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MQ Herbst 2018 red

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Grabstein von Grete Ganseforth auf dem Heeder<br />

Friedhof.<br />

Im Café Flint-Ganseforth gibt es außer Backwaren<br />

auch spirituelle Andenken an die Gebetsstätte<br />

Heede.<br />

Der hervorragend gepflegte Heeder Friedhof<br />

strahlt große Ruhe und Schönheit aus.<br />

Michael und Karl Franke haben große Bronzeplastiken<br />

für den Kreuzweg und die Rosenkranzstationen<br />

gefertigt.<br />

Fotos: Alexandra Lüders<br />

Viele Jahre erzählte mir meine<br />

Mutter von der Gebetsstätte<br />

Heede, damit auch ich endlich<br />

diesen Pilgerort einmal aufsuchen<br />

würde.<br />

Nach ihrem Tod habe ich ihr diesen<br />

langgehegten Wunsch im August 2017<br />

erfüllt und an einer von Diakon Johannes<br />

Brinkmeyer (Nortrup) organisierten<br />

Wallfahrt des alten Dekanats Fürstenau<br />

teilgenommen. Obwohl Heede von der<br />

katholischen Kirche bisher nicht als<br />

offizieller Wallfahrtsort akzeptiert ist,<br />

pilgern bis zu 70 000 Menschen jährlich<br />

zu dieser von Bischof Dr. Franz-Josef Bode<br />

im März 2000 als öffentlich anerkannten<br />

Gebetsstätte ins Emsland. Hier liegt der<br />

2200 Seelen umfassende Ort nordwestlich<br />

von Lathen/Dörpen direkt an der<br />

niederländischen Grenze. Ein Blick in die<br />

Geschichte verrät, dass sich in Heede<br />

ab 1937 Wundersames und Dramatisches<br />

abgespielt hat. Vier Mädchen im<br />

Alter von 11 bis 14 Jahren erlebten in der<br />

Zeit vom 1. November (Allerheiligen)<br />

1937 bis November 1940 an 105 Tagen<br />

Marienerscheinungen, die schon damals<br />

viele Menschen in ihren Bann gezogen<br />

haben. Für das stille, von Moor und Heide<br />

umgebene Dorf waren die Ereignisse<br />

eine Sensation, die vor allem die<br />

Nationalsozialisten in Unruhe versetzt<br />

hat. Sie begriffen die Seherkinder als<br />

Störenfriede ihrer mühsam aufgebauten<br />

Volksgemeinschaft. Die übersinnlichen<br />

Wahrnehmungen der Mädchen bedrohten<br />

die Weltanschauung der Machthaber<br />

und forderten schnelles Eingreifen. Denn<br />

schon damals besuchten bis zu 15 000<br />

Menschen Heede, das von einer 80 Mann<br />

starken Verfügungstruppe Hermann<br />

Görings systematisch abgeriegelt wurde.<br />

Verhaftungen von Einheimischen und<br />

Fremden sowie Verhöre der Kinder waren<br />

die Folge. Die vier Mädchen wurden<br />

über die städtische Klinik Osnabrück in<br />

eine Nervenklinik in Göttingen eingewiesen.<br />

Hier ließ sich aber die vermutete<br />

Geistesgestörtheit medizinisch<br />

nicht belegen und die Kinder durften<br />

langfristig nicht weggesperrt werden.<br />

Auch ein Schulrat und der damalige<br />

Bischof bescheinigte ihnen Normalität.<br />

Als sie schließlich nach Hause zurückkehrten,<br />

verbot die Gestapo ihnen, die<br />

Erscheinungsstelle der Gottesmutter auf<br />

dem Friedhof zu betreten. Aufgestellte<br />

Wachtposten konnten das „bedrohliche<br />

Spektakel“ aber nicht verhindern.<br />

Denn auf Umwegen näherten sich die<br />

Mädchen dem Friedhof nahe der 20<br />

Meter entfernten alten Petruskirche (<br />

900 n. Ch.) von außen. Es folgten erneut<br />

Visionen an zehn verschiedenen Stellen<br />

