05.11.2018 Aufrufe

SHE works! - Das Wirtschafts- und Karrieremagazin für Frauen

Unsere Novemberausgabe dreht sich um das Thema Scheitern und darum, wie aus einem Scheitern etwas Neues und Gutes entstehen kann. Hinfallen ist gar nicht so schlimm.

Unsere Novemberausgabe dreht sich um das Thema Scheitern und darum, wie aus einem Scheitern etwas Neues und Gutes entstehen kann. Hinfallen ist gar nicht so schlimm.

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# <strong>Frauen</strong><br />

# Wirtschaft<br />

#<strong>Frauen</strong><br />

# Karriere<br />

#Wirtschaft<br />

November 2018<br />

#Karriere<br />

Ausgabe November 2018<br />

Warum scheitern<br />

gesellschaftsfähig<br />

werden muss<br />

GESCHEITERT? CHANCE!<br />

STARKE FRAUEN<br />

Anne Koark<br />

Annett Burmester<br />

Barbara Kunst<br />

Uta Melle<br />

KRISE<br />

Geld los, Job weg,<br />

Start-up läuft nicht.<br />

Was jetzt?<br />

UND<br />

Themen<br />

Bücher<br />

Veranstaltungen<br />

1


Inhalt<br />

Editorial<br />

Seite 4<br />

GESCHEITERT <strong>und</strong> trotzdem erfolgreich im Leben<br />

Seite 6<br />

Gescheiter(t) - Warum Niederlagen der Wegweiser zum Erfolg sein können<br />

Antje Heimsoeth resümiert<br />

Seite 14<br />

Der größte Relaunch meines Lebens<br />

Annett Burmester ist <strong>für</strong> fünf Jahre komplett ausgestiegen<br />

Seite 18<br />

Wenn Dich Deine Seele auffordert, Deinen Selbstwert zu erkennen<br />

Annett Burmester findet Enni<br />

Seite 22<br />

Mehr Scheitern geht nicht<br />

Uta Melle erzählt über das körperliche Scheitern<br />

Seite 30<br />

FINANZEN<br />

Denkt nach, wo<strong>für</strong> Ihr Euer Geld ausgebt!<br />

Carl Richards über Konsum <strong>und</strong> Geldanlagen<br />

Seite 36<br />

DIGITALISIERUNG<br />

Können Sie sich ein Leben ohne Smartphone noch vorstellen?<br />

Seite 42<br />

Impressum<br />

Herausgeber: <strong>SHE</strong> <strong>works</strong>!<br />

Schäufele & Brößling GbR<br />

Anschrift: Hagenweg 2a<br />

37081 Göttingen<br />

✆ 0175/5240053<br />

info@she-<strong>works</strong>.de<br />

Vertreten<br />

durch: Carolin Schäufele<br />

Katja Brößling<br />

V.i.S.d.P.<br />

Carolin Schäufele<br />

(gem. § 55 Abs. 2 RStV)<br />

Redaktion:<br />

Carolin Schäufele, Katja Brößling<br />

AutorInnen:<br />

Gabriele van den Berg, Antje Heimsoeth,<br />

Annett Burmester, Jürgen Jenauer,<br />

Dr. Cornelia Kunkat, Claire Gates, Annika<br />

Brünn, Barbara Kunst, Deborah Szepessy,<br />

Daniel Bosch<br />

Internet:<br />

www.she-<strong>works</strong>.de<br />

2


WORK-LIFE-BALANCE<br />

Angespannt statt abgeschaltet<br />

Seite 46<br />

RECHT<br />

Wenn Führungskräfte gehen - oder<br />

gehen müssen<br />

Seite 50<br />

Von 0 auf 100 - Älterwerden als<br />

Kulturschaffende<br />

Seite 57<br />

Absentismus: der lautlose Killer von<br />

Organisation<br />

Seite 63<br />

<strong>Frauen</strong> sind beim Crowdf<strong>und</strong>ing<br />

erfolgreicher<br />

Seite 67<br />

Wie wird (bleibt) man Optimist?<br />

Seite 70<br />

Gründerinnen im Porträt - CoWomen<br />

Berlin<br />

Seite 74<br />

Layout:<br />

Fotonachweis:<br />

Social Media:<br />

Katja Brößling, Gabriele van den Berg<br />

Titelbild: Tomaso Baldessarini<br />

http://www.baldessarinistudio.com<br />

repräsentiert durch Kelly Kellerhof<br />

Model: Anna von Rüden<br />

@divamodels.com; @modelwerk.de<br />

FotografInnen<br />

S.21,26,27 Annett Burmester<br />

S.30,33 Esther Haase @esteherhaase.com<br />

S.32 Jackie Hardt, Esther Haase<br />

S. 34 Jackie Hardt<br />

S.37,38 Carl Richards<br />

S. 58 Deutscher Kulturrat<br />

S. 66 Hogan<br />

S. 68 Eberhardt J. Schorr photosign.de<br />

S. 78-81 Tomaso Baldessarini<br />

Pixabay: 3,5,6,9,11,12,14,42,45,46/47,48,<br />

49,50/51,53,55,57,61,62,63,70,86<br />

Private Fotos::4,13,17,18,,19,22,23,25,36,40,<br />

43,56,68,73,74,75,77<br />

http://www.facebook.de/she<strong>works</strong>.de<br />

http://www.twitter.com/<strong>SHE</strong><strong>works</strong>DE<br />

ART <strong>works</strong>! Anna von Rüden<br />

fotografiert von Tomaso Baldessarini<br />

Seite 78<br />

Buchtipps & Events<br />

Seite 82<br />

Für die Vermittlung der<br />

Interviewpartner*innen & FotografInnen<br />

Anne Koark, Uta Melle,<br />

deren Bilder der Fotografinnen<br />

Esther Haase www.estherhaase.com<br />

Jackie Hardt www.jackiehardt.com<br />

Carl Richards, Annett Burmester,<br />

Ines Heydasch, Frank Bauer sowie<br />

des Covers von Anna von Rüden<br />

fotografiert von Tomaso Baldessarini<br />

danken wir<br />

Gabriele van den Berg<br />

connecting.smartminds@mail.de<br />

3


Editorial<br />

kennen Sie diese netten Postkarten<br />

„Hinfallen, aufstehen, Krönchen richten <strong>und</strong><br />

weitergehen“, diese liebevolle Weise, mit der<br />

einem nach einem unschönen Erlebnis<br />

wieder Mut gemacht werden soll?<br />

Und damit sind wir bei einem Thema, das<br />

gerade in Deutschland immer noch ein<br />

großes Tabu ist: hinfallen, scheitern, etwas<br />

nicht schaffen, erfolglos sein. Bei all diesen<br />

negativ goutierten Begriffen bekommt man<br />

doch gleich ein flaues Gefühl im Bauch. Aber:<br />

Nach dem deutschen Startup-Monitor<br />

scheitern 80% aller Gründerinnen <strong>und</strong><br />

Gründer in den ersten drei Jahren. Die<br />

Gründe sind ganz unterschiedlich, mal durch<br />

Fremd- <strong>und</strong> mal durch Eigenverschulden. Ist<br />

also nichts Verwerfliches dran, wenn es nicht<br />

funktionieren sollte. In den USA gehört<br />

Scheitern sogar mittlerweile zum guten Ton.<br />

Warum ist Scheitern dann bei uns immer noch<br />

so negativ angesehen? Warum können wir<br />

nicht einfach sagen, dass wir etwas falsch<br />

gemacht haben oder falsch angegangen sind,<br />

dass wir die falschen Entscheidungen getroffen<br />

haben, dass wir traurig sind, wütend, verletzt<br />

<strong>und</strong> auch mal verzweifelt? <strong>Das</strong>s wir nach einem<br />

Misserfolg heulend auf dem Sofa sitzen <strong>und</strong><br />

nicht wissen, wie es weitergehen soll?<br />

Wir haben bei <strong>SHE</strong> <strong>works</strong>! viel darüber<br />

nachgedacht <strong>und</strong> einen Weg gesucht, wie wir<br />

dieses so wichtige Thema angehen wollen. Wir<br />

haben mit vielen <strong>Frauen</strong> gesprochen, die genau<br />

diese Erfahrung gemacht haben. Und wir haben<br />

sie erzählen lassen. Anne Koark <strong>und</strong> Katharina<br />

Heuer haben ganz unterschiedliche<br />

Sichtweisen auf das Thema. Für Frau Heuer ist<br />

es kein Scheitern, sondern ein Karrierebruch.<br />

4


Frau Koark hingegen landete mit ihrem unglaublich erfolgreich gestarteten Unternehmen in der<br />

Insolvenz, Seite 6, <strong>und</strong> hat diesen Umstand zu ihrem neuen Projekt gemacht!<br />

Ines Heydasch, RA aus der renommierten Kanzlei Buse, Heberer, Fromm, beginnt in dieser Ausgabe<br />

mit unserer neuen Reihe „Recht“, wir haben sie interviewt zum Thema Kündigung von Führungskräften,<br />

Seite 51. Und wir konnten den international arbeitenden Finanzexperten Carl Richards <strong>für</strong> ein Gespräch<br />

gewinnen. Seine Besonderheit: Er zeichnet finanzielle Angelegenheiten. Und zwar so, dass es <strong>für</strong><br />

jeden nachvollziehbar ist! Seite 62.<br />

<strong>Das</strong> unglaublich ausdrucksstarke Gesicht auf unserem Cover von dem preisgekrönten Fotografen<br />

Tomaso Baldessarini ist das von Anna von Rüden, die mit 62 Jahren eine professionelle Karriere als<br />

Model startete. Mehr zu den beiden ab Seite 79.<br />

An dieser Stelle eine informative <strong>und</strong> spannende Lektüre!<br />

Herc Güße,<br />

Carolin Schäufele<br />

Katja Brößling<br />

5


6


Scheitern<br />

Scheitern<br />

muss<br />

gesellschafts-<br />

V<br />

fähig<br />

werden<br />

Von Carolin Schäufele<br />

7


Scheitern<br />

<strong>Das</strong> Unternehmen ist pleite, die Anstellung<br />

dahin, das Geld futsch. Und nun? Was<br />

mache ich jetzt?<br />

Wenn ein Projekt misslingt, die neue<br />

Anstellung sich <strong>für</strong> einen selbst nicht ganz so<br />

toll anfühlt <strong>und</strong> alle der Meinung sind, dass<br />

man nicht den Anforderungen entspricht,<br />

dann redet man davon, gescheitert zu sein.<br />

Scheitern – allein die Definition spricht<br />

Bände<br />

Bankrott machen, eine Abfuhr erhalten,<br />

keinen Erfolg haben, das Ziel nicht erreichen,<br />

stolpern, straucheln, versagen. Und grummelt<br />

es im Bauch? Macht die Beschreibung ein<br />

ungutes Gefühl?<br />

Muss es aber nicht! Allein 80 % aller<br />

deutschen Start-ups scheitern in den ersten<br />

drei Jahren. In den USA gehört Scheitern in<br />

der Start-up-Szene sogar zum guten Ton.<br />

Nur in Deutschland wird daraus eine<br />

unüberbrückbare Last, die jeder mit sich<br />

herumträgt.<br />

„<strong>Das</strong> ist nicht gut! Wer die Schuld an der<br />

Situation sucht, der hängt in der<br />

Vergangenheit fest <strong>und</strong> erreicht nichts“. Anne<br />

Koark muss es wissen. Mit ihrem 1999 sehr<br />

erfolgreich gestarteten Unternehmen musste<br />

sie zwei Jahre später Insolvenz anmelden.<br />

„Ich bin nächtelang durch die Wohnung<br />

gelaufen <strong>und</strong> habe mich gefragt: Wer ich bin,<br />

wenn ich Schulden habe.“ Ein Jahr lang hatte<br />

sie versucht, die Insolvenz abzuwenden,<br />

Mitarbeiter unterstützten sie mit Ideen <strong>und</strong><br />

Gehaltsverzicht. Lieferanten st<strong>und</strong>eten ihr die<br />

Zahlungen.<br />

„Da habe ich begonnen mich zu fragen, was sie<br />

mir nicht nehmen können. Und das waren<br />

meine Ehre, mein Fleiß <strong>und</strong> meine Arbeitskraft“,<br />

erinnert sich die gebürtige Britin <strong>und</strong> verweist<br />

hier auch noch einmal nachdrücklich auf ihren<br />

britischen Humor. Alles Dinge, die sie in ihrem<br />

ganz eigenen Werkzeugkasten dabeihat.<br />

Und was hat sie aus der Situation gemacht?<br />

Ein neues Projekt: „Innerhalb von dreieinhalb<br />

Wochen habe ich ein Buch über meine<br />

Situation geschrieben: Insolvent <strong>und</strong> trotzdem<br />

erfolgreich.“ Was dann passiert, war <strong>für</strong> sie in<br />

keiner Art <strong>und</strong> Weise vorhersehbar: Ihr Werk<br />

hielt sich sieben Monate in der Bestsellerliste,<br />

sie bekam 1.200 Dankesbriefe von Menschen,<br />

die sich <strong>für</strong> Koarks Outen bedankten <strong>und</strong> da<strong>für</strong>,<br />

