Der Kanton Wallis Struktur und Perspektiven - RW Oberwallis
Der Kanton Wallis Struktur und Perspektiven - RW Oberwallis
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Swiss Issues Regionen<br />
<strong>Der</strong> <strong>Kanton</strong> <strong>Wallis</strong><br />
<strong>Struktur</strong> <strong>und</strong> <strong>Perspektiven</strong><br />
Oktober 2009<br />
Economic Research
Impressum<br />
Herausgeber<br />
Credit Suisse Economic Research<br />
Uetlibergstrasse 231, CH-8070 Zürich<br />
Kontakt<br />
regionen.economicresearch@credit-suisse.com<br />
Telefon +41 (0)44 334 74 19<br />
Autoren<br />
Dr. Sara Carnazzi Weber, Telefon +41 (0)44 333 58 82<br />
sara.carnazzi@credit-suisse.com<br />
Nicole Brändle (Industry Analysis)<br />
Frédéric Junod (Industry Analysis)<br />
Dr. Christian Kraft (Real Estate Analysis)<br />
Damian Künzi (Industry Analysis)<br />
Raphael Schönbächler (Regional Analysis)<br />
Nora Sydow (Regional Analysis)<br />
Titelbild<br />
Kultur- <strong>und</strong> Kongresszentrum La Poste, Visp<br />
Bild: Thomas Andenmatten, Brig<br />
Redaktionsschluss<br />
5. Oktober 2009<br />
Bestellungen<br />
regionen.economicresearch@credit-suisse.com<br />
Telefon +41 (0)44 334 74 19<br />
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www.credit-suisse.com/research<br />
Disclaimer<br />
Dieses Dokument wurde vom Economic Research der Credit Suisse hergestellt <strong>und</strong><br />
ist nicht das Ergebnis einer/unserer Finanzanalyse. Daher finden die "Richtlinien zur<br />
Sicherstellung der Unabhängigkeit der Finanzanalyse" der Schweizerischen Bankiervereinigung<br />
auf vorliegendes Dokument keine Anwendung.<br />
Diese Publikation dient nur zu Informationszwecken. Die darin vertretenen Ansichten<br />
sind diejenigen des Economic Research der Credit Suisse zum Zeitpunkt der Drucklegung<br />
(Änderungen bleiben vorbehalten).<br />
Die Publikation darf mit Quellenangabe zitiert werden.<br />
Copyright © 2009 Credit Suisse Group AG <strong>und</strong>/oder mit ihr verb<strong>und</strong>ene Unternehmen.<br />
Alle Rechte vorbehalten.<br />
Economic Research<br />
Swiss Issues Regionen
Inhalt<br />
Economic Research<br />
Zusammenfassung 4<br />
1 Regionaler Kontext 6<br />
2 Konjunktur 9<br />
2.1 Regionale Konjunktur 10<br />
3 Standortqualität 13<br />
3.1 Standortqualität der Schweizer <strong>Kanton</strong>e 13<br />
3.2 Standortqualität im regionalen Vergleich 14<br />
3.3 Verkehrstechnische Erreichbarkeit 17<br />
3.4 Frei verfügbares Einkommen als Parameter der<br />
finanziellen Wohnattraktivität 21<br />
4 Bevölkerung <strong>und</strong> Einkommen 25<br />
4.1 Bevölkerungsentwicklung 25<br />
4.2 Altersstruktur <strong>und</strong> Kohortenwachstum 27<br />
4.3 Migrationsbewegungen 28<br />
4.4 Einkommen 30<br />
5 Branchenstruktur <strong>und</strong> Wertschöpfung 33<br />
5.1 Branchenstruktur <strong>und</strong> -spezialisierung 33<br />
5.2 Wandel der Wirtschaftsstruktur 38<br />
5.3 Branchenbewertung 40<br />
5.4 Wachstumspotential der Wertschöpfung 47<br />
6 Bauwirtschaft <strong>und</strong> Immobilienmarkt 51<br />
6.1 Regionale Bauwirtschaft 51<br />
6.2 Regionale Immobilienmärkte im <strong>Wallis</strong> 54<br />
Swiss Issues Regionen 3
Zusammenfassung<br />
Economic Research<br />
Die geographischen <strong>und</strong> topographischen Rahmenbedingungen stellen keine günstige Ausgangslage<br />
für den <strong>Kanton</strong> <strong>Wallis</strong> dar. Die sich über den ganzen <strong>Kanton</strong> ziehenden Alpen<br />
schränken die Entwicklungsmöglichkeiten zahlreicher Gebiete ein <strong>und</strong> führen zu einer Konzentration<br />
der wirtschaftlichen Aktivität auf dem Talboden. Gleichzeitig bildet die naturräumliche<br />
Ausstattung des <strong>Kanton</strong>s mit der grandiosen Berglandschaft die Gr<strong>und</strong>lage für die führende<br />
Stellung zahlreicher <strong>Wallis</strong>er Destinationen im nationalen <strong>und</strong> internationalen Tourismus.<br />
<strong>Der</strong> Gegensatz zwischen Tal- <strong>und</strong> Berggemeinden, gut erschlossenen <strong>und</strong> peripheren Lagen<br />
zeigt sich in den meisten demographischen <strong>und</strong> wirtschaftlichen Indikatoren <strong>und</strong> bestätigt das<br />
Bild eines <strong>Kanton</strong>s mit zwei Geschwindigkeiten. Die Nähe <strong>und</strong> gute Anbindung zum Metropolitanraum<br />
Genf-Lausanne verschaffen insbesondere den Unterwalliser Regionen Monthey/St.<br />
Maurice <strong>und</strong> Martigny eine bessere Ausgangslage, um von der Dynamik dieses Ballungsgebiets<br />
zu profitieren. <strong>Der</strong> Trend zur fortschreitenden Periurbanisierung <strong>und</strong> der zunehmende Siedlungsdruck<br />
in Form von hohen Immobilienpreisen <strong>und</strong> Verkehrsüberlastung im Genferseeraum<br />
lösen gewisse Ausweichbewegungen aus. Nach der Region Aigle profitieren mittlerweile auch<br />
die Unterwalliser Standorte von dieser Entwicklung, was sich in diesen Gebieten in einem überdurchschnittlich<br />
starken Bevölkerungswachstum bemerkbar macht, das, wenn auch in etwas<br />
geringerem Ausmass, bis zu den Regionen Sion <strong>und</strong> Sierre reicht. Das demographische Bild der<br />
<strong>Oberwallis</strong>er Gebiete ist hingegen durch Bevölkerungsstagnation oder sogar -rückgang geprägt.<br />
Die Unterwalliser Regionen positionieren sich auch hinsichtlich ihrer Standortqualität insgesamt<br />
besser als die <strong>Oberwallis</strong>er Gebiete. Einzige Ausnahme stellt die Region Brig dar, die von ihrer<br />
Funktion als Dienstleistungszentrum für das <strong>Oberwallis</strong> profitiert. Allen <strong>Wallis</strong>er Regionen gemeinsam<br />
ist allerdings eine unterdurchschnittliche Bewertung der Standortqualität. Prägend sind<br />
insbesondere tiefe Bewertungen bezüglich verkehrstechnischer Erreichbarkeit <strong>und</strong> Verfügbarkeit<br />
von gut- <strong>und</strong> hochqualifizierten Arbeitskräften, wobei diese Standortnachteile je nach geographisch-topographischer<br />
Ausgangslage der einzelnen Gebiete unterschiedlich stark ausfallen.<br />
Während zum Beispiel die Regionen Goms <strong>und</strong> Leuk besonders stark mit Braindrain zu kämpfen<br />
haben, liegen die Regionen Sion <strong>und</strong> Sierre bei der Verfügbarkeit von Hochqualifizierten im<br />
guten Schweizer Durchschnitt.<br />
Als weiterer Standortnachteil erweist sich für alle <strong>Wallis</strong>er Regionen die überdurchschnittlich hohe<br />
Steuerbelastung der natürlichen Personen. Die <strong>Wallis</strong>er Gemeinden können sich zwar dank<br />
erschwinglichen Immobilienpreisen <strong>und</strong> tiefen Krankenkassenprämien attraktiv positionieren,<br />
wenn man sich auf das frei verfügbare Einkommen der Haushalte als Parameter der finanziellen<br />
Wohnattraktivität abstützt. Die hohe Steuerlast für Privatpersonen schmälert jedoch einen potentiellen<br />
Trumpf im Standortwettbewerb. Gerade vor dem Hintergr<strong>und</strong> zahlreicher nicht beeinflussbarer<br />
Rahmenbedingungen <strong>und</strong> eines an Intensität zunehmenden Steuerwettbewerbs gewinnt<br />
eine aktive Steuerpolitik für den <strong>Kanton</strong> <strong>Wallis</strong> an Bedeutung, zumal finanzpolitischer<br />
Spielraum vorhanden ist. Bei den juristischen Personen hat der <strong>Kanton</strong> bereits Schritte unternommen<br />
<strong>und</strong> erreicht eine bessere Bewertung als im Schweizer Mittel.<br />
Prägende Merkmale der <strong>Wallis</strong>er Wirtschaftsstruktur sind Spezialisierungen in den Bereichen<br />
Tourismus, Bau <strong>und</strong> Energie, welche je nach Region eine unterschiedliche Relevanz haben. Bei<br />
einer detaillierten Betrachtung erkennt man aber auch weitere Schwerpunkte. Die Regionen<br />
Visp, Monthey/St. Maurice <strong>und</strong> Sierre weisen mit der chemisch-pharmazeutischen <strong>und</strong> der Metallindustrie<br />
eine lange industrielle Tradition auf. Die Region Sion stellt das administrative Zentrum<br />
des <strong>Kanton</strong>s dar <strong>und</strong> übernimmt mit einer starken Vertretung von Basis- <strong>und</strong> Zentrumsdienstleistungen<br />
die Funktion eines Dienstleistungspols für das Unterwallis. Im <strong>Oberwallis</strong><br />
kommt der Region Brig neben der Rolle als Verkehrsknotenpunkt diese Funktion zu. Die kantonale<br />
Wertschöpfung verteilt sich entsprechend den unterschiedlichen regionalen Wirtschaftsprofilen.<br />
Mit einem Wertschöpfungsanteil von r<strong>und</strong> 70% leistet das Unterwallis den Hauptbeitrag<br />
zur Wirtschaftsleistung des <strong>Kanton</strong>s.<br />
Die Beschäftigungsbilanz der letzten zehn Jahre fiel im <strong>Kanton</strong> <strong>Wallis</strong> eher schwach aus. Einzig<br />
die Regionen Monthey/St. Maurice <strong>und</strong> Martigny konnten Arbeitsplätze schaffen. <strong>Der</strong> Wandel<br />
Swiss Issues Regionen 4
Economic Research<br />
von der traditionellen hin zur wertschöpfungsintensiven Spitzenindustrie ist nur ansatzweise erkennbar,<br />
<strong>und</strong> der Industriesektor baute insgesamt Beschäftigung ab. Gleichwohl sind es vor allem<br />
die Branchen dieses Sektors, welche positive Impulse für die Wettbewerbsfähigkeit der<br />
<strong>Wallis</strong>er Branchenstruktur generieren. Dabei hebt sich insbesondere die chemischpharmazeutische<br />
Industrie ab, welche sowohl hinsichtlich Wertschöpfung als auch was die Exporttätigkeit<br />
betrifft eine wichtige Stütze der <strong>Wallis</strong>er Wirtschaft darstellt. Im tertiären Sektor<br />
bleibt der Beitrag der wertschöpfungsintensiven Dienstleistungen aufgr<strong>und</strong> der geringen Branchengrösse<br />
beschränkt, <strong>und</strong> die positive Beschäftigungsbilanz der letzten zehn Jahre wurde<br />
hauptsächlich durch neue Arbeitsplätze bei den administrativen <strong>und</strong> sozialen Diensten getragen.<br />
Die Aussichten in der Tourismusbranche, welche im weitesten Sinne r<strong>und</strong> ein Viertel der <strong>Wallis</strong>er<br />
Wertschöpfung ausmacht, sind im nationalen Vergleich hingegen positiv. Die Branche leidet<br />
zwar im Allgemeinen unter strukturellen Problemen, von erheblichen Überkapazitäten bis zum<br />
hohen Wettbewerbsdruck. Zahlreiche <strong>Wallis</strong>er Destinationen sind jedoch strategisch gut positioniert<br />
<strong>und</strong> verfügen dank der relativ hohen Schneesicherheit langfristig über einen wichtigen<br />
Standorttrumpf. Dank dem Lötschberg-Basistunnel haben sich zudem für die <strong>Wallis</strong>er Tourismuswirtschaft<br />
neue Marktpotentiale eröffnet.<br />
Swiss Issues Regionen 5
1 Regionaler Kontext<br />
Geographische <strong>und</strong><br />
topographische Rahmenbedingungen<br />
Abbildung 1<br />
<strong>Der</strong> <strong>Kanton</strong> <strong>Wallis</strong> im regionalen Kontext<br />
Gros-de-Vaud<br />
La Broye<br />
Glâne/Veveyse<br />
Lausanne<br />
La Sarine<br />
Bulle<br />
Aigle Aigle<br />
Monthey<br />
Monthey/St-Maurice<br />
La Gruyère<br />
Vevey/Lavaux<br />
Saanen/Obersimmental<br />
Vevey<br />
Pays d'Enhaut<br />
Montreux<br />
Saint-Gingolph<br />
Martigny<br />
Economic Research<br />
<strong>Der</strong> <strong>Kanton</strong> <strong>Wallis</strong> erstreckt sich über das Rhonetal mit seinen Seitentälern vom Rhonegletscher<br />
bis hin zum Genfersee (Abbildung 1). Er wird im Norden von den Berner <strong>und</strong> Waadtländer Alpen<br />
begrenzt, im Süden von den <strong>Wallis</strong>er Alpen mit den höchsten Bergen der Schweiz. <strong>Der</strong> <strong>Kanton</strong><br />
umfasst zudem die drei grössten Gletscher der Schweiz. Mit einer Fläche von 5'224 km 2 deckt<br />
der <strong>Kanton</strong> r<strong>und</strong> 13% der gesamten Fläche der Schweiz ab, beherbergt allerdings mit seinen<br />
303'241 Einwohnern nur 4% der schweizerischen Bevölkerung. Östlich von Sierre verläuft die<br />
Sprachgrenze, die das Ober- vom Unterwallis trennt. Das Hauptzentrum für das Unterwallis ist<br />
der <strong>Kanton</strong>shauptort Sion, im <strong>Oberwallis</strong> übernimmt Brig diese Funktion. <strong>Der</strong> Zugang zum <strong>Kanton</strong><br />
wird lediglich durch wenige Zufahrten ermöglicht: im Westen aus der Waadt über die A9,<br />
aus Frankreich über den Col de la Forclaz <strong>und</strong> den Pas de Morgins, im Norden über den<br />
Lötschberg, im Osten über die Furka (Pass <strong>und</strong> Autoverlad), den Nufenen- <strong>und</strong> den Grimselpass,<br />
im Südosten über die Simplonpassstrasse, im Südwesten über den Grossen St. Bernhard<br />
(Pass <strong>und</strong> Tunnel). Aufgr<strong>und</strong> der topographischen Grenzen konzentrieren sich die meisten Aktivitäten<br />
mit Ausnahme des Tourismus im Haupttal.<br />
Martigny<br />
Quelle: Credit Suisse Economic Research, Geostat, DDS<br />
Regionalsymbole:<br />
Matterhorn, Wein, Safran<br />
<strong>und</strong> Eringerkühe<br />
Sense<br />
ContheySion<br />
Verbier<br />
Bagnes<br />
Sion<br />
Thun<br />
BernerOberland-Ost<br />
Uri<br />
Kandertal<br />
Kandersteg<br />
Montana Leuk Raron<br />
Sierre Leuk<br />
Visp<br />
Sierre<br />
Anniviers<br />
Evolène<br />
Spiez<br />
Ferden<br />
Leukerbad<br />
Zermatt<br />
Interlaken<br />
Grächen<br />
Visp<br />
Brig-Glis<br />
Brig<br />
Saas-Fee<br />
Riederalp<br />
Simplon<br />
Oberwald<br />
Münster-GeschinenTre<br />
Valli<br />
Goms<br />
Fiesch<br />
Locarno<br />
Hauptverkehrsstrassen<br />
Agglomerationen<br />
Zentren<br />
<strong>Wallis</strong><br />
0 4.5 9 18km<br />
Grandiose Berge sind das vielleicht prägendste Merkmal des <strong>Kanton</strong>s <strong>Wallis</strong>. Im Herzen der<br />
Alpen befinden sich nicht weniger als 47 Berggipfel, die höher als 4'000 Meter sind. Als Blickfang<br />
dient unbestritten das Matterhorn. Aber auch der Aletschgletscher ist mittlerweile zum ersten<br />
UNESCO-Weltnaturerbe der Alpen avanciert. Dank seinem trockenen <strong>und</strong> heissen Klima ist<br />
Swiss Issues Regionen 6
Ein <strong>Kanton</strong> mit<br />
bewegter Geschichte<br />
Abbildung 2<br />
Demographische <strong>und</strong> wirtschaftliche Indikatoren<br />
Wirtschaftsregionen<br />
Bevölkerung<br />
2008<br />
Economic Research<br />
der <strong>Kanton</strong> <strong>Wallis</strong> für den Anbau von Wein prädestiniert. Mehr als ein Drittel der Schweizer Produktion<br />
stammen aus diesem Gebiet, <strong>und</strong> der <strong>Kanton</strong> stellt das grösste zusammenhängende<br />
Anbaugebiet in der Schweiz. Das <strong>Wallis</strong> ist zudem das einzige Gebiet der Schweiz, in welchem<br />
Safran angebaut wird. Ein weiteres Symbol des <strong>Kanton</strong>s ist die aus dem Eringertal stammende<br />
gleichnamige Rinderrasse, die an Topographie <strong>und</strong> Klima bestens angepasst ist <strong>und</strong> für ihr<br />
kampflustiges Temperament bekannt ist. Diese Eigenschaft gipfelt in organisierten Kuhkämpfen,<br />
die zu touristischen Attraktionen geworden sind.<br />
Ausgrabungen bezeugen dem Alpenkanton bereits Besiedlungen in der Steinzeit. Im Jahr 2008<br />
wurde in Sion eine der grössten Nekropolen der Eisenzeit in den Schweizer Alpen freigelegt, die<br />
als keltische Grabungsstätte von grosser Qualität bezeichnet wird. Die spätere Eroberung durch<br />
Römer, Burg<strong>und</strong>er <strong>und</strong> Allemannen hat den <strong>Kanton</strong> ebenfalls geprägt. Ausgehend vom <strong>Oberwallis</strong><br />
führten Walserwanderungen im 13. <strong>und</strong> 14. Jahrh<strong>und</strong>ert zur Eroberung des übrigen östlichen<br />
Alpenraumes. Auch in der Neuzeit war die Geschichte des <strong>Kanton</strong>s sehr bewegt <strong>und</strong><br />
reicht vom unabhängigen Verbündeten der Alten Eidgenossenschaft zur degradierten Verwaltungseinheit<br />
unter Napoleon bis hin zum heutigen <strong>Kanton</strong> der Eidgenossenschaft. Zusammen<br />
mit Genf <strong>und</strong> Neuenburg gehört das <strong>Wallis</strong> zu den letzten <strong>Kanton</strong>en, die der schweizerischen<br />
Eidgenossenschaft beigetreten sind.<br />
Wachstum<br />
Bevölkerung<br />
1998–2008<br />
Jährliches Wachstum<br />
in Prozent<br />
Beschäftigung<br />
2005<br />
Sektor I Sektor II Sektor III Anteil am<br />
CH-Total<br />
Wertschöpfung<br />
2007<br />
Pro Beschäftigten,<br />
in CHF<br />
Haushaltseinkommen<br />
2005<br />
Nominal pro<br />
Kopf, in CHF<br />
Goms 5'189 -1.1% 268 442 1'306 0.0% 105'802 28'589<br />
Brig 26'453 0.3% 328 1'970 6'906 0.2% 128'618 36'788<br />
Visp 35'638 0.0% 649 7'037 10'437 0.5% 147'545 37'774<br />
Leuk 12'173 -0.1% 563 852 2'508 0.1% 107'529 34'542<br />
Sierre 43'231 1.2% 772 4'297 8'920 0.4% 126'121 34'585<br />
Sion 76'257 1.1% 2'182 6'910 19'972 0.8% 132'577 34'805<br />
Martigny 57'428 1.5% 2'204 5'176 11'847 0.5% 124'552 34'277<br />
Monthey/St. Maurice 46'872 1.8% 546 6'261 8'143 0.5% 159'351 34'024<br />
Aigle 38'260 1.2% 1'159 3'429 8'019 0.3% 123'920 33'834<br />
Vevey/Lavaux 85'639 1.1% 1'121 4'279 21'906 0.8% 136'295 43'246<br />
Berner Oberland-Ost 46'157 0.1% 1'253 4'089 14'334 0.5% 117'851 37'590<br />
Bündner Rheintal 71'182 0.7% 1'021 9'149 21'762 0.9% 145'676 46'250<br />
Oberengadin<br />
<strong>Kanton</strong>e<br />
23'035 0.2% 527 3'404 9'724 0.3% 118'466 51'813<br />
<strong>Wallis</strong> 303'241 1.0% 7'512 32'945 70'040 3.0% 134'733 34'972<br />
Bern 969'299 0.3% 29'906 115'747 278'582 12.0% 139'387 43'853<br />
Waadt 688'245 1.2% 12'625 58'317 191'958 7.8% 146'743 44'688<br />
Graubünden 190'459 0.2% 5'425 22'746 55'617 2.2% 127'687 43'349<br />
Uri 35'162 -0.1% 968 4'837 6'876 0.3% 126'538 40'756<br />
Schweiz 7'701'856 0.8% 142'734 937'893 2'185'293 100.0% 150'626 45'337<br />
Quelle: B<strong>und</strong>esamt für Statistik, Credit Suisse Economic Research<br />
Unterschiedliche<br />
Tourismusstrategien<br />
Im <strong>Kanton</strong> <strong>Wallis</strong> begegnen sich Fremdenverkehr mit Tradition <strong>und</strong> Massentourismus in den<br />
r<strong>und</strong> 120 Winter- <strong>und</strong> Sommerdestinationen. Während einige Feriendestinationen auf ihre alten<br />
römischen Bäder oder einmalige Berglandschaft stolz sind, versuchen jüngere Urlaubsorte durch<br />
intensiven Massentourismus Umsätze zu generieren. Ende 2008 hat der Staatsrat des <strong>Kanton</strong>s<br />
<strong>Wallis</strong> die Umsetzung der Agenda 21 beschlossen. Es wurden sechzehn Verpflichtungen zur<br />
nachhaltigen Entwicklung gutgeheissen. Darunter fallen unter anderem die Förderung eines<br />
nachhaltigen Tourismus, eine multifunktionale Landwirtschaft, eine leistungsfähige Wirtschafts-<br />
Swiss Issues Regionen 7
Starke regionale<br />
Unterschiede<br />
Economic Research<br />
struktur, eine nachhaltige Raumentwicklung, die Förderung von Naturschutzgebieten 1 sowie<br />
weitere Massnahmen, die durch das Gleichgewicht der drei Dimensionen Wirtschaftlichkeit,<br />
Umwelt <strong>und</strong> Soziales eine nachhaltige Entwicklung des <strong>Kanton</strong>s sichern sollen. Diese Massnahmen<br />
stellen sowohl eine organisatorische als auch eine politische Voraussetzung für die Erarbeitung<br />
<strong>und</strong> Umsetzung einer gemeinsamen Strategie zur Entwicklung des <strong>Kanton</strong>s dar.<br />
Abbildung 2 veranschaulicht die wichtigsten demographischen <strong>und</strong> wirtschaftlichen Indikatoren<br />
für den <strong>Kanton</strong> <strong>Wallis</strong> <strong>und</strong> die umliegenden <strong>Kanton</strong>e sowie für Regionen des Untersuchungsraums<br />
<strong>und</strong> entsprechende Vergleichsgebiete. Regionale <strong>Struktur</strong>en <strong>und</strong> <strong>Perspektiven</strong> lassen<br />
sich am besten auf der Ebene sogenannter Wirtschaftsregionen analysieren, die wir auf der<br />
Gr<strong>und</strong>lage von ökonomischen Zusammenhängen in Anlehnung an die Mobilité-Spatiale-<br />
Regionen (MS-Regionen) des B<strong>und</strong>esamts für Statistik definiert haben. Gemäss dieser Abgrenzung<br />
unterscheidet man im <strong>Kanton</strong> <strong>Wallis</strong> acht Wirtschaftsregionen (Goms, Brig, Visp, Leuk,<br />
Sierre, Sion, Martigny <strong>und</strong> Monthey/St. Maurice), die sich flussabwärts entlang der Rhone<br />
aneinanderreihen, von der Quelle am Rhonegletscher im Goms bis zur Mündung im Genfersee<br />
in der Region Monthey/St. Maurice.<br />
Prägende Aspekte für die Situation im <strong>Wallis</strong> sind ein unterdurchschnittliches Einkommensniveau,<br />
eine weitgehend unterdurchschnittliche Wertschöpfung pro Beschäftigten <strong>und</strong> eine hohe<br />
Bevölkerungsdynamik. Innerhalb des <strong>Kanton</strong>s bestehen jedoch grosse regionale Unterschiede.<br />
Ein überdurchschnittlich hohes Bevölkerungswachstum lässt sich lediglich im Unterwallis beobachten,<br />
insbesondere in den Regionen Monthey/St. Maurice <strong>und</strong> Martigny. Diese Regionen<br />
konnten sich in den letzten Jahren als Ausweichgebiete zu den von Bevölkerungs- <strong>und</strong> Immobilienpreisdruck<br />
gekennzeichneten Wohnlagen am Genfersee etablieren. Selbst in den Regionen<br />
mit hoher Bevölkerungsdynamik bleibt das Haushaltseinkommen pro Kopf jedoch unterdurchschnittlich.<br />
Die Tertiarisierung hat auch im <strong>Kanton</strong> <strong>Wallis</strong> zu einem Wandel der Wirtschaftsstruktur geführt.<br />
<strong>Der</strong> Anteil von Landwirtschaft, Industrie <strong>und</strong> Dienstleistungen im <strong>Kanton</strong> unterscheidet sich<br />
nicht stark von der nationalen Verteilung, allerdings mit regionalen Unterschieden. Weit überdurchschnittlich<br />
hohe Landwirtschaftsanteile bestehen lediglich noch in den Regionen Goms,<br />
Leuk <strong>und</strong> Martigny. Brig <strong>und</strong> Sion haben aufgr<strong>und</strong> ihrer Zentrumsfunktionen einen überdurchschnittlich<br />
hohen Anteil an Dienstleistungsbranchen, während Visp, Sierre <strong>und</strong> Monthey/St.<br />
Maurice industriell geprägte Wirtschaftsregionen sind. Diese Unterschiede in der Branchenstruktur<br />
spiegeln sich in einer grossen Bandbreite der Wertschöpfungsintensität wider. Die<br />
durchschnittliche Wirtschaftsleistung pro Beschäftigten reicht von 105'802 CHF im Goms bis<br />
zu 159'351 CHF in der Region Monthey/St. Maurice, die sich als Standort der Spitzenindustrie<br />
positioniert.<br />
1 Die in den letzten Jahren vom <strong>Kanton</strong> <strong>Wallis</strong> eingereichten Gesuche für die Errichtung von Naturpärken wurden durch das B<strong>und</strong>esamt für Umwelt gutgeheissen: im Jahr<br />
2008 der Landschaftspark Binntal, im Jahr 2009 der regionale Naturpark Pfyn-Finges <strong>und</strong> die Biosphäre Val d'Hérens.<br />
Swiss Issues Regionen 8
2 Konjunktur<br />
Die Weltwirtschaft zwischen<br />
tiefem Fall <strong>und</strong> steigender<br />
Zuversicht<br />
Schweizer Wirtschaft<br />
konnte sich dem Abwärtssog<br />
nicht entziehen<br />
Anzeichen einer Bodenbildung<br />
mehren sich<br />
Arbeitsmarkt spürt<br />
Konjunkturschwäche<br />
Economic Research<br />
Die wirtschaftliche Entwicklung der Schweiz steht ganz im Zeichen der globalen Konjunkturschwäche.<br />
Weltweit kam es zu einem Einbruch von Wertschöpfung, Welthandel <strong>und</strong> Arbeitsmärkten.<br />
Sinkende Preise auf den wichtigsten Immobilienmärkten der Welt, ein Rückgang des<br />
Bruttoinlandproduktes (BIP) in über der Hälfte aller Länder, tief notierte Aktienmärkte, eine anhaltende<br />
Kreditklemme insbesondere in den USA <strong>und</strong> in der EU sowie Abschreibungen der globalen<br />
Finanzindustrie wirkten als verstärkende Faktoren. Bei aller Sorge zeigen sich jedoch mittlerweile<br />
Anzeichen, die mit aller Vorsicht eine beginnende Besserung vermuten lassen. Während<br />
sich die globale Rezession in den ersten Monaten 2009 weiter verschärft hat, sind nun zarte<br />
Knospen eines konjunkturellen Frühlings auszumachen. Steigende Frühindikatoren deuten darauf<br />
hin, dass der freie Fall beendet <strong>und</strong> die Talsohle erreicht ist. Markant erholt haben sich seit<br />
März die Aktienmärkte, wenn auch von sehr tiefen Ständen aus <strong>und</strong> immer noch mit sehr hohem<br />
Unsicherheitspotential. Auch der Interbankenmarkt hat sich stabilisiert, was sich an den<br />
weltweit gesunkenen Risikoprämien ablesen lässt. Wenn 2009 höchstwahrscheinlich als das<br />
wirtschaftlich schlechteste Jahr seit den dreissiger Jahren in die Weltwirtschaftsgeschichte eingehen<br />
wird, so hat sich aber gleichzeitig das Risiko einer Depression verringert. Aufgr<strong>und</strong> der<br />
weiterhin grossen Unsicherheiten ist jedoch eher mit einem längeren Auf <strong>und</strong> Ab der Weltwirtschaft<br />
zu rechnen.<br />
Auch die Schweiz konnte sich dem Abwärtssog der Weltwirtschaft nicht entziehen. Nachdem<br />
sie in den letzten Jahren von starkem Wachstum geprägt war <strong>und</strong> auch das Jahr 2008 noch<br />
vergleichsweise positiv begann, brach das BIP im 4. Quartal 2008 ein. <strong>Der</strong> Trend beschleunigte<br />
sich im 1. Quartal 2009 weiter. Insbesondere Investitionen <strong>und</strong> Exporte sind rückläufig. Ursache<br />
für die Verlangsamung der Investitionstätigkeit war der schnell einsetzende Abschwung, auf den<br />
nicht unmittelbar reagiert werden konnte. So kam es zum Aufbau von Überkapazitäten. Vor dem<br />
Hintergr<strong>und</strong> leerer Auftragsbücher <strong>und</strong> aus dem Ruder laufender Kosten-Ertrag-Relationen sind<br />
die meisten Investitionspläne auf Eis gelegt oder stark gekürzt worden. Die Exportwirtschaft<br />
wurde vom drastischen Rückgang der Nachfrage in den meisten Ländern der Welt in Mitleidenschaft<br />
gezogen – ungeachtet der hohen Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsbereichs in der<br />
Schweiz. Exporte in weiterhin wachsende Länder wie beispielsweise China haben zwar den<br />
Rückgang gedämpft, deren geringe Exportanteile konnten die Abnahmen der Ausfuhren nach<br />
Europa jedoch nicht kompensieren. Zum Rückgang der Güterexporte kam die durch die Finanzkrise<br />
bedingte Beeinträchtigung der Ausfuhren von Finanzdienstleistungen hinzu. Insgesamt<br />
wird das reale BIP dieses Jahr um 2% schrumpfen, so stark wie seit der Erdölkrise 1975 nicht<br />
mehr.<br />
Mit aller Vorsicht zeichnet sich für die Schweiz jedoch langsam eine gewisse Bodenbildung ab.<br />
Das BIP schrumpfte im 2. Quartal 2009 zwar zum vierten Mal in Folge im Quartalsvergleich, der<br />
Abschwung hat aber spürbar an Momentum verloren. Dies zeigt sich auch im vorausschauenden<br />
Konjunkturindikator Purchasing Managers' Index (PMI), einem Gemeinschaftswerk des Schweizerischen<br />
Verbandes für Materialwirtschaft <strong>und</strong> Einkauf (SVME) <strong>und</strong> der Credit Suisse. <strong>Der</strong> Indikator<br />
basiert auf einer monatlichen Umfrage bei Einkaufsmanagern in Industriefirmen <strong>und</strong><br />
zeigt ein unmittelbares <strong>und</strong> repräsentatives Bild der Industriekonjunktur. Im August ist der PMI<br />
