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Wunden<br />

der<br />

Kindheit<br />

heilen<br />

—<br />

INTERVIEW MIT<br />

STEFANIE STAHL<br />

enn es in zwischenmenschlichen Beziehungen knirscht,<br />

W ist oft das innere Kind beteiligt. Jeder Mensch<br />

bringt Prägungen aus der Kindheit mit – manche mehr,<br />

manche weniger. Psychotherapeutin und Bestsellerautorin<br />

Stefanie Stahl hat eine sehr einfache Methode entwickelt,<br />

mit der jeder schnell erkennt, wann wieder das innere Kind<br />

am Werk ist und man unangemessen reagiert. Das hilft<br />

nicht nur, das eigene Leben glücklicher und leichter zu gestalten,<br />

sondern es trägt zur Heilung der Gesellschaft bei.<br />

was verstehen sie unter dem inneren kind? //<br />

Das innere Kind ist in der Psychologie ein feststehender<br />

Begriff für alle Kindheitsprägungen, die tiefe Spuren in<br />

uns hinterlassen. Diesen Persönlichkeitsanteil nehmen wir<br />

ins Erwachsenenalter mit. Beim inneren Kind unterscheide<br />

ich das Schattenkind, das für die negativen Prägungen<br />

steht, in denen wir Problematisches in der Kindheit mitbekommen<br />

haben, und das Sonnenkind für positive Prägungen<br />

und unser Zielbild, das wir uns als Erwachsener<br />

mit neuen Einstellungen und neuen Haltungen zurechtlegen<br />

können.<br />

woran erkennt man als<br />

erwachsener, dass das<br />

innere kind am werk ist? //<br />

Das innere Kind ist an fast allen<br />

Problemen beteiligt, die wir haben,<br />

seien es Beziehungsprobleme,<br />

Ängste, Depressionen, Versagensängste,<br />

Angst vor Ablehnung,<br />

alles, womit man sich<br />

herumquält. Ausgenommen davon<br />

sind reine Schicksalsschläge<br />

wie Verlust eines lieben Menschen,<br />

Flucht, Vertreibung oder<br />

eine schwere Krankheit. Es müssen<br />

nicht immer gleich Probleme<br />

sein, um sich in Psychotherapie<br />

zu begeben. Auch die vielen<br />

kleinen Schwierigkeiten im Alltag<br />

gehören dazu wie Schlafprobleme,<br />

Ängstlichkeit oder Konflikte<br />

in der Partnerschaft. Wir<br />

haben alle unsere Prägungen aus<br />

der Kindheit. Es gibt keine perfekte<br />

Kindheit. Manche haben<br />

mehr mit ihrem Schattenkind zu<br />

kämpfen, manche weniger.<br />

Foto: iStock<br />

können sie ein beispiel<br />

nennen? //<br />

In meinem Buch gibt es das Paar<br />

Michael und Sabine, die immer<br />

wieder so heftige Auseinandersetzungen<br />

haben, dass sie schon<br />

daran dachten, sich zu trennen.<br />

Wenn Sabine vergisst, Michaels<br />

Lieblingswurst vom Einkauf mitzubringen,<br />

flippt Michael richtig<br />

aus. Angesichts seiner Erwachsenenposition<br />

ist das Quatsch,<br />

aber das innere Programm, sein<br />

Glaubenssatz »Ich bin nicht wichtig«<br />

wird aktiviert. Seine Mutter<br />

hatte drei Kinder, war selbstständig<br />

mit einer Bäckerei und konnte<br />

nicht immer auf seine Wünsche<br />

eingehen. Deswegen hat er<br />

als kleines Kind nicht gedacht,<br />

»Die Mama ist überfordert und<br />

muss mal in eine Kur«, sondern<br />

»Ich bin der Mama nicht wichtig«<br />

oder »Ich falle ihr zur Last«.<br />

Dieses innere Programm, also<br />

sein Schattenkind, ruht immer<br />

noch in ihm. Wenn es einen äußeren<br />

Auslöser gibt und sei es<br />

nur, dass Sabine die Wurst vergisst,<br />

dann taucht es auf und<br />

fühlt sich zutiefst gekränkt, weil<br />

das Schattenkind in ihm wieder<br />

das Gefühl hat, »Ich bin nicht<br />

wichtig«. Wenn er aus diesem<br />

Programm aussteigen will, muss<br />

er die Gesamtzusammenhänge<br />

verstehen. Sein Bewusstsein setzt<br />

erst bei seiner Wut ein. Dass er diese Glaubenssätze in<br />

sich trägt, dass das mit seiner Mutter zu tun hat, dass er eigentlich<br />

immer noch davon gekränkt ist, dringt gar nicht<br />

so sehr in sein Bewusstsein.<br />

wie lassen sich hinderliche<br />

glaubenssätze finden? //<br />

Eine Übung ist, das Schattenkind als Schablone auf<strong>zum</strong>alen,<br />

links und rechts daneben Mama und Papa zu schreiben<br />

und stichwortartig zu notieren, wie Mama und Papa<br />

drauf waren. Wenn wir dann in uns hineinfühlen, kommen<br />

wir schnell darauf, welche tiefen, inneren Glaubenssätze<br />

in uns entstanden sind. Eine Hilfestellung kann auch eine<br />

Liste von Glaubenssätzen geben. Das ist das Wichtigste,<br />

um zu erkennen, durch welche Brille ich die Welt sehe.<br />

Die Glaubenssätze sind die Programmiersprache des<br />

Selbstwertgefühls. Das Selbstwertgefühl an sich ist ja etwas<br />

Abstraktes. Der Glaubenssatz »Ich genüge nicht« sagt<br />

hingegen konkret etwas über mein Selbstwertgefühl aus.<br />

Wenn wir im Schattenkind verhaftet sind, fühlen wir uns<br />

meistens in irgendeiner Form minderwertig.<br />

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