dass sie begonnen hat, das Thema Scheitern<br />

oder Insolvenz gesellschaftsfähiger zu machen.<br />

„Ich habe mit Menschen gesprochen, die durch<br />

mein Buch neuen Mut gefasst haben, die sich<br />

vorher sogar mit dem Gedanken getragen<br />

haben, sich umzubringen.“ Sie wurde<br />

eingeladen, um über ihre Insolvenz zu<br />

sprechen, ihre Gedanken <strong>und</strong> ihren Weg:<br />

„Sogar die EU-Kommission hat mich gebeten,<br />

auf dieses wichtige Thema aufmerksam zu<br />

machen.“ Ein Jahr später saß sie mit der<br />

damaligen B<strong>und</strong>eswirtschaftsministerin Brigitte<br />

Zypries zusammen <strong>und</strong> sprach über das<br />

Problem, dass bei Selbstständigen sogar die<br />

Rente in die Insolvenzmasse einfließt. Zypries<br />

versprach eine Gesetzesänderung, die<br />

tatsächlich auch umgesetzt wurde.<br />

8


9


Scheitern<br />

Wir müssen dieses Tabu aufbrechen<br />

Ein Anliegen, dass auch Katharina Heuer bewegt.<br />

Sie kommt aus dem Personalbereich <strong>und</strong> arbeitete<br />

im Management unter anderem bei Daimler, der<br />

Deutschen Bahn <strong>und</strong> war zuletzt Vorsitzende der<br />

Geschäftsführung bei der Deutschen Gesellschaft<br />

<strong>für</strong> Personalführung e. V. (DGFP). Im Mai dieses<br />

Jahres schied sie auf eigenen Wunsch aus: „Ich<br />

hatte das Gefühl, dass ich ein neues Ziel brauche.<br />

Es zog mich also weniger weg, sondern vielmehr<br />

hin zu etwas Neuem – ohne zu wissen, was das<br />

Neue konkret sein wird. Also habe ich mich<br />

entschieden, meinen spannenden Job loszulassen.“<br />

Scheitern will Heuer das nicht nennen, sie<br />

bezeichnete es als bewusste Entscheidung zum<br />

Karrierebruch. „Wir meinen nach wie vor, dass<br />

Karrieren weiterhin nach altem Muster funktionieren<br />

werden: höher, schneller, weiter. Im Kontinuum von<br />

einem Job zum nächsten Job. Unsere Arbeitswelt<br />

wird volatiler, unsicherer, komplexer <strong>und</strong><br />

mehrdeutiger. In dieser VUCA-Welt werden Brüche<br />

<strong>und</strong> Neustarts zukünftig fester Bestandteil von<br />

Karrieren sein.“ In diesen schnelllebigen Zeiten<br />

brauche es Raum <strong>und</strong> Zeit zur Reflexion <strong>und</strong><br />

Besinnung. Die studierte Volkswirtin entschied, eine<br />

Auszeit einzulegen <strong>und</strong> mit einer persönlichen<br />

Learning Journey sich darüber Gedanken zu<br />

machen, wohin es sie hinzieht.<br />

Die Reaktionen von außen konnten nicht<br />

unterschiedlicher sein: Die einen könnten den<br />

Entschluss <strong>und</strong> den Zeitpunkt des Ausscheidens<br />

nicht nachvollziehen. Die Anderen meinten, die<br />

Entscheidung war überfällig. Viele bew<strong>und</strong>ern sie<br />

<strong>für</strong> ihren Mut <strong>und</strong> ihre Entschlossenheit.<br />

Eine emotionale Achterbahn, die sie anfangs<br />

durchlebt hat. Heute kann sie sich diesen Luxus des<br />

in sich Gehens <strong>und</strong> Nachdenkens guten Gewissens<br />

leisten: „Es ist eine gute Zeit der Reflexion, aber vor<br />

allem des Lernens <strong>und</strong> Wachsens. Sie ermöglicht<br />

mir neue Wege zu gehen. Ich erlebe es aber auch<br />

als Tabubruch.“<br />

Uns fehlt die Leichtigkeit<br />

Heuer setzt sich da<strong>für</strong> ein, dass mehr darüber<br />

gesprochen wird, dass man scheitern, dass man<br />

sich <strong>für</strong> neue Wege entscheiden <strong>und</strong> dass man<br />

seinen bisherigen Karrierepfad verlässt: „Die<br />

XY-Generationen leben es uns vor. Sie entscheiden<br />

sich viel häufiger <strong>und</strong> mit einer ausgesprochenen<br />

Leichtigkeit <strong>für</strong> neue Unternehmen, neue Jobs <strong>und</strong><br />

auch <strong>für</strong> berufliche Auszeiten. Auch hier können wir<br />

Alteingesessenen viel lernen., insbesondere den<br />

Mut, uns zu trauen <strong>und</strong> zu vertrauen.“ Wenn man<br />

nicht glücklich sei, dann müsse man etwas ändern,<br />

seine Gefühle zu- <strong>und</strong> loslassen <strong>und</strong><br />

Gesprächspartner suchen, die einen bei der<br />

Reflexion <strong>und</strong> beim Entscheidungsprozess<br />

begleiten.<br />

10


<strong>Das</strong> kostet Kraft <strong>und</strong> Mut<br />

Tut es! Denn die Deutschen scheuen das Risiko.<br />

Und je älter sie werden, desto weniger Verständnis<br />

haben sie <strong>für</strong> Erfolglosigkeit. Eine Studie der<br />

Universität Hohenheim hat sich mit der Kultur des<br />

Scheiterns befasst <strong>und</strong> über 2.000 Bürger im Alter<br />

zwischen 18 <strong>und</strong> 67 Jahren befragt. <strong>Das</strong> Ergebnis:<br />

Wir Deutschen scheuen das Risiko wie kaum ein<br />

anderer. 42 % der Befragten vertraten die Meinung,<br />

dass man ein Unternehmen nur gründen sollte,<br />

wenn kein Risiko zu scheitern besteht.<br />

Und auch wenn 80 % der Befragten denken, dass<br />

Scheitern etwas Positives nach sich ziehen kann,<br />

dabei sprechen sie jedoch nur von den<br />

Fehlschlägen der anderen, <strong>und</strong> nicht von den<br />

eigenen. <strong>Das</strong> macht zu viel Angst.<br />

Nur das angehen, was auch tatsächlich da ist<br />

Sich den eigenen Ängsten <strong>und</strong> Problemen stellen,<br />

war auch der Weg von Koark. „Ich habe<br />

angefangen mich nur noch mit den Problemen zu<br />

befassen, die auch tatsächlich da sind. Es hat<br />

keinen Sinn, sich vor etwas zu <strong>für</strong>chten, das noch<br />

nicht einmal eingetreten ist.“ Koark sieht es als ihr<br />

Geheimrezept, so an die Dinge heranzugehen.<br />

Und man muss die Situationen bewusst angehen,<br />

<strong>für</strong> sie ein ganz wichtiger Aspekt.<br />

Mit dem Anmelden der Insolvenz setzte sie sich<br />

hin <strong>und</strong> sortierte ihre Unterlagen. Ihr<br />

Insolvenzverwalter war bei einer solchen<br />

Vorarbeit sprachlos. Sie bat um die Erlaubnis, mit<br />

ihren Gläubigern selbst sprechen zu dürfen, <strong>und</strong><br />

bekam sie. Die Reaktionen der Unternehmen, mit<br />

denen sie zusammengearbeitet hatte, waren <strong>für</strong><br />

sie überwältigend. Alle bis auf einen hatten<br />

Verständnis <strong>und</strong> bedankten sich <strong>für</strong> die Offenheit<br />

<strong>und</strong> ihren Willen, das geschuldete Geld zu<br />

erarbeiten, um es zurückzuzahlen.<br />

11


Scheitern<br />

Weg von den holzschnittartigen Lebenswegen<br />

„Wir reden in Zeiten der digitalen <strong>und</strong> agilen<br />

Transformation viel über New Work <strong>und</strong> New<br />

Leadership. Karrieren sollen aber weiterhin nach<br />

altem Muster verlaufen. <strong>Das</strong> passt nicht. Wir<br />

brauchen auch New Career.“ Die Diskussion über<br />

neue <strong>und</strong> alternative Karrieremuster <strong>und</strong> -modelle<br />

fehlt Heuer in der Arbeitswelt von heute. Und das<br />

führt ihrer Meinung nach zu Unzufriedenheit,<br />

insbesondere bei den jüngeren Generationen. Bei<br />

den älteren Generationen wird das Ausscheiden aus<br />

einer Organisation ohne neuen Job gleichgesetzt<br />

mit „nicht geschafft haben, gescheitert sein“.<br />

Sicher sei ihr in dieser Zeit auch der Gedanke an<br />

Scheitern gekommen, den sie <strong>für</strong> sich jedoch auf die<br />

Seite schieben konnte. „Gescheitert bin ich nicht.<br />

Ich habe viel bewegen können. Fertig bin ich nicht<br />

geworden, kann man aber in diesen dynamischen<br />

Umbruchzeiten überhaupt jemals fertig werden.<br />

Es war einfach, <strong>für</strong> mich der richtige Zeitpunkt zu<br />

gehen. Beim Ausstieg geht es um Loslassen <strong>und</strong><br />

Zulassen. Ich dachte, dass mir das schwerfällt.<br />

Ich bin immer voller Energie mit Haut <strong>und</strong> Haaren<br />

bei der Sache. Aber es ging <strong>und</strong> tut vor allem<br />

unheimlich gut. Man wird frei <strong>für</strong> Neues.“<br />

Wir sind aufgelaufen – aber es geht trotzdem<br />

weiter<br />

Scheitern tut man auch in der Schifffahrt. Doch<br />

was unternimmt man, wenn das Schiff nicht mehr<br />

manövrierfähig ist? Man muss gegenkreuzen,<br />

das Schiff wieder ins Fahrwasser bringen. Und<br />

genauso wollen Heuer <strong>und</strong> Koark es verstanden<br />

wissen. „In jedem (gewollten oder ungewollten)<br />

Neuanfang liegen Chancen, die es zu erkennen<br />

<strong>und</strong> ergreifen gilt. Und die neuen Möglichkeiten<br />

erscheinen am Anfang kleiner als sie am Ende<br />

tatsächlich sind. Und das Gute ist: Man bleibt,<br />

wer man ist – auch wenn der Job nicht mehr da<br />

ist.“<br />

12


●<br />

●<br />

●<br />

●<br />

●<br />

Was kann ich tun?<br />

Seien Sie offen <strong>für</strong> Feedback zu Ihrem Job aus<br />

Ihrem direkten Job-Umfeld (Vorgesetzten <strong>und</strong><br />

Kollegen), aus der Familie <strong>und</strong> von Fre<strong>und</strong>en<br />

<strong>und</strong> Bekannten! Hören Sie auf Ihre Gefühle zu<br />

Ihrem Job <strong>und</strong> Ihrem Unternehmen!<br />

Nehmen sie sich Zeit zur Reflexion bzw. <strong>für</strong> eine<br />

(selbst)kritische Bestandsaufnahme zu Ihrer<br />

Situation im Job!<br />

Hinweis: Darüber reden hilft! Suchen Sie sich<br />

einen Gesprächspartner von außen, denn<br />

innerhalb der Familie besteht nicht der<br />

notwendige Abstand!<br />

Darauf sollten Sie sich einstellen: Es kann sehr<br />

emotional werden. Es geht um Sie <strong>und</strong> Ihre<br />

berufliche Zukunft!<br />

Lassen Sie sich in der Phase der Trennung <strong>und</strong><br />

des Abschieds (professionell) begleiten. Für<br />

diese Situation haben Sie in der Regel keine<br />

Erfahrungen. Und daher wird Unterstützung<br />

Ihnen bei dieser nicht ganz einfachen Phase<br />

(emotional) helfen!<br />

Anne Koark stammt aus dem Londoner Stadtbezirk<br />

Havering. Seit nun 35 Jahren lebt <strong>und</strong> arbeitet die<br />

studierte Germanistin in München. 1999 gründete sie<br />

mit einer Geschäftspartnerin ihr eigenes<br />

Unternehmen „Trust in Business“, das ausländischen<br />

Firmen bei ihren Geschäften in Deutschland<br />

unterstützte. 2001 wurde ihr Unternehmen als das<br />

beste Start-up b<strong>und</strong>esweit ausgezeichnet. 2003<br />

musste sie Insolvenz anmelden.<br />

Aus dieser Situation heraus gründete sie einen Verein<br />

„B.I.G. – Bleib im Geschäft e. V.“, um insolvente<br />

Unternehmer bei einer zweiten Chance zu<br />

unterstützen.<br />

Katharina Heuer, Diplom-Volkswirtin hatte seit<br />

über 30 Jahren verschiedene leitende Positionen im<br />

Personalmanagement inne, darunter bei Daimler.<br />

2002 wechselte sie, sie wurde Leiterin <strong>für</strong> Personal<strong>und</strong><br />

Bildungsstrategie bei der Deutschen Bahn. Von<br />

2005 bis 2010 war sie dort <strong>für</strong> Management- <strong>und</strong><br />