erneut angestiegen. Dank der jüngsten Zunahme ist der Index erstmals seit einem Jahr wieder<br />
in die Wachstumszone zurückgekehrt, welche bei der 50-Punkte-Marke beginnt. Mit 50.2<br />
Punkten liegt der PMI zwar nur marginal über der Wachstumsschwelle, die Talsohle scheint<br />
aber damit erreicht worden zu sein.<br />
Genau wie die Rezession muss auch der Funke zum Aufschwung aus dem Ausland kommen.<br />
Die jüngsten Zahlen zu den Schweizer Warenexporten zeigen eine Stabilisierung nach dem tiefen<br />
Einbruch im Dezember 2008. Das von der Credit Suisse entwickelte Exportbarometer, das<br />
die Veränderungen des Industrieklimas in den 28 wichtigsten Exportdestinationen der Schweiz<br />
misst <strong>und</strong> daraus die Exportentwicklung in den nächsten Monaten ableitet, deutet ausserdem<br />
auf ein vorsichtiges Wiedererwachen der internationalen Nachfrage hin.<br />
<strong>Der</strong> Konjunkturabschwung ist mittlerweile auf dem Schweizer Arbeitsmarkt angekommen. Das<br />
in den letzten Jahren starke Beschäftigungswachstum ist im 1. Quartal 2009 quasi zum Still-<br />
Swiss Issues Regionen 9
Widersprüchliche<br />
Inflationsszenarien<br />
Schweizer Wirtschaft<br />
wächst 2010 wieder<br />
Ein Barometer zur<br />
Beurteilung der<br />
regionalen Konjunktur<br />
Economic Research<br />
stand gekommen, <strong>und</strong> im 2. Quartal wurde erstmals seit dem 3. Quartal 2003 ein leichter<br />
Rückgang verzeichnet. Die Beschäftigung ging vor allem im zweiten Sektor zurück, während sie<br />
im tertiären Sektor praktisch unverändert blieb. Im August betrug die Arbeitslosenquote 3.8%,<br />
<strong>und</strong> in den kommenden Monaten ist mit einem weiteren Anstieg zu rechnen. Damit wird die Krise<br />
in der Schweiz breiter spürbar werden, was Konsequenzen für den bisher als Stütze wirkenden<br />
Binnenkonsum haben wird.<br />
Hinsichtlich Preisentwicklung waren die Diskussionen selten derart kontrovers wie in den letzten<br />
Monaten. Während manche Experten von einer möglichen Deflation warnen, meinen andere,<br />
dass schon bald wieder ein Anstieg der Inflation droht. Die Furcht vor einer Deflation kam angesichts<br />
negativer Teuerungsraten zum Vorschein. Diese Entwicklungen waren aber hauptsächlich<br />
das Resultat der Korrektur an den Erdölmärkten sowie des <strong>Struktur</strong>wandels in einigen Branchen.<br />
Auf der anderen Seite besteht zurzeit auch kein Inflationsdruck. Die tiefe Auslastung der<br />
Kapazitäten mindert die Preissetzungsmacht der Unternehmen, <strong>und</strong> Rohstoffe sowie Vorleistungsgüter<br />
sind deutlich billiger als vor einem Jahr. Zudem hält die steigende Arbeitslosigkeit die<br />
Verhandlungsmacht der Arbeitnehmer in Grenzen <strong>und</strong> unterbricht damit einen weiteren möglichen<br />
Teuerungskanal. Mittelfristig bestehen aber durchaus Inflationsgefahren. Anlass dafür sind<br />
der massive Anstieg der Geldmenge <strong>und</strong> die expansive Fiskalpolitik. Sollte die überschüssige<br />
Liquidität in einer Konjunkturerholung nicht rechtzeitig verringert werden, besteht ein grosses Inflationsrisiko.<br />
Aufgr<strong>und</strong> des Konsenses, dass Inflation wohlfahrtsschädigend ist, des klaren Auftrags<br />
der Schweizerischen Nationalbank zur Sicherung der Preisstabilität, der technischen<br />
Machbarkeit sowie struktureller Gründe sind die Voraussetzungen gegeben, dass der Schweiz<br />
das seit Mitte der neunziger Jahre milde Teuerungsklima erhalten bleibt.<br />
Für das kommende Jahr gehen wir davon aus, dass die Schweizer Wirtschaft wieder wachsen<br />
wird. Dank wiedererwachenden Impulsen aus den Exportmärkten <strong>und</strong> einem stützenden inländischen<br />
Konsum dürfte das reale BIP um 0.6% zunehmen. Dieses positive Wachstum stellt allerdings<br />
noch nicht den Anfang eines sich fortsetzenden Aufschwungs dar; 2010 werden sich die<br />
globalen Volkswirtschaften lediglich etwas vom tiefen Fall des Vorjahres erholen. Entsprechend<br />
werden die Impulse in der Schweiz vorerst noch zu schwach sein, um eine weitere Zunahme der<br />
Arbeitslosigkeit verhindern zu können.<br />
2.1 Regionale Konjunktur<br />
Da keine offiziellen Daten über das kantonale BIP vorliegen, muss die Beurteilung der regionalen<br />
Konjunktur auf indirektem Weg erfolgen. Dazu haben wir für die Schweizer <strong>Kanton</strong>e ein<br />
vierteljährliches Konjunkturbarometer entwickelt. Es handelt sich um einen synthetischen Indikator,<br />
der auf folgenden Grössen beruht: gemeldete offene Stellen, Importe, Exporte, Logiernächte,<br />
Neuzulassungen von Fahrzeugen sowie Baubewilligungen <strong>und</strong> Baugesuche im Hochbau.<br />
Dieses Konjunkturbarometer spiegelt Tendenz <strong>und</strong> Wendepunkte der wirtschaftlichen Aktivität<br />
wider. Es ermöglicht jedoch nicht, Schlüsse über das Niveau der Wirtschaftstätigkeit zu ziehen<br />
oder genaue Prognosen zu erstellen. Demnach signalisiert eine Abnahme des Indikators eine<br />
Wachstumsverlangsamung, aber nicht zwangsläufig eine Rezession. Den aktuellen Rand des<br />
Konjunkturbarometers bildet das 2. Quartal 2009. Da dieses Barometer einen Vorlauf von einem<br />
Quartal besitzt, sind Prognosen bis zum 3. Quartal 2009 möglich, was einer aktuellen Beurteilung<br />
der konjunkturellen Situation in einer Region entspricht.<br />
Das Konjunkturbarometer für den <strong>Kanton</strong> <strong>Wallis</strong> folgt gr<strong>und</strong>sätzlich der Tendenz der Konjunkturentwicklung<br />
in der Schweiz (Abbildung 3). Auch im aktuellen Abschwung setzte die Verlangsamung<br />
der wirtschaftlichen Aktivität in etwa zur gleichen Zeit ein wie auf nationaler Ebene <strong>und</strong><br />
die sich im 2. Quartal 2009 abzeichnende Bodenbildung lässt sich auch für die <strong>Wallis</strong>er Wirtschaft<br />
beobachten. Die Geschwindigkeit des Abschwungs fiel im <strong>Wallis</strong> in den letzten Quartalen<br />
jedoch etwas tiefer aus.<br />
Swiss Issues Regionen 10
Frühzykliker belasten<br />
<strong>Wallis</strong>er Exportwirtschaft<br />
Abbildung 3<br />
Regionales Konjunkturbarometer<br />
Synthetischer Indikator<br />
4.0<br />
3.0<br />
2.0<br />
1.0<br />
0.0<br />
-1.0<br />
-2.0<br />
-3.0<br />
-4.0<br />
-5.0<br />
-6.0<br />
VS CH<br />
1996 I 1998 I 2000 I 2002 I 2004 I 2006 I 2008 I<br />
Quelle: Credit Suisse Economic Research<br />
Economic Research<br />
Aus der Entwicklung der Datenreihen des Konjunkturbarometers lässt sich erkennen, welchen<br />
Teil die einzelnen Komponenten zur Wirtschaftsentwicklung beitragen (Abbildung 4). Die aktuelle<br />
konjunkturelle Eintrübung zeigt sich nahezu in allen Komponenten des Konjunkturbarometers.<br />
Die <strong>Wallis</strong>er Exportwirtschaft bekam der Einbruch der Nachfrage früher <strong>und</strong> härter zu spüren als<br />
im nationalen Mittel. Dies lässt sich mit Unterschieden in der Branchenzyklizität erklären. So gehören<br />
zwei für die <strong>Wallis</strong>er Wirtschaft wichtige Industriebranchen wie die Metallindustrie <strong>und</strong> die<br />
Herstellung von chemischen Gr<strong>und</strong>stoffen zu denjenigen Bereichen, welche bereits früh die<br />
Auswirkungen der Wirtschaftskrise zu spüren bekommen haben.<br />
Die Schwierigkeiten der exportierenden Firmen spiegeln sich auch in einer rascheren Verschlechterung<br />
der Beschäftigungsaussichten wider, wie aus der Entwicklung der offenen Stellen<br />
hervorgeht. Im Vergleich zum Vorjahr hat sich die Arbeitslosigkeit in den letzten Monaten in<br />
den meisten Bereichen der Industrie mehr als verdoppelt. Positive Impulse für die <strong>Wallis</strong>er Wirtschaft<br />
gehen hingegen immer noch von der Bauwirtschaft aus. Die Entwicklung der Baugesuche,<br />
welche seit Jahresbeginn negativ ist, zeigt jedoch die bevorstehende Trendwende.<br />
<strong>Kanton</strong>ale Massnahmen zur Unterstützung der <strong>Wallis</strong>er Konjunktur<br />
Dank der merklichen Verbesserung der finanziellen Lage nahm der <strong>Kanton</strong> <strong>Wallis</strong> bereits im<br />
Jahr 2008 Massnahmen zur Unterstützung der Konjunktur im Umfang von mehr als 172 Mio.<br />
CHF in Angriff. Durch einen Ausgleich der kalten Progression rückwirkend auf den 1. Januar<br />
2008 sowie ein Paket von gezielten Steuererleichterungen wurde eine Stärkung der Kaufkraft<br />
der Haushalte angestrebt. Um das Auftragsvolumen der <strong>Wallis</strong>er Unternehmen zu stützen,<br />
wurde zudem für die Mehrjahresplanung 2009–2012 ein erhöhter Nettoinvestitionsbetrag<br />
vorgesehen.<br />
Um einer Verschlechterung der Konjunkturlage vorzubeugen, hat der Staatsrat im April 2009<br />
ein weiteres Konjunkturprogramm vorgeschlagen, das im Juni angenommen wurde. Dieses<br />
Programm wird in einer ersten Phase mit r<strong>und</strong> 30 Mio. CHF eine Reihe von gezielten Massnahmen<br />
finanzieren: Förder- <strong>und</strong> Sanierungsprojekte im Energiebereich, Innovationsförderung,<br />
Massnahmen zugunsten des Tourismus, erleichterter Zugang zu Krediten für KMU<br />
sowie die Modernisierung der Infrastruktur.<br />
Swiss Issues Regionen 11
Abbildung 4<br />
Regionale Konjunkturindikatoren<br />
Economic Research<br />
Durchschnitt der letzten vier Quartale, Wachstum gegenüber Vorjahresperiode in Prozent; Arbeitslosenquote in Prozent<br />
<strong>Kanton</strong> <strong>Wallis</strong> Schweiz<br />
2008 II 2008 III 2008 IV 2009 I 2009 II 2008 II 2008 III 2008 IV 2009 I 2009 II<br />
Offene Stellen 17.6% 6.5% 4.8% -5.0% -10.5% 16.0% 13.2% 5.5% -1.8% -9.4%<br />
Arbeitslosenquote 2.8% 2.4% 3.6% 4.4% 3.6% 2.4% 2.4% 2.7% 3.4% 3.5%<br />
Exporte von Waren 4.5% -0.1% -3.0% -9.1% -19.7% 5.6% 4.8% 2.5% -1.2% -7.4%<br />
Importe von Waren 2.1% -2.1% -2.6% -6.4% -9.4% 1.9% -0.6% -2.8% -2.4% -5.6%<br />
Baubewilligungen Hochbau 1.9% 5.6% 8.3% 8.4% 5.8% -5.3% -5.0% -2.5% -0.9% -0.7%<br />
Baugesuche Hochbau 18.1% 14.9% 4.8% -7.3% -15.0% -1.6% 0.0% 0.2% 0.3% -0.9%<br />
Logiernächte in der Hotellerie 5.0% 5.3% 4.5% -3.3% -1.8% 4.9% 4.5% 2.6% -2.1% -2.8%<br />
Neuzulassungen Fahrzeuge 13.2% 8.5% 2.6% -3.3% -5.7% 6.4% 4.4% 2.0% -2.2% -6.6%<br />
Quelle: Staatssekretariat für Wirtschaft, Eidgenössische Zollverwaltung, B<strong>und</strong>esamt für Statistik, Schweizer Baublatt<br />
Regionale Unterschiede<br />
bei der Arbeitslosigkeit<br />
<strong>Der</strong> <strong>Wallis</strong>er Arbeitsmarkt spürt die schlechtere Konjunkturlage in unterschiedlichem Ausmass.<br />
Zwar sind mittlerweile alle Berufsgruppen von der Krise erfasst worden, die regionalen Unterschiede<br />
innerhalb des <strong>Kanton</strong>s bleiben aber beträchtlich. So betrug die Arbeitslosenquote im<br />
<strong>Oberwallis</strong> im August 2009 1.3%, im Mittel- <strong>und</strong> Unterwallis verzeichnete man mit 4.2 bzw.<br />
5.0% eine deutlich höhere Quote von Stellensuchenden. Darüber hinaus ist die Zunahme der<br />
Arbeitslosigkeit im Vorjahresvergleich im <strong>Oberwallis</strong> weniger als halb so hoch ausgefallen als in<br />
den anderen Regionen. Die Region Monthey/St. Maurice ist dabei am stärksten von der<br />
schlechteren Wirtschaftslage betroffen. Unterschiede in der Branchenstruktur <strong>und</strong> in der Konzentration<br />
von wirtschaftlicher Tätigkeit liegen diesen Disparitäten zugr<strong>und</strong>e.<br />
Swiss Issues Regionen 12
3 Standortqualität<br />
Fünf Faktoren zur Beurteilung<br />
der Standortqualität<br />
Economic Research<br />
Länder, Regionen oder Kommunen konkurrieren in einem an Intensität zunehmenden Standortwettbewerb<br />
um Investoren, Arbeitsplätze <strong>und</strong> vor allem um das entsprechende Steueraufkommen.<br />
Vor dem Hintergr<strong>und</strong> eines ausgeprägten <strong>Struktur</strong>wandels <strong>und</strong> einer spürbaren Verschärfung<br />
des globalen Wettbewerbs sind es zunehmend die regionalen Standortfaktoren, welche<br />
nachhaltige Wettbewerbsvorteile verschaffen. <strong>Der</strong> Pflege dieser Standortfaktoren ist daher aufgr<strong>und</strong><br />
der gestiegenen Substitutionskonkurrenz zwischen den Regionen Aufmerksamkeit zu<br />
schenken.<br />
3.1 Standortqualität der Schweizer <strong>Kanton</strong>e<br />
Um die Standortqualität von Schweizer <strong>Kanton</strong>en <strong>und</strong> Regionen zu messen <strong>und</strong> miteinander zu<br />
vergleichen, haben wir einen Standortqualitätsindikator (SQI) entwickelt. Dieser Indikator beruht<br />
auf folgenden fünf Standortfaktoren: der Steuerbelastung sowohl von natürlichen als auch juristischen<br />
Personen, dem Ausbildungsstand der Bevölkerung, der Verfügbarkeit von Hochqualifizierten<br />
sowie der verkehrstechnischen Erreichbarkeit. Qualitative Standortfaktoren sind zwar von<br />
Bedeutung, sind aber nicht oder nur schwer zu quantifizieren <strong>und</strong> unterliegen zumeist einem<br />
Werturteil, was deren Vergleichbarkeit erschwert. Aus diesem Gr<strong>und</strong> werden sie in diesem Indikator<br />
bewusst nicht berücksichtigt. Im Fall von Standorten mit ausgeprägter touristischer Ausrichtung<br />
ist jedoch festzuhalten, dass solche qualitativen Faktoren einen nicht unwesentlichen<br />
Teil deren Attraktivität ausmachen. Die <strong>Wallis</strong>er Tourismuszentren stehen dabei nicht nur mit<br />
den umliegenden Regionen, sondern darüber hinaus mit den grossen Schweizer Feriendestinationen<br />
im Wettbewerb um Touristen.<br />
Abbildung 5<br />
Standortqualität der Schweizer <strong>Kanton</strong>e 2009<br />
Synthetischer Indikator, CH = 0<br />
2.5<br />
2.0<br />
1.5<br />
1.0<br />
0.5<br />
0.0<br />
-0.5<br />
-1.0<br />
-1.5<br />
ZG<br />
ZH<br />
BS GE NW<br />
AG SZ OW<br />
SH TG BL AR<br />
SO<br />
VD<br />
Quelle: Credit Suisse Economic Research<br />
AI LU SG<br />
BE<br />
GR<br />
FR TI GL<br />
VS NE UR<br />
Für die Steuerbelastung der natürlichen Personen werden sowohl das Niveau wie auch die Progression<br />
der Einkommens- <strong>und</strong> Vermögenssteuern berücksichtigt. Die Steuerbelastung von juristischen<br />
Personen beruht auf einer Auswertung der Reingewinn- <strong>und</strong> Kapitalsteuern. <strong>Der</strong> Ausbildungsstand<br />
der Bevölkerung wird durch den Anteil der Personen an der Bevölkerung im Alter<br />
zwischen 19 <strong>und</strong> 69 Jahren gemessen, welche mindestens eine abgeschlossene Berufslehre<br />
aufweisen. Für die Verfügbarkeit von hochqualifizierten Arbeitskräften wird der Anteil der Bevölkerung<br />
zwischen 25 <strong>und</strong> 69 Jahren berücksichtigt, der über eine Ausbildung auf Tertiärstufe<br />
JU<br />
Swiss Issues Regionen 13
Unterdurchschnittliche<br />
Standortqualität im <strong>Kanton</strong><br />
<strong>Wallis</strong><br />
Hohe Heterogenität<br />
erfordert eine<br />
differenzierte Betrachtung<br />
Economic Research<br />
verfügt. Die verkehrstechnische Erreichbarkeit wird für den motorisierten Individualverkehr <strong>und</strong><br />
für den öffentlichen Verkehr berechnet. Neben den Fahrzeiten zwischen den einzelnen Gemeinden<br />
bzw. Verkehrsknoten wird dabei auch das zugehörige Potential an Einwohnern <strong>und</strong> Arbeitsplätzen<br />
berücksichtigt. Beim Standortqualitätsindikator handelt es sich um einen relativen Index,<br />
bei welchem der Wert für die ganze Schweiz bei Null liegt. Positive Werte des Indikators weisen<br />
auf eine höhere, negative Werte auf eine tiefere Standortqualität im Vergleich zum gesamtschweizerischen<br />
Durchschnitt hin.<br />
In Abbildung 5 sind die Werte des Standortqualitätsindikators der Schweizer <strong>Kanton</strong>e für das<br />
Jahr 2009 aufgetragen. Ein Wert in der Bandbreite zwischen +0.3 <strong>und</strong> –0.3 kann als im<br />
Schweizer Mittel liegend interpretiert werden. Mit einem Wert von –0.92 rangiert der <strong>Kanton</strong><br />
<strong>Wallis</strong> unter dem Schweizer Mittel <strong>und</strong> liegt auf dem 23. Rang. Gegenüber der ersten Berechnung<br />
des Standortqualitätsindikators in der heutigen Form im Jahr 2004 hat das <strong>Wallis</strong> eine Position<br />
gutgemacht. Für das unterdurchschnittliche Abschneiden verantwortlich sind die Schwächen<br />
bei der Steuerbelastung für natürliche Personen, beim allgemeinen Ausbildungsstand <strong>und</strong><br />
insbesondere bei der verkehrstechnischen Erreichbarkeit. Die unterdurchschnittliche Steuerbelastung<br />
der juristischen Personen stellt hingegen einen Standortvorteil dar.<br />
3.2 Standortqualität im regionalen Vergleich<br />
Die kantonale Ebene stellt eine suboptimale Einheit dar, um die Standortqualität <strong>und</strong> ihre Komponenten<br />
zu bemessen. Für kleinere, homogene <strong>Kanton</strong>e mag diese Gliederung ein gutes Abbild<br />
geben, in grösseren <strong>und</strong> durch Vielseitigkeit geprägten <strong>Kanton</strong>en entsteht durch die Aggregation<br />
der Werte stärkerer <strong>und</strong> schwächerer Gebiete hingegen ein Informationsverlust. Gerade<br />
das <strong>Wallis</strong> stellt einen jener Schweizer <strong>Kanton</strong>e dar, bei welchen die kantonale Betrachtung viel<br />
an Information verbirgt. Alleine schon die Sprachgrenze trennt diesen <strong>Kanton</strong> mit dem Unter-<br />
<strong>und</strong> <strong>Oberwallis</strong> in zwei Teile, welche sowohl in wirtschaftlicher als auch in sozialer <strong>und</strong> kultureller<br />
Hinsicht als funktional getrennt betrachtet werden müssen. Aber auch innerhalb der beiden<br />
<strong>Kanton</strong>steile sind in sich relativ homogene <strong>und</strong> als funktionale Einheit auftretende Kleinarbeitsmarktgebiete<br />
vorhanden. Für die Analyse der Standortqualität vermag somit die Betrachtung der<br />
Schweizer Wirtschaftsregionen diese innerkantonalen Unterschiede besser zu veranschaulichen.<br />
Abbildung 6<br />
Standortqualität ausgewählter Regionen 2009<br />
Synthetischer Indikator, CH = 0<br />
1.5<br />
1.0<br />
0.5<br />
0.0<br />
-0.5<br />
-1.0<br />
-1.5<br />
Nyon<br />
Bern<br />
Genève<br />
Lausanne<br />
Vevey/Lavaux<br />
Morges/Rolle<br />
Bündner Rheintal<br />
Davos<br />
Quelle: Credit Suisse Economic Research<br />
Oberengadin<br />
La Sarine<br />
Neuchâtel<br />
Sierre<br />
Aigle<br />
Thun<br />
Sion<br />
Monthey/St. Maurice<br />
Brig<br />
Glarner Hinterland<br />
Glâne/Veveyse<br />
Martigny<br />
Uri<br />
Berner Oberland-Ost<br />
La Gruyère<br />
Saanen/Obersimmental<br />
Leuk<br />
Goms<br />
Visp<br />
Abbildung 6 stellt die Standortqualität der <strong>Wallis</strong>er Regionen sowie von ausgewählten Vergleichsgebieten<br />
dar. Sämtliche Regionen des <strong>Wallis</strong> weisen eine Positionierung unter dem<br />
Schweizer Durchschnitt auf. Auch wenn es keiner <strong>Wallis</strong>er Region gelingt, sich deutlich abzuhe-<br />
Swiss Issues Regionen 14
Unterdurchschnittliche<br />
Ausbildungswerte infolge<br />
Braindrain<br />
Abbildung 7<br />
Komponenten der Standortqualität für die<br />
<strong>Oberwallis</strong>er Regionen 2009<br />
Synthetische Indikatoren, CH = 0<br />
Verkehrstechnische<br />
Erreichbarkeit<br />
Schweiz<br />
<strong>Kanton</strong> <strong>Wallis</strong><br />
Goms<br />
Brig<br />
Visp<br />
Leuk<br />
Berner Oberland-Ost<br />
Oberengadin<br />
Bern<br />
Steuerattraktivität für natürliche Personen<br />
Verfügbarkeit von<br />
Hochqualifizierten<br />
1.0<br />
0.0<br />
-1.0<br />
-2.0<br />
Quelle: Credit Suisse Economic Research<br />
Economic Research<br />
ben, sind die Unterschiede zwischen ihnen bedeutend. So landet die Region Sierre im schweizweiten<br />
Vergleich der 110 Wirtschaftsregionen immerhin auf dem 75. Rang, während das Goms<br />
den zweitletzten Platz innehat. Von den <strong>Oberwallis</strong>er Regionen gelingt es einzig Brig, sich vor<br />
ein Unterwalliser Gebiet zu positionieren. Die übrigen <strong>Oberwallis</strong>er Gebiete rangieren nicht nur<br />
im Vergleich der in Abbildung 6 dargestellten Regionen am hinteren Ende, sondern auch<br />
schweizweit. Lediglich der Jura <strong>und</strong> die ländlichen Neuenburger Regionen weisen eine ähnlich<br />
tief bewertete Standortqualität auf. <strong>Der</strong> Vergleich mit den Top-Tourismusregionen offenbart,<br />
dass die Bündner Gebiete Davos <strong>und</strong> Oberengadin mit St. Moritz höhere Werte der Standortqualität<br />
erzielen, während sich die Berner Tourismusregionen Berner Oberland-Ost <strong>und</strong> Saanen/Obersimmental<br />
zwischen den <strong>Wallis</strong>er Regionen Sierre, Martigny <strong>und</strong> Visp mit den jeweiligen<br />
Tourismusmagneten Crans-Montana, Verbier bzw. Zermatt positionieren.<br />
Abbildung 7 <strong>und</strong> Abbildung 8 stellen die einzelnen Komponenten des Standortqualitätsindikators<br />
für die betrachteten Regionen dar. Die grössten Unterschiede zwischen den <strong>Wallis</strong>er Regionen<br />
zeigen sich bei den Bildungsfaktoren. Sowohl Sierre als auch Sion liegen bei der Verfügbarkeit<br />
von Hochqualifizierten im Schweizer Mittel; die Region Sierre rangiert hierbei schweizweit auf<br />
einem guten 31. Rang. Dies ist mit ein Gr<strong>und</strong>, dass diese Region alles in allem die höchste<br />
Standortqualität im <strong>Kanton</strong> <strong>Wallis</strong> erreicht. Hingegen weisen sämtliche <strong>Oberwallis</strong>er Regionen,<br />
aber auch Martigny <strong>und</strong> Monthey/St. Maurice unterdurchschnittliche Werte bezüglich tertiär<br />
Ausgebildeten auf. Insgesamt unterscheidet sich das Unter- vom <strong>Oberwallis</strong> hinsichtlich Bildungssituation<br />
der Bevölkerung deutlich. Gibt es mit den Unterwalliser Regionen Sierre <strong>und</strong><br />
Sion Lichtblicke, welche den <strong>Kanton</strong> insgesamt im Vergleich der Schweizer Berggebiete relativ<br />
gut dastehen lassen, leidet das <strong>Oberwallis</strong> besonders an einem Mangel an Hochqualifizierten;<br />
einzig die Region Brig liegt beim durchschnittlichen Bildungsstand im Schweizer Mittel <strong>und</strong> bei<br />
der Verfügbarkeit von Hochqualifizierten nur leicht hinter Sion <strong>und</strong> Sierre.<br />
Steuerattraktivität für<br />
juristische Personen<br />
Ausbildungsstand<br />
der Bevölkerung<br />
Abbildung 8<br />
Komponenten der Standortqualität für die<br />
Unterwalliser Regionen 2009<br />
Synthetische Indikatoren, CH = 0<br />
Verkehrstechnische<br />
Erreichbarkeit<br />
Schweiz<br />
<strong>Kanton</strong> <strong>Wallis</strong><br />
Monthey/St. Maurice<br />
Martigny<br />
Sion<br />
Sierre<br />
Aigle<br />
La Gruyère<br />
Vevey/Lavaux<br />
Steuerattraktivität für natürliche Personen<br />
1.0<br />
Verfügbarkeit von<br />
Hochqualifizierten<br />
0.5<br />
0.0<br />
-0.5<br />
-1.0<br />
-1.5<br />
Quelle: Credit Suisse Economic Research<br />
Steuerattraktivität für<br />
juristische Personen<br />
Ausbildungsstand<br />
der Bevölkerung<br />
<strong>Der</strong> geringe Anteil an Hochqualifizierten im <strong>Oberwallis</strong> lässt sich durch die gebirgige <strong>und</strong> periphere<br />
Lage erklären, welche schweizweit mit einem tieferen durchschnittlichen Bildungsstand<br />
<strong>und</strong> einer Nettoabwanderung von gut Ausgebildeten einhergeht. Aufgr<strong>und</strong> der beschränkten<br />
Möglichkeiten von Randgebieten, genügend attraktive Arbeitsplätze für Hochqualifizierte anzubieten,<br />
verlagern diese ihren Wohnort oft in die Nähe ihrer Arbeitsstelle. Mit zunehmender Distanz<br />
zu potentiellen Arbeitsplätzen sinkt die Pendlertoleranz <strong>und</strong> der Abwanderungsdruck steigt.<br />
Swiss Issues Regionen 15
Braindrain im <strong>Wallis</strong>: Analyse <strong>und</strong> Lösungen<br />
Economic Research<br />
Zum Zweck der Quantifizierung der Abwanderung, der Ermittlung der Abwanderungsgründe<br />
<strong>und</strong> der Erarbeitung von Empfehlungen zuhanden der Entscheidungsträger wurde eine<br />
empirische Untersuchung der Arbeitsmarktbeobachtung <strong>Wallis</strong> zur Abwanderung von<br />
Kompetenzen von <strong>Wallis</strong>er <strong>und</strong> <strong>Wallis</strong>erinnen durchgeführt. Mittels Erhebungen per Fragebogen<br />
<strong>und</strong> Interviews wurden von r<strong>und</strong> 1'000 Maturanden (1996, 1997) <strong>und</strong> Absolventen<br />
von Universitäten <strong>und</strong> Fachhochschulen (2000, 2001) unter anderem die Wohn- <strong>und</strong> Arbeitsorte,<br />
die Motivationen hinter den vergangenen <strong>und</strong> zukünftigen Migrationsentscheiden<br />
sowie die persönlichen Einschätzungen über die <strong>Wallis</strong>er Standortqualität evaluiert. Anhand<br />
von unterschiedlichen Methoden wurde der Braindrain geschätzt <strong>und</strong> mit Analysen der<br />
Volkszählung verglichen. Selbst mit der Volkszählung lässt sich die tatsächliche Nettoabwanderung<br />
von Hochqualifizierten aber nur schätzen.<br />
Aus der Betrachtung der Fragebögen ergibt sich, dass zwischen 54% <strong>und</strong> 63% der <strong>Wallis</strong>er<br />
mit einem tertiären Diplom aus dem <strong>Wallis</strong> weggezogen sind. Dies entspricht der Bruttoabwanderung,<br />
da die Zuwanderung von Hochqualifizierten nicht betrachtet wird. Die Universitätsabgänger,<br />
wovon 27% an der Universität Lausanne studiert haben, ziehen dabei<br />
häufiger weg als Fachhochschulabgänger, <strong>und</strong> die Wahrscheinlichkeit eines Wegzugs erhöht<br />
sich, falls die Ausbildung ausserkantonal stattfindet. So wanderten 70% der Personen,<br />
die ausserkantonal studierten ab, hingegen nur 53% jener, die im <strong>Wallis</strong> studierten.<br />
Eine Analyse der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete (SAB) anhand<br />
der Volkszählungsdaten von 1990 kommt zum Schluss, dass die Nettoabwanderung von<br />
Hochqualifizierten bzw. der Netto-Braindrain im <strong>Kanton</strong> <strong>Wallis</strong> ungefähr bei 40% liegt.<br />
Dieser Prozentanteil wird als Vergleich zwischen dem Anteil der Hochschulabschlüsse in<br />
einer Zeitperiode <strong>und</strong> dem Anteil der <strong>Wallis</strong>er Bevölkerung mit Hochschulabschluss zum<br />
Zeitpunkt der Volkszählung ermittelt. <strong>Der</strong> Anteil der Bevölkerung mit einem Hochschulabschluss<br />
ist im Fall von Braindrain deutlich kleiner, als er aufgr<strong>und</strong> der eigenen Ausbildungsabschlüsse<br />
bei keiner Zu- oder Abwanderung sein würde. Aus dem Vergleich mit<br />
den übrigen Bergkantonen lässt sich abschätzen, dass der <strong>Kanton</strong> <strong>Wallis</strong> zusammen mit<br />
Uri am stärksten von Braindrain betroffen ist; so zum Beispiel liegt die Quote deutlich höher<br />
als in den <strong>Kanton</strong>en Graubünden oder Glarus. Das <strong>Wallis</strong> verliert somit einen beträchtlichen<br />
Anteil seiner im <strong>Kanton</strong> oder an den ausserkantonalen Universitäten ausgebildeten<br />
Personen.<br />
Neben den finanziellen Einbussen der Abwanderung, welche auf jährlich r<strong>und</strong> 90 Mio. CHF<br />
beziffert werden, erleidet der <strong>Kanton</strong> einen Verlust für die wirtschaftliche Entwicklung, die<br />
