»feine adressen – finest« – Stuttgart 2 18
Interview: Willi Weber · Sport: Porsche Tennis Grand Prix · Travel: Highlight · Culture: Marc Chagall, Bilbao
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Uwe Bogen schreibt…<br />
Kumm,<br />
!<br />
geh marfort<br />
Kolumne des <strong>Stuttgart</strong>er Journalisten und Buchautors Uwe Bogen<br />
über Schwaben und Badener<br />
Wir können alles. Außer sterben.<br />
Nein, ganz soweit ist’s<br />
noch nicht in Baden-Württemberg,<br />
aus dem der bekannteste und erfolgreichste<br />
Slogan aller Bundesländer<br />
stammt. Dort, wo man alles außer<br />
Hochdeutsch kann, leben aber laut<br />
Statistik die Menschen zwölf Monate<br />
länger als im Rest der Republik. Die<br />
Landeswerber sind stolz wie Bolle.<br />
Auf der Webseite www.bw-jetzt.de<br />
unterbreiten sie Vorschläge, was man<br />
mit dem zusätzlich geschenkten Jahr<br />
anstellen kann. Man könnte »eine<br />
Affäre beginnen oder beenden«, ist zu<br />
lesen. Oder 365 Feierabendbiere mehr<br />
trinken. Oder einen Jahreswagen mehr<br />
fahren. Ist dies nicht zum Totlachen,<br />
wie lustig man im Land des Spätersterbens<br />
ist?<br />
Doch woran liegt es, dass die Württemberger<br />
und Badener länger das<br />
Zeitliche auskosten und es erst später<br />
segnen? Am Trollinger? Am badischen<br />
Wein? Liegt es an der hohen Zahl der<br />
Sonnenstunden am Oberrhein, an den<br />
Oasen am Bodensee und der guten<br />
Luft im Schwarzwald? An den meisten<br />
Sternerestaurants von Deutschland<br />
und dem Ehrgeiz der Bewohner beim<br />
Tüfteln und Erfinden? Mobilisiert die<br />
Rivalität der Schwaben und Badener<br />
gar noch weitere Kräfte und stachelt<br />
zum gegenseitigen Übertrumpfen an?<br />
Schwaben versus Badener. Mit meinem<br />
Kollegen Matthias Kehle, der<br />
in Karlsruhe als freier Autor lebt und<br />
viele Jahre Landesvorsitzender des<br />
Verbandes deutscher Schriftsteller in<br />
Baden-Württemberg war, nehme ich<br />
© Foto: A. Engelhard, engelhard photography © Foto: Elisa Reznieck<br />
für ein neues Buch<br />
die Streitfälle, Einmaligkeiten<br />
und<br />
Kuriositäten unseres<br />
Bindestrich-<br />
Landes unter die<br />
Lupe. Der Silberburg-Verlag<br />
hat<br />
uns engagiert. Der Auftrag lautet: Ein<br />
Schwabe und ein Badener schreiben<br />
aus ihrer Sicht auf, was bei uns typisch<br />
und anders ist.<br />
Im Herbst er-scheint unser Buch<br />
»Einmalig Baden-<br />
Württemberg«, für<br />
das der Matthias,<br />
der Karlsruher, und<br />
ich, der <strong>Stuttgart</strong>er,<br />
eifrig E-Mails hin<br />
und her schicken.<br />
»Kannst du im Kapitel über Bosch ein<br />
wenig Schwabenpatriotismus rausnehmen?«,<br />
fragt der Matthias. Aber<br />
klar doch, antworte ich, »wenn du<br />
die badische Lobhudelei beim Thema<br />
Wein und Genuss zurechtstutzt«.<br />
<strong>Stuttgart</strong> ist Landeshauptstadt, <strong>Stuttgart</strong><br />
ist Regierungssitz. Logisch, damit tut<br />
man sich schwer in Karlsruhe. Doch<br />
beim Doppelnamen wird erst Baden<br />
und dann erst Württemberg genannt.<br />
Etwa elf Millionen Menschen leben<br />
nicht in Württemberg-Baden, sondern<br />
in Baden-Württemberg. Uns Württemberger<br />
bleibt nur die zweite Stelle.<br />
Heulen wir deshalb?<br />
Wenn ich den Matthias ärgern will,<br />
sage ich »Badenser« zu ihm. Kein<br />
Mensch, schreibt er mir zurück, sage<br />
»Heilbronser« zu den Heilbronnern.<br />
Außerhalb von Baden-Württemberg<br />
wird wenig unterschieden,<br />
manchmal gar nicht. Als der Kolumnist<br />
Jan Fleischhauer in »Spiegel<br />
online« schrieb, Bundestagspräsident<br />
Wolfgang Schäuble sei ein Schwabe,<br />
bekam er so viele Protestmails wie<br />
nie zuvor. Der CDU-Politiker ist in<br />
Freiburg geboren. Fleischhauer versuchte<br />
seinen Kopf mit dem Argument<br />
zu retten, dass außerhalb von<br />
Baden-Württemberg alle, die dort<br />
leben, als Schwaben gelten, so wie für<br />
die Bayern alle Norddeutschen Preußen<br />
sind.<br />
Der Matthias und ich verstehen uns<br />
überaschend gut. Unser Buch, sagt<br />
der Silberburg-Verlag, wird beweisen,<br />
dass die einzige Verbindung von<br />
Badener und Schwaben schon lange<br />
nicht mehr der Trennstrich im Landesnamen<br />
Baden-Württemberg ist.<br />
Ganz aufs Streiten und Spotten verzichten<br />
wir trotzdem nicht. Streit ist<br />
immer auch Ansporn. Und es gibt ja<br />
so schöne schwäbische Schimpfworte!<br />
»Wie hemmers denn? Bisch du no ganz<br />
bache? Pass uff, oder ich hau di og’spitzt<br />
in de Boda! Des isch a granatamäßige<br />
Unverschämtheit! Heilandsagg!« Und<br />
der Badener gibt kurz und knackig<br />
zurück: »Kumm, geh mer fort.«