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Stolpersteine_2018_komplett

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einen Transportkanal über ihren Bruder Moritz Ledermann, wohnhaft in Frankfurt, gefunden,<br />

die Wertsachen illegal nach Holland zur Tochter Lucie zu bringen. Da sich der Schwiegersohn<br />

aber weigerte, einen illegalen Weg zu beschreiten, weil er Schwierigkeiten mit den<br />

holländischen Zollbehörden fürchtete, wurde aus dem Plan nichts. Es war eine goldene Herrenuhr,<br />

eine goldene Damenuhr, mehrere Ringe und Ketten sowie Tafelsilber.<br />

Am 22.10.1940 wurden Ida und ihr Mann nach Gurs deportiert. Die Einrichtungsgegenstände<br />

der Familie Geismar – und vieler anderer – wurden kurz nach der Deportation in den<br />

Saal des Gasthauses „Zum Löwen“ in der Durlacher Straße gebracht und dort von Beamten<br />

der Gerichtsvollzieherei Bruchsal im Auftrag der Oberfinanzdirektion versteigert. Geismars<br />

Einrichtung brachte 1082,05 Reichsmark Erlös.<br />

Ida kam wohl am 26.1.1942 von Gurs nach Recebedou zusammen mit ihrem Mann, der<br />

drei Wochen später im dortigen Krankenhaus verstarb. Sie war dann vom 25.3.1943 bis zum<br />

22.11.1945 im Camp de Masseube. Die Alliierten befreiten das Lager bereits am 25.8.1944<br />

von den Nazis, Ida lebte aber scheinbar weiterhin dort. Sie kam dann Ende 1945 nach Lacaune<br />

bei Toulouse ins Hotel „Fusies“, das von einer jüdischen Hilfsorganisation zur Beherbergung<br />

überlebender Juden als Erholungsheim gemietet worden war. Es waren Briefe<br />

an ihre Kinder erhalten, die von Ida Geismar am 28.6.1945 und am 13.7.1945 in Masseube<br />

noch selbst geschrieben wurden. Ein Brief vom November 1945 aus Lacaune wurde diktiert,<br />

da Idas Krankheit es ihr nicht mehr erlaubte, selbst zu schreiben. Sohn Otto berichtete 1957,<br />

dass er keine Gelegenheit mehr hatte, seine Mutter nochmals wiederzusehen.<br />

Opfer befreundet war, bezeichnete die Tat im Prozess<br />

als Scherz, der Staatsanwalt als Gemeinheit, die<br />

Bruchsaler Zeitung als „riesige Dummheit“. Die Haft<br />

endete also Anfang Oktober, was passen würde zur<br />

Auswanderung Otto Geismars im Oktober 1933.<br />

Einiges dabei bleibt völlig rätselhaft und widersprüchlich:<br />

Der in den Wiedergutmachungsakten erhaltene<br />

polizeiliche Strafregisterauszug des Otto Siegfried<br />

Geismar von 1958 nennt KEINE Vorstrafen. Außerdem<br />

liegt ein Schreiben des damaligen Oberbürgermeisters<br />

Bläsi von 1949 vor, das bestätigt, dass Otto<br />

Geismar in Bruchsal einen untadeligen Ruf hatte: „Es<br />

ist der Stadtverwaltung nicht bekannt, dass Herr Otto<br />

Geismar jemals in polizeilicher Hinsicht in Erscheinung<br />

getreten ist. Nachteiliges ist über ihn nicht bekannt geworden.“<br />

Auch das hätte er nicht geschrieben, wenn<br />

Otto Geismar tatsächlich der Erpresser gewesen wäre.<br />

Fakt ist, dass das Badische Bezirksamt Bruchsal am<br />

5.10.1933 einen Pass für Otto Geismar ausstellte, dass<br />

Otto am 8.10.1933 ein Visum für Frankreich erhielt,<br />

Otto Geismar, 1933. Foto: GLA<br />

Karlsruhe 480 Nr. 13219.<br />

Selbst verfasster Lebenslauf von Otto<br />

Siegfried Geismar aus dem Jahr 1959.<br />

Foto: GLA Karlsruhe, 480 Nr. 30626/1.<br />

Biografie von Otto Geismar (1906- nach 1972)<br />

von Mubarak Naveed, Klasse 8t<br />

Otto Siegfried Geismar wurde als jüngster Sohn von Ludwig und Ida Geismar am 28. April<br />

1906 in Bruchsal geboren. Ab 1912 besuchte er die Grundschule und danach die Oberrealschule<br />

Bruchsal bis zum Einjährigen (von 1916 bis ca. 1920/21). Danach wurde Otto bis<br />

zum Jahr 1922 Lehrling bei der Malzfabrik „Hockenheimer & Hilb“ in Bruchsal. Nachdem<br />

Bruder Fritz 1920 nach Argentinien ausgewandert war, war vorgesehen, dass Otto<br />

das Geschäft des Vaters übernimmt. Daher arbeitete er von 1922 bis 1924 als Volontär bei<br />

der Eisen-Großhandlung „Fa. Gimbel und Neumond“ in Ludwigshafen. 1924 ist er ins väterliche<br />

Geschäft eingetreten und wurde dort mit allen wesentlichen Tätigkeiten vertraut<br />

gemacht: Einkauf, Verkauf, Buchhaltung, Reisen.<br />

Mehrere Artikel in der Bruchsaler Zeitung und im Führer berichten im Februar 1933 von<br />

einem Erpressungsversuch: Der jüdische Kaufmann Ernst Ludwig Münzesheimer erhielt<br />

am 7.2.1933 einen Erpresserbrief, nach dem er 300 Mark bei der Post hinterlegen solle,<br />

andernfalls drohe Mord. Der Brief war mit „Ein Nationalsozialist“ unterschrieben. Die<br />

Polizei ermittelte aber Otto Geismar als Täter, nachdem ein Bote das Geld bei der Post<br />

abgeholt hatte. Ein Schöffengericht in Karlsruhe verurteilte ihn zu 7 Monaten 15 Tagen<br />

Zuchthaus unter Anrechnung der 6 Wochen Untersuchungshaft. Geismar, der mit dem<br />

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