05.11.2018 Aufrufe

Stolpersteine_2018_komplett

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Rückblick auf die dritte Bruchsaler<br />

Stolpersteinverlegung am 26. April 2017<br />

von Rolf Schmitt<br />

Bereits zum dritten Male wurden am 26. April 2017<br />

in Bruchsal <strong>Stolpersteine</strong> verlegt. Dieses Mal für insgesamt<br />

16 Menschen, die in das Menschenbild der<br />

Nationalsozialisten nicht passten, hatten sie doch die<br />

falsche Religionszugehörigkeit und wurden daher aus<br />

rassistisch und antisemitisch motivierten Gründen<br />

verfolgt – oder waren behindert und wurden aus diesem<br />

Grund als „lebensunwert“ systematisch ermordet.<br />

Die Angehörigen der Holocaust-Opfer reisten zum<br />

Teil von weither an. Bereits zum zweiten Mal innerhalb<br />

weniger Jahre besuchte Daniel Grzymisch aus<br />

Kanada Bruchsal. Während er 2013 mit seiner Ehefrau<br />

Ana angereist war, wurde er 2017 von seinen<br />

beiden Söhnen Axel und Jonathan begleitet. Daniel<br />

Grzymisch ist der Großneffe des letzten Bruchsaler<br />

Rabbiners, Dr. Siegfried Grzymisch. Dass Daniel<br />

Grzymisch jetzt wieder in Bruchsal war, ist so überraschend<br />

nicht, betonte er doch bereits 2013: „Der heutige Tag bleibt mir sicher unter<br />

den wichtigsten Erinnerungen. Bruchsal hat ab heute einen besonderen Platz in meinem<br />

Leben.“ Für Dr. Siegfried Grzymisch, dessen Ehefrau Carola und die Mitbewohnerin<br />

Charlotte „Lina“ Mayer wurden <strong>Stolpersteine</strong> in der Huttenstraße 2 verlegt.<br />

„Ich schätze sehr, was die Bruchsaler für uns taten. Es war tatsächlich sehr berührend<br />

und interessant, da wir nicht viel über das Schicksal unserer in Deutschland verbliebenen<br />

Familie wussten. Ich bin froh, durch diese Bemühungen etwas mehr über die Geschichte<br />

meiner Familie zu erfahren und dass viele von denen, die in der Vergangenheit leiden<br />

mussten, nun wieder gewertschätzt werden.“<br />

Axel Grzymisch, Kanada<br />

Eine längere Anreise hatte auch die große Reisegruppe<br />

der Angehörigen der Familie Weil/<br />

Löb. Die in Bruchsal geborene Edith Löb,<br />

Jahrgang 1927, konnte aus gesundheitlichen<br />

Gründen nicht in ihre Geburtsstadt kommen,<br />

ansonsten war fast die ganze Familie aus den<br />

Von links: Julie Leuchter Thum mit Ehemann, Amanda<br />

Thum, Debbie Leuchter Stueber mit Ehemann, Kurt Leuchter<br />

und Nathan Yellon. Foto: Martin Stock.<br />

46<br />

Von links: Daniel, Jonathan und Axel<br />

Grzymisch. Foto: F. Jung.<br />

USA angereist. Ediths Ehemann Kurt Leuchter aus Florida<br />

wurde begleitet von den beiden Töchtern Debbie<br />

(Pennsylvania) und Julie (Brooklyn) sowie deren Ehemännern<br />

und den beiden erwachsenen Enkelkindern,<br />

Amanda Thum und Nathan Yellon. Der Stolperstein für<br />

Ediths Großmutter Mathilde Weil wurde vor der Huttenstraße<br />

26 verlegt. Vor der Friedrichstraße 53 liegen nun<br />

<strong>Stolpersteine</strong> für Ediths Eltern, Max und Julie Löb, ihren<br />

Bruder Heinz und für Edith selbst, ist doch auch sie ein<br />

Opfer des Holocaust. Sie wurde nach Gurs deportiert,<br />

konnte aber in Waisenhäusern überleben. Dort lernte sie<br />

auch ihren späteren Ehemann Kurt kennen, den sie 1949<br />

durch einen Zufall in einem New Yorker Museum wieder<br />

traf. Kurz danach heirateten die beiden.<br />

„Ich will mich noch einmal bei Ihnen bedanken für alles, was sie für uns getan haben.<br />

Ich bin sehr froh, Sie kennen gelernt zu haben. Es war eine sehr lange Fahrt für mich, besonders<br />

nach Hause! Bin um 5:30 in der Früh‘ in Frankfurt am Flughafen gewesen und<br />

der Flug war um 8:00. Bis ich nach Hause kam war es nach Mitternacht bei uns. Mit 88<br />

Jahren ist es sehr schwer so eine Reise zu machen. Aber ich war doch sehr froh, dass wir<br />

alle bei euch waren.“<br />

Kurt Leuchter, Florida, USA<br />

„Nach Deutschland zurückzukehren hieß, zu den Wurzeln zurückzukehren. Seit ich<br />

wieder zu Hause bin, hörte ich viele Juden sagen, dies sei ein „Wurzelzug“ gewesen. Für<br />

mich war es tatsächlich jedoch eine Möglichkeit, das Trauma der Ahnen im wörtlichen<br />

wie im übertragenen Sinne zu wiederholen und den Prozess des Erinnerns fortzusetzen.<br />

Rückkehren heißt erinnern. Es endete nicht dort; es geht weiter, genau hier.“<br />

Amanda Thum, Hawaii, USA<br />

Friedrich Molitor, für den ein Stolperstein<br />

in der Durlacher Straße 71 verlegt<br />

wurde, hatte die richtige Religionszugehörigkeit,<br />

wurde er doch 1907 in der Bruchsaler<br />

Pauluskirche katholisch getauft.<br />

Sein Makel war, körperlich und geistig<br />

behindert zu sein. So wurde ihm im Rahmen<br />

der „Aktion T4“ „der Gnadentod<br />

gewährt“. Die Nationalsozialisten fühlten<br />

sich besonders dann stark, wenn sie gegen<br />

wehrlose Menschen vorgingen. Friedrich<br />

Molitors Neffe lebt heute noch mit seiner<br />

Familie in Bruchsal, sie begleiteten die<br />

Recherchen über Friedrich dankbar.<br />

V. li.: Christa Molitor, Cornelia Petzold-Schick, Bernd<br />

Molitor, Jonathan Brütsch u. Rolf Molitor. F.: F. Jung.<br />

47<br />

Edith Leuchters ehem. Klassenkameradin<br />

Maria Thome und Ehemann<br />

im Gespräch mit Kurt Leuchter (re.).

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!