bis zum 3. November 1940, als sich die<br />

Gottesmutter mit einem Segen endgültig<br />

von den Kindern verabschiedete.<br />

Die heilige Maria erschien ihnen als<br />

„Königin des Weltalls“ und „Königin der<br />

armen Seelen“ mit dem Jesuskind auf<br />

ihrem Arm. Die Mädchen konnten ihre<br />

Gestalt ganz genau beschreiben, so dass<br />

eine Statue von ihr angefertigt wurde.<br />

Sie steht heute in der Gnadenkapelle<br />

neben der Petruskirche. Die kindlichen<br />

Schilderungen des Gesehenen und<br />

Gehörten wichen nicht voneinander ab<br />

und bestärkten den Wahrheitsgehalt der<br />

Erscheinungen. Die Gottesmutter legte<br />

den Kindern ans Herz, die „Lauretanische<br />

Litanei“ zur Marienverehrung zu beten.<br />

Grete Ganseforth, der jüngsten der Seherkinder,<br />

wurde eine besondere Gnade<br />

zuteil: Sie hat mit ihrem lebenslangen<br />

Leiden die Sünden ihrer Mitmenschen<br />

gesühnt. Nach einer schweren Krankheit<br />

war Grete bis zu ihrem Tod im Jahre 1996<br />

bettlägerig, weil sie gelähmt war. An Karfreitag<br />

erlitt sie Todesqualen und zeigte<br />

Blutschwitzen, was durch Augenzeugen<br />

bestätigt und fotografiert wurde. Sie lebte<br />

während dieser Zeit in einer kleinen,<br />

ebenerdigen Wohnung, wo sie auch Besuch<br />

von Pilgern, den Gemeindepfarrern<br />

und sogar von Bischof Bode empfing.<br />

„Sie war alles andere als das, was Leute<br />

sich unter einer Mystikerin vorstellen,<br />

sondern eher eine typisch emsländische,<br />

bodenständige Bäckerstochter“, erzählt<br />

Pfarrer Johannes Brinkmann (92), der<br />

2015 ein Buch über Grete Ganseforth<br />

verfasst und herausgegeben hat. Der<br />

Ort Heede war in der Zeit von 1933 bis<br />

1945 übrigens umgeben von 15 Emslandlagern,<br />

in denen 180000 Gefangene<br />

aus ganz Europa härtester Arbeit und<br />

Folter bei der Kultivierung der Moore<br />

ausgesetzt waren. Viele Kriegsgefangene<br />

und Widerstandskämpfer fanden hier<br />

den Tod. Angesichts dieses zeitlichen<br />

und regionalen Zusammentreffens mit<br />

den Marienerscheinungen stellt sich<br />

die Frage: Wollte die Mutter Gottes das<br />

Unrecht in unmittelbarer Nachbarschaft<br />

gesühnt sehen oder darauf aufmerksam<br />

machen? Die Nationalsozialisten haben<br />

das damalige Geschehen als Störung<br />

ihrer ideologischen Ziele angesehen –<br />

die ausstrahlende Kraft des christlichen<br />

Glaubens hat ihnen Angst gemacht. Wer<br />

Heede heute besucht, wird immer noch<br />

beeindruckt sein: Von der Aura und Stille<br />

der Gebetsplätze, von dem Kreuzweg,<br />

dem gepflegten Friedhof mit den alten<br />

Bäumen und schließlich von der Andacht<br />

der Gläubigen. Montag bis Freitag von<br />

15 bis 21 Uhr und samstags/sonntags<br />

finden von 15 bis 17 Uhr stille Anbetungen<br />

in der St. Marienkirche statt, wo<br />

auch zwei Reliquien ausgestellt sind :<br />

Ein Faden aus einem Gewand und eine<br />

Blutreliquie des Papstes Johannes Paul<br />

II. Zu diesen Zeiten stehen immer auch<br />

zwei Priester für die persönliche Beichte<br />

zur Verfügung.<br />

In der Gnadenkapelle lädt die Marienstatue Gläubige zum Gebet ein.<br />

Ausgabe <strong>Herbst</strong> <strong>2018</strong> mq | 27

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