Innovationsfähigkeit sowie für das soziale <strong>und</strong> kulturelle Engagement. Als Hauptgründe für<br />
den Wegzug zeigen sich bei den Befragungen die fehlenden Arbeitsstellen <strong>und</strong> Weiterbildungsangebote,<br />
die mangelnden Karrieremöglichkeiten sowie die Nähe zu einem urbanen<br />
Zentrum. Als sek<strong>und</strong>är geben die <strong>Wallis</strong>er Mentalitäten vor Ort <strong>und</strong> die höheren Einkommen<br />
als Gr<strong>und</strong> an. Laut den Antworten spielen Lebensqualität <strong>und</strong> Steuern hingegen eine<br />
geringere Rolle. Insgesamt scheinen die Befragten mit der Infrastruktur, den Dienstleistungen<br />
<strong>und</strong> den Rahmenbedingungen im <strong>Wallis</strong> zufrieden zu sein, wenn auch beim öffentlichen<br />
Verkehr Schwächen ausgemacht werden. Insgesamt wird die wirtschaftliche Dynamik<br />
von den <strong>Oberwallis</strong>ern deutlich negativer beurteilt als von den Unterwallisern. Ein gewisses<br />
Potential für eine Rückkehr von Hochqualifizierten scheint aber laut Studie vorhanden zu<br />
sein, da viele Weggezogene sich eine Rückkehr prinzipiell vorstellen könnten, welche aber<br />
häufig an mangelnden Arbeitsstellen scheitert.<br />
Nicht zuletzt an diesem Punkt setzt die Gründung des Netzwerks VS-Link an. Als Reaktion<br />
auf die Abwanderung von Kompetenzen hat der <strong>Kanton</strong> <strong>Wallis</strong> mit der Unterstützung des<br />
Staatssekretariats für Wirtschaft <strong>und</strong> in Zusammenarbeit mit der <strong>Wallis</strong>er Industrie- <strong>und</strong><br />
Handelskammer 2005 ein Netzwerk lanciert, das eine Brücke zwischen <strong>Wallis</strong>er Unternehmen<br />
<strong>und</strong> hochqualifizierten <strong>Wallis</strong>erinnen <strong>und</strong> <strong>Wallis</strong>ern schlagen soll. Die Ziele lauten:<br />
Schaffen von Stellen <strong>und</strong> einer Praktikabörse; Porträts von <strong>Wallis</strong>er Firmen, Veranstaltungen<br />
mit <strong>Wallis</strong>er Unternehmen <strong>und</strong> Hochqualifizierten.<br />
Swiss Issues Regionen 16
Standortnachteil bei der<br />
Besteuerung der<br />
natürlichen Personen<br />
Erreichbarkeit als Schlüsselfaktor,<br />
um Standortvorteile<br />
auszuspielen<br />
Economic Research<br />
Laut eigener Analyse der letzten Volkszählung erlitten die Regionen Goms, Leuk <strong>und</strong> Visp zwischen<br />
1995 <strong>und</strong> 2000 eine deutliche Nettoabwanderung von tertiär Ausgebildeten, während die<br />
Region Brig eine leichte Nettozuwanderung verzeichnete. Die Unterwalliser Regionen konnten in<br />
dieser Periode sogar eine Nettozuwanderung aus den übrigen Schweizer Regionen verzeichnen.<br />
In diesem Zusammenhang profitieren speziell die Regionen Monthey/St. Maurice <strong>und</strong> Martigny<br />
von der Nähe zum Metropolitanraum Genf-Lausanne <strong>und</strong> vermögen gemäss Migrationsmuster<br />
speziell Familien <strong>und</strong> Personen über 40 Jahren anzuziehen. Es lässt sich abschätzen, dass unter<br />
den hochqualifizierten Zuwanderern aus Bern aber auch aus Zürich zahlreiche Rückkehrer sind.<br />
Bei den Zuwanderern aus den <strong>Kanton</strong>en Waadt, Genf <strong>und</strong> Fribourg wird hingegen ein grösserer<br />
Teil "Neuwalliser" dabei sein.<br />
Die Problematik des Wegzugs von Talenten ist für den <strong>Kanton</strong> <strong>Wallis</strong> umso härter, als bei den<br />
Jugendlichen eine hohe Neigung zu einer höheren Ausbildung besteht. Zwar hat die gymnasiale<br />
Maturitätsquote in den letzten Jahren leicht abgenommen, lag aber 2008 mit 18.8% nur leicht<br />
unter dem Schweizer Mittel von 19.7%. Bei den universitären Abschlüssen liegt der <strong>Kanton</strong><br />
<strong>Wallis</strong> sogar leicht über dem Schweizer Mittel. Das Problem des Braindrains ist dem <strong>Kanton</strong><br />
<strong>Wallis</strong> längst bekannt <strong>und</strong> steht seit geraumer Zeit auf der politischen Agenda. Durch gezielte<br />
Investitionen in die allgemeine <strong>und</strong> speziell in die Berufsausbildung, welche den Anforderungen<br />
des lokalen Arbeitsmarktes entsprechen, kann zudem der allgemeine Ausbildungsstand der<br />
<strong>Wallis</strong>er Bevölkerung verbessert werden. Eine breite <strong>und</strong> gute Berufsqualifikation der Arbeitnehmerschaft<br />
spielt insbesondere für kleine <strong>und</strong> mittlere Unternehmen eine entscheidende Rolle.<br />
In Bezug auf die steuerliche Attraktivität für natürliche Personen werden für sämtliche Regionen<br />
des <strong>Wallis</strong> unterdurchschnittliche Werte erreicht. Während die <strong>Oberwallis</strong>er Regionen, die sich<br />
wirtschaftlich stärker Richtung Bern orientieren, immerhin im Vergleich zu diesen direkten Konkurrenten<br />
um Wohnbevölkerung eine attraktivere Positionierung aufweisen, sieht dies beim Unterwallis<br />
anders aus. Das Unterwallis, welches viele Pendler in Richtung <strong>Kanton</strong> Waadt zählt,<br />
schneidet bezüglich Besteuerung von natürlichen Personen deutlich unattraktiver ab als die umliegenden<br />
ausserkantonalen Regionen. Liegen die Waadtländer Regionen im Schweizer Vergleich<br />
bloss im Durchschnitt, sind sie innerhalb der Westschweiz am attraktivsten. Bezüglich<br />
Unternehmensbesteuerung sind sämtliche <strong>Wallis</strong>er Regionen leicht überdurchschnittlich attraktiv.<br />
Hier weist das <strong>Wallis</strong> demnach einen Standortvorteil gegenüber Konkurrenzgebieten für potentiell<br />
zuziehende Unternehmen oder Unternehmensneugründungen auf. Es gilt jedoch zu beachten,<br />
dass eine vergleichsweise tiefe Steuerbelastung für Unternehmen den vielversprechendsten<br />
Effekt in Kombination mit einer attraktiven Besteuerung für natürliche Personen hat.<br />
Die Besteuerung der natürlichen Personen beeinflusst über den Kanal der Standortgunst zunehmend<br />
auch die Attraktivität für Unternehmen.<br />
3.3 Verkehrstechnische Erreichbarkeit<br />
Die verkehrstechnische Erreichbarkeit einer Region für Güter, Dienstleistungen, Arbeit, Kapital<br />
<strong>und</strong> Wissen ist im Wettlauf der Standorte ein wichtiger Faktor. Über einen Ausbau oder eine<br />
bessere Verknüpfung der Verkehrsangebote lassen sich die Kosten der Raumüberwindung senken<br />
<strong>und</strong> damit die Erreichbarkeitsverhältnisse verändern. <strong>Der</strong> Abbau von Distanzhemmnissen<br />
führt zu einer Vergrösserung der Marktgebiete, einer besseren Erschliessung von Ressourcen<br />
<strong>und</strong> ermöglicht flexiblere Produktionsprozesse. Gr<strong>und</strong>sätzlich erlaubt eine höhere Erreichbarkeit<br />
die verstärkte Ausnutzung von Standortunterschieden <strong>und</strong> wird dadurch zu einem bedeutenden<br />
Standortfaktor. Auch für die verschiedenen Bevölkerungsgruppen bestimmt die Erreichbarkeit<br />
von Arbeitsplätzen, Einkaufs- <strong>und</strong> Freizeitmöglichkeiten in hohem Mass die Lebensqualität an<br />
einem Standort.<br />
Nur in Kombination mit den lokal vorherrschenden verkehrstechnischen Erreichbarkeitsverhältnissen<br />
lässt sich eine schlüssige <strong>und</strong> abschliessende Beurteilung der einzelnen Standortkomponenten<br />
<strong>und</strong> der Standortqualität als Ganzes vornehmen. Auch wenn die Erreichbarkeit im <strong>Wallis</strong><br />
aufgr<strong>und</strong> der topographischen Bedingungen zu einem beträchtlichen Teil naturgegeben ist <strong>und</strong><br />
nur innerhalb eines gewissen Spektrums exogen verändert werden kann, muss sie aufgr<strong>und</strong> ihres<br />
grossen Einflusses für Unternehmen, Pendler <strong>und</strong> für den Immobilienmarkt bei der Beurtei-<br />
Swiss Issues Regionen 17
Economic Research<br />
lung der Standortqualität <strong>und</strong> bei möglichen politischen Handlungsempfehlungen berücksichtigt<br />
werden.<br />
Abbildung 9<br />
Verkehrstechnische Erreichbarkeit im <strong>Kanton</strong> <strong>Wallis</strong> 2009<br />
Synthetischer Indikator, CH = 0; Auswertung der Netze des motorisierten Individualverkehrs <strong>und</strong> des öffentlichen Verkehrs<br />
Verkehrstechnische<br />
Erreichbarkeit<br />
2.0 - 2.1<br />
1.7 - 1.9<br />
1.3 - 1.6<br />
1.0 - 1.2<br />
0.7 - 0.9<br />
0.4 - 0.6<br />
0.1 - 0.3<br />
-0.2 - 0.0<br />
-0.4 - -0.3<br />
-0.6 - -0.5<br />
-0.8 - -0.7<br />
-1.0 - -0.9<br />
-1.2 - -1.1<br />
-1.5 - -1.3<br />
Genève<br />
Nyon<br />
Hauptverkehrsstrassen<br />
<strong>Wallis</strong><br />
0 10 20 km<br />
Lausanne<br />
Neuchâtel<br />
Montreux<br />
Aigle<br />
Monthey<br />
Biel<br />
Fribourg<br />
Gstaad<br />
Martigny Verbier<br />
Quelle: Credit Suisse Economic Research, SBB, diverse Lokalverkehrsunternehmen, Geostat, DDS<br />
Topographie <strong>und</strong> Gewässer<br />
hemmen die Erreichbarkeit<br />
Sion<br />
Bern<br />
Solothurn<br />
Sierre<br />
Kandersteg<br />
Zermatt<br />
Interlaken<br />
Visp<br />
Grindelwald<br />
Brig-Glis<br />
Luzern<br />
Engelberg<br />
Oberwald<br />
Erreichbarkeit ist eine vielschichtige Grösse. Sie deckt nicht nur die reine Fahrzeit ab, sondern<br />
auch das jeweils erreichbare Potential an einem Standort. Vereinfacht kann die verkehrstechnische<br />
Erreichbarkeit verstanden werden als Summe der Vorteile, welche sich aus der Nähe zu<br />
Ballungsräumen ergeben. <strong>Der</strong> resultierende Indikator kann also als Mass der Zentralität interpretiert<br />
werden. Dieser Indikator wird aufgr<strong>und</strong> von Verkehrsnetzwerken berechnet. Die Knoten<br />
dieser Netze stellen die Ballungsräume dar, <strong>und</strong> die Verbindungen werden anhand der Fahrzeiten<br />
ausgedrückt. Für das Potential an Attraktionsmöglichkeiten <strong>und</strong> das Gewicht ökonomischer<br />
Aktivitäten werden Bevölkerungs- <strong>und</strong> Arbeitsplatzzahlen verwendet. Mit anderen Worten wird<br />
davon ausgegangen, dass ein Zielort umso attraktiver ist, je mehr Einwohner <strong>und</strong> Arbeitsplätze<br />
er aufweist.<br />
<strong>Der</strong> Mittelwert der Erreichbarkeitspotentiale aus den beiden Verkehrsträgern motorisierter Individualverkehr<br />
<strong>und</strong> öffentlicher Verkehr ergibt den Indikator der verkehrstechnischen Erreichbarkeit.<br />
Die Werte für die <strong>Wallis</strong>er Gemeinden <strong>und</strong> die umliegenden Gebiete sind in Abbildung 9<br />
aufgetragen. Deutlich erkennbar ist die grosse Differenz zwischen den grösseren Zentren <strong>und</strong><br />
den ländlichen <strong>und</strong> peripheren Regionen der Westschweiz. Die Zentren <strong>und</strong> deren Agglomerationen<br />
weisen jeweils eine hohe Erreichbarkeit aus. Die dicht ausgebauten Verkehrsnetze <strong>und</strong><br />
Swiss Issues Regionen 18
Unterschiede beim Erreichbarkeitspotential<br />
zwischen<br />
Unter- <strong>und</strong> <strong>Oberwallis</strong><br />
Economic Research<br />
die Rolle der Zentren als Verkehrsknotenpunkte ermöglichen schnelle Verbindungen in die bevölkerungs-<br />
<strong>und</strong> beschäftigungsreichsten Ballungszentren. Hierbei ist zu erwähnen, dass die<br />
wirtschaftlich dynamischen Regionen um den Genfersee herum aufgr<strong>und</strong> der Schweizer Grenze,<br />
welche trotz Berücksichtigung des grenznahen Auslands das Potential an umliegenden Einwohnern<br />
<strong>und</strong> Arbeitsplätzen einschränkt, im Vergleich mit den grossen urbanen Zentren der<br />
Deutschschweiz etwas tiefere Erreichbarkeitswerte aufweisen.<br />
Die anspruchsvolle Gebirgslage dominiert im <strong>Wallis</strong> naturgemäss die verkehrstechnische Erreichbarkeit<br />
<strong>und</strong> manifestiert sich in klaren Unterschieden zwischen Tal- <strong>und</strong> Berggemeinden<br />
sowie zwischen Unter- <strong>und</strong> <strong>Oberwallis</strong>. Die besten Erreichbarkeitswerte liegen – nicht überraschend<br />
– in der Agglomeration Monthey, welche von ihrer Nähe zu den Ballungsräumen des<br />
Genferseebogens profitiert. Die Erreichbarkeit der restlichen Gebiete nimmt mit zunehmender<br />
Distanz zum Metropolitanraum Genf-Lausanne kontinuierlich ab.<br />
Abbildung 10<br />
Einzugsgebiet der Gemeinde Brig-Glis<br />
Fahrzeiten mit dem motorisierten Individualverkehr in Minuten<br />
Yverdon-les-Bains<br />
Yverdon<br />
Payerne<br />
Aaretal<br />
Schwarzwasser<br />
La Sarine<br />
Thun<br />
Sense<br />
SarneraatalNidwalden/Engelberg<br />
Meiringen<br />
La Broye<br />
Glâne/Veveyse Bulle<br />
La Gruyère<br />
Thun<br />
Spiez Interlaken<br />
BernerOberland-Ost<br />
Grindelwald<br />
Uri<br />
Surselva<br />
Andermatt<br />
Lausanne<br />
Oberwald Airolo<br />
Pully<br />
Kandertal<br />
Vevey/Lavaux Saanen/Obersimmental Kandersteg<br />
Vevey<br />
Pays d'Enhaut<br />
Montreux<br />
Tre Valli<br />
Aigle Aigle<br />
Monthey<br />
Martigny<br />
Verbier<br />
Sion<br />
Sierre<br />
Quelle: Credit Suisse Economic Research, Geostat, DDS<br />
Zermatt<br />
Visp<br />
Brig-Glis<br />
Locarno<br />
Einzugsgebiet von Brig-Glis<br />
- 10 Minuten<br />
10 - 20 Minuten<br />
20 - 30 Minuten Bellinzona<br />
30 - 40 Minuten<br />
40 - 50 Minuten<br />
50 - 60 MinutenLugano<br />
60 - 90 Minuten<br />
<strong>Wallis</strong><br />
Hauptverkehrsstrassen<br />
0 15 30 km<br />
Um einen Überblick über die von <strong>Wallis</strong>er Ortschaften aus erreichbaren Regionen zu geben,<br />
haben wir in Abbildung 10 <strong>und</strong> Abbildung 11 als Beispiele die Einzugsgebiete mit dem motorisierten<br />
Individualverkehr von Brig-Glis <strong>und</strong> von Monthey dargestellt. Abbildung 12 fasst die<br />
Fahrzeiten mit dem Zug ab Brig-Glis <strong>und</strong> Sion gemäss aktuellem Fahrplan zusammen. Während<br />
die Wegpendler aus dem <strong>Oberwallis</strong> sich traditionell in Richtung Bern orientieren, wodurch der<br />
Lötschberg-Basistunnel für den Alltag der Pendler eine deutliche Fahrzeitverkürzung darstellt,<br />
orientieren sich die Unterwalliser Richtung Lausanne. Bei den Unterwalliser Pendlern spielt der<br />
motorisierte Individualverkehr eine wichtigere Rolle. Aus den beiden Darstellungen geht unter<br />
anderem hervor, dass das Einzugsgebiet für einen Unterwalliser flächenmässig breiter ist <strong>und</strong><br />
darüber hinaus ein grösseres Potential an erreichbaren Arbeits- <strong>und</strong> Freizeitmöglichkeiten bietet.<br />
Dennoch ist selbst von Monthey aus – der westlichsten Agglomeration im <strong>Wallis</strong> − ein realistisches<br />
Einzugsgebiet nicht grenzenlos. Dies tritt klar zutage, wenn man die Fahrzeiten mit der<br />
aus der Volkszählung 2000 abgeleiteten Pendlertoleranz vergleicht. So nehmen im motorisierten<br />
Individualverkehr nur noch gut 19% der Pendler eine Fahrzeit von über 30 Minuten in Kauf; die<br />
Fahrzeit von Monthey nach Lausanne beträgt ungefähr 37 Minuten. Diese Tatsache berücksichtigen<br />
wir bei der Gewichtung der Potentiale in unserem Gesamtindex der Erreichbarkeit mit<br />
dem schon genannten Resultat, dass selbst die Unterwalliser Regionen keine überdurchschnittlichen<br />
Erreichbarkeitswerte aufweisen.<br />
Swiss Issues Regionen 19
Lötschberg-Basistunnel mit<br />
positiven Impulsen auf Tagestourismus<br />
Abbildung 11<br />
Einzugsgebiet der Gemeinde Monthey<br />
Fahrzeiten mit dem motorisierten Individualverkehr in Minuten<br />
Economic Research<br />
Erlach/Seeland Burgdorf Willisau Einzugsgebiet Luzernvon<br />
Monthey<br />
La Chaux-de-FondsNeuchâtel<br />
Bern<br />
Nidwalden/Engelberg<br />
- 10 Minuten<br />
MuriWorb Stans<br />
Val-de-Travers<br />
Murten(Morat) Köniz<br />
Entlebuch<br />
10 - 20 Sarnen Minuten<br />
AaretalOberesEmmental<br />
20 - 30 Minuten<br />
Payerne<br />
30 - 40 MinutenEngelberg<br />
Yverdon<br />
Sarneraatal<br />
La Sarine<br />
40 - 50 Minuten<br />
SenseSchwarzwasser<br />
Yverdon-les-Bains<br />
La Broye<br />
Thun<br />
50 - Meiringen 60 Minuten<br />
Uri<br />
Spiez Interlaken 60 - 90 Minuten<br />
Thun<br />
Gros-de-Vaud<br />
<strong>Wallis</strong><br />
BernerOberland-Ost Andermatt<br />
Glâne/Veveyse<br />
Grindelwald Hauptverkehrsstrassen<br />
La Vallée<br />
La Gruyère<br />
0 12.5 25 km<br />
Lausanne<br />
Oberwald<br />
Morges/Rolle Pully<br />
Pays d'Enhaut Kandertal<br />
Tre Valli<br />
Vevey/Lavaux<br />
Nyon Gland<br />
Vevey Saanen/Obersimmental<br />
Nyon<br />
Montreux<br />
Versoix<br />
Meyrin<br />
Genève Thônex<br />
Onex<br />
Bernex<br />
Aigle Aigle<br />
Monthey<br />
Quelle: Credit Suisse Economic Research, Geostat, DDS<br />
Martigny Verbier<br />
Sion<br />
Sierre<br />
Zermatt<br />
Visp<br />
Brig-Glis<br />
Locarno<br />
Die verkehrstechnische Erreichbarkeit ist derjenige Faktor im Standortqualitätsindikator, welcher<br />
sich am schwierigsten beeinflussen lässt. Eingeschränkt durch unveränderbare geographische<br />
<strong>und</strong> topographische Gegebenheiten einer Region, können Attraktivitätsverbesserungen nur<br />
durch langwierige <strong>und</strong> kostenintensive Infrastrukturinvestitionen erreicht werden. Solch eine<br />
kostenintensive Infrastrukturinvestition wurde bekanntlich mit dem Lötschberg-Basistunnel vollzogen.<br />
Abbildung 12<br />
Reisezeit mit dem öffentlichen Verkehr ab Brig-Glis <strong>und</strong> Sion<br />
Fahrzeiten mit dem Zug in Minuten, schnellste Verbindungen zwischen 6.00-7.00 Uhr<br />
Reisezeit von Brig-Glis Reisezeit von Sion<br />
Zielort Fahrzeit Zielort Fahrzeit<br />
Visp 8 Sierre 10<br />
Leuk 21 Martigny 14<br />
Sierre 29 Leuk 18<br />
Spiez 36 Visp 28<br />
Sion 40 Aigle 31<br />
Thun 47 Montreux 42<br />
Martigny 54 Vevey 49<br />
Bern 65 Spiez 60<br />
Aigle 71 Lausanne 68<br />
Montreux 82 Thun 70<br />
Vevey 89 Morges 77<br />
Fribourg 96 Bern 89<br />
Biel 107 Yverdon 90<br />
Lausanne 108 Nyon 93<br />
Genf 107<br />
Neuchâtel 108<br />
Fribourg 116<br />
Quelle: Credit Suisse Economic Research, SBB<br />
Swiss Issues Regionen 20
Betrachtung der Steuerbelastung<br />
alleine greift bei<br />
Wohnattraktivität zu kurz<br />
Economic Research<br />
Dieser Tunnel hat nun speziell dem <strong>Oberwallis</strong> das Mittelland deutlich näher gebracht. Mit einer<br />
knappen St<strong>und</strong>e Reisezeit ins Zentrum Bern bleibt die Distanz für Pendler aber vergleichsweise<br />
hoch. Ausserdem müssen Einwohner anderer <strong>Oberwallis</strong>er Gemeinden zuerst den Weg nach<br />
Visp einplanen. Zwar liegt die Fahrzeittoleranz beim öffentlichen Verkehr höher als beim motorisierten<br />
Individualverkehr, dennoch nehmen nur r<strong>und</strong> 17% eine Fahrzeit von einer St<strong>und</strong>e oder<br />
länger in Kauf. Entsprechend erwarten wir auch keinen grossen Effekt auf den oben beschriebenen<br />
Braindrain im <strong>Oberwallis</strong>. Da wir das Pendlerverhalten als Gr<strong>und</strong>lage für unsere verkehrstechnische<br />
Erreichbarkeit verwenden, bleibt der Effekt für das <strong>Oberwallis</strong> beim Standortqualitätsindikator<br />
bescheiden. Da hingegen die Fahrzeittoleranz für Touristen erfahrungsgemäss<br />
deutlich höher liegt als diejenige von Pendlern, kann man den grössten Effekt des Lötschberg-<br />
Basistunnels vor allem im Tourismus − insbesondere im Tagestourismus − erwarten.<br />
3.4 Frei verfügbares Einkommen als Parameter der finanziellen Wohnattraktivität<br />
Regionale Unterschiede in der Steuerbelastung <strong>und</strong> steuergünstige Wohngemeinden sind in<br />
aller M<strong>und</strong>e. Die Vorstellung, mit einem Umzug seine Steuerbelastung zu senken, klingt verlockend.<br />
Vornehmlich in der Deutschschweiz haben sich infolge des regen Steuerwettbewerbs<br />
zwischen <strong>Kanton</strong>en neue steuergünstige Alternativen angeboten. Jedoch greifen Vergleiche der<br />
Steuerbelastung alleine zu kurz. Neben den staatlich festgelegten Zwangsabgaben sind einige<br />
(zumindest teilweise) durch den Wettbewerb festgelegte Preise grossen regionalen Unterschieden<br />
unterworfen. So sind etwa Miet- <strong>und</strong> Kaufpreise für Immobilien in sämtlichen Städten deutlich<br />
höher als auf dem Land. Auch die obligatorischen Krankenkassenprämien sind von grossen<br />
regionalen <strong>und</strong> zeitlichen Schwankungen geprägt. Nicht zu vergessen <strong>und</strong> zu vernachlässigen<br />
sind Gebühren wie etwa Abfall- oder Abwasserkosten sowie die Elektrizitätskosten, welche sich<br />
von Gemeinde zu Gemeinde unterscheiden. Ein reiner Vergleich der Steuerbelastung vernachlässigt<br />
demzufolge die Tatsache, dass die Vorzüge eines Standortes sich in Analogie zu jedem<br />
anderen Gut in den Kosten vor Ort widerspiegeln. Zur umfassenden Beurteilung von Vor- <strong>und</strong><br />
Nachteilen einzelner Wohnregionen hat die Credit Suisse einen Indikator entwickelt, der das frei<br />
verfügbare Einkommen misst, indem er alle obligatorischen Abgaben <strong>und</strong> die durch ihren existenziellen<br />
Charakter notwendigen <strong>und</strong> wohnortsabhängigen Fixkosten berücksichtigt. <strong>Der</strong> RDI-<br />
Indikator (Regional Disposable Income) stellt die zentrale finanzielle Optimierungsgrösse der<br />
Wohnortwahl dar.<br />
Abbildung 13<br />
Frei verfügbares Einkommen in den Schweizer Gemeinden 2008<br />
Synthetischer Indikator, CH = 0<br />
RDI-Indikator<br />
2.1 - 2.5<br />
1.8 - 2.0<br />
1.5 - 1.7<br />
1.2 - 1.4<br />
0.9 - 1.1<br />
0.6 - 0.8<br />
0.1 - 0.5<br />
-0.2 - 0.0<br />
-1.1 - -0.3<br />
-2.5 - -1.2<br />
-5.1 - -2.6<br />
Genève<br />
Hauptverkehrsstrassen<br />
<strong>Wallis</strong><br />
0 10 20 km<br />
Nyon<br />
Quelle: Credit Suisse Economic Research, Geostat, DDS<br />
Lausanne<br />
Montreux<br />
Aigle<br />
Monthey<br />
Fribourg<br />
Gstaad<br />
Martigny Verbier<br />
Sion<br />
Sierre<br />
Kandersteg<br />
Zermatt<br />
Interlaken<br />
Visp<br />
Grindelwald<br />
Brig-Glis<br />
Engelberg<br />
Oberwald<br />
Locarno<br />
Swiss Issues Regionen 21
Hohes verfügbares<br />
Einkommen in den meisten<br />
<strong>Wallis</strong>er Gemeinden<br />
Tiefe Krankenkassenprämien<br />
kompensieren höhere<br />
Einkommenssteuern<br />
<strong>Kanton</strong> <strong>Wallis</strong> mit Rangverlust<br />
im nationalen Vergleich<br />
Economic Research<br />
Die Gemeinden als tiefste Verwaltungsstufe der Schweizer Staatsordnung sind als Betrachtungsebene<br />
für das verfügbare Einkommen optimal geeignet, da die meisten Komponenten der<br />
finanziellen Wohnattraktivität entweder von lokal administrierten Preisen tangiert werden oder<br />
aber Güter von lokal abgegrenzten Märkten darstellen. Die RDI-Werte für die <strong>Wallis</strong>er <strong>und</strong> umliegende<br />
Gemeinden sind in Abbildung 13 dargestellt. Positive Werte des RDI kennzeichnen höhere,<br />
negative Werte tiefere frei verfügbare Einkommen im Vergleich zum Schweizer Mittel. In<br />
fast sämtlichen <strong>Wallis</strong>er Gemeinden fällt das frei verfügbare Einkommen im Schweizer Vergleich<br />
hoch bis sehr hoch aus. Einzelne <strong>Oberwallis</strong>er Gemeinden wie Bister können sich sogar<br />
schweizweit <strong>und</strong> nur knapp hinter einzelnen Gemeinden aus Graubünden, Schwyz <strong>und</strong> Appenzell<br />
Innerrhoden an der Spitze placieren. Während etwa die Schwyzer Gemeinden von den tiefen<br />
Einkommens- <strong>und</strong> Vermögenssteuern profitieren, beruht die hohe finanzielle Wohnattraktivität<br />
der <strong>Wallis</strong>er Gemeinden auf tiefen Fixkosten. Hierbei sind insbesondere die in den meisten Gemeinden<br />
noch moderaten Immobilienpreise. Darüber hinaus fallen die tiefen Krankenkassenprämien<br />
− insbesondere in der Prämienregion <strong>Oberwallis</strong>, zu der einzelne Gebiete von Sierre<br />
<strong>und</strong> Sion gehören − stärker ins Gewicht als allgemein angenommen.<br />
Als Gegenpol zu den <strong>Wallis</strong>er Gemeinden illustriert das Ergebnis von Genf die Problematik der<br />
Grosszentren, welche aufgr<strong>und</strong> ihrer überregionalen Ausstrahlung Zentrumslasten in den Bereichen<br />
Sozialwesen, Ges<strong>und</strong>heit oder Verkehrsinfrastruktur zu tragen haben, gepaart mit sehr<br />
teurem Wohnraum. Eine Darstellung der Positionierung der Schweizer <strong>Kanton</strong>e bezüglich Ausgabenkomponenten<br />
zeigt Abbildung 14. Tiefe Krankenkassenprämien lassen den <strong>Kanton</strong> <strong>Wallis</strong><br />
im Vergleich beispielsweise zum <strong>Kanton</strong> Waadt trotz relativ höheren Einkommenssteuern in Bezug<br />
auf die obligatorischen Abgaben attraktiver dastehen. Insgesamt lassen sich aus Abbildung<br />
14 wichtige Zusammenhänge von wohnortsgeb<strong>und</strong>enen Abgaben <strong>und</strong> Preisen erkennen. So<br />
geht derweilen in mehreren <strong>Kanton</strong>en die steuerliche Attraktivität mit zunehmenden Boden- <strong>und</strong><br />
Immobilienpreisen einher. Die <strong>Kanton</strong>e Schwyz <strong>und</strong> Zug, welche bezüglich obligatorischen Abgaben<br />
zu den attraktivsten <strong>Kanton</strong>en in der Schweiz gehören, sind aufgr<strong>und</strong> hoher <strong>und</strong> stark<br />
gestiegener Wohnkosten in der Rangierung der finanziellen Wohnattraktivität deutlich zurückgefallen<br />
(Abbildung 15).<br />
Abbildung 14<br />
Bedeutung der Ausgabenkomponenten in den Schweizer <strong>Kanton</strong>en 2008<br />
Obligatorische Abgaben: Einkommens- <strong>und</strong> Vermögenssteuern, Sozialabgaben, obligatorische Krankenkassenversicherung<br />
Fixkosten: Wohnkosten, Nebenkosten, Gebühren für Wasser, Abwasser <strong>und</strong> Abfall; standardisierte Werte, CH = 0<br />
Hohe Fixkosten<br />
kompensieren Steuervorteile<br />
SZ<br />
ZG<br />
NW<br />
Kombinierte Vorteile<br />
OW<br />
AI<br />
ZH<br />
Quelle: Credit Suisse Economic Research<br />
CH-Mittel<br />
Fixkosten<br />
BL<br />
GR LU<br />
TI<br />
TG<br />
AG<br />
SG UR<br />
AR<br />
SH<br />
SO<br />
VS<br />
GL<br />
FR<br />
VD<br />
BE<br />
GE<br />
BS<br />
Obligatorische Abgaben<br />
JU<br />
Doppelte Nachteile<br />
NE<br />
Asymmetrische<br />
Positionierung<br />
Abbildung 15 zeigt auch, dass der <strong>Kanton</strong> <strong>Wallis</strong> aktuell auf dem 15. Rang liegt <strong>und</strong> gegenüber<br />
2006 sechs Plätze verloren hat. Hierbei leidet das <strong>Wallis</strong> bei der Betrachtung auf <strong>Kanton</strong>sniveau<br />
ein wenig unter der Durchschnittsbildung. Mit Bagnes <strong>und</strong> Zermatt sind zwei <strong>Wallis</strong>er Ortschaften<br />
zu den schweizweit teuersten Gemeinden vorgestossen, was sich folglich auf den kan-<br />
Swiss Issues Regionen 22
Economic Research<br />
tonalen Wert des RDI-Indikators auswirkt. Die international bekannten Tourismusdestinationen<br />
erlebten infolge des Zweitwohnungsbaus jüngst einen grossen Immobilienpreisanstieg (siehe<br />
Kapitel 6). Nichtsdestotrotz verlangt das Abschneiden des <strong>Kanton</strong>s <strong>Wallis</strong> beim RDI-Indikator<br />
auch auf kantonaler Verwaltungsebene Aufmerksamkeit. Während steuerliche Massnahmen in<br />
