Restaurator im Handwerk – Ausgabe 4/2011 - Kramp & Kramp
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ainer W. leOnHardt<br />
� In der von Karl Friedrich Schinkel 1815 vorgelegten<br />
Denkschrift „Erhaltung aller Denkmäler und Architekturen<br />
unseres Landes“ finden sich die Worte „… durch<br />
ein eingebildeten augenblicklichen Vorteil auf den Untergang<br />
manches herrlichen Werkes hinarbeiten“.<br />
Nach diesem eingebildeten augenblicklichen Vorteil<br />
wird offensichtlich heute noch von vielen Kommunalpolitikern<br />
gehandelt, wie gerade jetzt wieder einmal <strong>im</strong><br />
thüringischen Altenburg zu beobachten ist. In einen<br />
komplett erhaltenem Marktplatz mit Häusern aus Gotik<br />
und Renaissance über Barock bis hin zu Klassizismus<br />
und Gründerzeit soll eine Lücke gerissen werden, um<br />
einen Supermarkt und diverse Wohnungen zu errichten.<br />
Es geht vor allem um vier Gebäude der Marktbebauung<br />
aus dem 19. Jahrhundert, aber auch um ein unter Denkmalschutz<br />
stehendes barockes Wohnhaus aus dem 18.<br />
Jahrhundert.<br />
Seit ca. 2 Jahren schlagen die Wellen hoch, alle großen<br />
überregionalen Zeitungen von der "Zeit" bis zur<br />
"Welt" haben über den Fall berichtet. Argumente wurden<br />
ausgetauscht, von den Befürwortern des Erhalts der<br />
alten Gebäude kamen die bekannten, <strong>im</strong>mer wieder in<br />
solchen Situationen vorgebrachten: Bewahrung des Alten,<br />
des Schönen, Erhalt der harmonischen Struktur,<br />
Zeugnisse der Geschichte usw., alles idealistische „weiche“<br />
Argumente. Gibt es in solchen Fällen nicht auch<br />
ökonomisch „harte“ Argumente?<br />
Der neu zu errichtende Supermarkt wird mittels Betonfertigteilen,<br />
hergestellt in einem Lohnniedrigland,<br />
von einem Generalunternehmer in kurzer Zeit zusammengeklebt.<br />
Nebenbei sei bemerkt, dass Neubauten heute<br />
auf eine Lebensdauer von 40 Jahren hingeplant werden,<br />
also auf einen Bruchteil der Lebensdauer hin, die<br />
die Gebäude, die dafür geopfert werden, längst hinter<br />
sich haben. Eventuell bekommt der eine oder andere lokale<br />
<strong>Handwerk</strong>smeister als Subunternehmer ein kleines<br />
Stück vom Kuchen ab, und das war es dann.<br />
Dass sich Geld in die Stadtkasse bringende Touristen<br />
jemals auf den Weg machen würden zur Besichtigung<br />
eines solchen Gebäudes, ist nur sehr schwer vorstellbar.<br />
Ganz anders die langfristigen Auswirkung bei einer<br />
Restaurierung der Gebäude, zumal in Altenburg ein Investor<br />
dafür bereit stand.<br />
Kolumne<br />
Denkmalpfleger und Kommunalpolitiker: Verbündete oder Gegner ?<br />
Anzeige<br />
Denkmalpflegerische Maßnahmen schaffen Arbeitsplätze<br />
mit einem Personaleinsatz von bis zu 90% und einen<br />
dementsprechend geringen Materialeinsatz <strong>im</strong> Gegensatz<br />
zum Neubau, wo sich das Verhältnis umkehrt.<br />
Die Arbeit für Maßnahmen der Denkmalpflege werden<br />
in der Regel in der Region vergeben, bei Neubaumaßnahmen<br />
kommen stattdessen oftmals Großbetriebe<br />
zum Zug, die in der Region nicht behe<strong>im</strong>atet sind und<br />
ihre Bauteile und Materialien aus weit entfernten Gebieten<br />
heranfahren lassen.<br />
Arbeiten an Denkmälern verlangen spezialisiertes<br />
Personal und keine angelernten Bauhelfer.<br />
In eine gut erhaltene Altstadt kommen umso mehr<br />
Touristen, um dort ihr Geld auszugeben.<br />
Das Vorhandensein von interessanten qualifizierten<br />
Arbeitsplätzen bringt nicht nur Steuereinnahmen, sondern<br />
reduziert vor allem in Kleinstädten die Abwanderung<br />
der jungen Generation und führt zu einer Identifikation<br />
der Bevölkerung mit ihrer Stadt /ihrem Dorf und<br />
ihrer gebauten Umwelt.<br />
Restaurierung von alten Gebäudesubstanzen ist<br />
nachhaltiges Bauen schlechthin, schont Ressourcen und<br />
vermindert den Abfall.<br />
Ich möchte hier mit diesen Argumenten nicht einem<br />
modernistischen Zeitgeist das Wort reden, für den nur<br />
noch ökonomische Vorteile zählen. Diese bestanden bei<br />
einer Restaurierung schon <strong>im</strong>mer, nur sind sie in derartigen<br />
Auseinandersetzungen wie bei unserem Beispiel<br />
auch stets so deutlich benannt worden? Ein Bürgermeister,<br />
der einen solchen Frevel wie in Altenburg vorantreibt,<br />
wird nicht von den Besitzern der Betonfertigteilefabrik<br />
in Slowenien gewählt und auch nicht von den Aktionären<br />
der ausführenden Baufirma, seine Wähler sind die<br />
Besitzer und Mitarbeiter der <strong>Handwerk</strong>sbetriebe vor<br />
Ort, die Eltern der Jugendlichen, die in diesen Betrieben<br />
eine Ausbildung absolvieren, die Gastronomen und ihre<br />
Mitarbeiter, die die Touristen beherbergen und betreuen.<br />
Eigentlich müssten also aufgrund des Nutzens be<strong>im</strong><br />
Erhalt alle Kommunalpolitiker Verbündete der Denkmalpflege<br />
sein. Wenn sie es nicht sind, sollten sie von<br />
ihren Wählern auf diese Zusammenhänge hingewiesen<br />
werden ± auch in Altenburg! �<br />
<strong>Restaurator</strong> <strong>im</strong> <strong>Handwerk</strong> <strong>–</strong> <strong>Ausgabe</strong> 4/<strong>2011</strong> 61