Mitarbeiterqualifizierung bei DB Mobility Logistics<br />

verantwortlich. Ende 2011 übernahm sie den<br />

Personalvorstand der DB Fernverkehr AG. Im<br />

Anschluss wechselte sie zur DGFP, wo sie fünf Jahre<br />

blieb.<br />

13


14<br />

Gescheiter(t)


Gescheiter(t)<br />

Warum Niederlagen Wegweiser<br />

Richtung Erfolg sind<br />

Von Antje Heimsoeth<br />

Was wäre der Literaturwelt entgangen, wenn<br />

Joanne K. Rowling das Manuskript von Harry Potter<br />

nach zwölf Absagen resigniert in die Schublade<br />

gelegt hätte statt es erneut bei einem Verlag<br />

einzureichen? Auch Filme wie „Schindlers Liste“,<br />

„E.T.“ oder „Jurassic Park“ hätten uns nie an den<br />

Kinosessel gefesselt, wenn Steven Spielberg seine<br />

Regie- <strong>und</strong> Produzentenkarriere trotz Absagen von<br />

Filmhochschulen nicht weiter hartnäckig verfolgt<br />

hätte. Ihren Misserfolg haben Rowling <strong>und</strong> Spielberg<br />

nicht als Beweis ihrer Unfähigkeit betrachtet,<br />

sondern als Ansporn, ihr Ziel noch hartnäckiger zu<br />

verfolgen. Denn Misserfolg ist seit jeher der Mentor<br />

des Erfolgs – auch wenn wir damit oft hadern <strong>und</strong><br />

uns lieber die Zunge abbeißen, als über<br />

gescheiterte Versuche zu sprechen.<br />

In einer in diesem Jahr veröffentlichten Studie der<br />

Leuphana Universität Lüneburg zur Bedeutung des<br />

Fehlermanagements mit Blick auf unternehmerische<br />

<strong>und</strong> individuelle Innovationskraft stellt der<br />

Psychologieprofessor Michael Frese fest, dass<br />

Scheitern hierzulande ein Skandal sei. Weder in<br />

Unternehmen noch im Privatleben würde in unserer<br />

leistungsorientierten Gesellschaft offen über<br />

Misserfolge gesprochen.<br />

Fehler <strong>und</strong> Niederlagen sind, so die landläufige<br />

Meinung, ein Makel. Welch Trugschluss! Auch wenn<br />

längst nicht jede Kulturform aus den USA Gr<strong>und</strong><br />

zum Jubeln bietet, so macht uns das Land der<br />

unbegrenzten Möglichkeiten mit dem herrschenden<br />

Mindset im Silicon Valley eines erfolgreich vor: Fail<br />

forward! Fehler sind hier nicht nur erlaubt, sondern<br />

vielmehr erwünscht. Um schnell zu erkennen,<br />

welchen Weg es weiterzuverfolgen <strong>und</strong> welchen es<br />

zu verlassen gilt. Fehler werden im Silicon Valley als<br />

Wegweiser <strong>und</strong> Lehrmeister begrüßt. Diese Haltung<br />

ist die Gr<strong>und</strong>lage <strong>für</strong> Weiterentwicklung – <strong>und</strong> <strong>für</strong><br />

spätere Erfolge.<br />

15


Gescheiter(t)<br />

Fehlerbereitschaft fördert den Fortschritt<br />

Der US-amerikanische Schriftsteller Truman Capote<br />

sagte einst:<br />

„Misserfolg ist die Würze, die dem Erfolg erst<br />

sein Aroma verleiht.“<br />

Nur, wer den steinigen Weg des vorherigen „Trial<br />

and Error“ gegangen ist, weiß die Süße des<br />

späteren Erfolgs zu schätzen. Denn der Misserfolg<br />

lehrt uns, wo es nachzubessern gilt <strong>und</strong> motiviert<br />

uns, zu beweisen, dass wir das Potenzial zum<br />

Erfolg haben. Doch um dorthin zu gelangen,<br />

brauchen wir die gr<strong>und</strong>sätzliche Bereitschaft, uns<br />

mit unseren Fehlern zu befassen – schonungslos,<br />

offen <strong>und</strong> sofort. Denn Aufschieben, Verdrängen<br />

oder gar Vertuschen lassen den Fehler nicht zum<br />

Helfer, sondern zum Bestatter jeder Innovation,<br />

jeder Veränderung oder Verbesserung werden.<br />

Diese Geisteshaltung hilft nicht nur <strong>für</strong>s persönliche<br />

Vorankommen, sondern auch in der<br />

Unternehmenskultur. Denn nur dort, wo Fehler als<br />

notwendige Begleiterscheinung des Fortschritts<br />

betrachtet werden, trauen sich Mitarbeiter, Fehler<br />

offen zuzugeben, riskante Ideen vorzuschlagen oder<br />

ungewöhnliche Wege zu gehen. Wo hingegen ein<br />

Klima der Angst, Absicherung <strong>und</strong> Resignation<br />

herrscht, blüht Innovation kaum auf. Im Gegenteil:<br />

Kontraproduktives Vermeidungsverhalten,<br />

mangelnde Chancenverwertung <strong>und</strong> Stillstand treibt<br />

fleißig Blüten. Höchste Zeit also, einen förderlichen<br />

Umgang mit dem Scheitern zu lernen!<br />

Akzeptieren, analysieren <strong>und</strong> abhaken statt<br />

verdrängen, vertuschen <strong>und</strong> verlagern<br />

Haben Sie den Mut, sich mit Ihren Fehlern<br />

auseinanderzusetzen. Andernfalls leisten Sie der<br />

Selbstsabotage Vorschub. Denn Fehler nagen an<br />

unserem Selbstwertgefühl. Sie schmälern unser<br />

Selbstvertrauen. Aus dem Gefühl des Versagens<br />

resultieren Unbehagen, Angst <strong>und</strong> Stress. <strong>Das</strong> kann<br />

zu einer Blockade führen, die uns daran hindert,<br />

beim nächsten Mal unser volles Potenzial<br />

abzurufen. <strong>Das</strong> Ergebnis sind erneut schlechte<br />

Leistungen, die unser Selbstvertrauen weiter<br />

schrumpfen lassen. Eine wenig förderliche<br />

Abwärtsspirale, die die Aussicht auf Erfolg in weite<br />

Ferne rücken lässt. <strong>Das</strong> gilt auch <strong>für</strong> den Umgang<br />

mit Fehlern von Mitarbeitern. Die Art <strong>und</strong> Weise, wie<br />

Führungskräfte auf das Versagen von Mitarbeitern<br />

reagieren, ist der Schlüssel zu deren Motivation. Der<br />

US-Sportpsychologe Alan Goldberg rät,<br />

gescheiterte Aufgaben als Gelegenheit zu nutzen,<br />

um Mitarbeitern Feedback zu geben <strong>und</strong><br />

Verbesserungen anzuregen. Die Analyse, ob beim<br />

eigenen oder fremden Scheitern, ist hilfreicher als<br />

jede Schuldzuweisung oder Androhung von<br />

Konsequenzen. Und mit den Ergebnissen dieser<br />

Analyse geht es wieder ans Tagesgeschäft,<br />

vielleicht unter veränderten Vorzeichen, aber<br />

definitiv nicht mit anhaltenden Vorwürfen ob des<br />

Versagens.<br />

16


Scheitern ist keine Schande<br />

Wir müssen längst nicht alle Fehler selbst machen,<br />

um aus ihnen lernen zu können. Doch um aus den<br />

Fehlern anderer zu lernen, braucht es einen offenen<br />

Austausch darüber – im Fre<strong>und</strong>eskreis, im<br />

Unternehmen, beim Netzwerktreffen. Offenheit, über<br />

gescheiterte Vorhaben <strong>und</strong> fatale Fehler zu<br />

berichten, ebenso wie jene Offenheit, die Lehren<br />

des Gescheiterten zu nutzen, um selbst gescheiter<br />

daraus zu werden. Sogenannte Fuck-Up Nights sind<br />

auf dem Vormarsch, bei denen Unternehmer vor<br />

Publikum über ihr Scheitern, ihre<br />

Bewältigungsstrategien <strong>und</strong> Lehren sprechen. Gut<br />

so: Fuck the Fear, denn unser größter Fehler ist die<br />

Angst vor dem Fehler!<br />

Antje Heimsoeth ist eine der bekanntesten Mental<br />

Coaches im deutschsprachigen Raum.<br />

Sie ist „Deutschlands renommierteste<br />

Motivationstrainerin“ (FOCUS), „Vortragsrednerin<br />

des Jahres 2014“,<br />

„Top 100 Erfolgstrainer“<br />

(Magazin ERFOLG) <strong>und</strong> Expertin zu den Themen<br />

mentale <strong>und</strong> emotionale Stärke, Motivation <strong>und</strong><br />

Selbstführung. Ihr Know-how beruht auf<br />

Praxiserfahrungen, die durch wissenschaftliche<br />

Impulse stets untermauert werden.<br />

Mehr Infos unter www.antje-heimsoeth.com oder<br />

www.heimsoeth-academy.com<br />

17


18<br />

Der größte Relaunch meines Lebens


Annett Burmester<br />

Der größte Relaunch<br />

meines Lebens<br />

Vom Creative Director zum Soul Director ®<br />

Neulich schlenderte ich mal wieder durch die<br />

Gänge eines Supermarkts <strong>und</strong> blieb vor einem<br />

Regal stehen. Ein alter Fre<strong>und</strong> lächelte mich an.<br />

Wir kennen uns gut, noch von damals als ich<br />

Creative Director im Packaging Design war. Es<br />

ist ein Produkt, was ich mal designt habe. Solche<br />

Fre<strong>und</strong>e habe ich viele, wie Du Dir denken kannst,<br />

nach zwei Jahrzehnten in der Design- <strong>und</strong><br />

Kommunikationsbranche.<br />

Manchmal habe ich ihnen bei ihrem Relaunch<br />

einen neuen Look kreiert, um ihrem Markenkern,<br />

-wert <strong>und</strong> -botschaft dem Zeitgeist entsprechend zu<br />

präsentieren. Manchmal habe ich ihnen sogar bei<br />

ihrer Geburt geholfen, die Markenwelt zu erblicken<br />

<strong>und</strong> sich richtig zu positionieren.<br />

So wie sich das Leben ständig ändert <strong>und</strong><br />

weiterentwickelt, tun es auch die Marken <strong>und</strong><br />

ihre Produkte, wir mit unseren Bedürfnissen<br />

<strong>und</strong> Potenzialen in verschiedenen Lebensphasen.<br />

Um das zu verdeutlichen habe ich Dir eine<br />

Design-Entwicklung der Marke Guhl mitgebracht.<br />

Ich begleite Guhl schon viele Jahre <strong>und</strong> 2003<br />

dachte ich meinen ersten Guhl-Relaunch bei<br />

FutureBrand. Es war ein kleiner Relaunch, der<br />

tricky war.<br />

Projekt Guhl / Relauch . Kategorie Packaging Design<br />

K<strong>und</strong>e 2003 FutureBrand / 2007 Peter Schmidt Group<br />

19


Der größte Relaunch meines Lebens<br />

Wir hatten die Aufgabe, die hochwertigen<br />

Inhaltsstoffe <strong>und</strong> ihre Wirksamkeit emotional<br />

aufzuladen, ohne viel zu verändern.<br />

Ich designte die Duftperle <strong>und</strong> mein Design gewann.<br />

2007 folgte der zweite Relaunch bei Peter Schmidt<br />

Group <strong>und</strong> es wurde richtig spannend. Diesmal war<br />

ein großer Relaunch gewünscht. Wir bildeten ein<br />

Team aus Projekt Manager, Packaging-, Form<strong>und</strong><br />

Produkt Designer <strong>und</strong> Texter, um nur mal einige zu<br />

nennen, die an so einem Entwicklungsschritt<br />

beteiligt sind, bevor das Produkt ins Regal kommt.<br />

Guhl wurde als Experte natürlicher Inhaltstoffe <strong>und</strong><br />

Visionär individueller Haarbedürfnisse zum Guhl<br />

Gefühl. Eine völlig neue Ausrichtung, die von uns<br />

forderte der K<strong>und</strong>in in der Anwendung, Haptik, Optik<br />

<strong>und</strong> im Wording das erleben zu lassen ... <strong>und</strong><br />

wieder gewann mein Design. Toll!<br />

Erinnerungen an alte Zeiten werden gerade wach,<br />

denn es macht mich immer noch stolz auf so<br />

innovativen Marken gearbeitet zu haben.<br />

Was <strong>für</strong> eine Branche mit unglaublichen<br />

Talenten, viel Spaß, aber auch einer so extremen<br />

Härte zugleich. Voller Konträre, wo Du alles<br />

erreichen, aber auch verlieren kannst, wo Du<br />

vorher noch als Held gefeiert <strong>und</strong> hinten rum<br />

rausgemobbt wirst …alles schon erlebt, gerade,<br />

wenn man erfolgreich ist. Wie oft haben wir im<br />

Adrenalinrausch Nachtschichten geschoben, um<br />

dem Zeit- <strong>und</strong> Erfolgsdruck gerecht zu werden.<br />

Erschöpft, übermüdet <strong>und</strong> glücklich zugleich ging es<br />

dann zu den Präsentationen, wo entschieden<br />

wurde, ob man<br />

gewonnen oder verloren hat, ob Köpfe rollen oder<br />

nicht. <strong>Das</strong> Gefühl von Erfüllung hielt nur kurz an,<br />

keine Zeit, es ging gleich weiter. Niederlagen,<br />

Verzweiflung <strong>und</strong> Enttäuschungen, die steckte man<br />

weg, man war ja Profi <strong>und</strong> Gefühle zu zeigen, war<br />

nicht angesagt.<br />

Wer nicht mithalten konnte, der wurde ersetzt.<br />

So wurde die Branche Dein Leben – geschickter<br />

Schachzug. All das drum herum passte irgendwann<br />

nicht mehr<br />

zu mir <strong>und</strong> meinen Werten.<br />

2007 gönnte ich mir eine Auszeit <strong>und</strong> ging<br />

nach Kapstadt, Südafrika. Dort startete ich den<br />

größten <strong>und</strong> mutigsten Relaunch meines<br />

Lebens. Ich wollte wissen, was mich glücklich<br />

macht <strong>und</strong> was noch alles möglich ist <strong>für</strong> mich.<br />

