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Grabstein von Grete Ganseforth auf dem Heeder<br />
Friedhof.<br />
Im Café Flint-Ganseforth gibt es außer Backwaren<br />
auch spirituelle Andenken an die Gebetsstätte<br />
Heede.<br />
Der hervorragend gepflegte Heeder Friedhof<br />
strahlt große Ruhe und Schönheit aus.<br />
Michael und Karl Franke haben große Bronzeplastiken<br />
für den Kreuzweg und die Rosenkranzstationen<br />
gefertigt.<br />
Fotos: Alexandra Lüders<br />
Viele Jahre erzählte mir meine<br />
Mutter von der Gebetsstätte<br />
Heede, damit auch ich endlich<br />
diesen Pilgerort einmal aufsuchen<br />
würde.<br />
Nach ihrem Tod habe ich ihr diesen<br />
langgehegten Wunsch im August 2017<br />
erfüllt und an einer von Diakon Johannes<br />
Brinkmeyer (Nortrup) organisierten<br />
Wallfahrt des alten Dekanats Fürstenau<br />
teilgenommen. Obwohl Heede von der<br />
katholischen Kirche bisher nicht als<br />
offizieller Wallfahrtsort akzeptiert ist,<br />
pilgern bis zu 70 000 Menschen jährlich<br />
zu dieser von Bischof Dr. Franz-Josef Bode<br />
im März 2000 als öffentlich anerkannten<br />
Gebetsstätte ins Emsland. Hier liegt der<br />
2200 Seelen umfassende Ort nordwestlich<br />
von Lathen/Dörpen direkt an der<br />
niederländischen Grenze. Ein Blick in die<br />
Geschichte verrät, dass sich in Heede<br />
ab 1937 Wundersames und Dramatisches<br />
abgespielt hat. Vier Mädchen im<br />
Alter von 11 bis 14 Jahren erlebten in der<br />
Zeit vom 1. November (Allerheiligen)<br />
1937 bis November 1940 an 105 Tagen<br />
Marienerscheinungen, die schon damals<br />
viele Menschen in ihren Bann gezogen<br />
haben. Für das stille, von Moor und Heide<br />
umgebene Dorf waren die Ereignisse<br />
eine Sensation, die vor allem die<br />
Nationalsozialisten in Unruhe versetzt<br />
hat. Sie begriffen die Seherkinder als<br />
Störenfriede ihrer mühsam aufgebauten<br />
Volksgemeinschaft. Die übersinnlichen<br />
Wahrnehmungen der Mädchen bedrohten<br />
die Weltanschauung der Machthaber<br />
und forderten schnelles Eingreifen. Denn<br />
schon damals besuchten bis zu 15 000<br />
Menschen Heede, das von einer 80 Mann<br />
starken Verfügungstruppe Hermann<br />
Görings systematisch abgeriegelt wurde.<br />
Verhaftungen von Einheimischen und<br />
Fremden sowie Verhöre der Kinder waren<br />
die Folge. Die vier Mädchen wurden<br />
über die städtische Klinik Osnabrück in<br />
eine Nervenklinik in Göttingen eingewiesen.<br />
Hier ließ sich aber die vermutete<br />
Geistesgestörtheit medizinisch<br />
nicht belegen und die Kinder durften<br />
langfristig nicht weggesperrt werden.<br />
Auch ein Schulrat und der damalige<br />
Bischof bescheinigte ihnen Normalität.<br />
Als sie schließlich nach Hause zurückkehrten,<br />
verbot die Gestapo ihnen, die<br />
Erscheinungsstelle der Gottesmutter auf<br />
dem Friedhof zu betreten. Aufgestellte<br />
Wachtposten konnten das „bedrohliche<br />
Spektakel“ aber nicht verhindern.<br />
Denn auf Umwegen näherten sich die<br />
Mädchen dem Friedhof nahe der 20<br />
Meter entfernten alten Petruskirche (<br />
900 n. Ch.) von außen. Es folgten erneut<br />
Visionen an zehn verschiedenen Stellen<br />
