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BUCH<br />
NACHGEFRAGT<br />
DR. STEFAN<br />
HEISSENBERGER<br />
„Ihr spielt wie Mädchen!“<br />
Der Kultur- und Sozialanthropologe<br />
veröffentlichte vor<br />
kurzem sein Buch „Schwuler* Fußball<br />
– Ethnografie einer Freizeitmannschaft“.<br />
Wir chatteten mit dem Autor<br />
und Fußballer. *rä<br />
Das Klischee: Schwule spielen nicht<br />
Fußball.<br />
Richtig. Wie hoch jedoch der Anteil von<br />
Schwulen im Fußball ist, darüber gibt es<br />
keine verlässlichen Zahlen. Es wäre zu<br />
kurz gedacht, wenn man die Anzahl der<br />
Schwulen an der männlichen Gesamtbevölkerung<br />
einfach auf den Männer-<br />
Fußball umlegen würde. Was es jedoch<br />
auch gibt, sind schwule Fußballteams<br />
bzw. Sportvereine. Die Ersten davon sind<br />
in Deutschland in den 1980er-Jahren<br />
entstanden. Bei der Gründung gab es<br />
zwei Hauptmotive: 1. Einen sicheren und<br />
offenen Raum für jene zu schaffen, die<br />
im „Heten“-Sport (strukturell) ausgegrenzt<br />
wurden. 2. Zeigen, dass Schwule<br />
auch kicken können. Interessanterweise<br />
hatten schwule Fußballteams zuerst mit<br />
Gegenwind aus der eigenen Community<br />
zu kämpfen. „Warum macht ihr diesen<br />
Heten- und Machosport?“, war immer<br />
wieder vorwurfsvoll zu hören.<br />
Wie kamst du zum Sport?<br />
Ich komme aus einer sogenannten<br />
Fußballerfamilie. Väterlicherseits hat ein<br />
Großteil der männlichen Familienmitglieder<br />
selbst Fußball gespielt und/oder war<br />
Trainer. So auch ich. Im Studium besuchte<br />
ich ein Seminar zum Thema Männlichkeiten<br />
und musste dort ein Referat über<br />
Polo, Tango und Fußball in Argentinien<br />
halten. Hier wurde mein wissenschaftlichreflektiertes<br />
Interesse am Sport geweckt.<br />
Hattest du beim Sport auch homophobe<br />
Erlebnisse? Beim Schulsport<br />
etwa?<br />
Die Frage impliziert, dass ich selbst<br />
schwul sei, weil ich über schwule Fußballer<br />
forsche. Das passiert mir immer und<br />
lasse ich in der Regel auch so stehen,<br />
weil ich keine Notwendigkeit sehe, mich<br />
davon abzugrenzen. Unverhofft hat es mir<br />
sogar manchmal interessante Einblicke<br />
gegeben, wie es ist, als Schwuler wahrgenommen<br />
zu werden. Ganz abgesehen<br />
davon meinten die Fußballer von Vorspiel<br />
Berlin, jenem Team, dass ich beforscht<br />
habe, dass ich sowieso der Schwulste von<br />
ihnen wäre. Aber zurück zu deiner Frage:<br />
Das, was ich erlebt habe, war eine zutiefst<br />
homophobe und sexistische Sprache, die<br />
sich im „schwulen Pass“ oder „ihr spielt<br />
wie Mädchen“ ausgedrückt hat. So bin<br />
ich sozialisiert worden. Ich habe das bis<br />
ins frühe Erwachsenenalter in der Regel<br />
jedoch nicht als problematisch betrachtet.<br />
Erst durch eine feministische und<br />
lesbische Freundin und die Beschäftigung<br />
mit Geschlecht an der Uni habe ich das<br />
immer mehr infrage gestellt. Was man<br />
jedoch festhalten muss und sich auch<br />
in meiner Forschung gezeigt hat: Der<br />
Männer-Fußball ist offener geworden.<br />
Dank des Engagements von NGOs und<br />
des Einsatzes von progressiven Einzelpersonen<br />
in Verbänden sowie einer liberaler<br />
gewordenen Gesamtgesellschaft ist es<br />
heute einfacher, schwul in einem Hetero-<br />
Verein zu sein. Was jedoch nicht heißt,