Ich entdeckte, dass auch wir eine Marke sind mit<br />

unserer Einzigartigkeit. Wir haben sogar einen<br />

Markenkern mit unserer Seele, eine<br />

Markenbotschaft mit unserem Potenzial <strong>und</strong> ein<br />

Recht auf eine Positionierung im Leben, die uns<br />

ermöglicht befreit, selbstbestimmt, authentisch,<br />

erfüllt <strong>und</strong> glücklich zu leben.<br />

Ich wurde Soul Director ®. Seit dem gestalte <strong>und</strong><br />

führe ich im Einklang mit meiner Seele, das Leben,<br />

welches ich mir von Herzen wünsche <strong>und</strong> mir<br />

wahrhaftig entspricht. Passend dazu gründete ich<br />

den Soul Directors Club ®, um auch anderen<br />

<strong>Frauen</strong> diese Möglichkeit zu geben, sich das zu<br />

erfüllen. Heute wecke ich Potenziale, befreie von<br />

Limitierungen <strong>und</strong> fördere unsere Einzigartigkeit zu<br />

leben, um unsere wahre Größe zu zeigen mit<br />

eigenen Produkten.<br />

Was mich dieser Relaunch gelehrt hat?<br />

Wie wichtig es ist immer mal wieder bewusst zu<br />

schauen, ob es einem gut geht oder nicht, <strong>und</strong><br />

wenn nicht in die Veränderung zu gehen <strong>und</strong> sich<br />

selbst einen Relaunch zu gönnen. Je nachdem<br />

was Du Dir wünschst, kann es ein kleiner sein, wo<br />

Du Dich z.B. von Limitierungen befreist. Allein das<br />

wird schon einen großen Unterschied <strong>und</strong> Dich<br />

glücklich machen. Es kann ein großer<br />

R<strong>und</strong>um-Relaunch sein, wenn Dein jetziges Leben<br />

nicht mehr zu Dir passt <strong>und</strong> Du das Gefühl hast,<br />

da wartet noch so viel mehr auf Dich in Deinem<br />

Leben. Nur Mut! Du hast es verdient, es ist Dein<br />

Leben <strong>und</strong> Deine Lebenszeit. Überleg mal, was<br />

das <strong>für</strong> Dich <strong>und</strong> Dein Leben bedeuten würde, wie<br />

Du Dich fühlen wirst, wenn Du Dir das erlaubst<br />

<strong>und</strong> erfüllst.<br />

Was ich mir damit <strong>für</strong> ein Geschenk machte,<br />

dass erzähle ich Dir auf der nächsten Seite ...<br />

20


21


22


Selbstwert<br />

Annett Burmester<br />

Wenn Dich<br />

Deine Seele<br />

auffordert,<br />

Deinen<br />

Selbstwert<br />

zu erkennen<br />

Es ist mal wieder spät geworden. Abgekämpft, aber<br />

immer noch hellwach im Geiste <strong>und</strong> strotzend vor<br />

Energie komme ich nach Hause. Ich hatte einen langen<br />

stressvollen Tag <strong>und</strong> habe wieder viel bewegt <strong>für</strong> große<br />

Marken. Ich würde mich jetzt so gerne anlehnen, doch<br />

es ist keiner da, nur die Einsamkeit. Ich könnte stolz<br />

auf mich sein, komme aber gar nicht erst auf die Idee,<br />

ist es doch selbstverständlich, was ich da leiste ...<br />

Erkennst Du Dich wieder?<br />

23


Selbstwert<br />

Mir ging es viele Jahre so, bis das Jahr 2007<br />

kam. Erfolgreich als Creative Director in der<br />

Design- <strong>und</strong> Kommunikationsbranche fragte ich<br />

mich eines Nachts: „Annett, bist Du eigentlich<br />

glücklich?“ <strong>und</strong> die Antwort war: „Nein!“. Die<br />

kam ganz tief aus mir heraus <strong>und</strong> war so klar <strong>und</strong><br />

deutlich, dass selbst mein Verstand kaum wagte zu<br />

rebellieren. Da saß ich nun in meinem<br />

w<strong>und</strong>erschönen Loft als Perfektionistin,<br />

Kontrollfreak <strong>und</strong> Workaholic. All das, was ich mir<br />

jahrelang aufgebaut hatte, was ich dachte, dass es<br />

so sein muss <strong>und</strong> wo<strong>für</strong> ich so viel getan hatte,<br />

drohte wie ein Kartenhaus zusammen zu fallen.<br />

Damals wusste ich noch nicht, dass ich reif <strong>für</strong><br />

ein neues Level in meinem Leben war.<br />

Du kannst Dir vorstellen, dass die aufkommen<br />

Gedanken mich nicht mehr in Ruhe ließen. Immer<br />

wieder tauchte die Frage nach dem Sinn <strong>und</strong><br />

meinem WARUM ich auf dieser Welt bin auf. Dieses<br />

Gefühl, da wartet noch so viel mehr auf mich in<br />

meinem Leben wurde immer stärker. <strong>Das</strong> wollte ich<br />

klären <strong>und</strong> beschloss etwas <strong>für</strong> mich zu tun. Ich<br />

gönnte mir eine Auszeit <strong>und</strong> ging allein nach<br />

Kapstadt, Südafrika. Einfach mal raus aus der<br />

Mühle <strong>und</strong> weit weg aus meiner Komfortzone, an<br />

den <strong>für</strong> mich schönsten Ort auf dieser Welt. Eine der<br />

besten <strong>und</strong> mutigsten Entscheidungen meines<br />

Lebens <strong>und</strong> eins der größten Geschenke, die ich mir<br />

machen konnte. Ein Jahr wollte ich bleiben, fast fünf<br />

sind es geworden.<br />

Ob ich Angst hatte? Nee, irgendwie nicht. Mulmig<br />

war mir natürlich schon <strong>und</strong> so richtig bewusst,<br />

wurde mir das alles erst viel später. Auszusteigen,<br />

um seiner Intuition zu folgen, hat 2007 niemand<br />

verstanden. Man hörte auf seinen Verstand <strong>und</strong> ich<br />

bekam ganz schön Gegenwind. Warum ich mich<br />

trotzdem getraut habe, war dieses tiefe Wissen,<br />

dass ich es tun muss. Heute weiß ich, das gab mir<br />

meine Seele.<br />

Weißt Du, was mir eher Angst machte? Die viele<br />

Zeit, die ich auf einmal hatte, als ich zur Ruhe<br />

kam. Ehrlich gesagt, ich wusste gar nicht, wie ich<br />

damit umgehen sollte. So saß ich nun in Kapstadt<br />

ohne „richtige“ Aufgabe <strong>und</strong> fühlte mich auf einmal<br />

wertlos. Eine unbewusste innere Überzeugung<br />

„nur wer viel leistet, ist etwas wert“ kam hoch <strong>und</strong><br />

flog mir aber so was von um die Ohren. Ich<br />

bestrafte mich mit einem Glaubenssatz von<br />

dessen Existenz ich damals noch gar nichts<br />

wusste.<br />

Zum Glück hatte ich meine Mission „Glücklich<br />

werden“ in die ich mich stürzen konnte. Ich startete<br />

meinen Change For Happiness <strong>und</strong> richtete<br />

meinen Fokus dementsprechend aus. Und wie das<br />

so ist, zog ich nun die Dinge in mein Leben, die<br />

mir dabei halfen.<br />

Ich fing an mich mit dem Mindset zu beschäftigen.<br />

Ich war entsetzt <strong>und</strong> fasziniert zugleich, wie sehr<br />

doch unser Unterbewusstsein mit unseren<br />

Glaubenssätzen unser Leben lenkt, welche Kraft<br />

unsere Gedanken haben <strong>und</strong> wie gering unser<br />

Selbstwert eigentlich ist. All diese blöden<br />

gesellschaftsgeprägten Überzeugungen, die ich<br />

als Kind schon gehasst habe, genau die hatte ich<br />

unbewusst übernommen <strong>und</strong> lebte danach. Zum<br />

Glück konnte ich das jetzt ändern!<br />

In dieser Zeit entdeckte ich noch mehr, die<br />

Selbstliebe mit einer Übung, die entscheidend <strong>für</strong><br />

meinen Tourning-Point war. Ich sollte mich vor den<br />

Spiegel stellen, mir tief in die Augen schauen <strong>und</strong><br />

zu mir sagen: „Annett, ich liebe Dich.“ Och, dachte<br />

ich, das ist ja easy peasy, was soll das schon<br />

bringen <strong>und</strong> dann passiertes es. Ich weiß es noch<br />

wie heute, als ich das zu mir sagte, brach es<br />

förmlich aus mir heraus <strong>und</strong> Tränen liefen mir über<br />

mein Gesicht. Mir wurde bewusst, dass ich mich<br />

vergessen hatte auf meiner Karriereleiter, Erfolgs<strong>und</strong><br />

Überholspur ... das Wertvollste in meinem<br />

Leben.<br />

24


“<strong>Das</strong> Wertvollste in<br />

Deinem Leben<br />

bist Du.”<br />

2007 auf meinem Weg<br />

nach Kapstadt<br />

25


Selbstwert<br />

Überleg mal, ohne uns würde es unser Leben gar<br />

nicht geben. Wir sind VIPs. Und was machen wir?<br />

Wir sind unsere größten Kritiker <strong>und</strong> hauen<br />

gnadenlos auf uns rum, anstatt uns zu loben <strong>und</strong><br />

stolz auf uns zu sein. Es war wirklich erschreckend<br />

zu erkennen, wie hart ich all die Jahre mit mir<br />

umgegangen bin, wie viel Liebe ich in meine Arbeit<br />

<strong>und</strong> in meine Designs steckte, aber nicht in mich.<br />

Diese Erkenntnisse änderten alles, wie Du Dir<br />

denken kannst. Ich begann mir von nun an mehr<br />

Wertschätzung <strong>und</strong> Achtsamkeit zu schenken.<br />

Ich lernte mein inneres Kind kennen, mir zu<br />

vergeben <strong>und</strong> mich zu lieben. <strong>Das</strong> half mir mich<br />

