Stadtmagazin CLP Ausgabe 27
Das Stadtmagazin für Cloppenburg
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Buchtipp<br />
Häuser aus<br />
Sand<br />
Nun klingt sie wieder – die Glocke der Gnadenkapelle<br />
war es Gerda Mayhaus ein wichtiges Anliegen, die Kosten für<br />
die neue Glocke zu übernehmen.<br />
Benedikt Möller, Ratsherr in Cloppenburg, ist ebenfalls eng<br />
mit der Pfarrgemeinde verbunden und war schon seit längerer<br />
Zeit von der alten und traditionsreichen Handwerkskunst<br />
des Glockengießers fasziniert. Schnell stand für ihn und seine<br />
Großmutter Wilma Pöppelmann fest, dass sie auch einen<br />
Beitrag zur Gestaltung und Finanzierung der Glocke leisten<br />
möchten. Durch ihr Engagement und ihre Unterstützung<br />
wurde die Glocke zusätzlich mit dem Relief des Bether Gnadenbildes<br />
und der Inschrift „Salve Regina!“ verziert. Hinzu<br />
kam noch der Spruch „Mutter der Gnaden, o reich uns deine<br />
Hand, auf all unsern Wegen durchs irdische Land“.<br />
Schnell wurde Kontakt zur Glockengießerei „Petit & Gebr.<br />
Edelbrock“ im münsterländischen Gescher aufgenommen,<br />
die bereits seit 1690 besteht. In der 12. Generation stellt Petit<br />
& Gebr. Edelbrock Kirchenglocken nach dem traditionellen<br />
Lehmverfahren her. Dort wurde die neue Glocke im Beisein<br />
von etwa 40 Gläubigen der Pfarrgemeinde und in Begleitung<br />
von Monsignore Dr. Költgen gegossen.<br />
„Das war ein unvergesslicher und sehr feierlicher Moment“,<br />
erinnert sich Benedikt Möller noch gerne an den Besuch der<br />
traditionsreichen Glockengießerei (wir berichteten darüber<br />
im <strong>Stadtmagazin</strong>). Ein ganz besonderer Moment sei das von<br />
einem Segensgebet begleitete Einfüllen der flüssigen Glockenspeise<br />
in die vorbereitete Form gewesen, so Möller.<br />
Am Ostermontag dieses Jahres wurde die neue Glocke<br />
während des Hochamtes feierlich durch Weihbischof Wilfried<br />
Theising und Monsignore Dr. Dirk Költgen und im Beisein<br />
zahlreicher Gläubigen geweiht.<br />
Heute hat sie wieder ihren angestammten Platz auf der<br />
Gnadenkapelle inne und ruft – gut sichtbar von außen – die<br />
Gläubigen und die Pilger zum Gebet.<br />
sigrid lünnemann<br />
Aktueller kann ein Buch zu den<br />
Themen Vertreibung und Flucht<br />
kaum sein. Dabei beginnt die<br />
Geschichte schon im Jahr 1963. In Nablus<br />
im Westjordanland, wo Selma Yacoubs Tochter Alia<br />
am nächsten Tag heiraten soll. Schon an dieser Stelle des Buches<br />
wird bewusst, dass die Gegenwart der Vertreibung in dieser<br />
Region zu dieser Zeit schon 15 Jahre älter ist. Denn Selma war<br />
während des Palästinakrieges 1948 aus ihrer Geburtsstadt Jaffa,<br />
südlich von Tel Aviv von den Israelis vertrieben worden.<br />
Zwar war das Haus in Nablus auch für Selma ein Hort für die<br />
Familie geworden, doch es war in ihren Beschreibungen, in ihren<br />
Betrachtungen immer das „neue Haus“. Das wirkliche, einzige<br />
Zuhause hatte sie verlassen müssen.<br />
Für ihre Tochter Alia hingegen war Nablus das Zuhause, doch<br />
um sich mit ihrem Ehemann Atef ein eigenes Leben aufzubauen,<br />
verlässt sie es und muss im Sechstagekrieg 1967 nach Kuwait<br />
zu fliehen. Es steht uns nicht zu beurteilen zu wollen, ob es Alia<br />
und ihrer Familie dort besser geht als den zahlreichen anderen<br />
Palästinensern, die in einem der Flüchtlingslager im Nahen Osten<br />
irgendwie leben müssen. Auf den ersten Blick ist das Dasein<br />
in Kuweit natürlich lebenswerter, doch der Verlust des Zuhause,<br />
der ureigenen intimsten Umgebung schmerzt ebenso. Auf andere<br />
Weise doch nicht weniger eindringlich.<br />
Und auch Salma findet kein wirkliches Glück. Oberflächlich ist<br />
bei ihr zwar „alles in Ordnung“, doch hat sie ihren Sohn an der<br />
Front des Sechstagekriegs für immer verloren, während die<br />
Tochter weit weg ist und dort, in ihrer neuen Umgebung dieselbe<br />
Sehnsucht nach der Heimat durchlebt wie ihre Mutter. Und<br />
auch Alias Kinder bäumen sich gegen die Konventionen der Familie<br />
auf. In der Person der Urenkelin Manar werden auch diese<br />
Konflikte sehr deutlich.<br />
Zwanzig Jahre später verliert Alias Familie ihr Zuhause erneut<br />
und diesmal mit der Folge, dass alle sich in eine andere Himmelsrichtung<br />
retten. Nach Boston, nach Paris, nach Beirut… Nicht<br />
freiwillig, sondern erneut als Vertriebene.<br />
Hala Alyan, die Autorin dieses wahrlich bemerkenswerten Buches,<br />
ist Amerikanerin palästinensischer Abstammung. Sie ist<br />
Psychologin und lässt die einzelnen Protagonisten ihre Erfahrungen<br />
mit dem Trauma von Vertreibung, Flucht und dem Verlust<br />
der Heimat selbst erzählen.<br />
„Das Buch zeigt, wie unterschiedlich die Familienmitglieder zu<br />
verschiedenen Zeitpunkten mit dem Verlust ihrer Heimat und<br />
mit dem Exil umgehen,“ sagt sie. „Einige rebellieren, einige trinken,<br />
andere verleugnen fast ihre palästinensischen Wurzeln und<br />
übernehmen die westliche Lebensweise.“<br />
„Die Sehnsucht nach dem Vergangenen ist eine Qual,“ sagte<br />
jemand einmal zu Alia. Zwar kann man sich als Unbeteiligter diesen<br />
Kummer nicht vorstellen, man kann aber versuchen, denen<br />
zuzuhören, die von ihrem Trauma berichten wollen. usch<br />
Hala Alyan: Häuser aus Sand. Dumont Verlag.<br />
ISBN 978-3-8321-9855-8. EUR 24,00<br />
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