Industrielle Automation 5/2018
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SUMMER OF ENGINEERING<br />
„Wir können ganz locker Leute einstellen, die kein Deutsch sprechen“,<br />
ist sich Christian Leeser sicher. Auf diese Weise verschafft sich die<br />
Unternehmensgruppe einen weiteren Vorteil bei der Rekrutierung<br />
von qualifizierten Mitarbeitern. An der Universität in Aachen etwa<br />
werden auch Studiengänge mit Abschluss in Englisch angeboten,<br />
die Studenten aus der ganzen Welt anlocken. So beschäftigt die Fraba<br />
am Standort Aachen (hier ist die Forschungs- und Entwicklungsabteilung)<br />
40 Mitarbeiter mit 20 verschiedenen Nationalitäten.<br />
Die offene Informationspolitik spiegelt sich auch beim internen<br />
Kommunikationssystem wider, mit einem „Datenstrom wie bei Facebook“,<br />
den sich jeder für seinen Bereich filtern kann. Grundsätzlich<br />
könnte also jeder Mitarbeiter jeden Post sehen. „Alles was in anderen<br />
Firmen geheim ist, steht da drin. Sogar die Gehälter. Wir wollen,<br />
dass die Leute mehr wissen als in anderen Firmen. Sie sollen auch<br />
nach rechts und links schauen, was hier rundum passiert“, so Leeser,<br />
„Das entscheidende ist eigentlich, dass Mitarbeiter ein Know-how<br />
einbringen, das sie auf ihrer Position gar nicht haben müssten. Das<br />
ist wie eine Industrie-4.0-Verknüpfung unserer Mitarbeiter. Eine<br />
Anfrage aus Spanien wird etwa in Singapur beantwortet, weil hier<br />
jemand die Antwort kennt. Wir glauben daran, dass die Organisation<br />
am leistungsfähigsten ist, wenn alle Informationen ohne Widerstände<br />
dahin fließen“, so Leeser.<br />
DYNAMISCHE ENTWICKLUNG FÖRDERN<br />
Ebenso einzigartig ist das Hotelkonzept in Köln: Im großen, weiß<br />
gehaltenen Raum stehen viele gleichartige Arbeitsplätze zur Verfügung.<br />
Wenn hier abends das Licht ausgeht, dann sind alle Tische<br />
leer, denn niemand weiß, an welchem Arbeitsplatz er morgen sitzt.<br />
Jeder Mitarbeiter hat einen kleinen Rollcontainer für seine persönlichen<br />
Unterlagen und „checkt“ sich morgens im „Bürohotel“ an<br />
einem freien Platz ein. Zudem gibt es keine Sichtbarrieren, was die<br />
offene Firmenphilosophie unterstreicht.<br />
Kurios ist auch die folgende Maxime: „Die oberste Aufgabe eines<br />
jeden Mitarbeiters ist es, sich in seinem Spezialgebiet überflüssig zu<br />
machen“. Leeser erklärt weiter: „Das geht natürlich nur, wenn der Mitarbeiter<br />
dadurch keinen Nachteil hat. Und mit Vertrauen. Wenn Jemand<br />
es geschafft hat, sich überflüssig zu machen, dann wird er dafür<br />
belohnt. Und ich muss dafür Sorge tragen, dass der Mitarbeiter eine<br />
neue Herausforderung bekommt, die seinen Fähigkeiten entspricht“.<br />
FERTIGUNG IN INDUSTRIE-4.0-MANIER<br />
Den großen Schritt in Bezug auf die Produktion machte Posital Fraba<br />
im Jahr 2004. Das bisherige „handwerkliche Geschäftssystem“ barg<br />
zwar wenig Risiken, im Gegenzug war es aber weder skalier- noch<br />
globalisierbar. Also ersetzten sie es gegen ein komplett digitalisiertes<br />
industrielles System. „Das heißt, wir mussten die Flexibilität des<br />
Handwerks durch Massen an computergenerierten Produkten ersetzen.<br />
Wir drücken nur auf den Knopf, dann laufen die Prozesse<br />
ab, und das Teil wird komplett industrialisiert und digital zusammengebaut“,<br />
so die Vision der Leeser-Brüder.<br />
Für diesen Schritt wurde die Fertigung von Deutschland in das<br />
lohnkostengünstigere Polen verlegt, genauer gesagt nach Slubice,<br />
wo derzeit rd. 170 000 Geber pro Jahr nach Kundenwunsch gefertigt<br />
werden. Und zwar in einer hochmodernen Produktion ganz nach<br />
Industrie-4.0-Manier.<br />
Für die massenhafte Fertigung von Drehgebern in Losgröße 1<br />
wurden die kompletten Produktionsabläufe digitalisiert. Der Mitarbeiter<br />
bekommt auf seinem Tablet Fertigungsanweisungen mit<br />
Bildern, Icons, Artikelnummern und Videos, aber ohne Text. „Wir<br />
haben die facharbeiterlose Produktion, indem wir die Intelligenz<br />
der Fertigung aus den Köpfen der Facharbeiter in unser System<br />
gebracht haben.“<br />
MASS CUSTOMIZATION<br />
Um eine große Varianz und kurze Lieferzeiten unter einen Hut zu<br />
bekommen, wurde auch der Bestellvorgang komplett digitalisiert.<br />
Das Herzstück ist dabei der „Product Finder“ auf der Webseite. Aus<br />
theoretisch mehr als 1 Million Varianten kann sich der Kunde hier<br />
nach seinen Anforderungen und Spezifikationen per Filter seinen<br />
persönlichen Drehgeber konfigurieren. Dabei agiert das System<br />
interaktiv und schließt Schritt für Schritt unlogische Varianten aus.<br />
Die Lieferzeit beträgt i. d. R. drei Tage – per Express sind sogar<br />
24 Stunden möglich.<br />
Ein zweiter Weg zum passenden Drehgeber führt über den<br />
‚Mitbewerber-Querverweis-Guide‘ – genannt: Encoder Match. Hier<br />
kann der Kunde den Typenschlüssel von derzeit 18 Fremdmarken<br />
eingeben und bekommt das passende Pendant bzw. eine Alternative<br />
aus dem Hause Fraba gezeigt.<br />
04 Blick in die digitalisierte Produktion von Drehgebern in<br />
Losgröße 1 nach Industrie-4.0-Manier im polnischen Slubice<br />
05 Die Montage der Drehgeber erfolgt zwar manuell,<br />
aber mit digitalisierten Fertigungsanweisungen via Tablet-PC<br />
06 Dr. Michael Löken erklärt die markanten Unterschiede<br />
zwischen optischen und magnetischen Drehgebern<br />
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26 INDUSTRIELLE AUTOMATION 5/<strong>2018</strong>