Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
einen Transportkanal über ihren Bruder Moritz Ledermann, wohnhaft in Frankfurt, gefunden,<br />
die Wertsachen illegal nach Holland zur Tochter Lucie zu bringen. Da sich der Schwiegersohn<br />
aber weigerte, einen illegalen Weg zu beschreiten, weil er Schwierigkeiten mit den<br />
holländischen Zollbehörden fürchtete, wurde aus dem Plan nichts. Es war eine goldene Herrenuhr,<br />
eine goldene Damenuhr, mehrere Ringe und Ketten sowie Tafelsilber.<br />
Am 22.10.1940 wurden Ida und ihr Mann nach Gurs deportiert. Die Einrichtungsgegenstände<br />
der Familie Geismar – und vieler anderer – wurden kurz nach der Deportation in den<br />
Saal des Gasthauses „Zum Löwen“ in der Durlacher Straße gebracht und dort von Beamten<br />
der Gerichtsvollzieherei Bruchsal im Auftrag der Oberfinanzdirektion versteigert. Geismars<br />
Einrichtung brachte 1082,05 Reichsmark Erlös.<br />
Ida kam wohl am 26.1.1942 von Gurs nach Recebedou zusammen mit ihrem Mann, der<br />
drei Wochen später im dortigen Krankenhaus verstarb. Sie war dann vom 25.3.1943 bis zum<br />
22.11.1945 im Camp de Masseube. Die Alliierten befreiten das Lager bereits am 25.8.1944<br />
von den Nazis, Ida lebte aber scheinbar weiterhin dort. Sie kam dann Ende 1945 nach Lacaune<br />
bei Toulouse ins Hotel „Fusies“, das von einer jüdischen Hilfsorganisation zur Beherbergung<br />
überlebender Juden als Erholungsheim gemietet worden war. Es waren Briefe<br />
an ihre Kinder erhalten, die von Ida Geismar am 28.6.1945 und am 13.7.1945 in Masseube<br />
noch selbst geschrieben wurden. Ein Brief vom November 1945 aus Lacaune wurde diktiert,<br />
da Idas Krankheit es ihr nicht mehr erlaubte, selbst zu schreiben. Sohn Otto berichtete 1957,<br />
dass er keine Gelegenheit mehr hatte, seine Mutter nochmals wiederzusehen.<br />
Opfer befreundet war, bezeichnete die Tat im Prozess<br />
als Scherz, der Staatsanwalt als Gemeinheit, die<br />
Bruchsaler Zeitung als „riesige Dummheit“. Die Haft<br />
endete also Anfang Oktober, was passen würde zur<br />
Auswanderung Otto Geismars im Oktober 1933.<br />
Einiges dabei bleibt völlig rätselhaft und widersprüchlich:<br />
Der in den Wiedergutmachungsakten erhaltene<br />
polizeiliche Strafregisterauszug des Otto Siegfried<br />
Geismar von 1958 nennt KEINE Vorstrafen. Außerdem<br />
liegt ein Schreiben des damaligen Oberbürgermeisters<br />
Bläsi von 1949 vor, das bestätigt, dass Otto<br />
Geismar in Bruchsal einen untadeligen Ruf hatte: „Es<br />
ist der Stadtverwaltung nicht bekannt, dass Herr Otto<br />
Geismar jemals in polizeilicher Hinsicht in Erscheinung<br />
getreten ist. Nachteiliges ist über ihn nicht bekannt geworden.“<br />
Auch das hätte er nicht geschrieben, wenn<br />
Otto Geismar tatsächlich der Erpresser gewesen wäre.<br />
Fakt ist, dass das Badische Bezirksamt Bruchsal am<br />
5.10.1933 einen Pass für Otto Geismar ausstellte, dass<br />
Otto am 8.10.1933 ein Visum für Frankreich erhielt,<br />
Otto Geismar, 1933. Foto: GLA<br />
Karlsruhe 480 Nr. 13219.<br />
Selbst verfasster Lebenslauf von Otto<br />
Siegfried Geismar aus dem Jahr 1959.<br />
Foto: GLA Karlsruhe, 480 Nr. 30626/1.<br />
Biografie von Otto Geismar (1906- nach 1972)<br />
von Mubarak Naveed, Klasse 8t<br />
Otto Siegfried Geismar wurde als jüngster Sohn von Ludwig und Ida Geismar am 28. April<br />
1906 in Bruchsal geboren. Ab 1912 besuchte er die Grundschule und danach die Oberrealschule<br />
Bruchsal bis zum Einjährigen (von 1916 bis ca. 1920/21). Danach wurde Otto bis<br />
zum Jahr 1922 Lehrling bei der Malzfabrik „Hockenheimer & Hilb“ in Bruchsal. Nachdem<br />
Bruder Fritz 1920 nach Argentinien ausgewandert war, war vorgesehen, dass Otto<br />
das Geschäft des Vaters übernimmt. Daher arbeitete er von 1922 bis 1924 als Volontär bei<br />
der Eisen-Großhandlung „Fa. Gimbel und Neumond“ in Ludwigshafen. 1924 ist er ins väterliche<br />
Geschäft eingetreten und wurde dort mit allen wesentlichen Tätigkeiten vertraut<br />
gemacht: Einkauf, Verkauf, Buchhaltung, Reisen.<br />
Mehrere Artikel in der Bruchsaler Zeitung und im Führer berichten im Februar 1933 von<br />
einem Erpressungsversuch: Der jüdische Kaufmann Ernst Ludwig Münzesheimer erhielt<br />
am 7.2.1933 einen Erpresserbrief, nach dem er 300 Mark bei der Post hinterlegen solle,<br />
andernfalls drohe Mord. Der Brief war mit „Ein Nationalsozialist“ unterschrieben. Die<br />
Polizei ermittelte aber Otto Geismar als Täter, nachdem ein Bote das Geld bei der Post<br />
abgeholt hatte. Ein Schöffengericht in Karlsruhe verurteilte ihn zu 7 Monaten 15 Tagen<br />
Zuchthaus unter Anrechnung der 6 Wochen Untersuchungshaft. Geismar, der mit dem<br />
6<br />
7