den vergangenen Jahren es einigen ländlichen <strong>Kanton</strong>en wie etwa Graubünden oder Obwalden<br />
ermöglichten, die generell tiefen Fixkosten mit einer moderaten Steuerlast zu ergänzen, schmälert<br />
die überdurchschnittlich hohe Steuerbelastung der natürlichen Personen im <strong>Wallis</strong> einen potentiellen<br />
Trumpf im Standortwettbewerb.<br />
Abbildung 15<br />
Frei verfügbares Einkommen: Veränderungen 2006–2008<br />
RDI-Indikator: Ränge der 26 <strong>Kanton</strong>e. Negative Differenzen bedeuten Rangverluste, positive Differenzen Rangverbesserungen<br />
AI OW GL TG AR SZ SO SH NW JU UR GR SG AG VS FR LU ZG TI BE NE ZH BL VD BS GE<br />
Rang RDI-Indikator 2008 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26<br />
Rang RDI-Indikator 2006 1 7 4 8 6 2 16 13 3 15 10 11 14 12 9 18 19 5 17 21 22 20 24 23 25 26<br />
Differenz 0 5 1 4 1 -4 9 5 -6 5 -1 -1 1 -2 -6 2 2 -13 -2 1 1 -2 1 -1 0 0<br />
Quelle: Credit Suisse Economic Research<br />
Im <strong>Wallis</strong> bleibt für Konsum<br />
wenig von zusätzlichem<br />
Lohnfranken übrig<br />
Potential für Attraktivitätsverbesserungen<br />
vorhanden,<br />
aber durch Erreichbarkeit<br />
eingeschränkt<br />
Zur Unterstützung unserer Argumentation über die negativen Folgen von überdurchschnittlicher<br />
Steuerbelastung natürlicher Personen bildet Abbildung 16 das Grenzeinkommen in den Schweizer<br />
<strong>Kanton</strong>en ab. Das Grenzeinkommen spiegelt den Anteil an einem zusätzlichen verdienten<br />
Franken wider, welcher dem Haushalt für seinen Konsum zu Verfügung steht. <strong>Der</strong> Wert drückt<br />
aus, wie stark das verfügbare Einkommen bei Steigerungen des Erwerbseinkommens zunimmt.<br />
Unter der Annahme, dass durch zusätzliche Anstrengungen tendenziell ein höheres Lohneinkommen<br />
erreicht werden kann, gibt der Indikator Hinweise auf die finanziellen Anreize, höhere<br />
Einkommen zu generieren. Das Grenzeinkommen ist einzig von der Steuerbelastung eines<br />
Wohnstandorts abhängig <strong>und</strong> wird − anders als etwa die Wohnkosten oder die Krankenkassenprämien<br />
− in keiner Weise von Märkten beeinflusst. <strong>Der</strong> Wert kann somit von der Politik gesteuert<br />
werden.<br />
<strong>Der</strong> 23. Rang des <strong>Kanton</strong>s <strong>Wallis</strong> beim Grenzeinkommen lässt erkennen, dass für ein günstigeres<br />
Umfeld für potentielle Zuzüger Raum zur Verbesserung vorhanden wäre. Aufgr<strong>und</strong> der steuerlichen<br />
Anreize ist nämlich zu erwarten, dass sich Personen mit einem tendenziell ansteigenden<br />
Erwerbseinkommen in Regionen mit einem hohen Grenzeinkommen niederlassen werden. Denn<br />
mit zunehmendem Einkommen gewinnen die steuerlichen Gesichtspunkte gegenüber den Fixkosten<br />
oder gegenüber den obligatorischen Krankenkassenprämien an Bedeutung. Infolge dieser<br />
Tatsache haben sich schweizweit einige Gemeinden in den Agglomerationsgürteln der grossen<br />
Zentren als finanziell attraktive Wohnorte etabliert, insbesondere für einkommens- <strong>und</strong> vermögensstarke<br />
Personen. Unter diesem Gesichtspunkt könnten die Regionen Martigny <strong>und</strong><br />
Monthey/St. Maurice betrachtet werden, welche durch den Siedlungsdruck im Genferseeraum<br />
bereits zahlreiche Zuzüger anzuziehen vermögen. Dies muss aber stets unter Berücksichtigung<br />
der Einschränkungen bezüglich der bereits oben erwähnten Erreichbarkeit von <strong>und</strong> ins <strong>Wallis</strong><br />
geschehen. Denn je eher eine Gemeinde mit hohem frei verfügbarem Einkommen bei einem<br />
Arbeitsmarktzentrum liegt, desto eher wird sie als Ziel einer finanziellen Wohnoptimierung gewählt.<br />
Bisher hat sich um die Zentren Lausanne <strong>und</strong> Genf noch nicht in gleichem Ausmass wie<br />
im Raum Zürich oder auch um Basel herum ein Agglomerationsgürtel von finanziell attraktiven<br />
Wohngemeinden entwickelt.<br />
Swiss Issues Regionen 23
Ges<strong>und</strong>e öffentliche Finanzen<br />
im <strong>Wallis</strong> …<br />
… eröffnen Spielraum<br />
Abbildung 16<br />
Grenzeinkommen in den Schweizer <strong>Kanton</strong>en 2008<br />
Frei verfügbarer Anteil an einem zusätzlichen Franken Erwerbseinkommen<br />
100%<br />
90%<br />
80%<br />
70%<br />
60%<br />
50%<br />
40%<br />
30%<br />
20%<br />
10%<br />
0%<br />
Economic Research<br />
ZG SZ OW ZH NW AI LU AG BL GL TG GR AR CH SH VD SG TI UR SO BE FR GE VS JU BS NE<br />
Quelle: Credit Suisse Economic Research<br />
Möchte man über eine mögliche Reduktion der Steuerbelastung nachdenken, muss zunächst<br />
eine Lagebeurteilung der öffentlichen Finanzen als Basis für eine nachhaltige Fiskalpolitik vollzogen<br />
werden. Hierbei gilt es die aktuelle Schuldenquote, welche die kantonale Verschuldung<br />
ins Verhältnis zum jeweiligen kantonalen Volkseinkommen setzt, zu beachten. Darüber hinaus<br />
sollte eine umfassende Beurteilung der Schuldenlage die jeweiligen Primärüberschüsse mit einbeziehen.<br />
Die für 2009 budgetierten Ein- <strong>und</strong> Ausgaben ergeben eine aktuelle Schuldenquote<br />
im <strong>Kanton</strong> <strong>Wallis</strong> von 10.8%, was unter dem schweizerischen Durchschnitt liegt. Auch die Betrachtung<br />
der Primärüberschüsse in Relation zu den Schulden lässt zum Schluss kommen, dass<br />
die Verschuldung im <strong>Wallis</strong> weit von einem kritischen Wert entfernt ist. Dem <strong>Wallis</strong> ist es wie<br />
vielen anderen <strong>Kanton</strong>en gelungen, die Schuldenquote in den letzten Jahren deutlich zu reduzieren.<br />
Bei der aktuellen Wirtschafts- <strong>und</strong> Finanzkrise darf eine Beurteilung von deren Auswirkungen<br />
auf die <strong>Kanton</strong>sfinanzen nicht fehlen. Auch hier sehen wir keine unges<strong>und</strong>en Entwicklungen<br />
voraus. Da die grösste konjunkturelle Abhängigkeit bei den Gewinnsteuererträgen liegt <strong>und</strong> diese<br />
im <strong>Kanton</strong> <strong>Wallis</strong> zusammen mit den Kapitalsteuererträgen mit r<strong>und</strong> 11% der Gesamtsteuereinnahmen<br />
einen relativ kleinen Anteil ausmachen, werden die Mindereinnahmen verkraftbar<br />
bleiben. So liegen beispielsweise in den <strong>Kanton</strong>en Zürich, Genf <strong>und</strong> Basel-Stadt diese Anteile<br />
mit 21%, 22% bzw. 32% ungleich höher. Auch der Rückgang bei den Vermögensgewinneinnahmen<br />
wird keinen grossen Effekt auf das Gesamtbudget im <strong>Wallis</strong> haben, <strong>und</strong> zurückgehende<br />
variable Lohnbestandteile sind weniger bedeutend als in anderen <strong>Kanton</strong>en. Die bisher geplanten<br />
oder schon durchgeführten Konjunkturmassnahmen werden die <strong>Kanton</strong>sfinanzen ebenfalls<br />
nicht in Schieflage bringen. Alles in allem gestehen wir dem <strong>Kanton</strong> <strong>Wallis</strong> finanziellen<br />
Handlungsspielraum zu, der steuerliche Massnahmen erlauben würde.<br />
Swiss Issues Regionen 24
4 Bevölkerung <strong>und</strong> Einkommen<br />
<strong>Wallis</strong> übertrifft nationales<br />
Bevölkerungswachstum<br />
Economic Research<br />
Bevölkerungsstruktur <strong>und</strong> -entwicklung sind wichtige Aspekte regionaler Entwicklung. Kennzeichnend<br />
für die Schweiz <strong>und</strong> andere Industrieländer sind stagnierende Geburtenraten, wodurch<br />
das natürliche Bevölkerungswachstum gebremst wird. Dagegen hat Migration für die Bevölkerungsentwicklung<br />
an Bedeutung gewonnen. Insbesondere in der Schweiz ist Zuwanderung<br />
schon lange ein wesentlicher Einflussfaktor für die Bevölkerungsentwicklung. In den letzten<br />
Jahren hat sich dieser Trend infolge der guten Konjunkturlage <strong>und</strong> der Einführung der Personenfreizügigkeit<br />
weiter verstärkt. Neben der quantitativen Bevölkerungsdynamik ist für die regionale<br />
Entwicklung von Bedeutung, wie sich die Bevölkerungsstruktur verändert. Je nach Ausbildung,<br />
Berufsstand <strong>und</strong> Haushaltsstruktur zuziehender oder abwandernder Bevölkerungsgruppen<br />
wird die Entwicklung des Steuersubstrats <strong>und</strong> des Arbeitsmarktpotentials beeinflusst. Auch<br />
eine veränderte Nachfrage in bestimmten Immobiliensegmenten ist die Folge solcher selektiver<br />
Migrationsbewegungen.<br />
4.1 Bevölkerungsentwicklung<br />
Die Bevölkerung der Schweiz ist in den vergangenen 10 Jahren jährlich um 0.8% gewachsen.<br />
Insbesondere nach der Jahrtausendwende hat die demographische Entwicklung, gestützt durch<br />
eine zunehmende Zuwanderung, an Dynamik gewonnen, <strong>und</strong> 2008 wurde ein Wachstum von<br />
1.4% verzeichnet. Damit ist die Bevölkerung der Schweiz im vergangenen Jahr so stark gewachsen<br />
wie seit den sechziger Jahren nicht mehr. Diese Zunahme ist zu 90% auf den Wanderungssaldo<br />
von r<strong>und</strong> 98'200 Personen zurückzuführen, welcher nach 1961 der höchste in der<br />
Geschichte der Demographie der Schweiz ist. Hinter dieser Dynamik verbergen sich allerdings<br />
erhebliche regionale Unterschiede. Wachsenden Zentren <strong>und</strong> Agglomerationen stehen periphere<br />
Regionen mit Abwanderungstendenzen gegenüber.<br />
Abbildung 17<br />
Bevölkerungsdynamik in den <strong>Wallis</strong>er Regionen 1998–2008<br />
Index 1998 = 100<br />
120<br />
115<br />
110<br />
105<br />
100<br />
95<br />
90<br />
85<br />
Goms Brig<br />
Visp Leuk<br />
Sierre Sion<br />
Martigny Monthey/St. Maurice<br />
CH VS<br />
1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008<br />
Quelle: B<strong>und</strong>esamt für Statistik, Credit Suisse Economic Research<br />
<strong>Der</strong> <strong>Kanton</strong> <strong>Wallis</strong> konnte im betrachteten Zeitraum von 1998 bis 2008 das nationale Bevölkerungswachstum<br />
übertreffen. Im Durchschnitt nahm die Bevölkerung pro Jahr um 1.0% zu. Wie<br />
aus Abbildung 17 ersichtlich ist, verdankt der <strong>Kanton</strong> die überdurchschnittlich starke Bevölkerungsdynamik<br />
in erster Linie den Regionen Monthey/St. Maurice <strong>und</strong> Martigny. Mit durchschnittlichen<br />
jährlichen Wachstumsraten von 1.8 bzw. 1.5% übertrafen diese Regionen in den<br />
Swiss Issues Regionen 25
Unterwallis profitiert<br />
vom Siedlungsdruck<br />
im Genferseeraum<br />
Abbildung 18<br />
Bevölkerungsdynamik auf Gemeindeebene 1998–2008<br />
Jährliches Bevölkerungswachstum in Prozent<br />
Gros-de-Vaud<br />
La Broye<br />
Glâne/Veveyse<br />
Lausanne<br />
Vevey/Lavaux<br />
La Sarine<br />
La Gruyère<br />
Aigle<br />
Monthey/St-Maurice<br />
Economic Research<br />
vergangenen zehn Jahren sowohl das kantonale als auch das nationale Mittel <strong>und</strong> zählten sogar<br />
zu den Gebieten mit dem höchsten Bevölkerungswachstum in der Schweiz. Ebenfalls stärker als<br />
im kantonalen <strong>und</strong> nationalen Mittel hat sich die Bevölkerung in den Regionen Sierre <strong>und</strong> Sion<br />
entwickelt, während die <strong>Oberwallis</strong>er Gebiete eher durch Bevölkerungsstagnation oder<br />
-rückgang geprägt sind. Insbesondere die Region Goms hat mit einem abwanderungsbedingten,<br />
kontinuierlichen Rückgang der Bevölkerung zu kämpfen, der im vergangenen Jahrzehnt im<br />
Durchschnitt r<strong>und</strong> 1% pro Jahr ausmachte.<br />
Eine Betrachtung auf Gemeindeebene gibt zusätzliche Anhaltspunkte für eine Beurteilung der<br />
demographischen Tendenzen (Abbildung 18). Die regionalen Unterschiede spiegeln den Gegensatz<br />
zwischen Tal- <strong>und</strong> Berggemeinden, gut erschlossenen <strong>und</strong> peripheren Lagen innerhalb<br />
des <strong>Kanton</strong>s wider. Insgesamt stellt man fest, dass sich das Bevölkerungswachstum stark auf<br />
Agglomerationsgebiete im <strong>Kanton</strong> konzentriert. Eine Ausnahme bilden führende Tourismusdestinationen<br />
wie Verbier oder Zermatt. Zusätzlich zu diesem innerkantonalen Gegensatz profitieren<br />
die Unterwalliser Gemeinden aber auch vom Trend zur fortschreitenden Periurbanisierung im<br />
Genferseeraum. Die Nähe <strong>und</strong> gute Anbindung zum Metropolitanraum Genf-Lausanne verschaffen<br />
insbesondere den Regionen Monthey/St. Maurice <strong>und</strong> Martigny eine bessere Ausgangslage,<br />
um von der Dynamik dieses Ballungsgebiets zu profitieren. <strong>Der</strong> zunehmende Siedlungsdruck<br />
<strong>und</strong> die damit einhergehenden Ballungsprobleme in Form von hohen Boden- <strong>und</strong><br />
Immobilienpreisen sowie Verkehrsüberlastung in den Genferseegebieten lösen gewisse Ausweichbewegungen<br />
aus, wovon nach der Region Aigle mittlerweile auch die <strong>Wallis</strong>er Standorte<br />
insbesondere als Wohnregionen für Familien profitieren. Im <strong>Oberwallis</strong> prägen hingegen vorwiegend<br />
negative Wachstumsraten die demographische Entwicklung der letzten zehn Jahre. Die<br />
Konzentration der Bevölkerung bei den regionalen Zentren <strong>und</strong> zugehörigen Agglomerationen,<br />
in diesem Fall derjenigen von Brig/Visp, fällt im <strong>Oberwallis</strong> ausgeprägter aus.<br />
Sense<br />
Saanen/Obersimmental<br />
Pays d'Enhaut<br />
Martigny<br />
Quelle: B<strong>und</strong>esamt für Statistik, Geostat, DDS<br />
Sion<br />
Thun<br />
BernerOberland-Ost<br />
Uri<br />
Kandertal<br />
Sierre<br />
Leuk<br />
Visp<br />
Brig<br />
Goms<br />
Tre Valli<br />
Locarno<br />
Hauptverkehrsstrassen<br />
Agglomerationen<br />
Wirtschaftsregionen <strong>Wallis</strong><br />
<strong>Wallis</strong><br />
Bevölkerungswachstum in Prozent pro Jahr<br />
-6.4% - -2.5%<br />
-2.4% - -0.7%<br />
-0.6% - 0.1%<br />
0.2% - 0.8%<br />
0.9% - 1.5%<br />
1.6% - 2.5%<br />
2.6% - 4.1%<br />
0 5 10 20 Km<br />
Swiss Issues Regionen 26
Abwanderung führt zu Schulschliessungen<br />
Economic Research<br />
Die Bergregionen verlieren in der Schweiz seit Jahren Bevölkerung an die übrigen Gebiete,<br />
dies vor allem durch Abwanderung von Jugendlichen <strong>und</strong> Personen im Familiengründungsalter.<br />
Diese Entwicklung kann in manchen Fällen durch einen Wanderungsgewinn von Personen<br />
im Alter von 65 <strong>und</strong> mehr Jahren gemildert werden. <strong>Der</strong> Zuzug von älteren Personen<br />
in Berggebiete bringt diesen zwar oftmals willkommenes Steuersubstrat, führt aber zu<br />
einer Veränderung der gesellschaftlichen <strong>Struktur</strong> <strong>und</strong> stellt die bestehende Infrastruktur in<br />
Frage. In manchen Regionen belebt zwar der Tourismus im Winter die Dörfer, die bestehenden<br />
saisonalen Arbeitsstellen locken jedoch kaum Familien an. Schliessungen von<br />
Gr<strong>und</strong>schulen stehen in Berggebieten daher an der Tagesordnung.<br />
Bereits bieten einige Gemeinden des <strong>Kanton</strong>s <strong>Wallis</strong> keine Gr<strong>und</strong>- <strong>und</strong> Volksschule (mehr)<br />
an. In anderen Gemeinden ist diese obligatorische Schuleinrichtung derart klein, dass die<br />
Mindestanzahl von 7 Schülern als Fortführungskriterium früher oder später greifen wird.<br />
Die Weiterführung solcher Gr<strong>und</strong>schulen ist insbesondere beim Wechsel von Kindern in<br />
höhere Schulstufen bzw. beim Wegzug einzelner Familien gefährdet. Vor allem im Goms ist<br />
gemäss Betriebszählung 2005 das Angebot an Gr<strong>und</strong>schulen bereits auf neun Gemeinden<br />
reduziert worden. Fünf davon haben sehr kleine Schuleinrichtungen. In der Gemeinde Binn<br />
konnte die Schliessung der Gr<strong>und</strong>schule vor einigen Jahren verhindert werden, dass per<br />
Zeitungsinserat nach zuzugswilligen Familien gesucht wurde. Auch im Val d'Anniviers sowie<br />
im Saaser Tal werden in einzelnen Gemeinden keine Gr<strong>und</strong>schulen angeboten.<br />
4.2 Altersstruktur <strong>und</strong> Kohortenwachstum<br />
Die Altersstruktur der Bevölkerung <strong>und</strong> ihre Entwicklung zeigen, wie attraktiv eine Region für<br />
bestimmte Bevölkerungsgruppen nach ihrem Lebenszyklus ist. Insbesondere die Abweichungen<br />
einzelner Alterskohorten vom Schweizer Mittel sind interessant, da sich diese einzelnen Lebensabschnitten<br />
zuordnen lassen. So können Phasen von Ausbildung, Berufsstart, etablierter Berufstätigkeit<br />
<strong>und</strong> Pensionsalter unterschieden <strong>und</strong> die Bevölkerungsentwicklung im Hinblick auf<br />
diese Parameter untersucht werden. Die Betrachtung der Altersstruktur <strong>und</strong> des Kohortenwachstums<br />
ermöglicht so den Rückschluss auf Beschäftigungsmöglichkeiten in der Region sowie<br />
die Erreichbarkeit von Arbeitsmärkten in Pendeldistanz.<br />
Abbildung 19<br />
Altersstruktur im <strong>Kanton</strong> <strong>Wallis</strong> 2008<br />
Anteil in Prozent<br />
9.0%<br />
8.0%<br />
7.0%<br />
6.0%<br />
5.0%<br />
4.0%<br />
3.0%<br />
2.0%<br />
1.0%<br />
0.0%<br />
0-4<br />
VS CH<br />
5-9<br />
10-14<br />
15-19<br />
Quelle: B<strong>und</strong>esamt für Statistik<br />
20-24<br />
25-29<br />
30-34<br />
35-39<br />
40-44<br />
45-49<br />
50-54<br />
55-59<br />
60-64<br />
65-69<br />
70-74<br />
75-79<br />
80-84<br />
85-89<br />
90-94<br />
95+<br />
Swiss Issues Regionen 27
Abbildung 20<br />
Kohortenwachstum im <strong>Kanton</strong> <strong>Wallis</strong> 1997–2002<br />
Wachstum der 5-Jahres-Kohorten von 1997 in Prozent<br />
20.0%<br />
15.0%<br />
10.0%<br />
5.0%<br />
0.0%<br />
-5.0%<br />
-10.0%<br />
0-4<br />
VS CH<br />
5-9<br />
10-14<br />
15-19<br />
Quelle: B<strong>und</strong>esamt für Statistik<br />
<strong>Wallis</strong> mit der jüngsten<br />
Bevölkerung unter den<br />
Bergkantonen<br />
20-24<br />
Kohortenwachstum deutet<br />
auf gestiegene Attraktivität<br />
für Familien hin<br />
25-29<br />
30-34<br />
35-39<br />
40-44<br />
45-49<br />
50-54<br />
55-59<br />
60-64<br />
65-69<br />
Economic Research<br />
Abbildung 21<br />
Kohortenwachstum im <strong>Kanton</strong> <strong>Wallis</strong> 2003–2008<br />
Wachstum der 5-Jahres-Kohorten von 2003 in Prozent<br />
20.0%<br />
15.0%<br />
10.0%<br />
5.0%<br />
0.0%<br />
-5.0%<br />
-10.0%<br />
0-4<br />
VS CH<br />
5-9<br />
10-14<br />
15-19<br />
Quelle: B<strong>und</strong>esamt für Statistik<br />
Die Altersstruktur des <strong>Kanton</strong>s <strong>Wallis</strong> weist einige Abweichungen vom Schweizer Mittel auf. In<br />
einer Gesamtbeurteilung anhand des Alterslastquotienten, der als Anteil der Bevölkerung im<br />
Rentenalter im Verhältnis zur Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter definiert ist, weist die <strong>Wallis</strong>er<br />
Bevölkerung mit 26.6% den gleichen Grad der demographischen Alterung auf wie im Landesdurchschnitt.<br />
Verglichen mit den anderen Bergkantonen der Schweiz kann das <strong>Wallis</strong> auf<br />
eine deutlich jüngere Bevölkerung zählen. Aus einer detaillierten Darstellung der einzelnen Altersklassen<br />
erkennt man für den <strong>Kanton</strong> <strong>Wallis</strong> eine Übervertretung insbesondere von Jugendlichen<br />
zwischen 10 <strong>und</strong> 24 Jahren sowie der höheren Altersklassen zwischen 60 <strong>und</strong> 75 Jahren;<br />
untervertreten sind insbesondere Kinder unter 5 Jahren sowie die 30- bis 44-Jährigen<br />
(Abbildung 19).<br />
Eine Betrachtung des Wachstums einzelner Kohorten erlaubt genaue Rückschlüsse auf Veränderungen<br />
in der Alterszusammensetzung der Bevölkerung. Eine Kohorte umfasst dabei Einwohner<br />
gleichen Jahrgangs. Abbildung 20 <strong>und</strong> Abbildung 21 veranschaulichen das Kohortenwachstum<br />
in zwei aufeinanderfolgenden Perioden von jeweils fünf Jahren. Dadurch lassen sich nicht<br />
nur die Schwankungen erkennen, die sich je nach Wanderungsbewegungen, Geburten- <strong>und</strong><br />
Sterblichkeitsraten ergeben, sondern auch bei welchen Altersklassen sich die Zu- oder Abnahmen<br />
verstärkt oder abgeschwächt haben. Die Entwicklung der <strong>Wallis</strong>er Kohorten zwischen<br />
1997 <strong>und</strong> 2002 war stark durch negative Wachstumsraten geprägt, mit Bevölkerungsverlusten<br />
insbesondere bei den Kindern unter 10 Jahren <strong>und</strong> den jungen Erwachsenen zwischen 20 <strong>und</strong><br />
39 Jahren. Dieses Muster deutete auf eine Abwanderung von Familien hin. In den letzten fünf<br />
Jahren scheint sich das Bild jedoch geändert zu haben. Neu verzeichnet der <strong>Kanton</strong> <strong>Wallis</strong> in allen<br />
Altersklassen unter 60 Jahren positive Wachstumsraten. Die überdurchschnittlich hohen<br />
Bevölkerungszunahmen bei den Kindern <strong>und</strong> den 35- bis 49-Jährigen deuten auf eine gestiegene<br />
Attraktivität für Familien hin, welche Zuzüge bzw. Rückwanderungen zu begünstigen<br />
scheint. Die günstigere Entwicklung bei den höheren Altersklassen im Vergleich zum Schweizer<br />
Mittel spiegelt die Attraktivität des <strong>Kanton</strong>s bzw. seiner Tourismusdestinationen für Personen im<br />
Ruhestand wider. Das <strong>Wallis</strong> bleibt hingegen nach wie vor weniger attraktiv für junge Erwachsene<br />
zwischen 20 <strong>und</strong> 29 Jahren. Diese Altersklassen verlassen den <strong>Kanton</strong> oft zu Ausbildungszwecken<br />
oder für die Aufnahme einer ersten beruflichen Tätigkeit.<br />
4.3 Migrationsbewegungen<br />
In Zeiten rückläufiger Geburtenraten kommt der Migration eine zunehmende Bedeutung für die<br />
Bevölkerungsentwicklung zu. Regionen erzielen Migrationsgewinne, wenn sie als Arbeits- oder<br />
Wohnort attraktiv erscheinen. Ein Arbeitsplatzangebot oder die Erreichbarkeit von Wirtschaftszentren<br />
mit ihren Arbeitsplätzen in Pendeldistanz sind Voraussetzungen hierfür. Sind diese Bedingungen<br />
erfüllt, wirken tiefe Steuern <strong>und</strong> Immobilienpreise sowie eine hohe Wohnattraktivität<br />
20-24<br />
25-29<br />
30-34<br />
35-39<br />
40-44<br />
45-49<br />
50-54<br />
55-59<br />
60-64<br />
65-69<br />
Swiss Issues Regionen 28
Positive interkantonale<br />
Migrationsbilanz seit der<br />
Jahrtausendwende<br />
Internationale Nettozuwanderung<br />
junger Aktiver<br />
Zuzug von Familien aus<br />
anderen <strong>Kanton</strong>en<br />
Economic Research<br />
zusätzlich begünstigend. Dabei unterscheiden sich die Motive für die Migrationsentscheidung oft<br />
je nach Herkunfts- <strong>und</strong> Zielregion. Für Wanderungsbewegungen zwischen den <strong>Kanton</strong>en spielen<br />
neben individuellen Gründen auch Wohnortoptimierung in Bezug auf Lebensqualität, Erreichbarkeit<br />
der Arbeitsstelle, Steuerbelastung, Mietpreise oder Eigentumserwerb eine Rolle.<br />
Bei der internationalen Migration aus dem Ausland steht hingegen meist der Arbeitsort im Vordergr<strong>und</strong>.<br />
Die Migrationsbilanz des <strong>Kanton</strong>s <strong>Wallis</strong> bestätigt die zunehmende Attraktivität des <strong>Kanton</strong>s als<br />
Wohnregion. Dieser <strong>Kanton</strong> konnte in den letzten Jahren ebenfalls von der Zuwanderungswelle<br />
in die Schweiz profitieren, wie der zunehmende Saldo aus der internationalen Migration zeigt<br />
(Abbildung 22). Von besonderem Interesse für die Bevölkerungsentwicklung des <strong>Kanton</strong>s ist<br />
aber vor allem die seit der Jahrtausendwende beobachtbare positive Bilanz der interkantonalen<br />
Migration, wenn auch mit einer sinkenden Tendenz in den letzten Jahren. Die Positionierung einiger<br />
<strong>Wallis</strong>er Standorte als Ausweichgebiet zum dicht besiedelten Metropolitanraum Genf-<br />
Lausanne wird durch diese Entwicklung untermauert.<br />
Abbildung 22<br />
Migrationsbilanz im <strong>Kanton</strong> <strong>Wallis</strong> 1990–2008<br />
Saldo in Personen<br />
5'000<br />
4'000<br />
3'000<br />
2'000<br />
1'000<br />
0<br />
-1'000<br />
-2'000<br />
Interkantonal International Total<br />
1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008<br />
Quelle: B<strong>und</strong>esamt für Statistik<br />
Eine Betrachtung der Migrationsbilanz nach Alter liefert zusätzliche Hinweise über das Profil der<br />
Zu- <strong>und</strong> Wegzüger <strong>und</strong> damit über die Attraktivität des <strong>Kanton</strong>s für die einzelnen Bevölkerungsgruppen.<br />
Die internationale Migration ist auch im <strong>Kanton</strong> <strong>Wallis</strong> in erster Linie beruflich bedingt<br />
<strong>und</strong> betrifft vorwiegend die aktive Bevölkerung im Alter zwischen 25 <strong>und</strong> 39 Jahren (Abbildung<br />
23). Dass die Zuzüger meistens von ihren Familien begleitet werden, erklärt die positive Bilanz<br />
bei Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen. Die stärkere Vertretung von 15- bis 24-Jährigen im Vergleich<br />
zum Schweizer Mittel dürfte aber auch mit dem Ausbildungsangebot im Tourismusbereich <strong>und</strong><br />
mit der zum Teil auch an junge Arbeitnehmer gerichteten Arbeitsnachfrage dieses Sektors zusammenhängen.<br />
Die Altersstruktur der interkantonalen Migration im <strong>Kanton</strong> <strong>Wallis</strong> weist ein anderes Muster auf<br />
(Abbildung 24). Mit Ausnahme des Jahres 2008 erfährt der <strong>Kanton</strong> eine Nettoabwanderung<br />
von jungen Erwachsenen zwischen 25 <strong>und</strong> 39 Jahren. Wie bereits im vorherigen Abschnitt geschildert,<br />
bleibt der <strong>Kanton</strong> für diese Bevölkerungsgruppe wenig attraktiv; Ausbildungs- <strong>und</strong> Erwerbsmöglichkeiten<br />
werden oft in grösseren Zentren <strong>und</strong> den zugehörigen Agglomerationen<br />
gesucht. Für die übrigen Altersgruppen fällt die Migrationsbilanz hingegen positiv aus. Insbesondere<br />
die 40- bis 64-Jährigen tragen massgeblich zur Nettozuwanderung aus anderen <strong>Kanton</strong>en<br />
bei. Zusammen mit dem positiven Migrationssaldo bei Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen spiegelt diese<br />
Entwicklung den Zuzug von Familien wider.<br />
Swiss Issues Regionen 29
Abbildung 23<br />
Internationale Migration im <strong>Kanton</strong> <strong>Wallis</strong><br />
nach Alter 2002–2008<br />
Altersstruktur in Prozent, Migrationssaldo in Personen (rechte Skala)<br />
100%<br />
80%<br />
60%<br />
40%<br />
20%<br />
0%<br />
-20%<br />
0-14 15-24 25-39 40-64 65+ Total<br />
2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008<br />
Quelle: B<strong>und</strong>esamt für Statistik<br />
4'500<br />
4'000<br />
3'500<br />
3'000<br />
2'500<br />
2'000<br />
1'500<br />
1'000<br />
500<br />
4.4 Einkommen<br />
0<br />
Abbildung 24<br />
Interkantonale Migration im <strong>Kanton</strong> <strong>Wallis</strong><br />
nach Alter 2002–2008<br />
Altersstruktur in Prozent, Migrationssaldo in Personen (rechte Skala)<br />
100%<br />
80%<br />
60%<br />
40%<br />
20%<br />
0%<br />
-20%<br />
-40%<br />
0-14 15-24 25-39 40-64 65+ Total<br />
2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008<br />
Quelle: B<strong>und</strong>esamt für Statistik<br />
Economic Research<br />
Die Einkommensentwicklung von <strong>Kanton</strong>en <strong>und</strong> Regionen hängt neben der konjunkturellen Lage<br />
<strong>und</strong> den Standortbedingungen auch von Wachstum <strong>und</strong> <strong>Struktur</strong> der Bevölkerung ab. Die<br />