bis zum 3. November 1940, als sich die<br />
Gottesmutter mit einem Segen endgültig<br />
von den Kindern verabschiedete.<br />
Die heilige Maria erschien ihnen als<br />
„Königin des Weltalls“ und „Königin der<br />
armen Seelen“ mit dem Jesuskind auf<br />
ihrem Arm. Die Mädchen konnten ihre<br />
Gestalt ganz genau beschreiben, so dass<br />
eine Statue von ihr angefertigt wurde.<br />
Sie steht heute in der Gnadenkapelle<br />
neben der Petruskirche. Die kindlichen<br />
Schilderungen des Gesehenen und<br />
Gehörten wichen nicht voneinander ab<br />
und bestärkten den Wahrheitsgehalt der<br />
Erscheinungen. Die Gottesmutter legte<br />
den Kindern ans Herz, die „Lauretanische<br />
Litanei“ zur Marienverehrung zu beten.<br />
Grete Ganseforth, der jüngsten der Seherkinder,<br />
wurde eine besondere Gnade<br />
zuteil: Sie hat mit ihrem lebenslangen<br />
Leiden die Sünden ihrer Mitmenschen<br />
gesühnt. Nach einer schweren Krankheit<br />
war Grete bis zu ihrem Tod im Jahre 1996<br />
bettlägerig, weil sie gelähmt war. An Karfreitag<br />
erlitt sie Todesqualen und zeigte<br />
Blutschwitzen, was durch Augenzeugen<br />
bestätigt und fotografiert wurde. Sie lebte<br />
während dieser Zeit in einer kleinen,<br />
ebenerdigen Wohnung, wo sie auch Besuch<br />
von Pilgern, den Gemeindepfarrern<br />
und sogar von Bischof Bode empfing.<br />
„Sie war alles andere als das, was Leute<br />
sich unter einer Mystikerin vorstellen,<br />
sondern eher eine typisch emsländische,<br />
bodenständige Bäckerstochter“, erzählt<br />
Pfarrer Johannes Brinkmann (92), der<br />
2015 ein Buch über Grete Ganseforth<br />
verfasst und herausgegeben hat. Der<br />
Ort Heede war in der Zeit von 1933 bis<br />
1945 übrigens umgeben von 15 Emslandlagern,<br />
in denen 180000 Gefangene<br />
aus ganz Europa härtester Arbeit und<br />
Folter bei der Kultivierung der Moore<br />
ausgesetzt waren. Viele Kriegsgefangene<br />
und Widerstandskämpfer fanden hier<br />
den Tod. Angesichts dieses zeitlichen<br />
und regionalen Zusammentreffens mit<br />
den Marienerscheinungen stellt sich<br />
die Frage: Wollte die Mutter Gottes das<br />
Unrecht in unmittelbarer Nachbarschaft<br />
gesühnt sehen oder darauf aufmerksam<br />
machen? Die Nationalsozialisten haben<br />
das damalige Geschehen als Störung<br />
ihrer ideologischen Ziele angesehen –<br />
die ausstrahlende Kraft des christlichen<br />
Glaubens hat ihnen Angst gemacht. Wer<br />
Heede heute besucht, wird immer noch<br />
beeindruckt sein: Von der Aura und Stille<br />
der Gebetsplätze, von dem Kreuzweg,<br />
dem gepflegten Friedhof mit den alten<br />
Bäumen und schließlich von der Andacht<br />
der Gläubigen. Montag bis Freitag von<br />
15 bis 21 Uhr und samstags/sonntags<br />
finden von 15 bis 17 Uhr stille Anbetungen<br />
in der St. Marienkirche statt, wo<br />
auch zwei Reliquien ausgestellt sind :<br />
Ein Faden aus einem Gewand und eine<br />
Blutreliquie des Papstes Johannes Paul<br />
II. Zu diesen Zeiten stehen immer auch<br />
zwei Priester für die persönliche Beichte<br />
zur Verfügung.<br />
In der Gnadenkapelle lädt die Marienstatue Gläubige zum Gebet ein.<br />
Ausgabe <strong>Herbst</strong> <strong>2018</strong> mq | 27