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Stolpersteine_2018_komplett

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Einführung in das Schülerprojekt<br />

von Florian Jung, OStR am Justus-Knecht-Gymnasium Bruchsal<br />

Bereits zum dritten Mal bildete sich am Justus-Knecht-Gymnasium Bruchsal eine Projektgruppe<br />

aus Achtklässlern des G9-Zugs, um ein Schuljahr lang Biographien früherer<br />

jüdischer Mitbürger zu erforschen. Selbstverständlich gehört dazu eine gründliche<br />

Recherche in Büchern zum Thema, seien es die bekannten Werke von Stude oder Haus<br />

zur Geschichte der Juden in Bruchsal, seien es die alten Adressbücher der Stadt. Die<br />

Recherche im Internet wird ergänzt durch den in Kleingruppen durchgeführten Besuch<br />

im Generallandesarchiv Karlsruhe, dort lagern nämlich umfangreiche Akten der<br />

Wiedergutmachungsbehörden zu fast allen, die in diesem Jahr mit einem Stolperstein<br />

geehrt werden. Ganz besonders reizvoll ist für die Jugendlichen allerdings, in Kontakt<br />

zu kommen mit den Nachfahren oder Verwandten, die meist nicht mehr in Deutschland<br />

leben. In diesem Jahr mussten wir allerdings akzeptieren, dass die Enkelin eines<br />

Bruchsaler Holocaustopfers, wohnhaft in Uruguay, nicht mit uns kommunizieren<br />

wollte und Verwandte aus drei verschiedenen Zweigen der Mayer-Sippe kein Interesse<br />

an der Stolpersteinverlegung für Else und Selma Mayer zeigten. Umso mehr wurde uns<br />

aber klar, welche großzügige, wichtige und sehr geschätzte Geste es von den Angehörigen<br />

der Familien Geismar und Baertig/Schlessinger ist, dass gleich mehrere Vertreter<br />

beider Familien aus verschiedenen Teilen der USA und aus der Schweiz anreisen.<br />

Das inzwischen gut eingespielte Stolperstein-Organisationsteam, bestehend aus Rolf<br />

Schmitt, Thomas Adam und Florian Jung, freut sich ganz besonders, bei der diesjährigen<br />

Stolpersteinaktion Alex Calzareth und Michael Simonson aus New York dabei<br />

zu haben, die uns seit Jahren schon bei unseren Recherchen unterstützen. Ebenso gilt<br />

unser besonderer Dank Werner Schönfeld (Flehingen), Marlene Schlitz (Bruchsal),<br />

weiteren privaten Forschern und Mitarbeitern verschiedener Archive.<br />

Projektgruppe „<strong>Stolpersteine</strong>“ der 8. Klassen am Justus-Knecht-Gymnasium Bruchsal:<br />

Hinten von links: Ellen, Charlotte, Lina, Mia, Dominik, Raphael, Lukas<br />

Vorne von links: Jan, Nico, Marius, Volkan. Foto: Florian Jung.<br />

2<br />

Biografie von Ludwig Geismar (1869-1942)<br />

von Isaiah Blumhofer, Klasse 8s<br />

Ludwig Geismar wurde geboren am<br />

22.2.1869 in Bruchsal als Sohn des<br />

Eisenhändlers Leopold Geismar und<br />

dessen Frau Bertha Babette Weil. Diese<br />

stammten aus Breisach und Sulzburg<br />

in Südbaden, hatten sich im April<br />

1866 in Bruchsal niedergelassen und<br />

eine Eisenwarenhandung eröffnet.<br />

Ludwig wuchs zusammen mit zwei älteren<br />

Brüdern, Sigmund und Gustav,<br />

und einer jüngeren Schwester, Mathilde,<br />

auf. Von Ludwig ist im Generallandesarchiv<br />

Karlsruhe eine Personenbeschreibung aus dem Jahre 1893 erhalten: „1,72 bis<br />

1,74 m groß, hellblonde Haare, kleines blondes Schnurrbärtchen, gesunde Gesichtsfarbe.<br />

Beruf: Eisenreisender.“<br />

Ludwig heiratete 1900 in Neckarsteinach die von dort stammende Kaufmannstochter<br />

Ida Ledermann. Das Paar bekam zwischen 1901 und 1909 fünf Kinder, vier Söhne und<br />

eine Tochter.<br />

Über die Größe des Geschäfts gibt es unterschiedliche Angaben.<br />

Geismars Sohn Otto schrieb 1959, dass die Eisenwarengroßhandlung<br />

im Durchschnitt drei Angestellte, vier Arbeiter<br />

und zwei Lehrlinge beschäftigte, außerdem war er selbst seit<br />

1924 im Betrieb tätig. Zusätzlich gab es ein gemietetes Lager<br />

im Holzmarkt 15 (Gastwirt Erchinger) sowie einen gemieteten<br />

Lagerplatz am Güterbahnhof. Verkauft wurden Eisenwaren an<br />

Handwerker, Baugeschäfte, kleine Eisenwarenhandlungen, außerdem<br />

Öfen „en gros et en detail“. Geismar hatte das Alleinverkaufsrecht<br />

der bekannten „Eibelshäuser Hütte“ für Baden und<br />

Württemberg. Weitere Lieferanten waren: Weil und Reinhardt<br />

(Mannheim), Röchling (Saarbrücken), Gebrüder Späth (Mannheim),<br />

Emailfabrik Ullrich (Annweiler/Pf.) . Der Kundenkreis<br />

dehnte sich bis nach Offenburg, Villingen, Stuttgart, Esslingen,<br />

Mosbach und Wiesloch. Entweder Ludwig, Sohn Otto oder<br />

ein Angestellter waren immer als Reisende tätig. Bedeutender<br />

Geschäftspartner war auch das Landesgefängnis Bruchsal mit<br />

Grabstein von Leopold und<br />

Berta Geismar, Jüdischer<br />

Friedhof Bruchsal. F.: Jung.<br />

Feuerwehrübung 1933. Links Eisenhandlung Geismar,<br />

rechts Gasthaus „Zum Einhorn“. Foto: E. Habermann.<br />

bis zu 15.000 RM Umsatz monatlich. Das fiel 1933 <strong>komplett</strong><br />

weg. Otto charakterisierte den Vater als „angesehenen Bürger<br />

in Bruchsal“, der sein Leben lang gut verdiente. Er schrieb: „Der<br />

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