demographische <strong>Struktur</strong> spiegelt sich in der Entwicklung der Haushaltseinkommen, da die Einkommensbildung<br />
massgeblich vom Lohnniveau <strong>und</strong> der Erwerbsquote der Einwohner abhängig<br />
ist <strong>und</strong> diese wiederum eine Altersabhängigkeit aufweisen. Die höchsten Einkommenszuwächse<br />
im Lebenszyklus realisieren in der Regel die Altersklassen zwischen 25 <strong>und</strong> 44 Jahren <strong>und</strong> leisten<br />
damit einen hohen Wachstumsbeitrag zur regionalen Einkommensentwicklung. Aufgr<strong>und</strong><br />
des relativ hohen Einkommensniveaus hat jedoch auch die Altersklasse der 45- bis 65-Jährigen<br />
einen grossen Einfluss auf die regionale Einkommensentwicklung.<br />
Abbildung 25<br />
Prognose der kantonale Haushaltseinkommen bis 2010<br />
Durchschnittliches jährliches Wachstum in Prozent, reale Werte<br />
3.0%<br />
2.5%<br />
2.0%<br />
1.5%<br />
1.0%<br />
0.5%<br />
0.0%<br />
ZH<br />
ZG<br />
OW<br />
SZ NW AG<br />
CH TG BL<br />
GE VD<br />
AI SO AR BS LU FR VS SG SH<br />
TI UR GL BE GR NE JU<br />
Quelle: Credit Suisse Economic Research<br />
1'200<br />
1'000<br />
800<br />
600<br />
400<br />
200<br />
0<br />
Swiss Issues Regionen 30
Niveau <strong>und</strong> Entwicklung<br />
des Haushaltseinkommens<br />
bleiben im <strong>Kanton</strong> <strong>Wallis</strong><br />
unterdurchschnittlich<br />
Ein <strong>Kanton</strong> mit zwei<br />
Geschwindigkeiten<br />
Abbildung 26<br />
Regionales Haushaltseinkommen 2005–2010<br />
Economic Research<br />
Die aktuelle Prognose der kantonalen Haushaltseinkommen reicht bis 2010 (Abbildung 25). Im<br />
Schweizer Durchschnitt rechnen wir mit einem Wachstum von real 1.7%. Die Entwicklung in<br />
den einzelnen <strong>Kanton</strong>en ist aber weiterhin von einer erheblichen Heterogenität geprägt. Während<br />
Zürich als Spitzenreiter ein Wachstum des realen Haushaltseinkommens von 2.4% verzeichnen<br />
wird, wird sich die Einkommensbasis des <strong>Kanton</strong>s Jura lediglich um 1.1% erhöhen.<br />
Hinsichtlich Haushaltseinkommen pro Kopf verläuft die Bandbreite von 62'275 CHF im <strong>Kanton</strong><br />
Zug bis 33'454 CHF im <strong>Kanton</strong> Jura, mit einem Wert von 45'337 im Schweizer Mittel. Aufgr<strong>und</strong><br />
unserer Prognose wird das reale Haushaltseinkommen im <strong>Kanton</strong> <strong>Wallis</strong> bis 2010 um<br />
1.4% zunehmen. Dadurch wird die Einkommensdynamik im nationalen Vergleich unterdurchschnittlich<br />
bleiben. <strong>Der</strong> <strong>Kanton</strong> <strong>Wallis</strong> erzielt aber das beste Ergebnis unter den Bergkantonen.<br />
Beim Einkommensniveau fällt der Rückstand des <strong>Kanton</strong>s auf das Schweizer Mittel hingegen<br />
deutlicher aus. Mit einem Haushaltseinkommen pro Kopf von 34'972 CHF verzeichnet das<br />
<strong>Wallis</strong> den zweittiefsten Wert in der Schweiz.<br />
Die Betrachtung von Niveau <strong>und</strong> Entwicklung des Haushaltseinkommens auf regionaler Ebene<br />
bestätigt das Bild eines <strong>Kanton</strong>s mit verschiedenen Ausgangslagen (Abbildung 26). Während<br />
die Region Goms mit einem Wachstum von 0.6% zu den zehn wachstumsschwächsten Regionen<br />
der Schweiz gehört, positionieren sich die Regionen des Unterwallis hinsichtlich Einkommensdynamik<br />
im zweiten Drittel der 110 Wirtschaftsregionen der Schweiz. Mit einem Wachstum<br />
von durchschnittlich 1.6% erreichen diese Gebiete sogar eine höhere Dynamik als die Regionen<br />
Aigle (1.0%) oder Vevey/Lavaux (1.5%).<br />
Nominales Haushaltseinkommen pro Kopf 2005; reales Haushaltseinkommen als durchschnittliche jährliche Wachstumsrate<br />
Nominales Haushaltseinkommen pro Kopf 2005 in CHF<br />
Sense<br />
28'589<br />
Aaretal<br />
Entlebuch<br />
OberesEmmental<br />
Sarneraatal<br />
Yverdon 28'590 - 32'447<br />
32'448 - 34'805<br />
La Sarine Schwarzwasser<br />
La 34'806 Broye - 37'774<br />
37'775 - 43'246<br />
Gros-de-Vaud<br />
Glâne/Veveyse<br />
Thun<br />
BernerOberland-Ost<br />
La Gruyère<br />
Lausanne<br />
Vevey/Lavaux<br />
Saanen/Obersimmental<br />
Pays d'Enhaut<br />
Aigle<br />
Monthey/St-Maurice<br />
<strong>Wallis</strong><br />
Agglomerationen<br />
Hauptverkehrsstrassen<br />
0 4.5 9 18 km<br />
Martigny<br />
Quelle: Credit Suisse Economic Research, Geostat, DDS<br />
Sion<br />
Kandertal<br />
Sierre<br />
Leuk<br />
Visp<br />
Brig<br />
Goms<br />
Uri<br />
Tre Valli<br />
Locarno<br />
Reales Wachtum in Prozent pro Jahr<br />
0.4% - 0.6%<br />
0.7% - 0.8%<br />
0.9% - 1.0%<br />
1.1% - 1.3%<br />
1.4% - 1.6%<br />
Swiss Issues Regionen 31
Economic Research<br />
Das Niveau des Haushaltseinkommens differenziert sich innerhalb des <strong>Kanton</strong>s <strong>Wallis</strong> nicht besonders<br />
stark; im gesamtschweizerischen Vergleich sind alle Regionen jedoch unterdurchschnittlich.<br />
Die Region Goms erzielt mit 28'589 CHF pro Kopf das zweittiefste Niveau in der<br />
Schweiz, Visp positioniert sich als beste <strong>Wallis</strong>er Region mit 37'774 CHF. Zusammen mit der<br />
Region Brig erreicht Visp dank der höheren Einkommenskraft in den führenden Ferienorten einen<br />
Wert des Haushaltseinkommens pro Kopf über dem kantonalen Mittel. Die Unterwalliser<br />
Gebiete positionieren sich nahe am kantonalen Durchschnitt <strong>und</strong> weisen eine höhere Einkommenskraft<br />
auf als zum Beispiel die Nachbarregion Aigle. Im Vergleich zu den Gebieten des Genferseebogens<br />
sind sie jedoch weit abgeschlagen.<br />
Swiss Issues Regionen 32
5 Branchenstruktur <strong>und</strong> Wertschöpfung<br />
Primärer <strong>und</strong> sek<strong>und</strong>ärer<br />
Sektor im <strong>Wallis</strong><br />
übervertreten<br />
Branchenspezialisierung<br />
zeigt regionales Wirtschaftsprofil<br />
Economic Research<br />
Die Branchenstruktur ist von zentraler Bedeutung für das Leistungspotential einer Region. Die<br />
branchenmässige Zusammensetzung der Wirtschaft, ihre Wettbewerbsfähigkeit <strong>und</strong> Wachstumsstärke<br />
liefern nicht nur Hinweise zur heutigen Wirtschaftskraft einer Region, sie ermöglichen<br />
auch Rückschlüsse auf das zukünftige Wachstumspotential der Wertschöpfung. Die Entwicklung<br />
der Beschäftigung zeigt zudem gesamtwirtschaftliche Veränderungen, aber auch solche,<br />
welche für die Region kennzeichnend sind <strong>und</strong> stark von der vorherrschenden Branchenstruktur<br />
geprägt werden.<br />
5.1 Branchenstruktur <strong>und</strong> -spezialisierung<br />
Von den r<strong>und</strong> 110'000 Beschäftigten im <strong>Kanton</strong> <strong>Wallis</strong> haben 29.8% ihren Arbeitsplatz im sek<strong>und</strong>ären<br />
Sektor, 63.4% sind im Dienstleistungsbereich tätig (Abbildung 27). <strong>Der</strong> primäre Sektor<br />
deckt noch 6.8% der Beschäftigung ab. Damit nehmen die Bau- <strong>und</strong> Industriebranchen in<br />
diesem <strong>Kanton</strong> im Vergleich zum nationalen Mittel von 28.7% einen leicht höheren Anteil an der<br />
Wirtschaftsstruktur ein. Auch die Land- <strong>und</strong> Forstwirtschaft, insbesondere in den Regionen<br />
Goms, Leuk <strong>und</strong> Martigny, ist noch überdurchschnittlich stark vertreten. Trotz hoher Bedeutung<br />
der Tourismusbranche bleibt der Dienstleistungssektor, der schweizweit r<strong>und</strong> 67% der Beschäftigung<br />
ausmacht, hingegen untervertreten.<br />
Abbildung 27<br />
Wirtschaftsstruktur nach Sektoren 2005<br />
Beschäftigungsanteil in Prozent, Vollzeitäquivalente<br />
Brig<br />
VD<br />
Sion<br />
CH<br />
BE<br />
Goms<br />
Leuk<br />
Sierre<br />
VS<br />
Martigny<br />
Visp<br />
Monthey/St. Maurice<br />
Quelle: B<strong>und</strong>esamt für Statistik<br />
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%<br />
Primärer Sektor Sek<strong>und</strong>ärer Sektor Tertiärer Sektor<br />
Die kantonalen Durchschnittswerte erlauben es nicht, die Heterogenität der <strong>Wallis</strong>er Wirtschaftsstruktur<br />
zum Ausdruck zu bringen. Um die regionalen Besonderheiten herauszuschälen,<br />
bietet sich ein Vergleich der Spezialisierungsprofile sowie der Beschäftigungsanteile in den einzelnen<br />
Branchen an. <strong>Der</strong> regionale Spezialisierungskoeffizient für eine Branche ist definiert<br />
durch das Verhältnis des Beschäftigungsanteils dieser Branche in der jeweiligen Region zu jenem<br />
in der gesamten Schweiz. Für die Schweiz beträgt der Spezialisierungskoeffizient demnach<br />
für jede Branche 1. Ein Spezialisierungskoeffizient grösser als 1 zeigt eine Spezialisierung der<br />
betrachteten Region in der jeweiligen Branche an. Ist der Spezialisierungskoeffizient kleiner als<br />
1, ist die betreffende Branche in der Region im Vergleich zur Schweiz unterdurchschnittlich vertreten.<br />
Um den Vergleich der Branchenstrukturen zu vereinfachen, haben wir Industrie- <strong>und</strong><br />
Dienstleistungsbranchen in elf Kategorien zusammengefasst (siehe nachstehende Übersicht).<br />
Swiss Issues Regionen 33
Tourismus, Bau <strong>und</strong> Energie<br />
als prägende Merkmale<br />
Economic Research<br />
Traditionelle Industrie Nahrungsmittel, Getränke <strong>und</strong> Tabak, Textilien <strong>und</strong> Bekleidung, Lederwaren <strong>und</strong><br />
Schuhe, Holzindustrie, Papier- <strong>und</strong> Kartonindustrie, Druckgewerbe, Kokerei,<br />
Raffinerie, Herstellung von sonstigen Produkten aus nichtmetallischen Mineralien,<br />
Metallerzeugnisse, sonstiges verarbeitendes Gewerbe<br />
Spitzenindustrie Chemische <strong>und</strong> pharmazeutische Industrie, Gummi- <strong>und</strong> Kunststoffwaren, Maschinenbau,<br />
Herstellung elektrischer <strong>und</strong> elektronischer Geräte, Feinmechanik, Optik,<br />
Fahrzeugbau<br />
Baugewerbe Baugewerbe<br />
Energieversorgung Energie- <strong>und</strong> Wasserversorgung, Gewinnung von energetischen Produkten, Gewinnung<br />
von nichtenergetischen Produkten<br />
Handel <strong>und</strong> Verkauf Autogewerbe, Grosshandel, Detailhandel<br />
Verkehr, Transport, Post Verkehr, Hilfs- <strong>und</strong> Nebentätigkeiten für den Verkehr, Logistik, Post- <strong>und</strong> Kurierdienste<br />
Information, Kommunikation, IT Verlagsgewerbe, Film <strong>und</strong> Videoaktivitäten, Radio- <strong>und</strong> Fernsehanstalten, Nachrichtenübermittlung,<br />
Bibliotheken <strong>und</strong> Archive<br />
Finanzdienstleistungen Kredit- <strong>und</strong> Versicherungsgewerbe<br />
Unternehmensdienstleistungen Reisebüros, Vermietung, Informatikdienste, Forschung <strong>und</strong> Entwicklung, Dienstleistungen<br />
für Unternehmen, Immobilienwesen<br />
Unterhaltung <strong>und</strong> Gastgewerbe Gastgewerbe, Unterhaltung, Kultur <strong>und</strong> Sport, Persönliche Dienstleistungen<br />
Administrative <strong>und</strong> soziale Dienste Öffentliche Verwaltung, Ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong> Sozialwesen, Unterrichtswesen, Abwasserreinigung,<br />
Abfallbeseitigung, Interessenvertretungen, Bestattungswesen<br />
Abbildung 28 stellt die Spezialisierungskoeffizienten für den <strong>Kanton</strong> <strong>Wallis</strong> <strong>und</strong> seine Regionen<br />
sowie einige Vergleichskantone dar. Charakteristisch für die <strong>Wallis</strong>er Wirtschaft ist die Spezialisierung<br />
in den Bereichen Baugewerbe, Energieversorgung sowie Unterhaltung <strong>und</strong> Gastgewerbe.<br />
Aufgr<strong>und</strong> seiner naturräumlichen Ausstattung ist der <strong>Kanton</strong> prädestiniert für den Tourismus.<br />
So besteht die einzige Spezialisierung des <strong>Kanton</strong>s im tertiären Sektor in dieser Branche.<br />
Von der touristischen Attraktivität der <strong>Wallis</strong>er Destinationen <strong>und</strong> der dadurch ausgelösten<br />
Nachfrage nach Ferienwohnungen profitiert auch die Baubranche. Die natürlichen Ressourcen,<br />
insbesondere die Wasserkraft, liegen zudem auch der hohen Bedeutung der Energieversorgung<br />
zugr<strong>und</strong>e, welche den höchsten Spezialisierungskoeffizienten erreicht.<br />
Abbildung 28<br />
Regionale Spezialisierung 2005<br />
Spezialisierungskoeffizient, gemessen an der Beschäftigung, nur 2. <strong>und</strong> 3. Sektor<br />
TraditioSpitzenBaugeEnergie- Handel, Verkehr, InformaFinanzUnterUnterAdmininelleindustriewerbeversor Verkauf Transport, tion,dienstnehmenshaltung,strative, Industrie<br />
gung<br />
Post Kommuleist<strong>und</strong>ienstGastge- soziale<br />
nikation,genleistunwerbe Dienste<br />
IT<br />
gen<br />
Goms 0.92 0.03 1.63 2.01 0.87 1.29 0.08 0.32 0.95 4.39 0.48<br />
Brig 0.46 0.25 1.55 1.18 0.93 3.06 0.37 0.54 0.67 1.82 0.97<br />
Visp 0.75 1.97 1.28 1.18 0.78 1.18 0.14 0.29 0.42 3.28 0.51<br />
Leuk 0.99 0.17 1.49 1.03 0.81 1.16 0.32 0.29 0.45 3.71 0.99<br />
Sierre 1.78 0.10 1.49 1.73 1.07 0.74 0.54 0.27 0.80 1.85 0.98<br />
Sion 0.76 0.34 1.46 1.95 1.22 0.73 0.71 0.81 0.79 1.15 1.25<br />
Martigny 1.06 0.22 1.79 2.42 1.19 1.07 0.25 0.81 0.86 1.98 0.74<br />
Monthey/St. Maurice 0.86 1.74 1.46 4.94 0.94 0.65 0.21 0.30 0.70 1.12 0.92<br />
<strong>Kanton</strong> Bern 1.14 0.84 0.98 1.03 0.90 1.04 1.39 0.60 0.84 1.01 1.21<br />
<strong>Kanton</strong> Waadt 0.70 0.67 0.93 1.07 1.10 0.86 1.08 0.81 1.14 1.06 1.23<br />
<strong>Kanton</strong> <strong>Wallis</strong> 0.94 0.74 1.50 2.19 1.04 1.08 0.39 0.53 0.71 1.93 0.91<br />
Schweiz 1.00 1.00 1.00 1.00 1.00 1.00 1.00 1.00 1.00 1.00 1.00<br />
Quelle: Credit Suisse Economic Research, B<strong>und</strong>esamt für Statistik<br />
Swiss Issues Regionen 34
Industrielle Schwerpunkte<br />
in den Regionen Visp, Sierre<br />
<strong>und</strong> Monthey/St. Maurice<br />
Economic Research<br />
Die skizzierten regionalen Schwerpunkte haben nicht für alle Regionen die gleiche Relevanz. So<br />
ist die Spezialisierung im Tourismusbereich in den Regionen Goms, Visp <strong>und</strong> Leuk am ausgeprägtesten,<br />
gefolgt mit etwas Abstand von den Regionen Sierre <strong>und</strong> Martigny. Dies spiegelt die<br />
regionale Verteilung der wichtigsten Tourismusdestinationen im <strong>Kanton</strong> <strong>Wallis</strong> wider, von Zermatt<br />
<strong>und</strong> Saas-Fee über Leukerbad, Crans-Montana bis nach Verbier. Diese Ferienorte generieren<br />
das grösste Volumen an Logiernächten im <strong>Kanton</strong> <strong>und</strong> gehören zu den führenden Tourismusdestinationen<br />
in der Schweiz. Im Bereich Energieversorgung heben sich vor allem die Regionen<br />
Monthey/St. Maurice mit der hohen Vertretung der Wärmeversorgung sowie Martigny<br />
mit der Elektrizitätserzeugung <strong>und</strong> -verteilung ab. Die Baubranche weist hingegen für alle Regionen<br />
eine annähernd hohe Bedeutung auf.<br />
Bei einer detaillierten Betrachtung treten in einzelnen Gebieten weitere Spezialisierungen hervor.<br />
So lassen sich sowohl im Ober- als auch im Unterwallis Regionen mit einer bedeutenden industriellen<br />
Tradition erkennen. In den Regionen Monthey/St. Maurice <strong>und</strong> Visp ist die Spitzenindustrie<br />
überdurchschnittlich stark vertreten. Die Region Sierre hat sich hingegen als Standort<br />
der traditionellen Industrie etabliert. Die industrielle Ausrichtung geht in den Regionen Sierre <strong>und</strong><br />
insbesondere Visp mit einer hohen Spezialisierung im Tourismusbereich einher. Dies spiegelt die<br />
durch die topographischen Gegebenheiten des <strong>Kanton</strong>s bedingte Funktionsteilung zwischen<br />
Berg <strong>und</strong> Tal wider.<br />
Wie die detaillierten Darstellungen zur Branchenstruktur zeigen, beruht die industrielle Spezialisierung<br />
der Regionen Monthey/St. Maurice <strong>und</strong> Visp in erster Linie auf der Bedeutung der<br />
chemisch-pharmazeutischen Industrie (Abbildung 29 <strong>und</strong> Abbildung 30). Mit Beschäftigungsanteilen<br />
von 15% bzw. 17.6% ist diese Branche im <strong>Wallis</strong> deutlich stärker vertreten als im nationalen<br />
Mittel. Dabei stehen weniger pharmazeutische Produkte, sondern vielmehr chemische Erzeugnisse<br />
im Vordergr<strong>und</strong>. Mit der Maschinen- <strong>und</strong> Metallindustrie verfügen diese Regionen<br />
über weitere Standbeine im sek<strong>und</strong>ären Sektor, die jedoch einen deutlich geringeren Anteil der<br />
regionalen Beschäftigung ausmachen. Einen regionalen Schwerpunkt bildet die Metallbranche<br />
hingegen für die Region Sierre, welche insbesondere für den Bereich Aluminium bekannt ist. In<br />
dieser Region sind zudem die Verarbeitung von Steinen <strong>und</strong> Erden sowie die Holzindustrie überdurchschnittlich<br />
stark vertreten. Letztere profitiert unter anderem von der touristisch bedingten<br />
Nachfrage im Chaletbau. Nur geringe Beschäftigungsanteile weisen in der Region Sierre hingegen<br />
Branchen der Spitzenindustrie auf wie die Maschinen-, Kunststoff- <strong>und</strong> Elektroindustrie sowie<br />
der Bereich Präzisionsinstrumente.<br />
Abbildung 29<br />
Branchenstruktur der Region Monthey/St. Maurice 2005<br />
Beschäftigungsanteil der grössten 12 Branchen in Prozent, Vollzeitäquivalente<br />
Chemie<br />
Bau<br />
Ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong> Sozialwesen<br />
Detailhandel<br />
Gastgewerbe<br />
Unternehmensdienstleistungen<br />
Unterrichtswesen<br />
Energieversorgung<br />
Automobilgewerbe<br />
Metallindustrie<br />
Landtransporte<br />
Maschinenindustrie<br />
Quelle: B<strong>und</strong>esamt für Statistik<br />
CH VS Monthey/St. Maurice<br />
0.0% 2.0% 4.0% 6.0% 8.0% 10.0% 12.0% 14.0% 16.0%<br />
Swiss Issues Regionen 35
Brig als Verkehrsknotenpunkt<br />
…<br />
… <strong>und</strong> Dienstleistungszentrum<br />
für das <strong>Oberwallis</strong><br />
Abbildung 30<br />
Branchenstruktur der Region Visp 2005<br />
Beschäftigungsanteil der grössten 12 Branchen in Prozent, Vollzeitäquivalente<br />
Gastgewerbe<br />
Chemie<br />
Bau<br />
Detailhandel<br />
Ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong> Sozialwesen<br />
Landtransporte<br />
Unternehmensdienstleistungen<br />
Metallindustrie<br />
Unterrichtswesen<br />
Maschinenindustrie<br />
Grosshandel<br />
Automobilgewerbe<br />
Quelle: B<strong>und</strong>esamt für Statistik<br />
Economic Research<br />
CH VS Visp<br />
0.0% 5.0% 10.0% 15.0% 20.0% 25.0%<br />
Neben der Industrie stellt der Verkehr eine weitere regionale Spezialisierung dar, die insbesondere<br />
in der Region Brig zum Ausdruck kommt (Abbildung 31). Brig-Glis ist ein bedeutender<br />
Verkehrsknotenpunkt, an dem sich die internationalen Achsen auf der Strasse <strong>und</strong> der Schiene<br />
kreuzen. Entsprechend weist diese Region einen hohen Beschäftigungsanteil im Eisenbahnverkehr<br />
sowie in den damit verb<strong>und</strong>enen Hilfstätigkeiten auf. Die Eröffnung des Lötschberg-<br />
Basistunnels h<strong>und</strong>ert Jahre nach dem Bau des Simplontunnels ist ein weiterer Meilenstein in<br />
der verkehrstechnischen Entwicklung der Stadt: Dadurch verkürzt sich die Bahnreise in den<br />
Norden um nicht weniger als 40 Minuten.<br />
Abbildung 31<br />
Branchenstruktur der Region Brig 2005<br />
Beschäftigungsanteil der grössten 12 Branchen in Prozent, Vollzeitäquivalente<br />
Bau<br />
Landtransporte<br />
Gastgewerbe<br />
Ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong> Sozialwesen<br />
Detailhandel<br />
Unternehmensdienstleistungen<br />
Unterrichtswesen<br />
Spedition <strong>und</strong> Reisebüros<br />
Öffentliche Verwaltung<br />
Grosshandel<br />
Nachrichtenübermittlung<br />
Automobilgewerbe<br />
Quelle: B<strong>und</strong>esamt für Statistik<br />
CH VS Brig<br />
0.0% 2.0% 4.0% 6.0% 8.0% 10.0% 12.0% 14.0% 16.0%<br />
Parallel zu ihrer verkehrstechnischen Erschliessung verläuft die Entwicklung der Stadt Brig zum<br />
Dienstleistungszentrum für das <strong>Oberwallis</strong>. Beschäftigungsanteile im oder über dem kantonalen<br />
Durchschnitt in den Bereichen Unternehmensdienstleistungen, Detailhandel, Nachrichtenüber-<br />
Swiss Issues Regionen 36
Sion als <strong>Kanton</strong>shauptort<br />
<strong>und</strong> administratives<br />
Zentrum<br />
Economic Research<br />
mittlung, Ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong> Sozialwesen sowie Unterrichtswesen unterstreichen die Konzentration<br />
von zentralen Diensten mit überregionaler Bedeutung.<br />
Topographie <strong>und</strong> Tourismus prägen <strong>Wallis</strong>er Detailhandelsstruktur<br />
<strong>Der</strong> Detailhandel ist im <strong>Wallis</strong> einer der wichtigsten Wirtschaftszweige <strong>und</strong> beschäftigte 2005<br />
r<strong>und</strong> jede zehnte Arbeitskraft. Damit liegt der Beschäftigungsanteil deutlich über dem Landesdurchschnitt<br />
von 7.7%. Dies liegt vermutlich nicht daran, dass die <strong>Wallis</strong>er überdurchschnittlich<br />
kauffreudig sind, sondern hat seine Gründe vielmehr in einer speziellen Branchenstruktur,<br />
dem Tourismus sowie einer starken Angebotsausweitung in den vergangenen Jahren.<br />
Die spezielle Topographie des <strong>Wallis</strong> hinterlässt ihre Spuren in einer polarisierten Branchenstruktur<br />
des Detailhandels. Auf der einen Seite positioniert sich das Rhonetal mit seinem<br />
flachen Talboden <strong>und</strong> der guten Verkehrserschliessung, wo grosse Einkaufszentren <strong>und</strong> Supermärkte<br />
auf die automobile K<strong>und</strong>schaft warten. Andererseits schützen in abgelegenen<br />
Talschaften die umgebenden Berge nicht zuletzt auch eine kleinflächige <strong>und</strong> arbeitsintensive<br />
Detailhandelsstruktur <strong>und</strong> halten Einkaufszentren, deutsche Harddiscounter <strong>und</strong> Megastores,<br />
welche sonst als Katalysator des <strong>Struktur</strong>wandels fungieren, auf eine gewisse Distanz. Dieser<br />
Distanzschutz gilt im Falle von Möbelgeschäften oder Baumärkten sogar in einem überregionalen<br />
Rahmen. So benötigt beispielsweise ein Briger knappe zwei St<strong>und</strong>en, um in den<br />
nächsten IKEA zu fahren.<br />
Im Vergleich zum nationalen Mittel arbeitet ein tieferer Anteil der <strong>Wallis</strong>er Detailhandelsangestellten<br />
in grösseren Lebensmittelgeschäften <strong>und</strong> Supermärkten (zwischen 100 <strong>und</strong> 2'500<br />
m 2 ). Die Anteile bei den Bäckereien sowie den Lebensmittelgeschäften unter 100 m 2 , also<br />
dem typischen Dorfladen, liegen hingegen deutlich über dem Landesdurchschnitt. Es ist bei<br />
dieser starken Heimbasis vielleicht auch kein Zufall, dass sich die Valaisanne Holding, welche<br />
das im <strong>Wallis</strong> vorherrschende Ladenformat PAM betreibt, 2004 dazu aufmachte, ein<br />
führender Schweizer Player bei Dorf- <strong>und</strong> Nachbarschaftsläden zu werden. In einer schnellen<br />
Serie von Übernahmen verleibte sich das Unternehmen etliche Pick-Pay-Franchiser, Primo-<br />
<strong>und</strong> Visavis-Standorte sowie die Deutschschweizer Treffpunkt-Läden ein. Das Filialnetz zählte<br />
2008 stolze 634 Standorte – inklusive Franchiser – <strong>und</strong> belieferte freie Detaillisten. Damit<br />
ist die Holding, welche heute unter dem Namen Distribution Suisse im Markt auftritt, nach<br />
Volg der führende Schweizer Dorfladenspezialist.<br />
Abgeschiedenheit allein vermag angesichts der weiterhin steigenden Mobilität kaum die überdurchschnittliche<br />
Bedeutung des Detailhandels zu erklären. Als weit wichtiger wirkt sich der<br />
Tourismus aus, welcher für eine bedeutende Zusatznachfrage bei den lokalen Detaillisten<br />
sorgt. Zermatt schwillt beispielsweise in der Hochsaison von einem Bergdorf zu einer geschäftigen<br />
30'000-Einwohner-Stadt an <strong>und</strong> gibt damit knapp 400 Leuten im Detailhandel<br />
Arbeit, was r<strong>und</strong> 13% der Beschäftigten ausmacht. <strong>Der</strong> Tourismus beschert dem Bergkanton<br />
auch eine beachtlich Dichte von Sportgeschäften: Mehr als jedes zehnte dieser Fachgeschäfte<br />
in der Schweiz befindet sich im <strong>Wallis</strong>.<br />
Mit dem <strong>Kanton</strong>shauptort positioniert sich die Region Sion als administratives Zentrum für den<br />
gesamten <strong>Kanton</strong>. Analog zur Region Brig im <strong>Oberwallis</strong> übernimmt Sion zudem die Funktion<br />
eines Dienstleistungspols für das Unterwallis. Neben überdurchschnittlich hohen Beschäftigungsanteilen<br />
in der öffentlichen Verwaltung hebt sich diese Region auch im Bereich der Basis-<br />
<strong>und</strong> Zentrumsdienstleistungen vom kantonalen Mittel ab, vom Ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong> Bildungssektor<br />
über Handel <strong>und</strong> Verkauf bis zu den Unternehmensdienstleistungen <strong>und</strong> der Finanzbranche<br />
(Abbildung 32). Mit dem Baugewerbe gehört nur eine Branche aus dem sek<strong>und</strong>ären Sektor zu<br />
den 12 wichtigsten Wirtschaftszweigen der Region. Es handelt sich aber mit einem Beschäftigungsanteil<br />
von 13.4% gleichzeitig um den wichtigsten Arbeitgeber.<br />
Swiss Issues Regionen 37
Wirtschaft im Wandel:<br />
Tertiarisierung <strong>und</strong> Umstrukturierung<br />
Abbildung 32<br />
Branchenstruktur der Region Sion 2005<br />
Beschäftigungsanteil der grössten 12 Branchen in Prozent, Vollzeitäquivalente<br />
Ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong> Sozialwesen<br />
Detailhandel<br />
Öffentliche Verwaltung<br />
Gastgewerbe<br />
Unternehmensdienstleistungen<br />
Unterrichtswesen<br />
Grosshandel<br />
Automobilgewerbe<br />
Nachrichtenübermittlung<br />
Kreditgewerbe<br />
Versicherungen<br />
Quelle: B<strong>und</strong>esamt für Statistik<br />
Bau<br />
5.2 Wandel der Wirtschaftsstruktur<br />
Economic Research<br />
CH VS Sion<br />
0.0% 2.0% 4.0% 6.0% 8.0% 10.0% 12.0% 14.0%<br />
Die Analyse der Branchenstruktur liefert ein detailliertes, jedoch statisches Bild der regionalen<br />
Wirtschaft. Veränderungen der Branchenstruktur geben dagegen Auskunft über die wirtschaftliche<br />
Dynamik einer Region. Die Intensität des <strong>Struktur</strong>wandels hat in der Wirtschaft im Laufe<br />
der neunziger Jahre deutlich zugenommen, das Wettbewerbsumfeld verschärft, aber auch neue<br />
Chancen eröffnet. Regional kann sich der beschleunigte <strong>Struktur</strong>wandel differenziert auswirken,<br />
Unterschiede einebnen oder bestehende Disparitäten verstärken.<br />
Abbildung 33<br />
Beschäftigungsentwicklung in den <strong>Wallis</strong>er Regionen 1995–2005<br />
Wachstum in Prozent, nur sek<strong>und</strong>ärer <strong>und</strong> tertiärer Sektor<br />
Goms<br />
Leuk<br />
Brig<br />
Sierre<br />
Visp<br />
Sion<br />
VS<br />
CH<br />
Monthey/St. Maurice<br />
BE<br />
VD<br />
Martigny<br />
-25.0% -20.0% -15.0% -10.0% -5.0% 0.0% 5.0% 10.0% 15.0%<br />
Quelle: B<strong>und</strong>esamt für Statistik<br />
<strong>Struktur</strong>wandel bedeutet in der Schweiz zunächst eine zunehmende Tertiarisierung der Wirtschaft.<br />
So hat der tertiäre Sektor zwischen 1995 <strong>und</strong> 2005 ein Beschäftigungswachstum von<br />