von dem Druck „immer perfekt sein zu wollen“<br />

zu lösen.<br />

Fehler <strong>und</strong> Scheitern empfand ich nicht mehr als<br />

Weltuntergang, sondern als Herausforderung, um<br />

zu lernen, zu wachsen <strong>und</strong> zu reifen, ein neues<br />

Level im Leben zu erreichen. Ich stellte mein<br />

Mindset auf „pro Annett“ <strong>und</strong> befreite mich von<br />

diesen Erwartungen „wie man sein soll“ <strong>und</strong><br />

unnötigen Limitierungen. Ich erkannte meinen<br />

Selbstwert <strong>und</strong> dass ich keine<br />

Selbstverständlichkeit bin, sondern ein Geschenk.<br />

Ich stärkte mich von innen!<br />

Es war ein völlig neues Lebensgefühl, das noch so<br />

viel mehr bewirkte. Nach 20 Jahren Single-<strong>Das</strong>ein<br />

kam mein Traummann in mein Leben. Ich<br />

entwickelte <strong>und</strong> publizierte Meine<br />

Selbstliebe-Karten „Enni weiß, wie es geht“.<br />

26


Ich schloss sogar Fre<strong>und</strong>schaft mit der Spiritualität,<br />

weil sie mich von ihren Möglichkeiten überzeugte<br />

<strong>und</strong> unterstütze endlich ich sein zu dürfen. Durch sie<br />

lernte ich meine Seele kennen, die mir das Tor zu<br />

meinem vollen Potenzial öffnete. Ich erkannte mein<br />

WARUM ich auf dieser Welt bin, entdeckte meine<br />

Einzigartigkeit <strong>und</strong> ganz besondere Gabe. Ich war<br />

nun in der Lage mein Leben nach meinen<br />

Herzenswünschen zu gestalten <strong>und</strong> zu führen, denn<br />

unser Herz ist das Sprachrohr unserer Seele. Ich<br />

fand meine neue Lebensaufgabe <strong>und</strong> Berufung. Ich<br />

wurde vom Creative Director zum Soul Director ®.<br />

Anfang 2012 kam ich wieder zurück nach<br />

Hamburg <strong>und</strong> gründete Soul Directors Club ®.<br />

Seitdem helfe ich als Soul Coach & Channel<br />

anderen Power-<strong>Frauen</strong> in ihrem Leben<br />

anzukommen, um befreit, selbstbestimmt,<br />

authentisch, erfüllt <strong>und</strong> glücklich ihre<br />

Einzigartigkeit im Einklang mit ihrer Seele zu<br />

leben.<br />

Heute kann ich meiner Seele nur da<strong>für</strong> danken,<br />

mich herausgefordert zu haben,<br />

zu erkennen, wie wichtig <strong>und</strong> wertvoll ich<br />

bin <strong>und</strong> was alles in mir steckt.<br />

Gerade solche Erfahrungen, wo wir ins Stolpern<br />

geraten <strong>und</strong> scheitern gehören zu den wichtigsten<br />

unseres Lebens.<br />

27


Selbstwert<br />

Sie sind nichts anderes als der Aufruf, unseren<br />

Selbstwert zu erkennen, uns unserer einzigartigen<br />

Fähigkeiten <strong>und</strong> ungeahnten Möglichkeiten<br />

bewusst zu werden, um diese zu nutzen. <strong>Das</strong> hilft<br />

uns in unsere Kraft zu gehen <strong>und</strong> wahre Größe zu<br />

leben, unser WARUM wir auf dieser Welt sind. Ich<br />

weiß, nicht immer einfach <strong>und</strong> auch nicht immer<br />

gleich erkennbar.<br />

Herausgefordert werden wir immer wieder <strong>und</strong> die<br />

Meisterschaft im Aufstehen, die haben wir schon<br />

längst absolviert, damals als wir laufen lernten.<br />

Wichtig ist, dass wir nicht aufgeben, sondern uns<br />

ermöglichen an uns glauben, dass wir uns mit<br />

Menschen umgeben, die das auch tun <strong>und</strong> dass<br />

wir verstehen, dass unser Leben nicht gegen uns<br />

ist.<br />

Vergiss nie: <strong>Das</strong> Wertvollste in Deinem Leben<br />

bist Du. Du bist etwas ganz Besonderes, der<br />

VIP.<br />

Auf unsere Einzigartigkeit!<br />

Alles Liebe.<br />

Deine Annett Burmester<br />

1967 - Geburt: Hamburg<br />

1993 - Studium Armgartstraße: Dipl. Designerin<br />

1993 – 2000 Junior Art Director - Creative Director<br />

in der Design- <strong>und</strong> Kommunikationsbranche<br />

Seit 2000 Selbstständig: Creative Director im<br />

Corporate <strong>und</strong> Packaging Design<br />

2007 – 2012 Ausstieg: Kapstadt<br />

Seit 2012<br />

Selbstständig: Soul Director ®, Coach & Channel<br />

Gründerin: Soul Directors Club ®<br />

www.souldirectorsclub.de<br />

KUNDEN, AGENTUREN & BRANDS<br />

Peter Schmidt Group / Landor / The Brand Union / Interbrand<br />

Zintzmeyer & Lux / Scholz & Friends / Syndicate / Springer & Jacoby /<br />

TBWA / McCann Erickson / Ropelius / Futurebrand / For Sale Digital /<br />

D-Sign / König & Engländer / Economia / Delikatessen / Hajok<br />

Designpartners / Lothar Böhm / Grey Healthcare / Lucius Heise / Allegra<br />

Passugger Mineralquellen / Interbrand Sampson / Menori Design /<br />

Albertson Markenbande / Tom Tailor / Unilever / Werner & Mertz /<br />

Henkel / Philadelphia / Mirácoli / Milka / Mondamin / Kraft Foods /<br />

Kellogg’s / Homann Feinkost / Landliebe / Weihenstephan / Twix /<br />

Stimorol / Frosta / Schwartau / Corny / Schwartau Extra / Frurissima /<br />

Zentis / Hero / Bonduelle / Joey’s / Ferrero / Bahlsen / Hachez / Feodora<br />

/ Gubor / Danone / Volvic / Evian / Valser Mineralquellen Schweiz /<br />

Georgia / Eckes / DEK / Coop / Dr. Oetker Pizza / Berentzen / Allegra<br />

Passugger Mineralquellen / Melitta / DEK / Sidroga / Seagram / Eckes<br />

Edelkirsch / MonCherie / Hanseatische Brauerei Rostock / Berentzen /<br />

Tchibo / Veltins Brauerei / Wrighley’s / Balea / Reemtsma / Peter<br />

Stuyvesant / R1 / Davidoff / BAT / Dunhill / JT International / Camel /<br />

Unilever / Langnese-Iglo / Du Darfst / Dove / Bonaqua / Gehe<br />

Apotheken / Frosch / dm / Reckitt & Coleman / Procter & Gamble /<br />

Sagrotan / Always / Beiersdorf / Hansaplast-Elastoplast / Nivea / Tesa /<br />

Labello / Bogner / Juvena / Henkel / Persil / Schwarzkopf / Cosmopolitan<br />

Cosmetics / Babor Cosmetics / Closed / Tom Tailor / Sega / Remington /<br />

Bertelsmann / Gebr. Heinmann / Sennheiser / Siemens / Gigaset /<br />

Osram / Got2Be / Doc Morris / Chocolaterie Beluga / Lidl / Frosch /<br />

Sidroga / Voelkei / Weideglück / Meggle / Promo Doro / Stollwerck /<br />

Coca Cola / Exquisa / Du darfst / Hansano / Dr. Oetker / Arla / Mibelle<br />

Group Cosmetic / Schwarzkopf Professional / Wella / SP / L’Oreal /<br />

Wiberg / Juchheim / Guhl / ...<br />

AWARDS<br />

IF Product Design Award 2003 / IF<br />

Communication Design Award 2007 GOLD / Red<br />

dot design award 2007<br />

28


Gewinnspiel<br />

3<br />

Gewinne Selbstwert!<br />

Meine Selbstliebe-Karten „Enni weiß, wie es geht.“<br />

Du möchtest in Dein erfülltes <strong>und</strong><br />

glückliches Leben starten?<br />

Dann hast Du jetzt die Chance 1 von 3<br />

w<strong>und</strong>ervollen Selbstliebe-Karten-Sets<br />

„Enni weiß, wie es geht.“ zu gewinnen.<br />

Da<strong>für</strong> schreibe mir eine persönliche Mail<br />

<strong>und</strong> erzähle mir Dein WARUM.<br />

Teilnahmeschluss: 15.11.2018<br />

Ich freue mich darauf.<br />

Deine Annett Burmester<br />

coach@souldirectorsclub.com<br />

Teilnahmeberechtigt sind Personen ab 18 Jahre mit einem Wohnsitz in Deutschland.<br />

Der Gewinn kann nicht bar ausgezahlt oder durch ein anderes Produkte eingetauscht werden. Eine Mehrfachteilnahme ist nicht zulässig. Die Gewinner werden nach dem<br />

Zufallsprinzip ermittelt <strong>und</strong> per E-Mail benachrichtigt mit der Bitte uns die Versandadresse (innerhalb Deutschlands) zuzusenden. Ist es nicht möglich, den Gewinnern ihr<br />

Gewinn innerhalb von 14 Tagen zuzustellen, werden neue Gewinner gelost. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Alle Teilnehmer dieser Verlosung willigen ein, dass die<br />

personenbezogenen Daten (Name, E-Mail Adresse, Versandadresse) von uns zum Zwecke der Ziehung sowie Benachrichtigung der Gewinner verwendet werden <strong>und</strong> das<br />

die Teilnahme freiwillig ist. Auf Wunsch werden die Daten jederzeit gelöscht (DSGVO).<br />

29


Photo : Esther Haase // www.estherhaase.com<br />

30


Mehr Scheitern geht nicht<br />

Mehr Scheitern<br />

geht nicht<br />

Eigentlich verbindet man Scheitern mit negativen Entwicklungen, die man mehr oder<br />

minder beeinflussen kann, oder der Meinung ist, dass man sie hätte beeinflussen<br />

können. Was aber, wenn es gar keine Wahl gibt?<br />

Carolin Schäufele sprach mit Uta Melle<br />

31


„Ich war am Boden“. Uta Melle tastete am Esstisch<br />

beim Abendbrot einen Knoten in ihrer Brust. Ihre<br />

Mutter kämpfte zu diesem Zeitpunkt bereits seit 20<br />

Jahren mit dem Krebs. Einige Tage später starb<br />

sie. Uta Melle machte eine Biopsie, die negativ<br />

ausfiel. Diagnose: Brustkrebs. Sie ließ sich beide<br />

Brüste abnehmen <strong>und</strong> stand, schon mit den ersten<br />

Behandlungen der Chemotherapie, fünf Wochen<br />

später vor dem Badezimmerspiegel: „Beide Brüste<br />

weg, keine Haare mehr, meine Mutter gestorben –<br />

in dem Moment wachte ich auf <strong>und</strong> habe nur<br />

geschrien.“<br />

Schon mit 8 Jahren erhielt sie die erste<br />

ges<strong>und</strong>heitliche Hiobsbotschaft. Ihre Nieren<br />

waren kaputt. Mit 15 wurde ihr dann Epilepsie<br />

bescheinigt: viele Medikamente, kein Alkohol, kein<br />

Abi, kein Studium, keine Kinder.<br />

„Ich habe Abi gemacht, studiert <strong>und</strong> zwei Töchter<br />

bekommen“, Uta Melles Leben wurde bestimmt<br />

von Krankheiten <strong>und</strong> Medikamenten, die sie<br />

körperlich schwächten. „Ich wollte zum<br />

Lebensunterhalt meiner Familie beitragen, wollte<br />

Aufgaben übernehmen.“ Doch sie schaffte es<br />

nicht. Sogar das Ausräumen des Geschirrspülers<br />

war zu dieser Zeit <strong>für</strong> sie kaum zu bewältigen.<br />

Im April 2008 hatte sie begonnen, ihre Medikamente<br />

abzusetzen. Was darauf folgte war eine lange<br />

Psychose, da die Synapsen plötzlich frei waren <strong>und</strong><br />

Informationen ins Gehirn dringen konnten, die sie<br />

kaum verarbeitet bekam.<br />

Dieser Prozess dauerte fast ein Jahr.<br />

Und dann: „Es fühlte sich an, als ob alles frei war,<br />

sauber <strong>und</strong> klar.“ Zwei Wochen später fühlte sie den<br />

Knoten in der Brust.<br />

Wie geht man mit einer solchen Situation um? „Ich<br />

habe jeden Tag ein Bild von mir gemacht <strong>und</strong> bei<br />

Facebook eingestellt, das war im Gr<strong>und</strong>e eine Art<br />

Selbsttherapie <strong>für</strong> mich.<br />

Ich habe die Kamera als drittes Auge gesehen.“ Sie,<br />

die sich selbst als sehr körperlich beschreibt,<br />

entwickelt ein neues Lebensgefühl, eine neue<br />

Körperlichkeit, eine neue Sichtweise. <strong>Das</strong> Leben an<br />

sich steht <strong>für</strong> sie im Vordergr<strong>und</strong>, ein Aufgeben gibt es<br />

nicht. Ich brauche keine Brüste als Frau.“<br />

„Und das Leben ist auch das, was schön macht.<br />

Photo links<br />

Photo rechts<br />

: Jackie Hardt // www.jackiehardt.com<br />

: Esther Haase // www.estherhaase.com<br />

32


Mehr Scheitern geht nicht<br />

<strong>Das</strong> Buch, das daraus entstanden ist, ist eine<br />

Hommage an das Leben: „Amazonen“. Ein „jetzt<br />

erst recht“ an die Welt. Mit Wut <strong>und</strong> Verletzlichkeit<br />

trotzen diese <strong>Frauen</strong> der Krankheit <strong>und</strong> feiern das<br />

