FINE Das Weinmagazin, 1. Ausgabe - 01/2008

Abgang
Weinlaien
und
Weinweise
Auch die größten Weinkenner haben irgendwann ihren allerersten
Wein getrunken, und es war in den allermeisten Fällen wahrscheinlich
nicht ein Großes Gewächs oder ein Premier Cru. Vom ersten Schluck
zur ausgeprägten Kennerschaft: Wie macht man das? Wie kommt man als
interessierter Weinlaie zu einer eigenen, sehr persönlichen Weinkultur,
die diesen Namen verdient? Wo finden sich erfolgversprechende Wege,
einen reflektierten, emanzipierten, genussreichen Umgang mit Weinen zu
pflegen? Wie kann man seinen eigenen Geschmack, seine eigene Genussfähigkeit
entwickeln – und damit zugleich Freunde und Gäste begeistern?
Initialzündungen liegen häufig in Weinen, mit denen eine angenehme
Erinnerung verbunden wird. Das geschieht beispielsweise im Urlaub.
Durch die entspannte Aufmerksamkeit entwickelt sich ein Gefühl, fast
eine Nähe zu einem solchen Wein. Die Region öffnet sich, vielleicht liegt
sogar das Weingut in der Nähe und kann besucht werden. Man informiert
sich über die Weinberge, über die Bereitung des Weins. Mit der Zeit werden
die Unterschiede in den Jahrgängen vertraut, und plötzlich schätzt
man nicht nur die starken, sondern auch die charmanten Eigenarten der
schwächeren. Unmerklich wächst ein Gefühl für Qualität und Weinkultur.
Und beim nächsten Restaurantbesuch wird bei der Weinauswahl aus
dem überwältigenden Angebot die Hilfe des Sommeliers in Anspruch ge-
nommen. Dessen Fähigkeit, einfühlsam auf den Gast einzugehen (und
dabei auf eine allzu eitle Vorführung der eigenen Kenntnisse zu verzichten
und lyrische Ergüsse zu meiden), kann im Zusammenspiel mit den
Speisen neue Dimensionen des Weingenusses erschließen.
Im Feld der Medien finden sich seriöse Publikationen und einflussreiche
Autoren, die professionell nach Weinen suchen, die dann in Punktebewertungen
und Ranglisten zu den Besten erklärt werden. Verstanden
als Orientierungshilfe, als Leuchtboje im Meer der vielen Weine aus aller
Welt, können sie dazu beitragen, den eigenen Horizont zu erweitern.
Diese Listen wie Offenbarungen zu behandeln, wäre aber falsch. Wer zum
Beispiel je Gelegenheit hatte, Weine mit Alterungspotenzial in jugendlichem
Stadium zu degustieren, weiß, dass jede Aussage einer Wette auf
die Zukunft gleichkommt.
Was also tun? Vor allem: locker bleiben. Und geduldig. Kennerschaft
entwickelt sich von selbst beim Trinken. Freilich: Im Glas soll das Richtige
sein. Das heißt, Hilfe von Weinweisen nicht verweigern, Weinliteratur
lesen, Weinregionen bereisen und immer neue Weine kennen lernen,
also sich umtun – und schließlich dem eigenen Urteil trauen. Sie werden
Überraschungen erleben.
“Residence of Excellence”
Ralf Frenzel
Herausgeber
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Palais Coburg, Vienna, +43 /1/ 518 18-0, www.palais-coburg.com, residenz@palais-coburg.com
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F I N E 1 / 2008