7.4% erfahren, dem ein Abbau von 10.4% im sek<strong>und</strong>ären Sektor gegenüberstand. Ein Struk-<br />
Swiss Issues Regionen 38
Schwache Beschäftigungsdynamik<br />
im <strong>Kanton</strong> <strong>Wallis</strong><br />
Regionale Muster des<br />
<strong>Struktur</strong>wandels<br />
Economic Research<br />
turwandel lässt sich aber auch innerhalb der Industrie beobachten, beispielsweise durch eine<br />
Verlagerung von der traditionellen Industrie hin zur wertschöpfungsintensiven Spitzenindustrie.<br />
Rein industrielle Tätigkeiten werden aber auch immer mehr mit Dienstleistungen auf verschiedenen<br />
Stufen der Wertschöpfungskette ergänzt, was einer Tertiarisierung der Industrie gleichkommt.<br />
<strong>Der</strong> <strong>Kanton</strong> <strong>Wallis</strong> verzeichnete zwischen 1995 <strong>und</strong> 2005 einen Beschäftigungsrückgang von<br />
1.2%, welchem auf nationaler Ebene eine leichte Zunahme von 1.4% gegenüberstand<br />
(Abbildung 33). Die einzelnen Regionen waren hiervon unterschiedlich stark betroffen. Drastische<br />
Verluste mussten insbesondere die Regionen Goms <strong>und</strong> Leuk hinnehmen, wo die Beschäftigtenzahl<br />
um 20.9 bzw. 18.4% zurückgegangen ist. Überdurchschnittlich hohe Beschäftigungsabnahmen<br />
im kantonalen Vergleich verzeichneten auch die Regionen Brig (–6.5%), Sierre<br />
(–4.8%) <strong>und</strong> Visp (–2.6%). Während die Region Sion mit einem Rückgang von 0.7% nur eine<br />
geringe Beschäftigungseinbusse verzeichnete, liess sich in den Regionen Monthey/St. Maurice<br />
<strong>und</strong> insbesondere Martigny mit Wachstumsraten von 1.2 bzw. 11.3% eine positive Beschäftigungsdynamik<br />
beobachten. Insgesamt fiel die Beschäftigungsbilanz im Unterwallis deutlich besser<br />
aus als im <strong>Oberwallis</strong>.<br />
Betrachtet man die Beiträge der einzelnen Spezialisierungskategorien zur Beschäftigungsentwicklung<br />
in der Periode 1995-2005, lassen sich im <strong>Kanton</strong> <strong>Wallis</strong> regional unterschiedliche<br />
Muster des <strong>Struktur</strong>wandels erkennen (Abbildung 34). Innerhalb der Industrie ist der Wandel hin<br />
zur wertschöpfungsintensiven Spitzenindustrie ansatzweise erkennbar. Die traditionelle Industrie<br />
verzeichnete in annähernd allen Regionen einen Beschäftigungsrückgang. Diesem stand allerdings<br />
nur in den Regionen Visp <strong>und</strong> Leuk eine geringe Zunahme in der Spitzenindustrie gegenüber.<br />
In der Region Martigny wurden sowohl in der traditionellen als auch in der Spitzenindustrie<br />
neue Arbeitsplätze geschaffen; in der Region Monthey/St. Maurice baute der Industriesektor<br />
hingegen deutlich Beschäftigung ab.<br />
Abbildung 34<br />
Beiträge der einzelnen Branchen zum Beschäftigungswachstum 1995–2005<br />
In Prozent nach Spezialisierungskategorien<br />
15%<br />
10%<br />
5%<br />
0%<br />
-5%<br />
-10%<br />
-15%<br />
-20%<br />
-25%<br />
Martigny<br />
CH<br />
Monthey/<br />
St. Maurice<br />
Sion<br />
VS<br />
Visp<br />
Sierre<br />
Quelle: B<strong>und</strong>esamt für Statistik, Credit Suisse Economic Research<br />
Brig<br />
Leuk<br />
Goms<br />
Admin. <strong>und</strong> soziale Dienste<br />
Unterhaltung <strong>und</strong> Gastgewerbe<br />
Unternehmensdienstleistungen<br />
Finanzdienstleistungen<br />
Information, Kommunikation, IT<br />
Verkehr, Transport, Post<br />
Handel <strong>und</strong> Verkauf<br />
Energieversorgung<br />
Baugewerbe<br />
Spitzenindustrie<br />
Traditionelle Industrie<br />
In weiteren prägenden Branchen für die <strong>Wallis</strong>er Wirtschaft, vom Baugewerbe über die Energieversorgung<br />
bis zum Tourismussektor, fiel die Beschäftigungsbilanz zwischen 1995 <strong>und</strong> 2005<br />
eher schwach aus. Die Bau- <strong>und</strong> Energiewirtschaft konnten ihre Arbeitsplätze halten; im Bereich<br />
Unterhaltung <strong>und</strong> Gastgewerbe wurde hingegen für den <strong>Kanton</strong> als Ganzes ein Beschäftigungsrückgang<br />
von 1.6% verzeichnet. Starke Einbussen mussten dabei vor allem die Regionen<br />
Goms, Leuk <strong>und</strong> Sierre hinnehmen, welche zu den am stärksten auf die Tourismuswirtschaft<br />
ausgerichteten Gebieten zählen. Wertschöpfungsintensive Dienstleistungsbranchen konnten in<br />
gewissen Gebieten Arbeitsplätze schaffen. Die Regionen Monthey/St. Maurice, Visp <strong>und</strong> Goms<br />
Swiss Issues Regionen 39
<strong>Wallis</strong> profitiert von Standortverlagerungen<br />
aus der<br />
Waadt<br />
Beurteilung von Chancen<br />
<strong>und</strong> Risiken einzelner Branchen<br />
Economic Research<br />
verzeichneten zum Beispiel eine positive Beschäftigungsdynamik in den Bereichen Information,<br />
Kommunikation <strong>und</strong> IT, Finanz- sowie Unternehmensdienstleistungen. Insgesamt ist die Beschäftigungsbilanz<br />
im tertiären Sektor jedoch verhalten geblieben <strong>und</strong> hauptsächlich durch neue<br />
Arbeitsplätze bei den administrativen <strong>und</strong> sozialen Diensten getragen worden.<br />
Abbildung 35<br />
Migration der Arbeitsstätten im <strong>Kanton</strong> <strong>Wallis</strong> 1995–2005<br />
Anzahl Arbeitsstätten<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
-20<br />
-40<br />
-60<br />
-80<br />
Zuzüge nach VS aus ... Wegzüge von VS nach ... Saldo VS gegenüber ...<br />
VD ZH BE SH NE LU SO BS SZ FR TI GE<br />
Quelle: B<strong>und</strong>esamt für Statistik, Credit Suisse Economic Research<br />
Neben Wachstum oder Schrumpfung bestehender Unternehmen sowie neuen Firmengründungen<br />
wird die Beschäftigungsentwicklung in einer Region auch durch Standortverlagerungen von<br />
Arbeitsstätten beeinflusst. Eine entsprechende Auswertung der Betriebszählungsdaten ermöglicht<br />
eine Beurteilung der Binnenmigration von Arbeitsstätten aus der Perspektive des <strong>Kanton</strong>s<br />
<strong>Wallis</strong>. In der Periode 1995–2005 verzeichnete die <strong>Wallis</strong>er Wirtschaft insgesamt einen leicht<br />
positiven Binnenwanderungssaldo von Arbeitsstätten <strong>und</strong> Beschäftigten, der insbesondere die<br />
Sektoren Bau, Handel <strong>und</strong> Verkauf, Information, Kommunikation <strong>und</strong> IT sowie Finanz- <strong>und</strong> Unternehmensdienstleistungen<br />
betraf. Wie aus Abbildung 35 ersichtlich ist, konnte das <strong>Wallis</strong> insbesondere<br />
Unternehmen aus dem <strong>Kanton</strong> Waadt anziehen. Diese Entwicklungen sind in der<br />
Tendenz positiv, konnten jedoch aufgr<strong>und</strong> des bescheidenen Beschäftigungsvolumens die vorwiegend<br />
negative Beschäftigungsdynamik im <strong>Kanton</strong> nicht kompensieren.<br />
5.3 Branchenbewertung<br />
Die Bedeutung der Branchenstruktur für das Wachstumspotential der Wertschöpfung einer<br />
Region hängt von deren Wettbewerbsfähigkeit ab. Eine entsprechende Bewertung der Branchenstruktur<br />
kann mit Hilfe von Abbildung 36 vorgenommen werden. <strong>Der</strong> Durchmesser der<br />
Kreise gibt dabei den Anteil der betreffenden Branche an der Gesamtheit der Arbeitsplätze in<br />
der Region wider. Die Abweichung dieses Anteils vom Landesdurchschnitt wird auf der horizontalen<br />
Achse angezeigt. Je weiter rechts eine Branche positioniert ist, desto grösser ist ihre Bedeutung<br />
für die Region im Vergleich zum Landesdurchschnitt. Die vertikale Achse zeigt die mittelfristigen<br />
Chancen <strong>und</strong> Risiken jeder Branche an. Das zugr<strong>und</strong>e liegende Bewertungsmodell<br />
basiert auf Indikatoren der amtlichen Statistik sowie eigenen Prognosen. In die Beurteilung der<br />
Chancen fliessen Daten zum Wertschöpfungs-, Produktivitäts- <strong>und</strong> Beschäftigungswachstum<br />
ein. Die Risiken bilden Unsicherheiten ab, welche das nachhaltige Wachstum der Branche stören<br />
können. Ihre Einschätzung basiert auf Indikatoren, welche neben den Wachstumsschwankungen<br />
beispielsweise auch den <strong>Struktur</strong>wandel <strong>und</strong> das Ausmass an Regulierungen <strong>und</strong> Protektionismus<br />
innerhalb der Branchen messen.<br />
Swiss Issues Regionen 40
Economic Research<br />
Chemisch-pharmazeutische Industrie als wichtige Stütze der <strong>Wallis</strong>er Wirtschaft<br />
Die chemisch-pharmazeutische Industrie im <strong>Wallis</strong> schreibt nun schon über 100 Jahre Geschichte.<br />
<strong>Der</strong> Startschuss erfolgte 1904 mit der Eröffnung der Ciba-Fabrik in Monthey <strong>und</strong> 5<br />
Jahre später mit der Eröffnung der Lonza-Fabrik in Visp. Mit einem Beschäftigungsanteil von<br />
5.4% <strong>und</strong> einem Beitrag zur kantonalen Wertschöpfung von 11.6% stellt diese Branche eine<br />
der wichtigsten Stützen der <strong>Wallis</strong>er Wirtschaft dar. Die Bedeutung der chemischpharmazeutischen<br />
Industrie für das <strong>Wallis</strong> ist auch anhand der Exportzahlen ersichtlich. Die<br />
Branche macht mit 47% fast die Hälfte der kantonalen Warenexporte aus. 2008 erreichten<br />
die <strong>Wallis</strong>er Chemie- <strong>und</strong> Pharmaexporte 1.2 Mrd. CHF. Hauptabsatzländer der <strong>Wallis</strong>er<br />
Chemie- <strong>und</strong> Pharmaexporte sind Deutschland (21%), die USA (17%), Frankreich (14%),<br />
Grossbritannien (7%), die Niederlande (5%), Irland (4%), Japan (4%) <strong>und</strong> Spanien (3%).<br />
Diese acht Hauptabsatzländer machen drei Viertel der Chemie- <strong>und</strong> Pharmaexporte aus.<br />
<strong>Der</strong> jüngste weltweite Konjunktureinbruch hat die zyklische chemische Industrie schweizweit<br />
hart getroffen. Trotz recht stabilen Exporten seit dem Beginn der Wirtschaftskrise ist auch<br />
die <strong>Wallis</strong>er Chemie nicht von der Kurzarbeit verschont geblieben. Vor allem Ciba SC <strong>und</strong><br />
Huntsman mussten zu diesem Mittel greifen. Ciba SC produziert Farbpigmente für die Automobil<br />
<strong>und</strong> die Kunststoffindustrie sowie optische Aufheller, Huntsman Kunststoffe für die<br />
Luftfahrt- <strong>und</strong> die Automobilindustrie. Da beide vorwiegend Zwischenprodukte herstellen,<br />
sind sie stark vom Geschäftsgang der jeweiligen Abnehmerbranchen abhängig. Zudem wird<br />
in der chemischen Industrie weiter rationalisiert <strong>und</strong> automatisiert, was meist auf Kosten der<br />
Arbeitsplätze geht. Ciba SC in Monthey musste diese schmerzhaften Erfahrungen machen<br />
<strong>und</strong> so wurden in drei Jahren r<strong>und</strong> 10% der Stellen gestrichen. Syngenta ist dagegen viel<br />
weniger vom Konjunkturabschwung erfasst worden. Die Herbizide, Fungizide <strong>und</strong> Insektizide,<br />
welche in Monthey produziert werden, sind weiterhin gefragt. Angesichts der weltweit steigenden<br />
Nachfrage nach Nahrungsmitteln nimmt auch der Bedarf an Pflanzenschutzprodukten<br />
zur Steigerung der Ernteerträge stetig zu. Lonza wurde nur wenig vom Abschwung betroffen.<br />
<strong>Der</strong> Standort in Visp hat sich nämlich mehr <strong>und</strong> mehr auf Biotechnologie <strong>und</strong> hochtechnologische<br />
chemische Prozesse für den Pharmabereich sowie auf die Forschung in diesen<br />
Bereichen ausgerichtet.<br />
Für 2010 erwarten wir nach einem Umsatzeinbruch im laufenden Jahr eine gewisse Erholung<br />
der chemischen Industrie. Für die Pharmaindustrie erwarten wir dagegen für dieses <strong>und</strong><br />
nächstes Jahr eine Wachstumsverlangsamung, aber keinen Umsatzrückgang. Dass Lonza<br />
<strong>und</strong> Syngenta weiter stark in ihre <strong>Wallis</strong>er Standorte investieren, ist ein sehr gutes Zeichen<br />
für den <strong>Kanton</strong>. Um die Konkurrenzfähigkeit der <strong>Wallis</strong>er Chemiestandorte zu erhalten, müssen<br />
aber mehr <strong>und</strong> mehr Prozesse automatisiert werden, was weiterhin Arbeitsplätze kosten<br />
könnte. So könnte es mit der Übernahme von Ciba SC durch BASF im April 2009 zu weiteren<br />
Rationalisierungsr<strong>und</strong>en kommen, wenn Synergien zwischen den zwei Produktionsstandorten<br />
in Monthey <strong>und</strong> Evionnaz gef<strong>und</strong>en werden können. Anfang Juli wurde bereits ein<br />
Arbeitsplatzabbau im Werk Monthey angekündigt.<br />
Von diesem Bewertungsansatz ausgenommen ist die öffentliche Verwaltung. Eine Beurteilung<br />
der Wettbewerbsfähigkeit dieses Sektors ist kaum sinnvoll, da es für seine Leistungen in der<br />
Regel keinen Markt gibt <strong>und</strong> Angebot <strong>und</strong> Nachfrage von der Politik bestimmt werden. Bei der<br />
Branchenbewertung liegt die öffentliche Verwaltung daher auf der neutralen Horizontalachse.<br />
Abbildung 36 veranschaulicht das Chancen-Risiken-Profil der <strong>Wallis</strong>er Branchenstruktur. Von<br />
den Wirtschaftszweigen, welche überdurchschnittlich stark vertreten sind, sind es ausschliesslich<br />
Branchen aus dem sek<strong>und</strong>ären Sektor, welche die Wettbewerbsfähigkeit des <strong>Kanton</strong>s <strong>Wallis</strong><br />
positiv beeinflussen. Im Dienstleistungssektor fällt die Bewertung der einzelnen Branchen<br />
hingegen umso tiefer aus, je bedeutender diese für die <strong>Wallis</strong>er Wirtschaft sind. Im Folgenden<br />
wird auf einige wichtige Branchen näher eingegangen.<br />
Swiss Issues Regionen 41
Schlüsselrolle für die<br />
chemisch-pharmazeutische<br />
Industrie<br />
Zyklizität <strong>und</strong> Innovationsdruck<br />
in der Metallindustrie<br />
Abbildung 36<br />
Chancen-Risiken-Profil der Branchenstruktur im <strong>Kanton</strong> <strong>Wallis</strong><br />
Nur sek<strong>und</strong>ärer <strong>und</strong> tertiärer Sektor<br />
hoch<br />
niedrig Branchenbewertung<br />
Kreditgewerbe<br />
Unternehmensdienstleistungen<br />
Grosshandel<br />
Unterrichtswesen<br />
Maschinenindustrie<br />
Öffentliche Verwaltung<br />
Nachrichtenübermittlung<br />
Metallindustrie<br />
Ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong><br />
Sozialwesen<br />
Energieversorgung<br />
Holz (ohne Möbel)<br />
Landtransporte<br />
Automobilgewerbe<br />
Chemie<br />
Detailhandel<br />
Bau<br />
Economic Research<br />
öffentlicher Sektor<br />
Dienstleistungen<br />
Industrie <strong>und</strong> Bau<br />
Gastgewerbe<br />
-6.0% -4.0% -2.0% 0.0% 2.0% 4.0% 6.0% 8.0%<br />
Beschäftigung: Abweichung vom Landesdurchschnitt<br />
Quelle: Credit Suisse Economic Research<br />
Innerhalb des sek<strong>und</strong>ären Sektors weisen die Holzindustrie <strong>und</strong> die Energieversorgung ein verhältnismässig<br />
günstiges Chancen-Risiken-Profil auf; die Bauwirtschaft als wichtigster Arbeitgeber<br />
im <strong>Kanton</strong> erhält eine durchschnittliche Bewertung. Die wichtigsten Impulse für die <strong>Wallis</strong>er<br />
Wirtschaft generiert aber die chemisch-pharmazeutische Industrie. Die stark positive Bewertung<br />
spiegelt die hohe Wettbewerbsfähigkeit <strong>und</strong> die günstigen Zukunftsaussichten dieser Branche<br />
wider. Im Vergleich zu anderen Chemiestandorten in der Schweiz ist dieser Wirtschaftsbereich<br />
im <strong>Kanton</strong> <strong>Wallis</strong> jedoch aufgr<strong>und</strong> seines Produktemix etwas weniger gut positioniert. Während<br />
schweizweit mittlerweile 71% der Chemie- <strong>und</strong> Pharmaexporte auf die Pharmaindustrie entfallen,<br />
ist der Pharmaanteil der <strong>Wallis</strong>er Ausfuhren mit 42% viel geringer. Diese Branchenausrichtung<br />
bedingt eine tiefere Wachstumsdynamik der Exporte <strong>und</strong> eine höhere Konjunkturanfälligkeit<br />
(Abbildung 37). Letztere kommt daher, dass die Pharmaindustrie die eher nichtzyklische<br />
Ges<strong>und</strong>heitsnachfrage bedient, während die Chemiebranche Zulieferer für andere Industriebranchen<br />
ist <strong>und</strong> somit am Tropf der Industrieproduktion hängt.<br />
Die Metallindustrie stellt eine weitere wichtige Industriebranche im <strong>Kanton</strong> <strong>Wallis</strong> dar. Dieser<br />
Industriezweig kann als klassische Zulieferbranche bezeichnet werden, da es sich bei den Abnehmern<br />
hauptsächlich um andere Industriebranchen handelt. Entsprechend reagiert dieser<br />
Bereich stark auf Veränderungen der weltweiten Investitionstätigkeit <strong>und</strong> unterliegt einer hohen<br />
Zyklizität. Dadurch bekam diese Branche den jüngsten Konjunktureinbruch besonders deutlich<br />
zu spüren.<br />
In der Schweiz befindet sich der Bereich Metallherstellung nach der schweren Krise der neunziger<br />
Jahre in einer besseren Verfassung, nicht zuletzt dank dem bereits weit fortgeschrittenen<br />
Konzentrationsprozess der Branche <strong>und</strong> der Ausrichtung auf höherwertige Segmente. Nichtsdestotrotz<br />
belastet die unerbittliche Konkurrenz auf dem Weltmarkt die Entwicklungsperspektiven<br />
dieser Branche. Die Herstellung von Metallerzeugnissen weist insgesamt günstigere Aussichten<br />
auf. Ob es der Branche aber auch gelingt, die vorhandenen Chancen zu nutzen, hängt<br />
stark davon ab, inwieweit sie die Herausforderung moderner Technologien meistern <strong>und</strong> entsprechende<br />
Produkt- <strong>und</strong> Prozessinnovationen umsetzen wird. Gefahr droht den Herstellern von<br />
Metallerzeugnissen insbesondere von einer zunehmenden Substitution von Metall durch Kunststoff.<br />
Letzterer gilt als flexibler <strong>und</strong> innovationsfähiger. In der <strong>Wallis</strong>er Metallindustrie zeigt sich<br />
für die wichtige Aluminiumsparte die Produktion von Aluminiumspezialteilen als zukunftsträchtig.<br />
Swiss Issues Regionen 42
Beitrag wertschöpfungsintensiver<br />
Dienstleistungen<br />
durch Branchengrösse<br />
beschränkt<br />
Zunehmende Marktsättigung<br />
im Detailhandel<br />
Tourismus erwirtschaftet<br />
r<strong>und</strong> ein Viertel der <strong>Wallis</strong>er<br />
Wertschöpfung<br />
Abbildung 37<br />
Exporte der chemisch-pharmazeutischen Industrie 2002–2009<br />
Index, 4. Quartal 2002 = 100<br />
200<br />
180<br />
160<br />
140<br />
120<br />
100<br />
80<br />
60<br />
Pharma, VS<br />
Chemische Gr<strong>und</strong>stoffe, VS<br />
Pharma, Schweiz<br />
Chemische Gr<strong>und</strong>stoffe, Schweiz<br />
Economic Research<br />
2002 IV 2003 IV 2004 IV 2005 IV 2006 IV 2007 IV 2008 IV<br />
Quelle: Eidgenössische Zollverwaltung<br />
Im Dienstleistungssektor bleibt der Beitrag wertschöpfungsintensiver Branchen aufgr<strong>und</strong> der<br />
geringen Beschäftigungsanteile beschränkt. So decken Branchen wie das Kredit- <strong>und</strong> Versicherungsgewerbe,<br />
die Nachrichtenübermittlung oder die Informatik jeweils weniger als 2% oder<br />
sogar 1% der kantonalen Beschäftigung ab. Einzig der Bereich Unternehmensdienstleistungen<br />
erreicht mit einem Beschäftigungsanteil von 5.3% eine gewisse Relevanz für die kantonale<br />
Wirtschaft; im Vergleich zum Landesdurchschnitt ist er jedoch unterdurchschnittlich stark vertreten.<br />
Weitere Impulse für die Wettbewerbsfähigkeit der <strong>Wallis</strong>er Wirtschaft generieren im Dienstleistungssektor<br />
der Grosshandel sowie die Speditionsbranche. Die im nationalen Vergleich übervertretenen<br />
Branchen Automobilgewerbe, Landtransporte – mit den SBB, den Strassentransporteuren<br />
<strong>und</strong> den Bergbahnen als wichtigsten Arbeitgebern –, Detailhandel <strong>und</strong> insbesondere<br />
Gastgewerbe weisen hingegen ein weniger günstiges Chancen-Risiken-Profil auf.<br />
<strong>Der</strong> Detailhandelsmarkt gilt als weitgehend gesättigt <strong>und</strong> durch starken Konkurrenz-, Margen-<br />
<strong>und</strong> Kostendruck geprägt. Die Verkaufsflächen wachsen seit Jahren schneller als die Umsätze.<br />
Infolgedessen steigen die Kosten pro verkaufte Einheit. Grossflächige Supermärkte haben<br />
längst auch den <strong>Kanton</strong> <strong>Wallis</strong> erobert, insbesondere das Rhonetal. 2005 befand sich jeder<br />
siebte Schweizer Megastore über 2'500 m 2 im <strong>Wallis</strong>. Die Expansion war insbesondere zu Beginn<br />
dieses Jahrtausends rasant. Mit 18 Standorten <strong>und</strong> knapp 900 Beschäftigten überflügelte<br />
der Bergkanton in dieser Ladenkategorie selbst die benachbarte Waadt. Die bereits geballte<br />
Präsenz grosser Flächen vermochte neue Mitbewerber allerdings nicht abzuschrecken, im Gegenteil:<br />
<strong>Der</strong> deutsche Preisbrecher Aldi eröffnete Ende 2007 seine erste Westschweizer Filiale<br />
in Monthey <strong>und</strong> ist mit mittlerweile 6 Filialen im ganzen <strong>Kanton</strong> präsent. <strong>Der</strong> Discounter Lidl verfügt<br />
bereits über baubewilligte Projekte in Martigny, Sion, Conthey, Gamsen <strong>und</strong> Visp. Es ist<br />
deshalb nur eine Frage der Zeit, bis auch Konkurrent Lidl seine erste <strong>Wallis</strong>er Verkaufsstelle eröffnen<br />
wird.<br />
Von allen betrachteten Branchen erhält das Gastgewerbe die tiefste Bewertung. Diese Branche<br />
leidet unter grossen strukturellen Problemen. Aufgr<strong>und</strong> von tiefen Markteintrittsbarrieren<br />
herrscht ein hoher Wettbewerbsdruck, <strong>und</strong> es bestehen erhebliche Überkapazitäten. Ein<br />
Grossteil der Betriebe kann deshalb nicht genügend Umsätze erwirtschaften, um kostendeckend<br />
zu arbeiten, geschweige denn um die Investitionen zu tätigen, die nötig sind, um das<br />
Angebot an die wandelnden Bedürfnisse der K<strong>und</strong>schaft anzupassen. Zahlreiche Betriebe sind<br />
ausserdem zu klein, um Skalenerträge realisieren zu können. Das Gastgewerbe allein deckt im<br />
<strong>Kanton</strong> <strong>Wallis</strong> bereits 11.8% der kantonalen Beschäftigung ab <strong>und</strong> ist damit doppelt so stark<br />
vertreten als im Schweizer Mittel. Diese Sicht greift aber zu kurz, wenn man die Relevanz des<br />
Tourismussektors für die <strong>Wallis</strong>er Wirtschaft darstellen möchte. Unter Berücksichtigung der<br />
zahlreichen Dienstleistungen, die ein Feriengast neben Hotellerie <strong>und</strong> Restauration beansprucht,<br />
Swiss Issues Regionen 43
Wettbewerbsfähigkeit der<br />
<strong>Wallis</strong>er Tourismusdestinationen<br />
Economic Research<br />
sowie der durch den Tourismus induzierten Vorleistungen <strong>und</strong> Investitionen generiert dieser<br />
Sektor direkt <strong>und</strong> indirekt eine Wertschöpfung von 5.5 Mrd. CHF, was einem Anteil des Tourismus<br />
an der gesamten Bruttowertschöpfung des <strong>Kanton</strong>s von einem Viertel entspricht. Gesamtschweizerisch<br />
liegt dieser Anteil nur etwa bei 6%. <strong>Der</strong> Tourismus deckt im <strong>Kanton</strong> insgesamt<br />
mehr als 30'000 Arbeitsplätze ab, was einem Anteil von 27% der <strong>Wallis</strong>er Gesamtbeschäftigung<br />
entspricht.<br />
Neue Projekte im <strong>Wallis</strong>er Detailhandel<br />
Trotz Marktsättigung geht die Bau- <strong>und</strong> Planungswut im <strong>Wallis</strong>er Detailhandel weiter. Im<br />
Zuge der Hochkonjunktur schossen die Baugesuche für Verkaufsflächen auf Rekordwerte.<br />
Neben dem Umbau oder der Erweiterung bestehender Objekte sind im Bereich der Einkaufszentren<br />
weitere grosse Projekte in der Pipeline: In Martigny <strong>und</strong> bei Visp (Eyholz) sind je<br />
ein neues Einkaufszentrum mit ca. 13'000 m 2 in Planung. In Riddes, auf halbem Weg zwischen<br />
Sion <strong>und</strong> Martigny, plant FC-Sion-Präsident Christian Constantin ein neues Stadion<br />
inklusive grossem Einkaufszentrum, welches allerdings durch Einsprachen blockiert ist. Ein<br />
Gr<strong>und</strong> für das weiterhin hohe Interesse an neuen Einkaufszentren dürfte sein, dass etliche<br />
der bestehenden Einkaufszentren, besonders im Unterwallis, sehr profitabel arbeiten. <strong>Der</strong><br />
"Parc du Rhône" in Collombey <strong>und</strong> das "Métropole" in Sion gehören mit einer Flächenproduktivität<br />
von 13'080 bzw. 11'290 CHF/m 2 zur schweizerischen Spitzengruppe <strong>und</strong> übertreffen<br />
damit beispielsweise die beiden grossen Einkaufszentren von Migros <strong>und</strong> Coop in Crissier vor<br />
den Toren Lausannes. Trotzdem muss man das fulminante Wachstum, welches bereits von<br />
einem hohen Niveau ausging, mit einiger Sorge betrachten. <strong>Der</strong> Detailhandel ist <strong>und</strong> bleibt<br />
ein gesättigter Markt, <strong>und</strong> von der demographischen Entwicklung werden im <strong>Wallis</strong> keine<br />
grossen Impulse ausgehen. Auch von der Zusatznachfrage des Tourismus dürfen die Detaillisten<br />
langfristig keine W<strong>und</strong>er erwarten. Zudem ist aufgr<strong>und</strong> des Lötschberg-Basistunnels<br />
ein gewisser Kaufkraftabfluss in Richtung Bern nicht auszuschliessen. Die Gefahr ist deshalb<br />
gross, dass es zwischen den bestehenden <strong>und</strong> den neuen Angeboten zu einer gewissen<br />
Kannibalisierung kommt <strong>und</strong> die Rezession das eine oder andere Projekt der Hochkonjunktur<br />
zu Fall bringt.<br />
Wie erfolgreich ist nun das <strong>Wallis</strong> im Vergleich zu anderen schweizerischen Tourismusregionen?<br />
2008 wurde im <strong>Wallis</strong> mit erstmals mehr als 4.5 Mio. Logiernächten ein Rekordjahr verzeichnet.<br />
Die <strong>Wallis</strong>er Bergbahnen schauen nach einer Rekordsaison 2007/08 ebenfalls auf eine äusserst<br />
umsatzstarke Saison 2008/09 zurück. Hauptverantwortlich waren die guten Schnee- <strong>und</strong><br />
Wetterverhältnisse. Daneben wirkte sich auch die konjunkturelle Stärkephase von 2005–2007<br />
positiv aus, welche den Tourismus mit Verzögerung erfasste <strong>und</strong> ihn praktisch in der ganzen<br />
Schweiz beflügelte. Insbesondere im Falle des <strong>Oberwallis</strong> hat aber sicherlich auch die Eröffnung<br />
des Lötschberg-Basistunnels im Dezember 2007 nachgeholfen. Einen noch stärkeren Schub<br />
verleiht der neue Tunnel dem Tagestourismus. Die beliebten <strong>Wallis</strong>er Ausflugsziele wie Saas-<br />
Fee <strong>und</strong> Zermatt sind nun der Deutschschweiz gut eine St<strong>und</strong>e näher. So vermeldet die SBB<br />
drei Monate nach Eröffnung eine Frequenzzunahme auf der Lötschberg-Strecke von 60%. Die<br />
Auslastung war von Beginn weg mit 97% so hoch, dass zahlreiche Extrazüge eingesetzt werden<br />
mussten, um die zusätzliche Nachfrage zu befriedigen. Um Platz zu schaffen, wurden Güterzüge<br />
über die alte Bergstrecke umgeleitet.<br />
Aus Abbildung 38 ist ersichtlich, dass das <strong>Wallis</strong> die jährliche Anzahl Logiernächte seit 2000 um<br />
beinahe 10% steigern konnte. Damit wird der <strong>Kanton</strong> zwar von den grossen Städten Basel,<br />
Genf <strong>und</strong> Zürich, die stark vom konjunkturbedingten Boom des Geschäftstourismus profitierten,<br />
um Längen geschlagen. Im Vergleich zu den anderen alpinen Ferienregionen Berner Oberland<br />
<strong>und</strong> Graubünden schlägt sich das <strong>Wallis</strong> aber wacker. Die Rezession in der Schweiz wird den<br />
Tourismus auch 2010 noch stark belasten. Geschrumpfte Konsumbudgets führen dazu, dass<br />