Leben. Aus dem Scheitern wird etwas Gutes,<br />

Lebensbejahendes. Jeder Satz Melles strahlt das<br />

aus.<br />

<strong>Das</strong> Projekt gab Uta Melle Kraft: „Und natürlich<br />

meine Familie, mein Mann Hendrick <strong>und</strong> meine<br />

beiden Töchter.“ Sie gaben ihr die Courage, den<br />

Schritt nach außen zu wagen <strong>und</strong> Themen wie<br />

Krankheit <strong>und</strong> Tod zu einem Gesprächsstoff zu<br />

machen. „Keiner will darüber sprechen, alle wollen<br />

immer nur über Schönheit reden.“<br />

Melle schrieb <strong>für</strong> den Stern.de, führte einen Blog,<br />

machte anderen Mut: „Es ist so wichtig über alles<br />

zu sprechen. Ich habe von durchaus prominenten<br />

<strong>Frauen</strong> gehört, die ihren Kindern nichts von ihrer<br />

Krankheit erzählt haben <strong>und</strong> nur darauf gewartet<br />

haben, dass ihr altes Leben wiederbeginnt.“<br />

Aber das tut es nicht. Die Krankheit stellt eine<br />

Zäsur dar, die ein Zurückkehren nicht möglich<br />

macht. Es kann nur einen Neuanfang geben.<br />

Einen Neuanfang aus der Krise. Und den ist sie<br />

mit aller Kraft gegangen.<br />

Photo: Esther Haase //<br />

www.estherhaase.com<br />

Wie aus einer Katastrophe ein<br />

Neuanfang werden kann<br />

<strong>Das</strong>s sie viele Menschen erreichte <strong>und</strong> berührte,<br />

zeigten die Reaktionen. „<strong>Frauen</strong> haben fast eine<br />

Art Sehnsucht danach, sich mit diesem Thema<br />

auseinanderzusetzen, wenn sie erkrankt sind.“ Die<br />

Fotos, die sie von sich nach der Chemo hat<br />

machen lassen, hatten im Internet eine<br />

unglaubliche Resonanz.<br />

Die gebürtige Plönerin trifft andere <strong>Frauen</strong> mit<br />

Brustkrebs, teilamputiert, nur operiert oder wie sie<br />

selbst komplett amputiert. Einige mit<br />

Brustaufbauten, andere nicht. „All diese <strong>Frauen</strong>,<br />

die das gleiche Schicksal haben <strong>und</strong> so stark<br />

damit umgehen.“ In ihr reift der Gedanke eines<br />

Projekts. Sie veranstaltet mit den Fotografinnen<br />

Esther Haase <strong>und</strong> Jackie Hardt ein Fotoshooting.<br />

19 an Brustkrebs erkrankte <strong>Frauen</strong> nehmen daran<br />

teil.<br />

33


Photo: Jackie Hardt // www.jackiehardt.com<br />

34


Mehr Scheitern geht nicht<br />

Ihr selbst habe sich immer wieder die<br />

Frage gestellt, warum gerade sie diese<br />

ganzen Krankheiten bekommt:<br />

„Mittlerweile denke ich, dass man nur<br />

das aufgebürdet bekommt, was man<br />

auch meistern kann.“<br />

Sie sieht in ihrem Leben das, was sich<br />

<strong>für</strong> sie <strong>und</strong> ihren Mann positiv verändert<br />

hat: „Wir haben Tiefe bekommen, sind<br />

empathischer geworden, mitfühlender.<br />

„Ohne den Krebs wäre mein Mann<br />

sonst vielleicht nur so ein blödes<br />

Werbearschloch geworden.“<br />

Für Uta Melle hat nach der Diagnose<br />

das neue Leben angefangen.<br />

Mit neuen Kräften, neuen Begierden <strong>und</strong><br />

neuen Schwächen. Und sie hat ein Ziel:<br />

so lange wie möglich da sein:<br />

„Ich möchte Enkelkinder haben.“<br />

Hendrick Melle hat seine Erfahrungen ebenfalls verarbeitet, in einem Buch über die familiäre<br />

<strong>und</strong> eheliche Situation:<br />

Die Amazone vom Kollwitzplatz – Von Ohnmacht <strong>und</strong> Mut.<br />

Eine wahre Liebesgeschichte<br />

„Kannst du bitte mal meine linke Brust anfassen?<br />

Ich stand vom Küchentisch auf. Uta hatte ihr Top hochgezogen.<br />

Ihre kleinen Brüste leuchteten weiß im hellen Licht. Ich legte meine rechte Hand<br />

auf ihre linke Brust <strong>und</strong> spürte es sofort; es war klein, hart <strong>und</strong> gehörte da nicht hin.<br />

Es fühlte sich böse an. Unsagbar böse.“<br />

F. Hendrick Melle erzählt mit Wucht vom Einbruch des Krebses in die Beziehung, in die<br />

Familie <strong>und</strong> in sein Leben als Mann - von Konfrontation <strong>und</strong> Hilflosigkeit, Wut, Bedrohung,<br />

Mut <strong>und</strong> Heilung.<br />

Ein Buch <strong>für</strong> alle die an die Liebe glauben <strong>und</strong> an ein Leben mit offenem Visier.<br />

35


Finanzen<br />

Denkt nach,<br />

wo<strong>für</strong> Ihr Euer Geld<br />

ausgebt!<br />

36


Carl Richards vermag es, komplexe Sachverhalte aus dem<br />

Finanzwesen auf faszinierende Weise zu vermitteln. Seine Short<br />

Stories illustriert er mit ausgeklügelten Visualisierungen von<br />

Finanzthemen - seinen Sketchnotes.<br />

Der Königsdisziplin, um Zusammenhänge aus den Punkt zu bringen.<br />

Dabei bezieht er Lebenswahrheiten ein, denen er eine geradzu<br />

<strong>und</strong> philosophie Konnotation zu verleihen versteht.<br />

Carl Richards im Interview mit Jürgen Jenauer<br />

37


Finanzen<br />

Herr Richards, Sie haben einen einzigartigen<br />

Weg gef<strong>und</strong>en, um komplexe Finanzthemen<br />

so umzusetzen, dass sie einfach zu verstehen<br />

sind, durch Sketchnotes.<br />

Welchen Vorteil haben Sketchnotes, um die<br />

komplizierte Welt von Geld <strong>und</strong> Business zu<br />

erklären?<br />

<strong>Das</strong> ist eine gute Frage, <strong>für</strong> mich ist es so, dass<br />

es mich zwingt, sich das Konzept eines Themas klar<br />

zu machen. Ich muss mir das Thema erklären,<br />

bevor ich anfangen kann zu zeichnen. Der<br />

Riesenvorteil ist, dass ein großer Anteil der<br />

Bevölkerung aus "visual learners" besteht, also aus<br />

Menschen, die lernen <strong>und</strong> begreifen, wenn sie<br />

etwas sehen. <strong>Das</strong> heißt, die meisten Menschen<br />

lernen, wenn sie etwas sehen <strong>und</strong> dadurch<br />

begreifen sie viel schneller, worum es geht.<br />

Was ist so speziell am "visual learning", warum<br />

erscheint diese Art einfach?<br />

Ich denke, es ist vielleicht am einfachsten das<br />

Thema anhand der Erfahrung, die wir alle haben, zu<br />

erklären. Du versuchst etwas zu verstehen, <strong>und</strong><br />

dann siehst du es grafisch <strong>und</strong> denkst, ah, jetzt ab<br />

ich es verstanden. Ich denke von einem guten<br />

Sketch - wenn ich es richtig mache, ist es sowohl<br />

ein Shortcut in ein bestimmtes Konzept als auch ein<br />

Souvenir der Lernerfahrung.<br />

Wenn wir über einen bestimmten Begriff reden <strong>und</strong><br />

du verstehst ihn nicht <strong>und</strong> jemand zeichnet es<br />

einfach <strong>für</strong> Dich, dann verstehst du es. Vor allem<br />

erinnerst du dich viel besser, wenn du die<br />

Kernaussage in diesem Logo oder dieser Zeichnung<br />

zusammenfasst. Wenn dich dann jemand nach<br />

langer Zeit fragt, was es damit auf sich hat, erinnerst<br />

du dich an dieses Logo <strong>und</strong> kannst es sehr einfach<br />

erklären.<br />

Ist diese Beschäftigung mit dem Thema Finanzen<br />

also auch die Art <strong>und</strong> Weise,<br />

wie man auf das Leben blicken sollte?<br />

Die Kombination aus Lebensphilosophie<br />

<strong>und</strong> vernünftigem Investment?<br />

Ja, Geld ist eigentlich so etwas wie ein Ansatzpunkt,<br />

um über das Leben zu reden. Wir sprechen viel über<br />

Ziele <strong>und</strong> Kreativität <strong>und</strong> all diese Dinge.<br />

<strong>Das</strong> kann sich schnell unerreichbar anfühlen, weil es<br />

alles sehr komplex ist. Ich versuche, den einfachsten<br />

Weg zur Kommunikation zu finden, sodass die Leute<br />

sagen, ah, jetzt habe ich es, das ist mein Ziel!<br />

Ist also so etwas wie eine Leidenschaft bei Ihnen,<br />

komplexe Dinge möglichst einfach zu gestalten?<br />

Es ist mehr so etwas wie eine Basis zu finden: mach<br />

es so einfach wie es geht, ohne es zu sehr zu<br />

vereinfachen. <strong>Das</strong> Ziel ist es, alle Nuancen eines<br />

Problems zu berücksichtigen, verwirrt zu sein,<br />

überwältigt zu sein <strong>und</strong> am Ende des Prozesses<br />

herauszukommen <strong>und</strong> zu sagen: <strong>Das</strong> ist es, was hier<br />

wirklich wichtig ist <strong>und</strong> es ist alles in diesem Bild, das<br />

so einfach wie möglich sein muss.<br />

38


In Ihrem Buch "The Behavior Gap" klingt es so,<br />

als würde die persönliche Finanzplanung so<br />

ziemlich das Gleiche bedeuten, wie die<br />

persönliche Lebensplanung - <strong>und</strong> vor allem<br />

hört sie nie auf. Ein Prozess, der immer<br />

weiter geht?<br />

Je schneller wir das begreifen <strong>und</strong> erfassen, desto<br />

besser: Finanzpläne, Businesspläne <strong>und</strong><br />

Lebenspläne sind absolut wertlos ohne einen<br />

kontinuierlichen, immer weiter entwickelten Plan.<br />

Es ist der Gedanke, wohin du in Zukunft gehen<br />

willst <strong>und</strong> dann machst du einen Schritt in diese<br />

Richtung <strong>und</strong> in dem Moment, indem du das tust,<br />

bekommst du neue Informationen, vielleicht nur<br />

weil du einen anderen Blickwinkel einnimmst.<br />

Was ist denn der größte Fehler, den wir in<br />

Finanzangelegenheiten machen?<br />

Der größte Fehler ist, dass wir nicht wirklich<br />

darüber nachdenken. So wie wir Geld ausgeben,<br />

wo wir investieren <strong>und</strong> wie wir r<strong>und</strong> ums Geld<br />

denken, ist oft reine Gewohnheit.<br />

Und viel geschieht aus einer Angst <strong>und</strong><br />

Unsicherheit heraus. Ich denke, wir müssen dahin<br />

kommen, uns zu fragen, warum ich mein Geld<br />

genau hier investiere? Warum kaufe ich das?<br />

Meiner Meinung nach sollten die Leute ruhig<br />

verschwenderisch Sachen kaufen, die sie auch<br />

wirklich wertschätzen. Und sie sollten gnadenlos<br />

aufhören Geld auszugeben <strong>für</strong> Dinge, die sie nicht<br />

wertschätzen <strong>und</strong> brauchen. Viele können nicht<br />

zwischen dem einen <strong>und</strong> dem anderen<br />

unterscheiden, weil sie sich nicht die Zeit nehmen,<br />

darüber nachzudenken.<br />

Sie haben über die "Investition in sich selbst"<br />

geschrieben, was soll das bedeuten?<br />

Oft suchen wir Dinge, die uns helfen, besser zu<br />

werden. Und mit besser werden meine ich nicht<br />

nur, mehr Geld machen, einen besseren Job<br />

machen, ich meine auch Dinge, die vielleicht<br />

wichtig sind, um körperlich fit zu werden. Ich nenne<br />

mal ein Beispiel, was mich betrifft.<br />

Es ist wichtig, wie ich mich körperlich fühle. Ich habe<br />

es immer nur als eine zusätzliche Ausgabe<br />

gesehen, wenn ich Geld da<strong>für</strong> ausgegeben habe, fit<br />

zu werden, Kurse, ein Trainer, die Gebühren im<br />

Fitnesscenter.<br />

Für mich waren das immer nur zusätzliche Kosten.<br />

Vor ein paar Jahren habe ich aber kapiert, dass das<br />

eine Investition ist. Dadurch, dass ich trainiere, fühle<br />

ich mich besser <strong>und</strong> bin leistungsfähiger. Ich arbeite<br />

besser <strong>und</strong> dadurch verdiene ich mehr Geld, es ist<br />

also eine Investition in sich selbst. Nicht nur, dass<br />

ich mich einfach gesünder fühle - <strong>und</strong> das allein<br />

würde die Investition schon auf jeden Fall<br />

rechtfertigen - ich bekomme dadurch auch die<br />

Investition mehr als heraus.<br />

Ich bin dadurch ein viel besserer Unternehmer,<br />

eine Investition, die sich bestimmt zehnmal<br />

ausgezahlt hat, vielleicht die beste Investition, die<br />

man machen kann. Ein anderes Beispiel- wenn du<br />

Geld ausgibst um besser in deinem speziellen<br />

Berufsfeld zu werden, dich besser zu qualifizieren,<br />

dann kriegst du unter Umständen danach auch ein<br />

höheres Gehalt. <strong>Das</strong> ist eine Investition in dich<br />

selbst.<br />

Ist es auch eine Investition, wenn es nur darum<br />

geht, persönlich glücklicher zu sein?<br />

Auf jeden Fall - das ist ein entscheidender Punkt,<br />

finde ich. Manchmal haben Investitionen nichts<br />

damit zu tun, mehr Geld zu machen. Ein neues Paar<br />

Schuhe, die Mitgliedschaft im lokalen<br />

Kunstmuseum. Es macht das Leben reicher. Statt<br />

nur die Kosten zu sehen, solltest du das als<br />

Investition zu tun, etwas was dich glücklicher macht.<br />

39


Finanzen<br />

40<br />

Aber dabei gibts ja auch ein Risiko- nach dem<br />

Motto: Gut ist nicht gut genug ... <strong>und</strong> es hört nie<br />

auf?<br />

Klar. Deswegen ist es auch so wichtig, achtsam zu<br />

handeln. Eine gesündere Beziehung zum Geld<br />

aufzubauen, ist ein andauernder Prozess. So ein<br />

bisschen wie mit Unkraut im Garten - du reißt es<br />

raus <strong>und</strong> am nächsten Tag siehst du irgendwo<br />

wieder Unkraut, das wächst. Ein Beispiel: Du triffst<br />

einen alten Fre<strong>und</strong>, den du lange nicht gesehen hast<br />

<strong>und</strong> gehst mit ihm ins Kino, sitzt in der Dunkelheit,<br />

guckst dir den Film an <strong>und</strong> fragst dich: Warum<br />

setzen wir uns nicht einfach bei mir zu Hause hin<br />

<strong>und</strong> unterhalten uns.<br />

Dabei gehts nicht nur um das Geld, das du <strong>für</strong>s Kino<br />

gespart hast, es hat einen weiteren Effekt, es macht<br />

dich vielleicht glücklicher. Es geht einfach nur darum,<br />

mehr darüber nachzudenken. Die Antwort kann<br />

durchaus so ausfallen, dass ich es schön finde, mit<br />

ihm ins Kino zu gehen. Gratulieren, dann hast du<br />

alles richtig gemacht, aber man sollte eben viel mehr<br />

überlegen, wo<strong>für</strong> man Geld ausgibt <strong>und</strong> was es<br />

