17.12.2012 Aufrufe

Die Heilkraft der Pilze von Prof. Dr. Jan I. Lelley

Die Heilkraft der Pilze von Prof. Dr. Jan I. Lelley

Die Heilkraft der Pilze von Prof. Dr. Jan I. Lelley

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Dass die Kräuterbuchautoren nicht alle Volksweisheiten und mündlichen Überlieferungen kritiklos<br />

übernommen haben, zeigt das Beispiel <strong>der</strong> Hirschtrüffel (Elaphomyces granulatus):<br />

.."Zu lezt zeigen die Apoteker noch einen Schwamm, welche sie Boletum, und Cervinum fungum und<br />

Cerviboletum, das ist, Hirschwamm, nennen, welche sie sagen, daß sie in den Wäl<strong>der</strong>n aus dem<br />

Samen deß Hirschen wachsen, und ein Natur haben die eheliche Werke und Wollust zu reizen,<br />

welches beides falsch erfunden wird, dann sie auch an den Orten gefunden werden, da kein Hirsch<br />

hinkommt. Darzu so ist ihr Natur kalt und feucht, welche die natürliche Wollust mehr außlöschet.."<br />

Verstreut in alten Arzneibüchern gibt es noch weitere Hinweise für die Verwendung <strong>von</strong> <strong>Pilze</strong>n in <strong>der</strong><br />

Volksheilkunde. <strong>Die</strong> Stinkmorchel (Phallus impudicus) half gegen Gicht, die Anistramete (Trametes<br />

suaveol ens) gegen Lungenschwindsucht. Der Echter Zundeschwamm (Fomes fomentarius) wurde zur<br />

Blutstillung und die Hirschtrüffel (Elaphomyces granulatus) entgegen dem Wi<strong>der</strong>spruch <strong>von</strong> Lonicerus<br />

zur Potenzsteigerung verwendet. Manche <strong>Pilze</strong> wurden für die Regulierung <strong>der</strong> Verdauung<br />

herangezogen. Der Schuppige Schwarzfußporling (Polyporus melanopus) und <strong>der</strong> Schwefelporling<br />

(Laetiporus sulphureus) wirkten leicht stopfend. Man hat ihren Verzehr im Jungstadium bei<br />

chronischen Durchfällen empfohlen. Der Hallimasch (Armillaria mellea) stand dagegen im Ruf ein<br />

Abführmittel zu sein. Auf diesen Effekt weist auch sein Name hin, <strong>der</strong> den Berichten zufolge aus<br />

Österrei ch stammt und vol kstümlich-drastisch "Hell im Arsch" heißen soll.<br />

Während die Kenntnisse über Heilkräuter weit verbreitet sind und ihre Verwendung in Arztpraxen, bei<br />

Heilpraktikern und in <strong>der</strong> Selbstmedikation heute geradezu eine Renaissance erlebt hat, geriet das<br />

Wissen über die Heilwirkung <strong>der</strong> Großpilze im Abendland weitgehend in Vergessenheit. Dabei<br />

entsteht eine erstaunlich lange Liste, wenn man nur die wichtigsten Informationen über die Rolle <strong>der</strong><br />

<strong>Pilze</strong> in <strong>der</strong> Volksheilkunde <strong>der</strong> Vergangenheit zusammenfasst (siehe Tabelle 2). <strong>Die</strong>se negative<br />

Entwicklung dürfte wohl den Umstand ausgelöst haben, dass man in Europa bis vor wenigen<br />

Jahrzehnten nicht wusste, wie <strong>Pilze</strong> - vom Champignon einmal abgesehen - angebaut werden. Somit<br />

entzogen sie sich im Gegensatz zu den Heilkräutern einer industriellen Verwertung. In unserer<br />

mo<strong>der</strong>nen, syntheseorientierten pharmazeutischen Industrie haben deshalb <strong>Pilze</strong> mit Heilwirkung<br />

bisher keinen Platz.<br />

Ganz an<strong>der</strong>s verlief die Entwicklung in Ostasien, vornehmlich in China, Korea, Indonesien und Japan,<br />

wo Tradition und Zeitgeist friedlich nebeneinan<strong>der</strong> existieren können. Dort werden laufend Berichte<br />

über die Wirkung und Verwendung <strong>der</strong> Großpilze in Vergangenheit und Gegenwart veröffentlicht.<br />

<strong>Die</strong>se waren noch bis vor wenigen Jahren aus verschiedenen Gründen kaum zugänglich gewesen.<br />

Heute kommt vieles, was wir über die <strong>Pilze</strong> mit Heilwirkung wissen, aus China zu uns. Eine uralte<br />

Tradition <strong>der</strong> Naturärzte, verknüpft mit den Ergebnissen mo<strong>der</strong>ner klinischer Studien, prägen die<br />

Mykotherapie in Ostasien. Eine Auswahl da<strong>von</strong> können sie in späteren Kapiteln dieses Buches<br />

erfahren.<br />

3. China, die Wiege <strong>der</strong> Mykotherapie<br />

<strong>Dr</strong>. Rolf Siek, Wissenschaftler <strong>der</strong> Kölner Arzneimittelfabrik <strong>Dr</strong>. Madaus, hat 1975 mit dem<br />

Schopftintling experimentiert, <strong>von</strong> dem man wusste, dass er ein blutzuckersenkendes Prinzip enthält.<br />

Schon in den 50er Jahren berichtete <strong>der</strong> französische Arzt Potron darüber, dass manche <strong>Pilze</strong><br />

offenbar eine blutzuckersenkende Wirkung haben. Er, <strong>der</strong> selbst Diabetiker war, aß im Frühjahr täglich<br />

250-300 g Mairitterlinge (Calocybe gambosa) und stellte nach einigen Tagen eine "insulinähnliche<br />

Wirkung" fest. <strong>Die</strong>sen Beobachtungen ging <strong>der</strong> deutsche Mykologe Kronberger nach. Kronberger,<br />

ebenfalls Diabetiker, führte unter ärztlicher Kontrolle Selbstversuche durch und fand noch an<strong>der</strong>e<br />

<strong>Pilze</strong>, die eine blutzuckersenkende Wirkung hatten. Beson<strong>der</strong>s bemerkenswert war dieser Effekt beim<br />

Schopftintling (Coprinus comatus). Kronberger veröffentlichte im Jahre 1964 einen Erfahrungsbericht<br />

in <strong>der</strong> Zeitschrift <strong>der</strong> Naturwissenschaftlichen Gesellschaft <strong>von</strong> Bayreuth. Darin empfahl er eine<br />

regelrechte Kur in Form regelmäßigen Pilzverzehrs und regte an, dieses Phänomen "zum Segen <strong>der</strong><br />

vielen Zuckerkranken" wissenschaftlich weiter zu untersuchen.<br />

In Expertenkrei sen fand Kronbergers Rat gut 10 Jahre keine Resonanz. Das Schopftintling-Phänomen<br />

blieb zunächst unerforscht. Bis dann <strong>Dr</strong>. Si ek im Jahre 1975 eine größere Anzahl Schopfti ntling -<br />

Proben, die in ganz Deutschland gesammelt wurden, in Tierexperimenten getestet hat. Seine<br />

Ergebnisse waren verblüffend. Schon eine kleine Menge des <strong>Pilze</strong>s führte zu erheblicher<br />

Blutzuckersenkung bei den Versuchstieren. <strong>Die</strong> verwendete Kontrollsubstanz, ein handelsübliches<br />

Antidiabetikum, wirkte nur geringfügig stärker als <strong>der</strong> Schopftintling.<br />

6

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!