die Gäste weniger lang bleiben <strong>und</strong> günstigere Angebote bevorzugen. Das <strong>Wallis</strong> ist aber aufgr<strong>und</strong><br />
seiner hohen Abhängigkeit von Gästen aus dem Inland (etwa 45%) weniger stark betroffen,<br />
da die Gästezahlen aus dem Ausland deutlich stärker einbrechen als die inländischen. Andererseits<br />
hat das <strong>Wallis</strong> anders als beispielsweise Graubünden ein starkes Standbein in den<br />
angelsächsischen Ländern, welche überdurchschnittlich unter der Rezession leiden.<br />
Swiss Issues Regionen 44
Hohe Schneesicherheit als<br />
Standorttrumpf<br />
Strategische Positionierung<br />
der <strong>Wallis</strong>er Destinationen<br />
Abbildung 38<br />
Logiernächte im <strong>Kanton</strong> <strong>Wallis</strong> 2000–2008<br />
Index 2000 = 100, Tourismusregionen<br />
150<br />
140<br />
130<br />
120<br />
110<br />
100<br />
90<br />
80<br />
Basel Berner Oberland<br />
Genf Graubünden<br />
Tessin <strong>Wallis</strong><br />
Zentralschweiz Zürich<br />
Economic Research<br />
2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008<br />
Quelle: B<strong>und</strong>esamt für Statistik<br />
Längerfristig verfügt das <strong>Wallis</strong> durch seine relativ hohe Schneesicherheit mit neun über 3'000<br />
Meter über Meer gelegenen Skiregionen über einen grossen Trumpf. Insbesondere im Vergleich<br />
zu deutschen <strong>und</strong> österreichischen Skigebieten sind diese durch die Klimaerwärmung weniger<br />
stark gefährdet. Nichtsdestotrotz gilt es sich im Wettbewerb der Destinationen zu behaupten.<br />
Neben den mehr oder weniger gegebenen Rahmenbedingungen wie der Schneesicherheit <strong>und</strong><br />
der Attraktivität der Landschaft sind folgende Faktoren von entscheidender Bedeutung für den<br />
zukünftigen Erfolg der Region: eine eindeutige Positionierung des Angebots im Einklang mit den<br />
Bedürfnissen des Gastes, gut qualifizierte Mitarbeiter <strong>und</strong> effizientes Marketing. Letzteres kann<br />
durch neue Formen der Zusammenarbeit unter den Tourismusanbietern massgeblich verbessert<br />
werden. Einen Schritt in diese Richtung unternimmt das neue Tourismusgesetz des <strong>Kanton</strong>s,<br />
welches unter anderem eine maximale Anzahl an Tourismusregionen definiert, die durch ihre<br />
Grösse an Schlagkraft gewinnen. Gegen das vom Parlament beschlossene Tourismusgesetz,<br />
welches auch eine umstrittene Beherbergungsabgabe enthält, ist allerdings das Referendum<br />
ergriffen worden.<br />
Einige Hinweise über die Positionierung der <strong>Wallis</strong>er Tourismusdestinationen liefert eine Gegenüberstellung<br />
von Erfolgskennzahlen <strong>und</strong> einer Beurteilung von touristischer Infrastruktur <strong>und</strong><br />
klimatischen Rahmenbedingungen (Abbildung 39). Um den Erfolg von Tourismusdestinationen<br />
systematisch zu messen, haben wir ein sogenanntes Erfolgs-Benchmarking vorgenommen, das<br />
sich auf nachfrageseitige Indikatoren abstützt. Berücksichtigt werden dabei die Entwicklung der<br />
Logiernächte, der Umsatz pro Logiernacht, die Netto-Bettenauslastung <strong>und</strong> die Tagesausgaben<br />
gemäss Gästestruktur.<br />
Zur Charakterisierung der touristischen Infrastruktur in den einzelnen Destinationen haben wir<br />
klimatische Rahmenbedingungen sowie Angebotsfaktoren in der Winter- <strong>und</strong> Sommersaison erfasst<br />
<strong>und</strong> zu einem Gesamtprofil für jede Destination aggregiert. Infrastrukturaspekte oder klimatische<br />
Angaben, welche sowohl für die Winter- als auch für die Sommersaison vorliegen,<br />
werden zusammengefasst, wobei die relative Bedeutung der beiden Perioden als Gewichtung<br />
herangezogen wird. Die Indikatoren werden als relative Grösse zum Durchschnitt der betrachteten<br />
Destinationen konstruiert. Aus der Gegenüberstellung von Erfolgs-Benchmarking <strong>und</strong> dem<br />
Indikator der touristischen Infrastruktur sowie der klimatischen Rahmenbedingungen lässt sich<br />
schliesslich eine Beurteilung von Positionierung <strong>und</strong> Strategien der einzelnen Destinationen ableiten.<br />
Swiss Issues Regionen 45
Positionierung im Tourismusmarkt:<br />
Vier Ansätze<br />
Bergbahnen: Grösse als Erfolgsfaktor?<br />
Economic Research<br />
Für die "Üsserschwiizer", wie Leute von ausserhalb des <strong>Kanton</strong>s genannt werden, ist das<br />
<strong>Wallis</strong> in erster Linie ein Ferienkanton. In der Hochsaison verdoppelt sich die Bevölkerung<br />
des <strong>Kanton</strong>s <strong>Wallis</strong> von r<strong>und</strong> 300'000 auf 600'000 Personen. Neben Hotellerie <strong>und</strong> Restauration<br />
gehören noch sehr viel mehr Tätigkeiten zum Geschäft mit dem Feriengast. Ein wichtiges<br />
Glied in der touristischen Wertschöpfungskette stellen die Bergbahnen dar. Diese fallen<br />
im <strong>Wallis</strong> im Vergleich zur gesamten Schweiz besonders ins Gewicht. Mit r<strong>und</strong> 480 Anlagen<br />
bzw. einem Anteil von 27% stellt der <strong>Kanton</strong> die meisten Seilbahnen der Schweiz, deutlich<br />
vor dem <strong>Kanton</strong> Graubünden mit 19%. Das <strong>Wallis</strong> beheimatet sowohl die höchstgelegene,<br />
die längste <strong>und</strong> auch die leistungsstärkste Seilbahn der Schweiz.<br />
Die Schweizer Bergbahnbranche ist kleinbetrieblich strukturiert <strong>und</strong> durch Überkapazitäten<br />
geprägt. <strong>Der</strong> damit verb<strong>und</strong>ene <strong>Struktur</strong>wandel führt zur Schliessung unrentabler Betriebe, zu<br />
Fusionen <strong>und</strong> Übernahmen. So steigt die mittlere Betriebsgrösse an. Mittlerweile generieren<br />
12% der Unternehmen 72% des Branchenumsatzes. Im Gegensatz zu den kleinen <strong>und</strong> mittleren<br />
Betrieben sind diese grossen Unternehmen in der Regel profitabel. Das Paradebeispiel<br />
für eine erfolgreiche Fusion ist der Zusammenschluss der vier Zermatter Bergbahnen (Matterhornbahnen,<br />
Rothornbahnen, Suneggabahn <strong>und</strong> Gornergratbahnen) zur neuen "Zermatt<br />
Bergbahnen AG". Im <strong>Wallis</strong> besteht jedoch weiteres Potential für Zusammenarbeit. Denn<br />
trotz Verbesserung der durchschnittlichen Ertragskraft in den letzten Jahren sind immer noch<br />
ein Drittel der Schweizer Bergbahnen ohne staatliche Unterstützung wirtschaftlich nicht überlebensfähig.<br />
Ein Grossteil der Schweizer Betriebe weist zudem einen Nachholbedarf an Ersatz-<br />
<strong>und</strong> Erneuerungsinvestitionen auf, der aufgr<strong>und</strong> der besagten schlechten Ertragskraft<br />
schwierig zu befriedigen ist.<br />
Die Ferienorte im ersten Quadranten von Abbildung 39 gehören zu den Top-Destinationen in<br />
der Schweiz. Dazu zählen mit Zermatt, Verbier, Saas-Fee <strong>und</strong> Val d'Anniviers auch einige der<br />
wichtigsten <strong>Wallis</strong>er Destinationen. Dank einem breiten touristischen Angebot <strong>und</strong> einer etablierten<br />
Marke im In- <strong>und</strong> Ausland erreichen diese Ferienorte eine gute Performance. Die robuste<br />
Nachfrage sichert eine hohe Auslastung, wovon letztendlich die gesamte touristische<br />
Wertschöpfungskette profitiert.<br />
Destinationen aus dem zweiten Quadranten stellen Beispiele für Tourismusorte dar, welche zwar<br />
mit einem überdurchschnittlich breiten Angebot aufwarten können, sich jedoch im Markt zu wenig<br />
deutlich positionieren. Die dadurch geminderte Attraktivität drückt sich entsprechend auf der<br />
Nachfrageseite aus. Da diese Destinationen eine gute Ausgangslage aufweisen, besteht durchaus<br />
die Möglichkeit, zur Gruppe der Top-Destinationen aufzuschliessen. Dazu sind jedoch eine<br />
gezieltere Fokussierung der Angebote <strong>und</strong> eine bessere Markenpflege notwendig. An der<br />
Schwelle zu dieser Gruppe befindet sich die <strong>Wallis</strong>er Destination Crans-Montana.<br />
Im dritten Quadranten findet man erfolgreiche Nischendestinationen. Diese sind trotz eines<br />
schmaleren Angebots in der Lage, eine gute Performance zu erzielen. <strong>Der</strong> Schlüssel zum Erfolg<br />
kann in diesen Fällen in einer bewussten Spezialisierung auf bestimmte Nischen liegen<br />
<strong>und</strong>/oder ist das Ergebnis einer einzigartigen Marke.<br />
Destinationen im vierten Quadranten erreichen schliesslich eine unterdurchschnittliche Bewertung<br />
sowohl auf der Nachfrage- als auch auf der Angebotsseite. Es handelt sich vor allem um<br />
kleinere Destinationen, die aufgr<strong>und</strong> ihrer Ausgangslage <strong>und</strong> Grösse lediglich ein beschränktes<br />
Potential aufweisen. Für diese Gebiete stellt eine stärkere Fokussierung auf Angebotsnischen<br />
eine Möglichkeit dar, die Nachfragesituation zu verbessern. Aus dem <strong>Kanton</strong> <strong>Wallis</strong> zählt Leukerbad<br />
zu dieser Gruppe.<br />
Swiss Issues Regionen 46
<strong>Kanton</strong> <strong>Wallis</strong> mit unterdurchschnittlicherWertschöpfungsintensität<br />
…<br />
… aber führend unter den<br />
Bergkantonen …<br />
Abbildung 39<br />
Positionierung der <strong>Wallis</strong>er Tourismusdestinationen<br />
Ausgewählte Destinationen, standardisierte Werte; Durchmesser der Kreise entspricht Logiernächten im Jahr 2008<br />
Benchmarking-Indikator<br />
Economic Research<br />
6 III<br />
Sils im Engadin<br />
Grindelwald<br />
Gstaad<br />
Zermatt<br />
St. Moritz I<br />
4<br />
2<br />
0<br />
Villars-Gryon<br />
Sigriswil<br />
Lauterbrunnen-Wengen-<br />
Mürren Engelberg<br />
Verbier<br />
Val d'Anniviers<br />
Saas-Fee<br />
Laax<br />
Celerina Pontresina<br />
-2<br />
Leysin<br />
Lenk<br />
Arosa<br />
Kandersteg<br />
Adelboden<br />
Samnaun<br />
Davos<br />
Flims<br />
Scuol<br />
Klosters<br />
Crans-Montana<br />
-4<br />
Leukerbad<br />
-6<br />
IV<br />
Hasliberg<br />
Maloja<br />
Lenzerheide/Valbella<br />
II<br />
-8 -6 -4 -2 0 2 4 6 8<br />
Quelle: Credit Suisse Economic Research<br />
Tourismusindikator<br />
5.4 Wachstumspotential der Wertschöpfung<br />
Die Wertschöpfung entspricht dem Wert, der in Produktionsprozessen entsteht. Rechnerisch<br />
wird sie durch die Differenz zwischen dem Produktionswert <strong>und</strong> den Vorleistungen ausgedrückt.<br />
In der regionalen Betrachtung spiegelt die Wertschöpfung pro Beschäftigten die Produktivität<br />
der in einer Region ansässigen Branchen wider. Mangels regionaler Zahlen seitens der offiziellen<br />
Statistik hat Credit Suisse Economic Research ein Vorgehen entwickelt, welches die Regionalisierung<br />
der gesamtschweizerischen Wertschöpfung ermöglicht. Die Methodik berücksichtigt<br />
unter anderem die Branchenstruktur <strong>und</strong> das Anforderungsprofil der Arbeitsstellen in einer Region.<br />
Die Spannweite der jährlichen Wertschöpfung pro Beschäftigten in den Schweizer Regionen<br />
reicht von 102'007 CHF in der Berner Region Schwarzwasser bis 191'210 CHF in der Stadt<br />
Zürich. Mit r<strong>und</strong> 134'733 CHF pro Beschäftigten erreicht der <strong>Kanton</strong> <strong>Wallis</strong> einen Wert unter<br />
dem Schweizer Mittel von 150'626 CHF <strong>und</strong> belegt damit Rang 18 im nationalen Vergleich. Bei<br />
der Einordnung dieses Ergebnisses sind jedoch gewisse Rahmenbedingungen zu berücksichtigen.<br />
Die wirtschaftlichen Ausgangsbedingungen in der Schweiz unterscheiden sich regional in<br />
hohem Masse auch durch Besonderheiten der geographischen Lage <strong>und</strong> Topographie, insbesondere<br />
im Unterschied zwischen Alpen <strong>und</strong> Mittelland. Dabei wirken die Besonderheiten teils<br />
limitierend, etwa wenn es um die Standortqualität bezüglich Erreichbarkeit <strong>und</strong> die damit zusammenhängende<br />
wirtschaftliche Entwicklung geht, teils bieten sie Entwicklungspotential etwa<br />
als Gr<strong>und</strong>lage für den Tourismus. Vor dem Hintergr<strong>und</strong> dieser unterschiedlichen Ausgangsbasis<br />
differenzieren sich auch die regionalen Möglichkeiten in Bezug auf wirtschaftliche Entwicklung<br />
<strong>und</strong> Wertschöpfung einer Region. Regionale Wirtschaft muss daher vor dem Hintergr<strong>und</strong> ihrer<br />
Möglichkeiten analysiert werden.<br />
Als Bergkanton sieht sich das <strong>Wallis</strong> mit ähnlichen Vorraussetzungen wie die <strong>Kanton</strong>e Graubünden<br />
<strong>und</strong> Uri oder Teile der <strong>Kanton</strong>e Glarus, Bern <strong>und</strong> Tessin konfrontiert. Ihnen ist die Lage in<br />
den Alpen bzw. im Alpenvorland gemeinsam, mit ähnlichen Konsequenzen für Infrastruktur <strong>und</strong><br />
potentielle Flächennutzung. So erfolgt die wirtschaftliche Entwicklung hauptsächlich entlang der<br />
Täler, wo auch die höchste Wertschöpfung erzielt wird. Neben der Berücksichtigung des<br />
Schweizer Mittels erscheint daher ein Vergleich mit diesen Regionen sinnvoll. Gemessen an der<br />
Wertschöpfung pro Beschäftigten kann sich der <strong>Kanton</strong> <strong>Wallis</strong> besser positionieren als zum Beispiel<br />
Glarus (131'165 CHF), Graubünden (127'687 CHF) oder Uri (126'538 CHF). Den<br />
Hauptbeitrag zur <strong>Wallis</strong>er Wertschöpfung leistet mit 63.3% der tertiäre Sektor. R<strong>und</strong> 35% der<br />
Swiss Issues Regionen 47
… <strong>und</strong> mit regionalen<br />
Lichtblicken<br />
Abbildung 40<br />
Wertschöpfung auf regionaler Ebene 2007<br />
Bruttowertschöpfung zu laufenden Preisen<br />
La Broye<br />
Glâne/<br />
Veveyse<br />
Vevey/Lavaux<br />
Monthey/<br />
St-Maurice<br />
Economic Research<br />
Wirtschaftsleistung entfallen auf den sek<strong>und</strong>ären Sektor, während die Landwirtschaft lediglich<br />
einen Anteil von 2% abdeckt. Im Vergleich zum Schweizer Mittel wird die <strong>Wallis</strong>er Wertschöpfung<br />
stärker von Bau <strong>und</strong> Industrie getragen. Auf nationaler Ebene deckt dieser Sektor 27.5%<br />
der Wirtschaftsleistung ab.<br />
Die Verteilung der Wertschöpfung in Abbildung 40 verdeutlicht die regionalen Unterschiede im<br />
<strong>Kanton</strong> <strong>Wallis</strong>. Besonders auffällig ist das wirtschaftliche Gewicht des Unterwallis, das r<strong>und</strong><br />
70% der kantonalen Wertschöpfung erwirtschaftet. Ein Viertel der kantonalen Wertschöpfung<br />
entsteht allein in der Region Sion, welche als administratives Zentrum von der stärksten Konzentration<br />
von wertschöpfungsintensiven Dienstleistungen im <strong>Kanton</strong> profitieren kann. Im <strong>Oberwallis</strong><br />
hebt sich die Region Visp mit einem Anteil an der kantonalen Wertschöpfung von 18%<br />
deutlich von den restlichen Gebieten ab. Zusammen mit Monthey/St. Maurice erreicht diese<br />
Region auch die höchste Wertschöpfung pro Beschäftigten innerhalb des <strong>Kanton</strong>s. Dieses Ergebnis<br />
spiegelt insbesondere die starke Vertretung der chemisch-pharmazeutischen Industrie<br />
wider. Mit einem Wertschöpfungsanteil von 29.2% in der Region Monthey/St. Maurice <strong>und</strong> von<br />
35.6% in der Region Visp weist diese Branche für die lokale Wirtschaft sogar eine grössere<br />
Bedeutung auf als im Raum Basel, wo je nach Region Wertschöpfungsanteile zwischen 10 <strong>und</strong><br />
knapp 24% verzeichnet werden.<br />
Die regionale Verteilung der Wertschöpfung spiegelt insgesamt die Situation wider, welche sich<br />
bereits in der Betrachtung der Branchenstruktur abzeichnete. Die Branchenstruktur einiger Regionen<br />
wird von Tourismus <strong>und</strong> Baugewerbe dominiert, während wertschöpfungsintensive Branchen<br />
untervertreten sind. In Regionen mit industriellen Schwerpunkten oder einer gewissen Vertretung<br />
von wertschöpfungsintensiven Dienstleistungen ist die Wertschöpfungsintensität entsprechend<br />
höher.<br />
La Sarine<br />
La Gruyère<br />
Pays<br />
d'Enhaut<br />
Aigle<br />
Martigny<br />
Quelle: Credit Suisse Economic Research, Geostat, DDS<br />
Sense<br />
Saanen/<br />
Obersimmental<br />
Sion<br />
Thun<br />
Sierre<br />
Leuk<br />
Kandertal<br />
Visp<br />
Brig<br />
Wertschöpfung pro Beschäftigten in CHF<br />
105'275 - 110'981<br />
110'982 - 117'851<br />
117'852 - 128'618<br />
128'619 - 136'295<br />
136'296 - 159'351<br />
<strong>Wallis</strong><br />
Hauptverkehrsstrassen<br />
Agglomerationen<br />
BernerOberland-Ost<br />
Goms<br />
0 5 10 20 km<br />
Uri<br />
Wertschöpfung der Wirtschaftssektoren<br />
1.5 Mrd. CHF<br />
Forst- <strong>und</strong> Landwirtschaft<br />
Industrie <strong>und</strong> Bau<br />
Dienstleistungen<br />
Swiss Issues Regionen 48
Branchenbewertung <strong>und</strong><br />
Standortqualität ermöglichen<br />
eine Potentialschätzung<br />
Unterdurchschnittliches<br />
Wachstumspotential der<br />
Wertschöpfung im <strong>Kanton</strong><br />
<strong>Wallis</strong><br />
Economic Research<br />
Hinweise zum mittel- <strong>und</strong> langfristigen Wachstumspotential von Produktion <strong>und</strong> Wertschöpfung<br />
in den einzelnen Regionen lassen sich aus einer Gegenüberstellung der in Kapitel 5.3 vorgestellten<br />
quantitativen Branchenbewertung mit unserem Indikator der Standortqualität gewinnen.<br />
Dabei drücken die Chancen-Risiken-Bewertung das mittelfristige <strong>und</strong> der Standortqualitätsindikator<br />
das langfristige Wachstumspotential der Wertschöpfung einer Region aus. Analog zu diesem<br />
Indikator wird die regionale Branchenbewertung dabei als relativer Index angegeben, bei<br />
welchem der Wert für die ganze Schweiz bei Null liegt. Abbildung 41 veranschaulicht diese<br />
Auswertung für die <strong>Wallis</strong>er Regionen <strong>und</strong> verschiedene Vergleichsgebiete.<br />
Die Regionen in Quadrant I der Abbildung geniessen ein gegenüber dem Landesdurchschnitt<br />
höheres mittel- <strong>und</strong> langfristiges Wachstumspotential. Die Regionen in Quadrant IV dagegen<br />
müssen mit einem gegenüber dem Schweizer Mittel unterdurchschnittlichen Wachstum rechnen.<br />
Regionen in Quadrant II weisen ein bedeutendes langfristiges Potential auf. Auf mittlere<br />
Sicht hingegen dürfte mit erneuten Restrukturierungen zu rechnen sein, da die Branchenstruktur<br />
stärker risikobehaftet ist. Die Regionen in Quadrant III schliesslich können dank sehr dynamischen<br />
Branchen auf mittlere Sicht mit einem überdurchschnittlichen Wachstum rechnen. Die<br />
schwache Standortqualität kann jedoch die langfristigen Wachstumschancen beeinträchtigen,<br />
denn möglicherweise lassen sich zu wenige neue Unternehmen in diesen Regionen nieder, die<br />
bestehenden investieren zu wenig oder wandern sogar ab.<br />
Abbildung 41<br />
Wachstumspotential der Wertschöpfung<br />
Synthetische Indikatoren<br />
Branchenbewertung<br />
1.5<br />
1.0<br />
0.5<br />
0.0<br />
-0.5<br />
-1.0<br />
-1.5<br />
-2.0<br />
-2.5<br />
-3.0<br />
III<br />
Jura<br />
Monthey/St. Maurice<br />
BE<br />
Neuchâtel<br />
Bündner Rheintal<br />
Genève<br />
Lausanne<br />
VD<br />
Sion<br />
Vevey/Lavaux<br />
Visp<br />
UR<br />
VS<br />
Brig Aigle La Sarine<br />
Martigny Sierre GR<br />
Leuk<br />
Berner Oberland-Ost<br />
Goms<br />
Oberengadin<br />
IV II<br />
-1.5 -1.0 -0.5 0.0 0.5 1.0<br />
Standortqualität<br />
Quelle: Credit Suisse Economic Research<br />
Die Entwicklungsaussichten für die Wertschöpfung im <strong>Kanton</strong> <strong>Wallis</strong> sind insgesamt unterdurchschnittlich.<br />
Mittelfristig bleibt der <strong>Kanton</strong> aufgr<strong>und</strong> des Branchenprofils nur leicht unter<br />
dem Schweizer Mittel; in der langen Frist fällt das Wachstumspotential jedoch, bedingt durch<br />
Einschränkungen in der Standortqualität, tiefer aus. Beeinträchtigend wirkt dabei insbesondere<br />
die verkehrstechnische Erreichbarkeit, aber auch hinsichtlich der Besteuerung der natürlichen<br />
Personen <strong>und</strong> des allgemeinen Ausbildungsstands der Bevölkerung schneidet das <strong>Wallis</strong> weniger<br />
gut ab als im Schweizer Mittel.<br />
In einer regionalen Perspektive weisen die Regionen Monthey/St. Maurice <strong>und</strong> Sion dank ihren<br />
Branchenprofilen mittelfristig die besseren Wachstumsaussichten auf. Die starke Vertretung der<br />
Spitzenindustrie, aber auch der Energiebranche verhilft der Region Monthey/St. Maurice zu einem<br />
überdurchschnittlich hohen Wachstumspotential. Die stärker auf zentrale Dienste ausgerichtete<br />
Region Sion positioniert sich im Schweizer Mittel. Die anderen <strong>Wallis</strong>er Regionen weisen<br />
sowohl mittel- als auch langfristig ein unter- bis stark unterdurchschnittliches Wachstumspotential<br />
der Wertschöpfung auf. Dank Industrie- <strong>und</strong> Verkehrsschwerpunkten in ihrer Branchenstruktur<br />
können die Regionen Sierre, Brig <strong>und</strong> insbesondere Visp mittelfristig den Rück-<br />
Swiss Issues Regionen 49<br />
I
Economic Research<br />
stand auf das Schweizer Mittel in Grenzen halten. Die Regionen Leuk <strong>und</strong> Goms sind hingegen<br />
aufgr<strong>und</strong> der Dominanz von Tourismus <strong>und</strong> Baugewerbe <strong>und</strong> einer stark unterdurchschnittlichen<br />
Standortqualität weit abgeschlagen.<br />
Swiss Issues Regionen 50
6 Bauwirtschaft <strong>und</strong> Immobilienmarkt<br />
Baubranche: Schwergewicht<br />
der kantonalen Wirtschaftsstruktur<br />
Hohe Nachfrage im<br />
Strassenbau<br />
Economic Research<br />
Tourismus am Berg, Industrie- <strong>und</strong> Dienstleistungsunternehmen im Tal: Dieses regionale Muster<br />
des <strong>Wallis</strong> spiegelt sich auch im Immobilienmarkt wider. So konzentriert sich die Nachfrage<br />
nach Geschäftsflächen <strong>und</strong> Industriebauten weitestgehend auf das Haupttal, während in den<br />
höher gelegenen Tourismusgemeinden der Bau von <strong>und</strong> der Handel mit Zweitwohnungen <strong>und</strong><br />
Chalets floriert. Müsste man die <strong>Wallis</strong>er Bauwirtschaft <strong>und</strong> den Markt für Wohnimmobilien mit<br />
einem Wort charakterisieren, so wäre wohl "vielfältig" das treffendste. <strong>Der</strong> Baubranche kommt<br />
im <strong>Kanton</strong> <strong>Wallis</strong> eine besondere Rolle zu, profitiert sie doch von einer Vielzahl von Nachfragegruppen:<br />
Die öffentliche Hand muss Grossprojekte im Strassenbau abwickeln, um das vom<br />
Lötschberg-Basistunnel kommende Verkehrsaufkommen zu bewältigen, sowie Flussverbauungen<br />
in Angriff nehmen, um die Industrie <strong>und</strong> die Bevölkerung vor den Konsequenzen eines<br />
Hochwassers zu schützen. Die Wasserkraft wird ausgebaut, die Tourismusorte bauen Ski- <strong>und</strong><br />
Sportanlagen, <strong>und</strong> Feriengäste wünschen Unterkunft in Suiten-Hotels <strong>und</strong> Zweitwohnungen.<br />
Letztere sind auch dafür verantwortlich, das der <strong>Wallis</strong>er Immobilienmarkt vielfältig ausfällt <strong>und</strong><br />
sich mancherorts den Mechanismen entzieht, die für dauerhaft bewohnte Wohnimmobilien gelten.<br />
Gr<strong>und</strong>sätzlich ist der <strong>Wallis</strong>er Immobilienmarkt noch intakt. Die fulminante Entwicklung der<br />
letzten Jahre gilt es jedoch in geordnete Bahnen zu lenken. Überhitzungstendenzen in den Feriendestinationen<br />
<strong>und</strong> ein drohendes Überangebot in den <strong>Oberwallis</strong>er Regionen, in denen eine<br />
stagnierende Bevölkerungsentwicklung der hohen erwarteten Ausweitung gegenübersteht, sind<br />
die Gefahren, die zu beachten sind.<br />
6.1 Regionale Bauwirtschaft<br />
Die Baubranche ist beschäftigungsmässig ein Schwergewicht der <strong>Wallis</strong>er Wirtschaft. Im Jahre<br />
2005 waren nahezu 14% der Beschäftigten in der Baubranche tätig. Schweizweit lag der Anteil<br />
der Baubeschäftigten mit 9% deutlich tiefer. Darüber hinaus gehört der <strong>Kanton</strong> <strong>Wallis</strong> neben<br />
den Zentralschweizer <strong>Kanton</strong>en Zug <strong>und</strong> Schwyz zu den einzigen <strong>Kanton</strong>en, deren Baubeschäftigung<br />
zwischen 1995 <strong>und</strong> 2005 zugenommen hat. Zwar folgte auf den Abschwung der Baukonjunktur<br />
in den späten neunziger Jahren (1995 bis 2001) auch im <strong>Wallis</strong> ein Rückgang der<br />
Beschäftigten um jährlich 2%. Seitdem rekrutierten die Arbeitsstätten vor Ort jedoch neues<br />
Personal mit dem Resultat, dass bereits im Jahre 2005 das Beschäftigungsniveau des Jahres<br />
1995 mit mehr als 14'000 Vollzeitäquivalenten wieder erreicht wurde. Ganz im Gegensatz zur<br />
Schweiz, wo die Baubeschäftigung heute um r<strong>und</strong> 10% tiefer liegt. Dabei fällt im <strong>Wallis</strong> nicht<br />
nur die relative Grösse der Bauindustrie überdurchschnittlich aus, auch die Schwerpunkte der<br />
Bausparten sind im Vergleich zum Schweizer Mittel anders verteilt (Abbildung 42). So liegt der<br />
Anteil der Beschäftigten im Bauhauptgewerbe im <strong>Wallis</strong> bei überdurchschnittlichen 51% – in<br />
den Regionen Sierre <strong>und</strong> Sion gar bei 54 bzw. 56%. Unternehmen des Bauhauptgewerbes sind<br />
auf Rohbauarbeiten im Hoch- <strong>und</strong> Tiefbau spezialisiert. Hierzu zählen neben dem Errichten von<br />
Wohn- <strong>und</strong> Geschäftsgebäuden auch Infrastrukturbauten (z.B. zur Energieversorgung), bauliche<br />
Massnahmen zum Schutz vor Naturgefahren (z.B. Hochwasserschutz), Strassen-, Tunnel- <strong>und</strong><br />
Brückenbau.<br />
Ein Grossteil der Nachfrage für das Bauhauptgewerbe entsteht mit zahlreichen Grossprojekten<br />
im <strong>Kanton</strong> selbst. <strong>Der</strong> im Dezember 2007 eröffnete Lötschberg-Basistunnel beschert dem <strong>Kanton</strong><br />
zusätzlichen Verkehr. Die Anpassung des regionalen Verkehrsangebotes auf Strasse <strong>und</strong><br />
Schiene an das neue Verkehrsaufkommen wird vom kantonalen Departement für Verkehr, Bau<br />
<strong>und</strong> Umwelt für die kommenden drei Jahre entsprechend als prioritäre Massnahme eingestuft.<br />
Das derzeit grösste Strassenbauprojekt ist die A9-Südumfahrung bei Visp. Hier entsteht der<br />
Tunnel Eyholz, für den Ende 2008 vom <strong>Kanton</strong> das Baulos mit einer Auftragssumme von 385<br />
Mio. CHF vergeben wurde. Für die Zukunft plant die kantonale Verwaltung gemeinsam mit den<br />
<strong>Kanton</strong>en Bern <strong>und</strong> Freiburg den Vollausbau des Lötschberg-Basistunnels, der bisher einspurig<br />
in einer der beiden Parallelröhren betrieben wird.<br />
Swiss Issues Regionen 51
Wasserkraftnutzung wird<br />
ausgebaut<br />
Hochwasserschutz hat<br />
hohe Priorität<br />
Abbildung 42<br />
<strong>Struktur</strong> der <strong>Wallis</strong>er Bauwirtschaft 2005<br />
Beschäftigungsanteil der Bauwirtschaft in Prozent, gegliedert nach Bausparten, Vollzeitäquivalente<br />
20%<br />
18%<br />
16%<br />
14%<br />
12%<br />
10%<br />
8%<br />
6%<br />
4%<br />
2%<br />
0%<br />
Allgemeiner Hoch- <strong>und</strong> Tiefbau Spezieller Tiefbau<br />
Strassenbau Vorbereitende Baustellenarbeiten<br />