einem wirklich bringt.<br />

Carl Richards ist<br />

Certified Financial Planner.<br />

Seit 2010 schreibt er<br />

regelmäßig Kolumnen<br />

<strong>für</strong> die New York Times<br />

<strong>und</strong> ist Autor der Bücher<br />

“The One-Page Financial Plan:<br />

A Simple Way to Be Smart About<br />

Your Money “<br />

The Behavior Gap: Simple Ways to<br />

Stop Doing Dumb Things with Money<br />

(Portfolio/Penguin)<br />

https://behaviorgap.com<br />

Seine Sketches sind<br />

ein gutes Investment!<br />

Store:<br />

https://behaviorgap.com/collections


Ein Ratschlag ist: "Make yourself so valuable<br />

they can't ignore you" - mach aus Dir etwas<br />

so Wertvolles, dass sie dich nicht ignorieren<br />

KÖNNEN....<br />

<strong>Das</strong> ist eigentlich ein Zitat von Cal Newport.<br />

(Professor der Computerwissenschaften an der<br />

Georgetown University <strong>und</strong> Autor von fünf<br />

"Self-Improvement" Büchern, u. a. zu "Deep<br />

Work" <strong>und</strong> Karriereplanung). Ich meine damit,<br />

dass in der Welt von Social Media, wo jeder um<br />

Aufmerksamkeit heischt <strong>und</strong> wo alle alles teilen<br />

<strong>und</strong> liken sollen, es viel wichtiger ist, was du tust.<br />

Meiner Meinung nach solltest du einfach nur gute<br />

Arbeit abliefern. Steck Deine Energie lieber in<br />

Deine Arbeit, um wirklich etwas Besonderes<br />

abzuliefern, sodass du es den Leuten leicht<br />

machst, das was du machst auch zu verbreiten.<br />

Sei so gut, dass sie dich nicht ignorieren können.<br />

Noch ein interessanter Gedanke: Wir sollten<br />

alle viel länger arbeiten, statt mit 60 oder 65<br />

Jahren in Rente zu gehen- Warum, <strong>und</strong> warum<br />

sollte man das wollen?<br />

Da gibt es eine ganze Anzahl an Gründen- das<br />

Konzept von Rente ist völlig veraltet. Weil es <strong>für</strong><br />

viele Leute einfach nicht funktioniert. <strong>Das</strong><br />

Konzept war: Du arbeitest bis 63 oder 65 <strong>und</strong> du<br />

stirbst mit 70/75. Aber jetzt leben die Leute, bis<br />

sie 85 oder 95 sind. <strong>Das</strong> ist eine Dekade mehr.<br />

Da sind die Leute, die sind glücklich <strong>und</strong> arbeiten,<br />

arbeiten, arbeiten <strong>und</strong> dann plötzlich haben sie<br />

keine Arbeit mehr.<br />

Du brauchst aber etwas zu tun, wenn du in Rente<br />

bist. Ich habe mit vielen Ärzten darüber gesprochen,<br />

die sagen, ok, wenn ich mit 65 nicht mehr fit genug<br />

bin, um am OP-Tisch zu stehen <strong>und</strong> als Chirurg zu<br />

arbeiten, dann würde ich gerne als Dozent arbeiten<br />

<strong>und</strong> anderen etwas beibringen. Ich persönlich liebe<br />

meine Arbeit, ich werde nie in Rente gehen - ich<br />

kann mir gar nicht vorstellen, wie das ohne Arbeit<br />

gehen sollte.<br />

Ein großes Thema ist "Work-Money-Life<br />

Balance". Denken wir zu viel über unsere<br />

Bankkonten nach?<br />

Ja. Wir denken viel zu sehr darüber nach, je<br />

schneller wir realisieren, das Glück nicht vom<br />

Kontostand abhängt, desto besser. Wenn es dich<br />

wahnsinnig macht, ob <strong>und</strong> wie viel Geld du auf dem<br />

Konto hast, dann wird mehr Geld auf deinem Konto<br />

das Problem nicht lösen. Ich kenne viele Leute mit<br />

so viel Geld, als sie jemals ausgeben können - <strong>und</strong><br />

das sind einige der unsichersten Menschen, die ich<br />

je getroffen habe. Und andere Menschen, die<br />

beinahe nichts haben, sind einige der Sichersten<br />

<strong>und</strong> Glücklichsten, die ich kenne. Sicherheit, Glückdas<br />

sind alles Dinge, die nicht zwangsläufig vom<br />

Geld abhängen. Und klar, ich rede natürlich nur von<br />

Menschen, die oberhalb einer gewissen Grenze<br />

liegen, die alles haben, was sie zum Leben<br />

brauchen, darunter ist es natürlich eine ganz andere<br />

Diskussion, "Basic Needs" müssen natürlich<br />

abgedeckt sein.<br />

Vielen Dank <strong>für</strong> das Gespräch!<br />

41


42


Digitalisierung<br />

Können Sie sich<br />

ein Leben<br />

ohne Smartphones<br />

noch vorstellen?<br />

Von Carolin Schäufele<br />

Claire Gates, britische Consumer<br />

Finance-Expertin mit mehr als 20 Jahren<br />

Erfahrung in der Entwicklung <strong>und</strong> Umsetzung von<br />

k<strong>und</strong>enorientierten Zahlungslösungen,<br />

ist CEO von Paysafe Pay LaterTM.<br />

Sie startete ihre Karriere im Bereich<br />

Chemie- <strong>und</strong> Prozesstechnik.<br />

Nach Abschluss ihres MBA an der Warwick<br />

Business School trat sie in die Roland Berger<br />

GmbH ein <strong>und</strong> setzte dann ihre Ausbildung an<br />

der London Business School fort, wo sie<br />

Corporate Finance studierte.<br />

Ihre weitere berufliche Erfahrung umfasst<br />

Funktionen als Leiterin des Merchant Processing<br />

bei Citigroup, Management- aufgaben bei GE<br />

Capital in der Region<br />

Central & Eastern Europe <strong>und</strong> bei<br />

Virgin Money mit Schwerpunkt Kanada.<br />

Außerdem arbeitete sie als Managing Director<br />

<strong>und</strong> Global COO beim Finanzdienstleister<br />

Borro.com sowie bei Mastercard <strong>und</strong> gründete<br />

ein Beratungsunternehmen <strong>für</strong> Startups in den<br />

Bereichen FinTec <strong>und</strong> Healthcare.<br />

43


Digitalisierung<br />

Frau Gates, waren Digitalisierung <strong>und</strong><br />

Finanzen schon immer Themen, die Sie<br />

interessiert haben?<br />

Können Sie sich mittlerweile ein Leben ohne<br />

Smartphone, WhatsApp oder Video on<br />

demand vorstellen? Ich nicht (lacht).<br />

Wahrscheinlich könnte man mich in die<br />

Kategorie „Digital-Junke“ einordnen. Fragen<br />

Sie mal meine Kinder... Sie erinnern mich<br />

täglich daran, wie wichtig digitale Geräte in<br />

jedem Alter sind. Dabei vergesse ich selbst<br />

manchmal, wie oft ich am Smartphone hänge.<br />

Viel zu oft nämlich.<br />

Wie sehen Sie das Thema Digitalisierung<br />

allgemein?<br />

Uns begegnet die Digitalisierung heutzutage<br />

überall im Alltag <strong>und</strong> ist nicht mehr<br />

wegzudenken. Egal ob beruflich oder privat.<br />

Dabei gibt es heutzutage wohl kaum noch<br />

moderne Jobs, wo Digitalisierung keine Rolle<br />

spielt. Im Privaten hingegen muss man<br />

vorsichtig sein, dass wir uns nicht zu viel mit<br />

digitalen Geräten <strong>und</strong> Inhalten beschäftigen,<br />

statt miteinander zu reden.<br />

Vor kurzem beschlagnahmte meine jüngste<br />

Tochter den ganzen Samstag lang mein<br />

Handy, um zu vermeiden, dass ich meine<br />

E-Mails checke. Bereits nach der ersten<br />

St<strong>und</strong>e fühlte es sich großartig an. Seitdem<br />

lege ich meine Arbeit regelmäßig <strong>für</strong> einige Zeit<br />

beiseite, um sicherzustellen, dass ich mich auf<br />

die Familie konzentrieren kann.<br />

Wer ist in diesem Bereich Ihr Vorbild?<br />

Ohne Zweifel, Baroness Shields. Sie ist 25<br />

Jahre im Bereich der Digitaltechnologie <strong>für</strong><br />

Google, Bebo <strong>und</strong> Facebook tätig <strong>und</strong> hat<br />

unsere Erfahrungen <strong>und</strong> Interaktionen mit der<br />

Technologie von heute direkt geprägt. Sie ist<br />

eine prominente Aktivistin <strong>für</strong> die Förderung<br />

von <strong>Frauen</strong> in technischen Berufen.<br />

Mit welchen digitalen Tools schaffen Sie<br />

es, Ihren Arbeitsalltag zu gestalten?<br />

Natürlich nutze ich verschiedene Apps <strong>und</strong><br />

verwende dabei Smartphone <strong>und</strong> Tablet, um<br />

meinen Arbeitsalltag einfach <strong>und</strong> schnell<br />

managen zu können. Wenn man in einem<br />

großen, internationalen Team arbeitet, ist<br />

Kommunikation das A <strong>und</strong> O. Digitale Tools<br />

ermöglichen es uns, in Echtzeit zu<br />

kommunizieren, Projekte zu managen <strong>und</strong> sich<br />

im Team abzustimmen. Können Sie sich noch<br />

vorstellen, wie das früher alleine mit<br />

Festnetztelefon <strong>und</strong> Faxgerät funktioniert hat?<br />

Ich nicht mehr.<br />

Besonders wichtig ist mir aber dabei natürlich<br />

meine Familie, die ich mit der Arbeit<br />

verknüpfe. Mit Handy <strong>und</strong> Tablet werden auch<br />

Geschäftsreisen getrennt von der Familie<br />

erträglich. So versuche ich eine Balance zu<br />

schaffen, um mir selbst treu zu bleiben, volle<br />

Leistung bei der Arbeit zu bringen <strong>und</strong> <strong>für</strong> meine<br />

