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Einführung in das Schülerprojekt<br />
von Florian Jung, OStR am Justus-Knecht-Gymnasium Bruchsal<br />
Bereits zum dritten Mal bildete sich am Justus-Knecht-Gymnasium Bruchsal eine Projektgruppe<br />
aus Achtklässlern des G9-Zugs, um ein Schuljahr lang Biographien früherer<br />
jüdischer Mitbürger zu erforschen. Selbstverständlich gehört dazu eine gründliche<br />
Recherche in Büchern zum Thema, seien es die bekannten Werke von Stude oder Haus<br />
zur Geschichte der Juden in Bruchsal, seien es die alten Adressbücher der Stadt. Die<br />
Recherche im Internet wird ergänzt durch den in Kleingruppen durchgeführten Besuch<br />
im Generallandesarchiv Karlsruhe, dort lagern nämlich umfangreiche Akten der<br />
Wiedergutmachungsbehörden zu fast allen, die in diesem Jahr mit einem Stolperstein<br />
geehrt werden. Ganz besonders reizvoll ist für die Jugendlichen allerdings, in Kontakt<br />
zu kommen mit den Nachfahren oder Verwandten, die meist nicht mehr in Deutschland<br />
leben. In diesem Jahr mussten wir allerdings akzeptieren, dass die Enkelin eines<br />
Bruchsaler Holocaustopfers, wohnhaft in Uruguay, nicht mit uns kommunizieren<br />
wollte und Verwandte aus drei verschiedenen Zweigen der Mayer-Sippe kein Interesse<br />
an der Stolpersteinverlegung für Else und Selma Mayer zeigten. Umso mehr wurde uns<br />
aber klar, welche großzügige, wichtige und sehr geschätzte Geste es von den Angehörigen<br />
der Familien Geismar und Baertig/Schlessinger ist, dass gleich mehrere Vertreter<br />
beider Familien aus verschiedenen Teilen der USA und aus der Schweiz anreisen.<br />
Das inzwischen gut eingespielte Stolperstein-Organisationsteam, bestehend aus Rolf<br />
Schmitt, Thomas Adam und Florian Jung, freut sich ganz besonders, bei der diesjährigen<br />
Stolpersteinaktion Alex Calzareth und Michael Simonson aus New York dabei<br />
zu haben, die uns seit Jahren schon bei unseren Recherchen unterstützen. Ebenso gilt<br />
unser besonderer Dank Werner Schönfeld (Flehingen), Marlene Schlitz (Bruchsal),<br />
weiteren privaten Forschern und Mitarbeitern verschiedener Archive.<br />
Projektgruppe „<strong>Stolpersteine</strong>“ der 8. Klassen am Justus-Knecht-Gymnasium Bruchsal:<br />
Hinten von links: Ellen, Charlotte, Lina, Mia, Dominik, Raphael, Lukas<br />
Vorne von links: Jan, Nico, Marius, Volkan. Foto: Florian Jung.<br />
2<br />
Biografie von Ludwig Geismar (1869-1942)<br />
von Isaiah Blumhofer, Klasse 8s<br />
Ludwig Geismar wurde geboren am<br />
22.2.1869 in Bruchsal als Sohn des<br />
Eisenhändlers Leopold Geismar und<br />
dessen Frau Bertha Babette Weil. Diese<br />
stammten aus Breisach und Sulzburg<br />
in Südbaden, hatten sich im April<br />
1866 in Bruchsal niedergelassen und<br />
eine Eisenwarenhandung eröffnet.<br />
Ludwig wuchs zusammen mit zwei älteren<br />
Brüdern, Sigmund und Gustav,<br />
und einer jüngeren Schwester, Mathilde,<br />
auf. Von Ludwig ist im Generallandesarchiv<br />
Karlsruhe eine Personenbeschreibung aus dem Jahre 1893 erhalten: „1,72 bis<br />
1,74 m groß, hellblonde Haare, kleines blondes Schnurrbärtchen, gesunde Gesichtsfarbe.<br />
Beruf: Eisenreisender.“<br />
Ludwig heiratete 1900 in Neckarsteinach die von dort stammende Kaufmannstochter<br />
Ida Ledermann. Das Paar bekam zwischen 1901 und 1909 fünf Kinder, vier Söhne und<br />
eine Tochter.<br />
Über die Größe des Geschäfts gibt es unterschiedliche Angaben.<br />
Geismars Sohn Otto schrieb 1959, dass die Eisenwarengroßhandlung<br />
im Durchschnitt drei Angestellte, vier Arbeiter<br />
und zwei Lehrlinge beschäftigte, außerdem war er selbst seit<br />
1924 im Betrieb tätig. Zusätzlich gab es ein gemietetes Lager<br />
im Holzmarkt 15 (Gastwirt Erchinger) sowie einen gemieteten<br />
Lagerplatz am Güterbahnhof. Verkauft wurden Eisenwaren an<br />
Handwerker, Baugeschäfte, kleine Eisenwarenhandlungen, außerdem<br />
Öfen „en gros et en detail“. Geismar hatte das Alleinverkaufsrecht<br />
der bekannten „Eibelshäuser Hütte“ für Baden und<br />
Württemberg. Weitere Lieferanten waren: Weil und Reinhardt<br />
(Mannheim), Röchling (Saarbrücken), Gebrüder Späth (Mannheim),<br />
Emailfabrik Ullrich (Annweiler/Pf.) . Der Kundenkreis<br />
dehnte sich bis nach Offenburg, Villingen, Stuttgart, Esslingen,<br />
Mosbach und Wiesloch. Entweder Ludwig, Sohn Otto oder<br />
ein Angestellter waren immer als Reisende tätig. Bedeutender<br />
Geschäftspartner war auch das Landesgefängnis Bruchsal mit<br />
Grabstein von Leopold und<br />
Berta Geismar, Jüdischer<br />
Friedhof Bruchsal. F.: Jung.<br />
Feuerwehrübung 1933. Links Eisenhandlung Geismar,<br />
rechts Gasthaus „Zum Einhorn“. Foto: E. Habermann.<br />
bis zu 15.000 RM Umsatz monatlich. Das fiel 1933 <strong>komplett</strong><br />
weg. Otto charakterisierte den Vater als „angesehenen Bürger<br />
in Bruchsal“, der sein Leben lang gut verdiente. Er schrieb: „Der<br />
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