Zimmerei, Dachdeckerei, Abdichtungen Bauinstallation<br />
Ausbaugewerbe<br />
Martigny Goms Brig Sierre Leuk Sion Monthey/<br />
St. Maurice<br />
Quelle: B<strong>und</strong>esamt für Statistik, Credit Suisse Economic Research<br />
Economic Research<br />
Visp CH<br />
Das Ziel, die Nutzung der Wasserkraft für die Energiegewinnung weiter auszubauen, birgt zusätzliches<br />
Nachfragepotential für das regionale Bauhauptgewerbe. Schon heute ist das <strong>Wallis</strong><br />
mit 87 Anlagen grösster Schweizer Stromerzeuger aus Wasserkraft. Mit dem Ausbau des Wasserkraftwerks<br />
Nant-de-Drance bei Emosson soll die Wasserenergie weiter gefördert werden.<br />
Das von Alpiq (ehemals Atel- <strong>und</strong> EOS-Holding) <strong>und</strong> der SBB in Kooperation geplante Pumpspeicherkraftwerk<br />
ist mit 990 Mio. CHF budgetiert <strong>und</strong> soll 2015 den Betrieb aufnehmen. Die<br />
Bauarbeiten sind Ende Juni 2009 gestartet worden.<br />
Abbildung 43<br />
Bauinvestitionsvolumen <strong>und</strong> Gemeindegrösse im <strong>Kanton</strong> <strong>Wallis</strong><br />
Gemeinden bis 1'500 Einwohner, durchschnittliches Investitionsvolumen 2005–2007 bis 10 Mio. CHF<br />
Investitionen in Mio. CHF<br />
10<br />
Grimentz<br />
touristische Gemeinden<br />
sonstige Gemeindetypen<br />
8<br />
Betten<br />
Wiler (Lötschen)<br />
Veysonnaz<br />
6<br />
Riederalp<br />
Ayer<br />
4<br />
Saint-Luc<br />
Chandolin<br />
Albinen<br />
Münster-Geschinen<br />
Termen<br />
Täsch<br />
Obergesteln Blatten<br />
Bellwald<br />
Bürchen<br />
2<br />
Finhaut<br />
Oberwald Saas-Balen<br />
Bourg-Saint-Pierre<br />
Mörel<br />
Fieschertal Unterbäch<br />
Oberems<br />
Ernen<br />
Ulrichen Randa Saas-Almagell<br />
0<br />
Trient Simplon<br />
0 250 500 750<br />
Fiesch<br />
1'000<br />
Saas-Gr<strong>und</strong><br />
1'250<br />
Grächen<br />
1'500<br />
Quelle: B<strong>und</strong>esamt für Statistik, Credit Suisse Economic Research<br />
Einwohner<br />
Die Kraft des Wassers, die ein wichtiger <strong>Wallis</strong>er Wirtschaftsfaktor ist, muss andernorts mittels<br />
Hochwasserschutz entschärft werden. Bis 2020 soll die Hochwassergefahr im Rahmen der<br />
dritten Rhonekorrektion insbesondere in den Gebieten Visp, Sierre <strong>und</strong> Sion durch Fluss-<br />
Swiss Issues Regionen 52
<strong>Kanton</strong>ale Investitionsausgaben<br />
fliessen mehrheitlich<br />
in Infrastrukturprojekte<br />
Hoch- <strong>und</strong> Wohnungsbau<br />
profitieren vom Tourismus<br />
2009: Abkühlung im Hochbau<br />
wird durch Tiefbau<br />
kompensiert<br />
Economic Research<br />
verbauungsmassnahmen reduziert werden. Von den insgesamt 350 Mio. CHF, die für diese<br />
Massnahmen von B<strong>und</strong>, <strong>Kanton</strong>en <strong>und</strong> Gemeinden veranschlagt wurden, entfallen alleine 140<br />
Mio. auf die Flusslaufsanierung bei Visp, die sich seit Anfang 2009 im Bau befindet.<br />
Insgesamt sind vom kantonalen Departement für Verkehr, Bau <strong>und</strong> Umwelt für 2009 Investitionsausgaben<br />
von 475 Mio. CHF budgetiert. Dies entspricht r<strong>und</strong> 71% der budgetierten öffentlichen<br />
Investitionsausgaben des <strong>Kanton</strong>s. Gemäss integrierter Mehrjahresplanung dürfte<br />
sich dieser Anteil bis zum Jahre 2011 auf 76% erhöhen. <strong>Der</strong> hohe Anteil spiegelt die Topographie<br />
des <strong>Kanton</strong>s wider, welche einen weitaus grösseren Infrastrukturbedarf pro Kopf erfordert<br />
als bei einem <strong>Kanton</strong> des Schweizer Mittellandes.<br />
Einzelne Grossprojekte erklären auf Gemeindeebene, warum das Ausmass an Bauinvestitionen<br />
nicht zwingend von der Gemeindegrösse abhängt (Abbildung 43). In touristischen Regionen wird<br />
der Zusammenhang zwischen Gemeindegrösse <strong>und</strong> Investitionsvolumen jedoch zusätzlich noch<br />
durch den Zweitwohnungsbau gestört, von dem im <strong>Wallis</strong> Hochbau- <strong>und</strong> Ausbauunternehmen<br />
gleichermassen profitieren können.<br />
Gerade in kleineren touristischen Gemeinden ist ein vergleichsweise hohes Bauinvestitionsniveau<br />
bei geringer Bevölkerungszahl ein Anzeichen dafür, dass in erster Linie in Chalets, Hotels,<br />
Zweitwohnungen, Restaurants <strong>und</strong> Sportanlagen investiert wird. Unter den kleineren Gemeinden<br />
mit einem durchschnittlichen Investitionsvolumen von bis zu 10 Mio. CHF fallen besonders<br />
die Gemeinden des Val d'Anniviers (Grimentz, Ayer, Saint-Luc), Wiler im Lötschental, Veysonnaz<br />
<strong>und</strong> die Orte der Aletscharena auf. Unter den grösseren Tourismusorten stechen Zermatt<br />
mit durchschnittlichen Bauinvestitionen von 67 Mio. CHF <strong>und</strong> Verbier mit 86 Mio. CHF hervor.<br />
Die Baubranche konnte somit zweifelsfrei auch vom Tourismusboom der letzten Jahre profitieren,<br />
der in einem Rekordjahr 2008 mündete. Auch wenn die Wirtschaftskrise nicht spurlos am<br />
<strong>Wallis</strong>er Tourismus vorübergehen wird, so dürften die günstigen Rahmenbedingungen im <strong>Wallis</strong><br />
auch zukünftig dazu beitragen, dass weiterhin baulich investiert wird – wenn auch in bescheidenerem<br />
Ausmass als 2008. Die grosse Bedeutung des Tourismus für den <strong>Kanton</strong>, welche darin<br />
gipfelt, dass in der Hochsaison die touristischen Gemeinden die dreifache Zahl von Personen<br />
beherbergen, bedingt entsprechende Infrastrukturen <strong>und</strong> trägt damit letztlich auch zur starken<br />
Stellung der Bauindustrie im <strong>Kanton</strong> bei.<br />
Abbildung 44<br />
Hochbauprojekte <strong>und</strong> Investitionsprognose im <strong>Kanton</strong> <strong>Wallis</strong> 1995–2009<br />
Baubewilligungen <strong>und</strong> -gesuche in Mio. CHF, gleitende Summe über 12 Monate; gestrichelte Linie: Prognose<br />
3'000<br />
2'500<br />
2'000<br />
1'500<br />
1'000<br />
500<br />
0<br />
Bewilligungen Hochbauprojekte<br />
Gesuche Hochbauprojekte<br />
Hochbauinvestitionen<br />
1995 1997 1999 2001 2003 2005 2007 2009<br />
Quelle: B<strong>und</strong>esamt für Statistik, Schweizer Baublatt, Credit Suisse Economic Research<br />
Betrachtet man das Ausmass bewilligter Hochbauprojekte im <strong>Wallis</strong>, spiegeln sich die oben<br />
genannten Entwicklungen wider (Abbildung 44). Auf die Rekordjahre 2007 <strong>und</strong> 2008 folgte mit<br />
Jahresbeginn 2009 der Einbruch der Baubewilligungen im Hochbau. Die starke Beschleunigung<br />
der Bauplanung im Jahr 2007 dürfte dafür sorgen, dass die nachträglich veröffentlichten<br />
Swiss Issues Regionen 53
2010: Beschleunigte Abkühlung<br />
der Baukonjunktur<br />
Regionale Unterschiede der<br />
Wohnraumnachfrage<br />
Kräftiger Rückgang der<br />
Baubewilligungen limitiert<br />
die Gefahr eines künftigen<br />
Überangebotes<br />
Economic Research<br />
Zahlen der Hochbauinvestitionen für das Jahr 2008 im <strong>Wallis</strong> nominal um bis zu 10% höher als<br />
diejenigen von 2007 liegen dürften. <strong>Der</strong> deutliche Rückgang der Bewilligungen seit Anfang<br />
2009 <strong>und</strong> die hohe Wahrscheinlichkeit, dass nicht mehr alle im Jahr 2008 bewilligten Projekte<br />
realisiert werden, dürften 2009 ein Absinken der Hochbauinvestitionen zur Folge haben.<br />
Insgesamt befindet sich die Baukonjunktur im <strong>Wallis</strong> in guter Verfassung. Die Nachfrage ist<br />
über die Bereiche Wohnen, Tourismus, Infrastruktur- <strong>und</strong> Strassenbau sowie Hochwasserschutz<br />
breit diversifiziert. Die nun zu erwartende nachlassende Dynamik im Hochbau dürfte gesamtwirtschaftlich<br />
gesehen durch die Vielzahl an Grossprojekten im Tiefbau kompensiert werden.<br />
Erst ab 2010 ist mit einer stärker akzentuierten Abkühlung der Baukonjunktur zu rechnen,<br />
wenn sich zusätzlich zur nachlassenden Hochbaudynamik die momentan sehr hohen Investitionsausgaben<br />
der öffentlichen Hand normalisieren. Aus immobilienökonomischer Sicht ist eine<br />
Verschnaufpause der Hochbaukonjunktur mancherorts sogar nötig, um lokal drohende Überangebote<br />
auf dem Wohnungsmarkt zu verhindern.<br />
6.2 Regionale Immobilienmärkte im <strong>Wallis</strong><br />
Von 1998 bis 2008 ist die <strong>Wallis</strong>er Bevölkerung im Durchschnitt um 1.0% pro Jahr gewachsen<br />
<strong>und</strong> damit 0.2% mehr als die Schweiz im Mittel, was für einen Bergkanton einen beachtlichen<br />
Wert darstellt. Wie im Kapitel 4 geschildert, sind die regionalen Unterschiede zwischen Ober-<br />
<strong>und</strong> Unterwallis tiefgreifend. Insbesondere die Unterwalliser Regionen Martigny <strong>und</strong> Monthey/<br />
St. Maurice sind aufgr<strong>und</strong> des Bevölkerungsdrucks aus der Genferseeregion stark gewachsen.<br />
Das führt dazu, dass sich zusätzlich zur Nachfrage nach Feriendomizilen eine natürliche Nachfrage<br />
nach dauerhaftem Wohnraum gesellt. In den <strong>Oberwallis</strong>er Regionen blieb die Bevölkerung<br />
nahezu konstant. Einzig die Region Goms kämpft mit einem steten Aderlass der Bevölkerung.<br />
Damit unterscheidet sich die Nachfragestruktur regional deutlich. Im <strong>Oberwallis</strong> richtet sich neuer<br />
Wohnraum mangels Wachstum der ansässigen Bevölkerung fast ausschliesslich an Feriengäste.<br />
Im Unterwallis fällt die Nachfrage dagegen heterogener aus. In den Orten des Rhonetals<br />
westlich von Sierre siedeln sich sowohl Beschäftigte der örtlichen Industrie- <strong>und</strong> Dienstleistungsunternehmen<br />
an, als auch Pendler mit Arbeitsort im Genferseeraum. Diese Nachfragegruppen<br />
suchen dauerhaften Wohnraum – für sie ist Wohnen ein Gr<strong>und</strong>bedürfnis. <strong>Der</strong> Run auf<br />
Zweitwohnungen in den Top-Tourismusdestinationen folgt dagegen einer anderen Logik. Diese<br />
Nachfrager betrachten das temporäre Wohnen im <strong>Wallis</strong> als Luxusgut, dessen Nutzen nicht nur<br />
durch die Wohnung <strong>und</strong> ihre Mikrolage innerhalb einer Gemeinde bestimmt wird, sondern auch<br />
durch das Prestige des entsprechenden Ferienortes. Somit gilt in den <strong>Wallis</strong>er Regionen das<br />
Motto: Regulärer Wohnraum im Tal <strong>und</strong> temporäres Wohnen am Berg – Ausnahmen bestätigen<br />
die Regel. Entsprechend differenziert müssen die einzelnen Regionen im Hinblick auf ihre Immobilienmärkte<br />
betrachtet werden.<br />
Analog zur dynamischen Entwicklung von Hochbauprojekten zeigt sich angebotsseitig bei der<br />
Wohnraumplanung im <strong>Wallis</strong> allgemein ein ähnliches Bild: Die Projektierung von Mehrfamilienhäusern<br />
stieg über die vergangenen Jahre kontinuierlich an, bis Mitte 2008 der Höhepunkt mit<br />
über 2'500 bewilligten Wohnungen über eine Zwölfmonatsperiode erreicht wurde (Abbildung<br />
45). Gegenüber der Periode zwischen 1997 <strong>und</strong> 2003 entsprach das r<strong>und</strong> dem Zweieinhalbfachen<br />
an baubewilligten Wohnungen. Zu diesem Zeitpunkt war anhand der sinkenden Zahl an<br />
Baueingaben eine Abkühlung bereits vorgezeichnet. <strong>Der</strong> anschliessend zu beobachtende sturzflugartige<br />
Rückgang der Zahl der baubewilligten Wohnungen auf ein Niveau von aktuell 1'500<br />
Einheiten darf vielerorts als positiv gewertet werden, drohte sich doch ein Überangebot aufzubauen.<br />
Wie gut der Markt die erhöhte Zahl an Wohnungen zu absorbieren vermag, dürfte sich in<br />
diesen Monaten zeigen, da der Grossteil der Wohnungen, die im 1. Halbjahr 2008 bewilligt<br />
wurden, allmählich auf den Markt gelangt.<br />
Die Reduktion der Bauvorhaben kommt jenen Regionen zugute, die ein unterdurchschnittliches<br />
Bevölkerungswachstum aufweisen <strong>und</strong> sonst Probleme bekommen dürften, den zusätzlichen<br />
Wohnraum abzusetzen. <strong>Der</strong> erneute Anstieg der Gesuchsaktivität am aktuellen Rand, unter anderem<br />
ausgelöst von den tiefen Zinskosten, deutet allerdings darauf hin, dass diese Gefahr<br />
noch nicht ganz gebannt ist. Bei den Einfamilienhäusern, die im <strong>Kanton</strong> <strong>Wallis</strong> einen substanziellen<br />
Anteil der Wohnraumnachfrage abdecken, bewegt sich die Zahl der Gesuche <strong>und</strong> Bewilligungen<br />
auf ein Niveau zu, das dem langfristigen Mittelwert entspricht.<br />
Swiss Issues Regionen 54
Hohe erwartete Ausweitung<br />
in der Region Brig<br />
Nachfragedruck aus Genferseeregion<br />
schützt Unterwallis<br />
vor Überangebot<br />
Abbildung 45<br />
Baubewilligungen <strong>und</strong> Baugesuche im <strong>Kanton</strong> <strong>Wallis</strong> 1995–2009<br />
Anzahl Wohneinheiten, gleitende Summe über 12 Monate; EFH: Einfamilienhäuser, MFH: Mehrfamilienhäuser<br />
3'500<br />
3'000<br />
2'500<br />
2'000<br />
1'500<br />
1'000<br />
500<br />
0<br />
Gesuche EFH Bewilligungen EFH<br />
Gesuche MFH Bewilligungen MFH<br />
Economic Research<br />
1995 1997 1999 2001 2003 2005 2007 2009<br />
Quelle: Schweizer Baublatt, Credit Suisse Economic Research<br />
In der Region Brig liegt die geplante Bautätigkeit trotz sinkender Bewilligungsaktivität weit über<br />
der Anzahl an Wohnungen, die im Durchschnitt der letzten Jahre vom Markt absorbiert werden<br />
konnten (Abbildung 46). In Visp ist die erwartete Ausweitung bereits deutlich gesunken <strong>und</strong> hat<br />
sich der vergangenen Absorptionsfähigkeit des Marktes angepasst. Da dies jedoch eine noch<br />
sehr junge Entwicklung ist, werden auch hier 2010 noch einige Wohnungen auf den Markt<br />
kommen. Für alle <strong>Oberwallis</strong>er Regionen gilt, dass sich die erwartete Ausweitung zum Grossteil<br />
im Bau von Zweitwohnungen <strong>und</strong> Ferienhäusern äussern dürfte. Darauf deutet die Kombination<br />
aus schwacher Bevölkerungsdynamik <strong>und</strong> hohem Anteil an geplantem Wohneigentum hin.<br />
Abbildung 46<br />
Erwartete Ausweitung <strong>und</strong> vergangene Absorption in den <strong>Wallis</strong>er Regionen<br />
Baubewilligungen der letzten 12 Monate gemessen am Bestand; Absorption im Mittel der letzten 5 Jahre<br />
Brig<br />
Sion<br />
Martigny<br />
Sierre<br />
Monthey/<br />
St. Maurice<br />
Schweiz<br />
Visp<br />
Leuk<br />
Goms<br />
Mietwohnungen<br />
Eigentumswohnungen<br />
Einfamilienhäuser<br />
Mittlere Absorption<br />
0.0% 0.2% 0.4% 0.6% 0.8% 1.0% 1.2% 1.4% 1.6% 1.8%<br />
Quelle: Schweizer Baublatt, Credit Suisse Economic Research<br />
<strong>Der</strong> Mietwohnungsanteil der erwarteten Ausweitung fällt in den Unterwalliser Regionen höher<br />
aus. Dabei ist Sierre die einzige Region, in der die Wohnraumplanung auf hohem Niveau verharrt.<br />
Als Folge davon übersteigt die erwartete Ausweitung die mittlere Absorption von Wohnungen<br />
der letzten Jahre um das Doppelte. Diese hohe Ausweitung dürfte in der Region Sierre<br />
Swiss Issues Regionen 55
Zweitwohnungen in <strong>Wallis</strong>er<br />
Ferienorten: Hoher Anteil,<br />
durchschnittlicher Zuwachs<br />
Economic Research<br />
ein Überangebot provozieren, sobald die Nachfrage nachlässt, was bereits für 2009, spätestens<br />
aber 2010 zu erwarten ist. In den Regionen Sion, Martigny <strong>und</strong> Monthey/St. Maurice hingegen<br />
ist die erwartete Ausweitung auf nachhaltigere Niveaus gesunken – allerdings erst seit kurzem.<br />
Das Wohnungsangebot wird damit auch 2010 noch hoch bleiben. Im Gegensatz zu den <strong>Oberwallis</strong>er<br />
Regionen kommt dem Unterwallis jedoch die Nähe zum Genfersee beim Absatz der<br />
neuen Wohnungen zur Hilfe. Die hohen Preisanstiege des Genferseeraums motivieren viele<br />
Haushalte, ihren Wohnsitz in das Unterwallis zu verlegen. Dabei ist zwischen Tagespendlern <strong>und</strong><br />
solchen, die am Arbeitsort ein Pied-à-terre behalten <strong>und</strong> erst am Wochenende ins <strong>Wallis</strong> zurückkehren,<br />
zu unterscheiden. Entsprechend entstehen im Unterwallis nicht nur Ferienwohnungen,<br />
sondern auch neuer Wohnraum für Pendler <strong>und</strong> Arbeitnehmer der ansässigen Industrie-<br />
<strong>und</strong> Dienstleistungsunternehmen. Aufgr<strong>und</strong> der sehr hohen Nachfrage nach Zweitwohnungen<br />
der letzten Jahre muss trotzdem davon ausgegangen werden, dass gerade in den renommierten<br />
Tourismusdestinationen des Unterwallis ein erheblicher Anteil des Wohnraumzuwachses auf<br />
Zweitwohnungen <strong>und</strong> Ferienhäuser entfällt.<br />
Zweitwohnungen im Kreuzfeuer der Kritik<br />
Zweitwohnungen befinden sich seit langem im Kreuzfeuer der öffentlichen Kritik. Im Kern<br />
besteht der Zielkonflikt des Zweitwohnungsbaus darin, dass alpine Tourismusorte mit der<br />
Überbauung naturbelassener Landschaften mit Häusern, die nur einen Bruchteil des Jahres<br />
genutzt werden, ihr grösstes Kapital vernichten. Trotz der geringen Auslastung schätzt der<br />
Schweizer Tourismusverband den Anteil von Übernachtungen in Zweitwohnungen auf 30%<br />
aller touristischen Übernachtungen. Damit leisten Zweitwohnungen einen erheblichen Wertschöpfungsbeitrag<br />
für touristische Destinationen. Eine Wertschöpfungssteigerung einer Gemeinde<br />
durch den Bau von Zweitwohnungen ist möglich, solange diese die Attraktivität des<br />
Ferienortes nicht schmälern. Dennoch ist der Begriff der kalten Betten zum Synonym für<br />
Zweitwohnungen geworden, <strong>und</strong> inzwischen hat sich ein breiter Konsens durchgesetzt, der<br />
warmen Betten eine höhere Wertschöpfung <strong>und</strong> eine nachhaltigere Entwicklung beimisst als<br />
kalten Betten.<br />
Die Einsicht, dass im Falle überbordender Entwicklungen eine Regulierung der Bautätigkeit<br />
notwendig ist, löst alleine das Problem noch nicht. Die Problematik ist komplex, <strong>und</strong> der<br />
Massnahmenkatalog zur Einschränkung des Zweitwohnungsbaus ist umfangreich. Aus ökonomischer<br />
Sicht geht es vorweg um die Frage "Anreiz oder Verbot?". Doch hierzu scheiden<br />
sich vielerorts bereits die Geister. Die bekannten Massnahmen lassen sich grob in raumplanerische<br />
<strong>und</strong> abgaberechtliche Massnahmen unterteilen. Die raumplanerischen Massnahmen<br />
haben zumeist zum Ziel, mittels Quoten, Kontingenten oder Zonenplänen den Zweitwohnungsbau<br />
einzuschränken. Diese Form von Massnahmen krankt daran, dass die Vorschriften<br />
teilweise unterlaufen oder zuwenig strikt kontrolliert werden. Abgaberechtliche Massnahmen<br />
versuchen über zusätzliche Steuern <strong>und</strong> Kausalabgaben eine lenkende Wirkung zu entfalten.<br />
Sie sind aus ökonomischer Sicht laut bisherigen Erfahrungen jedoch zumeist wenig wirksam,<br />
denn der klassische Zweitwohnungsbesitzer ist gegen solche Massnahmen relativ resistent.<br />
Die Preiselastizität des repräsentativen Zweitwohnungsbesitzers liegt dermassen tief, dass<br />
Verhaltensänderungen in der Regel ausbleiben. Die geringe <strong>und</strong> trotz einfacherer Vermittlung<br />
gar sinkende Vermietungsquote von Zweitwohnungen illustriert die Immunität der Zweitwohnungsbesitzer<br />
gegenüber finanziellen Überlegungen. Beiden Stossrichtungen eigen ist, dass<br />
sie – sofern erfolgreich – zu unmittelbar geringerer Wertschöpfung führen <strong>und</strong> deswegen oft<br />
am politischen Widerstand scheitern. Letztlich sind die Dringlichkeit <strong>und</strong> die Form regulatorischer<br />
Massnahmen abhängig vom Ausmass der Problematik vor Ort.<br />
Abbildung 47 verdeutlicht den geschätzten Anteil von Zweitwohnungen am Wohnungsbestand<br />
<strong>und</strong> die Zuwachsdynamik von 2000 bis 2007 in ausgewählten Ferienorten. <strong>Der</strong> Zweitwohnungsanteil<br />
liegt in allen dargestellten <strong>Wallis</strong>er Feriendestinationen mit Ausnahme von Zermatt<br />
über dem Mittelwert der touristischen Gemeinden in der Schweiz, der bei 52% liegt. In Leukerbad<br />
wird ein Spitzenwert von 73% erreicht. In Zermatt <strong>und</strong> Saas-Fee ist die Anzahl an Zweitwohnungen<br />
von 2000 bis 2007 um 20 bzw. 24% angestiegen – in anderen <strong>Wallis</strong>er Destinationen<br />
verlief das Wachstum dagegen moderater. Tendenziell zeigt die Grafik, dass der Zweitwohnungsbau<br />
seit 2000 ein geringeres Wachstum aufweist, je höher der Zweitwohnungsanteil<br />
Swiss Issues Regionen 56
Angebot von Suiten-Hotels<br />
wächst<br />
Anzeichen einer<br />
Überhitzung der Preise in<br />
den Ferienorten<br />
Grosse Preisspektren<br />
innerhalb von <strong>Kanton</strong>,<br />
Regionen <strong>und</strong> Gemeinden<br />
Economic Research<br />
in einer Gemeinde bereits ist. <strong>Der</strong> Zweitwohnungsanteil bewegt sich generell im <strong>Kanton</strong> <strong>Wallis</strong><br />
auf hohem Niveau, <strong>und</strong> der Drang wie auch die Kreativität zur Einschränkung weiteren Wachstums<br />
ist entsprechend gross. In Crans-Montana werden neue Mehrfamilienhäuser nur noch bewilligt,<br />
wenn mindestens 70% der Liegenschaft dauerhaft bewohnt oder gewerblich genutzt<br />
werden. In Zermatt gilt seit Ende 2007 eine Quotenregelung, die den Zweitwohnungsbau auf<br />
eine Fläche von maximal 850 m 2 pro Jahr beschränkt. Insofern dürfte das zwischen 2000 <strong>und</strong><br />
2007 beobachtete starke Wachstum an Zweitwohnungen in Zukunft deutlich geringer ausfallen.<br />
Abbildung 47<br />
Dynamik des Zweitwohnungsbaus in ausgewählten Ferienorten 2000–2007<br />
Wachstum von Zweitwohnungen <strong>und</strong> Zweitwohnungsanteil in Prozent; Achsenkreuz entspricht dem Mittelwert der Schweizer<br />
Tourismusgemeinden<br />
Wachstum Zweitwohnungen<br />
50%<br />
40%<br />
Meiringen<br />
Samnaun<br />
Klosters-Serneus Maloja<br />
30%<br />
20%<br />
10%<br />
0%<br />
Davos<br />
Lauterbrunnen-Wengen-<br />
Mürren<br />
Zermatt<br />
Scuol<br />
Kandersteg<br />
Interlaken Sigriswil Gstaad<br />
Grindelwald<br />
St. Moritz Flims<br />
Celerina/Schlarigna<br />
Saas-Fee<br />
Lenk<br />
Hasliberg<br />
Arosa Aletscharena<br />
Crans-Montana Val d'Anniviers<br />
Laax<br />
Verbier Leukerbad<br />
Engelberg Lenzerheide/Valbella<br />
-10%<br />
Pontresina<br />
Adelboden<br />
Sils im Engadin/Segl<br />
-20%<br />
Tourismusorte CH<br />
Tourismusorte VS<br />
Leysin<br />
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90%<br />
Quelle: Credit Suisse Economic Research<br />
Zweitwohnungsanteil<br />
Um der Nachfrage nach Wohnungen trotzdem gerecht zu werden, sind einige Hotels dazu übergegangen,<br />
zusätzlich Appartements anzubieten. Von Apart- <strong>und</strong> Suiten-Hotels geplante Projekte<br />
unterliegen nicht der Quotenregelung. Dementsprechend liegt die Vermutung nahe, dass<br />
verstärkt Suiten-Hotels projektiert werden, um die Quotenregelung unter dem Deckmantel des<br />
Hotelbetriebes zu unterlaufen. Diese Erklärung greift jedoch zu kurz. Vielmehr ist die traditionelle<br />
Hotellerie gezwungen, mit neuen Konzepten auf ihre strukturellen Probleme zu reagieren. Dazu<br />
gehört die Erkenntnis, dass die Kombination aus Ferienwohnung <strong>und</strong> Hotel stark gefragt ist.<br />
Schliesslich bieten diese hybriden Beherbergungsformen ihren K<strong>und</strong>en voll ausgestattete Ferienwohnungen,<br />
ohne dass sie auf den Komfort eines Hotels verzichten müssen. Vor allem im<br />
<strong>Kanton</strong> <strong>Wallis</strong>, dessen Tourismus stark von den Gästen aus Ländern wie Grossbritannien <strong>und</strong><br />
Holland lebt – K<strong>und</strong>engruppen, die einer Weitervermietung der eigenen Ferienwohnung nicht<br />
abgeneigt sind, eröffnen solche hybriden Beherbergungsformen einen Ausweg aus der Problematik<br />
der kalten Betten.<br />
Eine Folge der hohen Zweitwohnungsnachfrage der letzten Jahre ist, dass die Preisniveaus für<br />
Stockwerkeigentum in <strong>Wallis</strong>er Gemeinden äusserst unterschiedlich ausfallen. Insbesondere die<br />
Preisniveaus der Top-Feriendestinationen zeigen sich als Ausreisser (Abbildung 48). Treibende<br />
Faktoren sind die Lage des Objektes <strong>und</strong> das Renommee des Ortes. Wird das Angebot an<br />
Zweitwohnungen regulatorisch verknappt, werden die hohen Preisanstiege für Eigentumswohnungen<br />
in den Top-Tourismusdestination zusätzlich beschleunigt.<br />
In Verbier <strong>und</strong> Zermatt erreichten die Preise von Eigentumswohnungen jüngst neue Höhen:<br />
Wer in der Gemeinde Bagnes eine durchschnittliche Eigentumswohnung 2 erwerben wollte,<br />
musste im 2. Quartal 2009 gut 1.4 Mio. CHF bezahlen. Dies entspricht einer Preissteigerung<br />
von 92% gegenüber einer vergleichbaren Wohnung vor fünf Jahren. Preissteigerungen von 40<br />
2 110 m 2 Wohnfläche, Baujahr 2009, sehr guter Zustand, durchschnittlicher Ausbaustandard, gute Lage innerhalb der Gemeinde.<br />
Swiss Issues Regionen 57
Economic Research<br />
bis 60% über fünf Jahre sind auch in anderen Gemeinden keine Seltenheit. Die hohe Heterogenität<br />
der Preise ist nicht nur innerhalb des <strong>Kanton</strong>s <strong>und</strong> innerhalb seiner Regionen sehr gross,<br />
sondern auch innerhalb den Gemeinden selbst. Betrachtet man zum Beispiel die Angebotspreise<br />
für Stockwerkeigentum in Zermatt, so findet man das 30%-Quantil bei 6'317 CHF pro<br />
Quadratmeter <strong>und</strong> das 70%-Quantil bei 12'735 pro Quadratmeter. Das bedeutet, dass 40%<br />
der im 2. Quartal 2009 in Zermatt beobachteten Preise sich zwischen diesen Werten bewegen,<br />
30% unter 6'317 CHF <strong>und</strong> 30% über 12'735 CHF pro Quadratmeter.<br />
Abbildung 48<br />
Transaktionspreise für Eigentumswohnungen im <strong>Kanton</strong> <strong>Wallis</strong> 2009<br />
Eigentumswohnungen mit 110 m 2 Wohnfläche, Neubau, durchschnittlicher Ausbaustandard, in CHF<br />
La Broye<br />
Glâne/<br />
Veveyse<br />
Vevey/Lavaux<br />
Monthey/<br />
St-Maurice<br />
La Sarine<br />
La Gruyère<br />
Pays<br />
d'Enhaut<br />
Aigle<br />
Martigny<br />
Sense<br />
Saanen/<br />
Obersimmental<br />
Sion<br />
Quelle: Wüest & Partner, Credit Suisse Economic Research, Geostat, DDS<br />
Thun<br />
Sierre<br />
Leuk<br />
Kandertal<br />
Visp<br />
Brig<br />
BernerOberland-Ost<br />
Goms<br />
Uri<br />
Hauptverkehrsstrassen<br />
> 1'000'000<br />
800'000 - 1'000'000<br />
650'000 - 800'000<br />
550'000 - 650'000<br />
500'000 - 550'000<br />
450'000 - 500'000<br />
400'000 - 450'000<br />
350'000 - 400'000<br />
< 350'000<br />
0 5 10 20 Km<br />
Eine konjunkturbedingt nachlassende Nachfrage dürfte gerade im oberen Preissegment für eine<br />
willkommene Abkühlung der Überhitzungen sorgen. In den Regionen Sion, Martigny <strong>und</strong><br />
Monthey/St. Maurice waren im 1. Halbjahr 2009 bereits stagnierende Preisentwicklungen für<br />
Stockwerkeigentum zu beobachten. Hier sind Preiskorrekturen nicht ausgeschlossen. In Sierre<br />
sind die Preisanstiege hingegen auch im 1. Halbjahr 2009 noch ungebrochen – aber auch hier<br />
ist im Laufe des 2. Halbjahres 2009 mit einer Abschwächung der Preisdynamik zu rechnen. Im<br />
<strong>Oberwallis</strong> stagnieren die Preise für Stockwerkeigentum zum Teil schon seit längerem, allerdings<br />
auf einem tieferen Niveau als im Unterwallis.<br />
Swiss Issues Regionen 58