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Die Orgel<br />
Domkapellmeister Mart<strong>in</strong> Dücker<br />
Der Weg zum Bau e<strong>in</strong>er Chororgel<br />
<strong>in</strong> der Domkirche St. Eberhard zu<br />
Stuttgart<br />
Im Jahr 1955 wurde die im 2. Weltkrieg völlig zerstörte<br />
Eberhardskirche, entgegen allen Ratschlägen,<br />
wieder <strong>in</strong> ihrer alten Form aufgebaut.<br />
Die erste, 1811 erbaute Eberhardskirche war ursprünglich<br />
e<strong>in</strong>e evangelische Kirche, genauer<br />
die Kirche des württembergischen Königs auf<br />
se<strong>in</strong>em Schloß Solitude, die dieser den Katholiken<br />
schenkte. Sie zeichnete sich durch die <strong>für</strong><br />
evangelische Kirchen so typischen Seitenemporen<br />
aus. Auch die zweite Eberhardskirche bekam<br />
wieder e<strong>in</strong>e „klassische“ Musikempore<br />
und zwei über die gesamte Länge des Hauptschiffs<br />
geführte, tief gestaffelte Seitenemporen.<br />
Beim Umbau der Domkirche 1991, richtet<br />
man auf der rechten Seitenempore e<strong>in</strong>en großzügigen<br />
Platz <strong>für</strong> Chor und Orchester e<strong>in</strong>. Diese<br />
Umbaumaßnahme wurde nur durch den<br />
retrospektiven Wiederaufbau der Eberhardskirche<br />
möglich. Heute bieten diese Seitenemporen<br />
ungeahnte Musiziermöglichkeiten und<br />
schon oft hat die Dommusik zwei-, drei- und<br />
auch vierchörig von dort aus gesungen. Nicht<br />
zu unterschätzender Nebeneffekt ist dabei,<br />
daß sich die Chöre als Teil der Gottesdienst<br />
feiernden Geme<strong>in</strong>de empf<strong>in</strong>den können und<br />
auch so wahrgenommen werden. H<strong>in</strong>zu kommt<br />
e<strong>in</strong> wichtiger akustischer Vorteil: die Seitenemporen<br />
haben <strong>für</strong> die Vocalmusik e<strong>in</strong>e günstigere<br />
Klangabstrahlung als die Orgelempore. So war<br />
es nur konsequent, die Idee e<strong>in</strong>er Chororgel<br />
zu formulieren, e<strong>in</strong> schlüssiges Konzept zu<br />
kreieren.<br />
Die Wünsche an das klangliche Profil der<br />
Chororgel waren schnell umrissen. Sie sollte<br />
perfekte Begleitung der Chorgruppen der Dommusik<br />
St. Eberhard ermöglichen: von den zarten<br />
K<strong>in</strong>derstimmen der Anfänger<strong>in</strong>nen bis zum<br />
kraftvollen Klang des Kammerchors der Mädchenkantorei,<br />
vom Klang der Schola Gregoriana<br />
bis zur großen romantischen Orgelmesse des<br />
Domchors, aber auch die Begleitung von Solisten,<br />
das Generalbaßspiel, die E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong>in</strong><br />
den Orchestersatz des „Salzburger Kirchentrios“<br />
bis h<strong>in</strong> zur Bruckner Messe sollte gel<strong>in</strong>gen.<br />
Selbstverständlich sollte auch die Begleitung<br />
der Geme<strong>in</strong>de möglich se<strong>in</strong>. Aber auch<br />
das Spiel auf zwei Orgeln erhält aufgrund der<br />
günstigen akustischenVerhältnisse perfekte<br />
Aufführungsbed<strong>in</strong>gungen h<strong>in</strong>zu!<br />
Mit nur 10 Registern <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em überraschend<br />
großrahmigen Klanggestus, begegnet sie der<br />
Hauptorgel (III/P 57, Albiez 1982) auf Augenhöhe.<br />
Dieser Effekt wird unterstützt durch die geschickte<br />
aber auch praxisgerechte Positionierung<br />
der Chororgel vor der Emporenecke, wo<br />
Wandnähe und Deckenhöhe e<strong>in</strong>e besonders<br />
günstige Schallreflexion erzeugen.<br />
Das Repertoire der labialen Klangfarben bezieht<br />
sich auf die deutsche Orgeltradition des<br />
frühen 19.Jahrhunderts mit den epochalen<br />
Klangideen des genialen Ludwigsburger Orgelbauers<br />
Eberhard Friedrich Walcker (1794–<br />
1872), dessen Orgeln von Schramberg (1844)<br />
und Neuhausen a.d. Fildern (1854) Pate standen.<br />
Die e<strong>in</strong>zige Zungenstimme folgt h<strong>in</strong>gegen<br />
der wunderbaren “Trompette 8´ “ des Pariser<br />
Orgelbau-Großmeisters Aristide Cavaillé–Coll<br />
(1811–1899) <strong>in</strong> der Chororgel von Trouville<br />
(1894).<br />
Was aber ist nun das “Neue” an der Stuttgarter<br />
Chororgel aus dem Jahre 2006? Es ist das<br />
“Arrangement”, die Zusammenstellung mischfähiger<br />
Klänge <strong>für</strong> die vielschichtigen Begleitaufgaben,<br />
<strong>für</strong> das Solospiel und <strong>für</strong> den Dialog<br />
mit der Hauptorgel. Sie stellen Zeichnungsfähigkeit,<br />
Tiefenschärfe, Klarheit, Fülle, Kraft, Milde,<br />
konsonantische Artikulation, vocale Tragfähigkeit<br />
und “Klangpoesie” <strong>in</strong> hundertfältigen<br />
Valeurs mit nahezu bruchlosen Übergängen zur<br />
Verfügung, “Arrangements”, die es so nur <strong>in</strong><br />
Stuttgart zu hören gibt.<br />
Die beiden Manualwerke bilden zusammen<br />
e<strong>in</strong> “normales” romantisches Hauptwerk. Dem<br />
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