weit<br />

von der bayerischen Grenze<br />

entfernt, sogar in ziemlich<br />

unmittelbarer Nähe zu Wildbad<br />

Kreuth. Der Zeitpunkt<br />

war auch fix und so trennten<br />

wir uns.<br />

Die Schicht fing an und<br />

wir wussten, am Ende der<br />

Nachtschicht würden wir<br />

mit dem Zug nach Pertisau<br />

fahren. Vorher lag aber noch<br />

die Nacht und unsere, meine<br />

Streife mit Fred in Zivil.<br />

Der Abend begann sehr<br />

ruhig, es war Mai und die<br />

hereinbrechende Nacht<br />

war lau und angenehm. Ein<br />

Funkspruch von der Zentrale<br />

durchbrach die Beschaulichkeit.<br />

Verdächtige Personen<br />

im Bereich der Wohnung des<br />

Oberbürgermeisters wurden<br />

gesichtet.<br />

Kein Verdächtiger<br />

Mit der nötigen Sorgfalt und<br />

der richtigen Geschwindigkeit<br />

– „fahr langsam, es<br />

eilt“, denn Ankommen war<br />

die Devise – setzten wir<br />

uns in Bewegung. Mehrere<br />

Einsatzkräfte waren schon<br />

vor Ort, jedoch konnten wir<br />

niemanden sichten. Fred<br />

und ich fuhren wieder unsere<br />

normale Streife, jedoch<br />

mit Augenmerk auf „Domizil<br />

Oberbürgermeister“.<br />

Nach dem Einsatz verging<br />

gut eine Stunde, es war<br />

ruhig, und langsam, aber<br />

beständig wurde es kühler<br />

und unangenehmer.<br />

Beinahe wäre unsere Fahrt<br />

durch die Gassen und Straßen<br />

Nürnbergs langweilig<br />

geworden. Die Routine,<br />

so sagte uns einmal ein<br />

Psychologe bei einer<br />

Fortbildung,<br />

ist am<br />

gefährlichsten.<br />

Das<br />

muss<br />

man so<br />

stehen<br />

lassen.<br />

Aber etwas<br />

davon stimmt<br />

sicherlich.<br />

„Da, da vorn“,<br />

rief Fred aufgeregt.<br />

Wr deutete<br />

auf eine im müden<br />

Scheinwerferlicht des<br />

Opels – LED-Licht war<br />

noch nicht erfunden – vor<br />

uns dahintrabende Person<br />

im Parka. Die Kapuze über<br />

den Kopf gezogen.<br />

Gründlich durchsucht<br />

Ich blieb unmittelbar hinter<br />

der Person stehen und<br />

schaltete das Fernlicht ein,<br />

damit wir besser sehen<br />

konnten. Fred öffnete bereits<br />

im Heranfahren die Autotür,<br />

sprang, sobald der Wagen<br />

stand, aus dem Rekord und<br />

sprach die Person von hinten<br />

an.<br />

Diese hob sofort die Hände,<br />

das war damals einfach so.<br />

Fred ließ die Person die Hände<br />

auf das Autodach legen<br />

und begann, wie er es in der<br />

Polizeischule gelernt hatte,<br />

mit der Durchsuchung.<br />

Die Person wagte sich offensichtlich<br />

nicht zu bewegen.<br />

Ich hatte vorher den Ausweis<br />

bekommen und begann<br />

akribisch, den Namen an die<br />

Zentrale durchzugeben. Diese<br />

fragte nach, ob dies richtig<br />

sei. Ich schaute nochmal auf<br />

den im Ausweis abgedruckten<br />

Vornamen und deutete<br />

den durchsuchenden Fred<br />

an, dass er gerade eine Frau<br />

sehr intensiv durchsucht<br />

hatte.<br />

Ab zum Bahnhof<br />

Auch diese Nacht ging vorüber<br />

und wir freuten uns auf<br />

den Ausflug, den wir<br />

unmittelbar<br />

nach<br />

d e m<br />

Nachtdienst<br />

starteten.<br />

Etwas übernächtigt packten<br />

wir unsere Sachen zusammen<br />

und gingen zum<br />

nahegelegen Bahnhof.<br />

Doch wo war Fred? Der<br />

war natürlich wieder<br />

nicht schnell genug, er<br />

hechelte uns mit seiner<br />

Allerwelts-Sporttasche<br />

hinterher.<br />

Endlich waren wir am Bahnsteig<br />

versammelt und es<br />

konnte losgehen. Wir stiegen<br />

in den bereits am Bahnsteig<br />

stehenden Zug, alle etwas<br />

abgespannt und müde.<br />

Mit Grenzkontrolle<br />

Am Münchener Hauptbahnhof<br />

mussten wir umsteigen<br />

und dann ging es Richtung<br />

österreichische Grenze. Es<br />

gab noch Zeiten, da hatte<br />

man in Europa Grenzen mit<br />

Grenzpolizisten, die kontrollierten.<br />

Wir hatten noch rund<br />

zehn Kilometer zur Grenze<br />

und somit zur österreichischen<br />

Grenzkontrolle.<br />

Fred wälzte und räkelte sich<br />

und stieß plötzlich einen…<br />

ja, einen Verzweiflungsschrei<br />

aus. Alle sahen ihn an. Er<br />

nestelte an seiner rechten<br />

Hüfte herum.<br />

„Was ist los, Fred?“, fragte<br />

ich. Hoffentlich keinen Hexenschuß<br />

oder ähnliches.<br />

Nein! Er hatte – wie könnte<br />

es auch anders sein – vergessen,<br />

seine Dienstwaffe<br />

auf der Dienststelle in<br />

den Tresor zu geben.<br />

Jetzt hieß es: handeln. „Zerleg‘<br />

die Waffe“, meinte ich<br />

zu ihm. Letztendlich hatte<br />

am Ende der Aktion jeder<br />

von uns ein Teil der Waffe in<br />

seinen Taschen. Die Kontrolle<br />

verlief sehr kommod – die<br />

österreichischen Kollegen<br />

waren zwar sehr genau, aber<br />

eben nur bei den Ausweisen.<br />

Bei der Ankunft am Achensee<br />

wurde Fred zu einer<br />

Runde Weißbier verdonnert.<br />

Da sieht man‘s mal wieder:<br />

Hektik hat noch nie etwas<br />

gebracht. Franz Niebauer<br />

Bild: Siegfried Fries, pixelio.de

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