Familie da zu sein. Am wichtigsten ist es zu<br />

genießen was man tut. Egal was man tut, das<br />

Gefühl zu haben, immer eine Sache wichtiger zu<br />

nehmen als die andere, bleibt bestehen.<br />

Die Digitalisierung hält in allen Bereichen<br />

Einzug, auch im Bezahlsystem. Was ist<br />

der Vorteil einer solchen Funktion?<br />

In Zeiten, in denen Menschen viel mehr online<br />

einkaufen, sind digitale Bezahlsysteme<br />

unverzichtbar geworden. Aber auch am Point of<br />

Sale gewinnt das kontaktlose Bezahlen - gerade in<br />

Märkten wie Großbritannien - immer mehr an<br />

Akzeptanz. Die Beziehung der Menschen zu<br />

Bargeld entwickelt sich weiter <strong>und</strong> die Verbraucher<br />

suchen nach den schnellsten, einfachsten <strong>und</strong><br />

sichersten Zahlungs- methoden. Auch<br />

Kartenzahlungen geraten in Zeiten, in denen<br />

Menschen möglichst kontaktlos, einfach <strong>und</strong><br />

schnell bezahlen wollen, immer mehr unter Druck.<br />

Innovatives Bezahlen ist mittlerweile ein wichtiges<br />

Marketinginstrument <strong>für</strong> jeden Händler - ob online<br />

oder stationär. Die Bezahlung ist ein wichtiger Teil<br />

der Customer Journey des Online-Käufers <strong>und</strong><br />

führt oft zu einem Kaufabbruch, wenn die Zahlart<br />

nicht einfach, bequem <strong>und</strong> sicher ist<br />

44<br />

Claire Gates ist CEO des FinTech Paysafe Pay Later


Wird diese Bezahlfunktion bereits<br />

ausreichend von den K<strong>und</strong>en akzeptiert?<br />

Die K<strong>und</strong>en sind generell offen gegenüber<br />

Neuerungen im Payment. Bezahlen ist allerdings<br />

sehr stark von Vertrauen geprägt <strong>und</strong> der K<strong>und</strong>e<br />

möchte sich sicher fühlen, wenn er<br />

beispielsweise sein Handy an einen Scanner hält.<br />

Es gilt, den Spagat zwischen Komfort <strong>und</strong><br />

Sicherheit zu finden.<br />

Auch länderspezifisch gibt es große<br />

Unterschiede. Laut einer aktuellen<br />

Paysafe-Studie gaben fast 50 Prozent der<br />

Befragten aus Deutschland an, sich mit<br />

Rechnungskauf am sichersten zu fühlen. <strong>Das</strong> ist<br />

auch der Gr<strong>und</strong>, warum man hierzulande viel<br />

häufiger auf Rechnungskauf zurückgreift als<br />

anderswo. Und deshalb bieten wir bei Paysafe<br />

Pay LaterTM maßgeschneiderte Lösungen, die<br />

den Rechnungskauf komfortabel <strong>und</strong> gleichzeitig<br />

sicher machen.<br />

Wie steht es um die viel zitierten<br />

Datensicherheit bei Online- Bezahlsystemen?<br />

Ich würde es mal so sagen: Es ist sicherer, online<br />

zu bezahlen, als ein Portemonnaie voll<br />

mit Bargeld bei sich zu tragen (lacht). Komfort<br />

darf auf keinen Fall zu Lasten der Sicherheit<br />

gehen, das ist auch bei uns höchste Priorität.<br />

Nicht umsonst nennen wir uns Paysafe Pay<br />

LaterTM.<br />

Vielen Dank <strong>für</strong> das Gespräch!<br />

45


46


Work-Life-Balance<br />

Angespannt<br />

statt<br />

abgeschaltet<br />

Wenn das Gedankenkarussell<br />

nach der Arbeit<br />

seine R<strong>und</strong>en dreht<br />

von Daniel Bosch<br />

Daniel Bosch rief 2015 zusammen mit<br />

Uwe Kampschulte, Thomas Kruse <strong>und</strong><br />

dem Dipl.-Psychologen Benjamin Uebel<br />

mentavio ins Leben.<br />

Ziel des Teams war eine innovative Plattform <strong>für</strong><br />

webbasierte psychologische Beratung aufzubauen,<br />

um die psychotherapeutische Versorgung zu<br />

verbessern.<br />

Seit Juli 2016 ist mentavio online. Ratsuchende<br />

finden hier schnelle Hilfe<br />

- auch zu Themen wie Karriereplanung,<br />

Stressmanagement oder Work-Life-Balance.<br />

47


Work-Life-Balance<br />

Feierabend bedeutet Freizeit <strong>und</strong> Entspannung –<br />

so sollte es im besten Falle sein. Doch viele<br />

Arbeitnehmer können ihre freie Zeit kaum<br />

genießen, wenn die Gedanken auch nach<br />

Dienstschluss nur um die Arbeit kreisen.<br />

Abschalten will gelernt sein. Unsere einfachen<br />

Tipps helfen Ihnen, besser zur Ruhe zu kommen.<br />

Der Ärger über den Chef, die anstrengende Kollegin,<br />

die Planung neuer Projekte, anstehende<br />

Präsentationen oder K<strong>und</strong>entermine sind zu Hause<br />

häufig nicht vergessen. R<strong>und</strong> 54 Prozent schaffen es<br />

hierzulande nicht, nach Feierabend abzuschalten<br />

(pronova BKK 2018). Gerade im Zeitalter der<br />

Digitalisierung <strong>und</strong> der damit verb<strong>und</strong>enen ständigen<br />

Erreichbarkeit scheint Entspannung immer<br />

schwieriger zu werden.<br />

24/7 erreichbar<br />

Die Grenzen zwischen Arbeit <strong>und</strong> Freizeit<br />

verschwimmen heutzutage zunehmend, denn viele<br />

Arbeitnehmer sind dank Smartphone, Tablet <strong>und</strong> Co.<br />

r<strong>und</strong> um die Uhr <strong>für</strong> Kollegen oder Vorgesetzte<br />

erreichbar.<br />

„Doch gerade <strong>für</strong> die eigene Leistungsfähigkeit<br />

ist aktive Entspannung nach der Arbeit enorm<br />

wichtig. Für den Körper bedeutet die ständige<br />

Anspannung eine hohe Belastung, was auf<br />

Dauer sowohl psychische als auch physische<br />

Konsequenzen mit sich bringen kann.“,<br />

weiß Daniel Bosch,<br />

Gründer von mentavio – Deutschlands größter<br />

Online-Plattform <strong>für</strong> psychologische Beratung. Ein<br />

anhaltend hohes Stresslevel kann Schlafstörungen,<br />

Kopfschmerzen, Migräne, Rückenbeschwerden <strong>und</strong><br />

im schlimmsten Falle einen Burnout zur Folge<br />

haben. Zudem erhöht sich das Herzinfarkt- <strong>und</strong><br />

Schlaganfallrisiko. Auch auf die sozialen<br />

Beziehungen wirkt sich arbeitsbedingter Stress<br />

negativ aus, wenn Arbeitnehmer auch zu Hause das<br />

Notebook nicht abschalten oder sich zurückziehen.<br />

Die Möglichkeit des Home-Office bedeutet <strong>für</strong><br />

viele eine erhöhte Flexibilität, doch auch bei<br />

diesem Modell sollten die Grenzen zwischen<br />

Freizeit <strong>und</strong> Arbeit klar gesteckt sein. Am Abend<br />

noch einmal kurz die E-Mails checken, eine<br />

Präsentation vorbereiten, auf der Fahrt zum<br />

Supermarkt ein Telefonat erledigen – klingt erst<br />

einmal praktisch <strong>und</strong> bietet viele Freiheiten.<br />

Problematisch wird es aber, wenn in der<br />

vermeintlichen Freizeit das Smartphone klingelt<br />

<strong>und</strong> die Gedanken über die Arbeit nicht simultan<br />

mit dem Laptop heruntergefahren werden.<br />

Belastender Perfektionismus<br />

Gr<strong>und</strong> <strong>für</strong> das Gedankenkarussell ist oftmals<br />

auch ein zu hoher Anspruch an die eigene<br />

Leistungsfähigkeit, den es von ges<strong>und</strong>em<br />

Perfektionismus zu unterscheiden gilt. Der<br />

Wunsch einem bestimmten Maßstab zu<br />

entsprechen, alles perfekt zu machen <strong>und</strong><br />

den Ansprüchen der Vorgesetzten zu genügen,<br />

lässt das Stresslevel steigen. Perfektionismus<br />

wird dann zur Belastung, wenn Entspannung<br />

zunehmend schwerfällt <strong>und</strong> mitunter<br />

Schuldgefühle auslöst.<br />

Ein Teufelskreis, denn wer effizient <strong>und</strong><br />

konzentriert arbeiten möchte, braucht<br />

regelmäßige Pausen <strong>und</strong> sollte auch die<br />

Gedanken zur Ruhe kommen lassen.<br />

Die beruhigende Nachricht: Abschalten können<br />

Sie mit Hilfe folgender Tipps lernen.<br />

48


Rituale zum Abschalten<br />

Ein wichtiger Schritt, um nach der Arbeit<br />

abschalten zu können ist es, auch tatsächlich<br />

Feierabend zu machen. Natürlich gibt es immer<br />

wieder Deadlines oder dringende Projekte.<br />

Überlegen Sie aber bei dem Gedanken an<br />

Überst<strong>und</strong>en, ob Sie wirklich noch leistungsfähig<br />

sind, oder Sie Aufgaben am nächsten Morgen<br />

produktiver erledigen. Merken Sie, dass die<br />

Konzentration nachlässt, ist es Zeit, den PC<br />

herunterzufahren. Zu Hause angekommen hilft<br />

es, die freie Zeit mit einem Ritual einzuläuten.<br />

Gehen Sie eine R<strong>und</strong>e spazieren, mit den<br />

Kindern auf den Spielplatz, oder lesen Sie eine<br />

halbe St<strong>und</strong>e. Für das Gehirn ist diese<br />

Regelmäßigkeit ein klares Zeichen, dass nun<br />

Entspannung angesagt ist.<br />

Smartphonefreie Zeiten<br />

Ein kurzer Anruf, ein Blick ins Postfach <strong>und</strong><br />

schnell sitzen Sie gedanklich wieder im Büro.<br />

Konsequenz ist hierbei das Zauberwort.<br />

Smartphonefreie Zeiten sind enorm wichtig, um<br />

in der Freizeit zur Ruhe zu kommen. Schalten<br />

Sie daher Ihr Handy nach Arbeitsende <strong>für</strong><br />

festgelegte Phasen ab <strong>und</strong> kommunizieren Sie<br />

dies auch Ihren Kollegen. Telefonate nach<br />

Feierabend sollten die Ausnahme bleiben. Daher<br />

empfiehlt es sich, ein privates <strong>und</strong> ein<br />

dienstliches Gerät zu nutzen.<br />

Miteinander Reden<br />

Einfach mal mit dem Partner, der Familie oder<br />

Fre<strong>und</strong>en über den Arbeitstag reden, hilft ebenso<br />

beim Abschalten. Tauschen Sie sich über Ihre<br />

Schwierigkeiten, Konflikte oder Erfahrungen aus.<br />

Oftmals erhält man in Gesprächen neue Impulse <strong>und</strong><br />

fühlt sich erleichtert, nachdem über Belastendes zu<br />

Wort kam. Natürlich muss das Hauptthema nicht nur<br />

die Arbeit sein. Mit der besten Fre<strong>und</strong>in über den<br />

neuen Kinofilm oder das anstehende Wochenende<br />

zu sprechen, wirkt ebenso stressmindernd. Häufig<br />

scheut man sich aber auch davor, sein Umfeld mit<br />

seinem Ärger zu belasten. So kann es in<br />

Konfliktsituationen dazu kommen, dass sich alleine<br />

keine Auswege mehr aus belastenden Situationen<br />

finden lassen. Hier kann professionelle Hilfe neue<br />

Impulse geben <strong>und</strong> mögliche Auswege zeigen. Beim<br />

Online Portal <strong>für</strong> psychologische Beratung<br />

www.mentavio.com beispielsweise, können<br />

Ratsuchende aus über 250 Psychologen,<br />

Psychotherapeuten, Heilpraktikern <strong>für</strong><br />

Psychotherapie <strong>und</strong> Coaches einen <strong>für</strong> sich<br />

passenden Berater auswählen <strong>und</strong> kontaktieren. Die<br />

Gespräche finden online per Webcam, Chat, Email<br />

oder per Telefon statt – auch spontan nach<br />

Büroschluss <strong>und</strong> ohne das Haus noch einmal<br />

verlassen zu müssen. Mit den Experten können<br />

dann u.a. gemeinsam Lösungen zur<br />

Stressbewältigung erarbeitet, Konflikte bei der Arbeit<br />

analysiert oder Entspannungstechniken eingeübt<br />

werden.<br />

Gute Nacht<br />

+<br />

Schlaf gut!<br />

49


50


Recht<br />

Wenn<br />

Führungskräfte<br />

gehen - oder<br />

gehen müssen<br />

Carolin Schäufele im Gespräch<br />

mit Rechtsanwältin Ines Heydasch<br />

LL.M. Buse Heberer Fromm<br />

51


Recht<br />

Frau Heydasch, Kündigungen auf<br />

Führungsebenen scheinen von außen<br />

betrachtet eher selten, stimmt das?<br />

In der Tat scheint es so. Zu berücksichtigen ist<br />

aber, dass die Anzahl der Führungskräfte in jedem<br />

Unternehmen sehr viel geringer ist, als die Anzahl<br />

der übrigen Beschäftigten <strong>und</strong> als Folge im<br />

Verhältnis auch die Anzahl der Kündigungen. Ein<br />

weiterer Punkt ist, dass bei Führungskräften häufig<br />

einvernehmliche Regelungen zur Beendigung des<br />

Arbeitsverhältnisses getroffen <strong>und</strong> solche<br />

Regelungen sehr vertrauensvoll gehandhabt<br />

werden.<br />

Was bedeutet der allgemeine<br />

Kündigungsschutz <strong>und</strong> gilt er auch <strong>für</strong><br />

Führungskräfte?<br />

Der im Kündigungsschutzgesetz (KSchG) geregelte<br />

allgemeine Kündigungsschutz ermöglicht die<br />

gerichtliche Überprüfung einer ordentlichen<br />

arbeitgeberseitigen Kündigung auf ihre soziale<br />

Rechtfertigung <strong>und</strong> gewährleistet unter bestimmten<br />

Voraussetzungen, einen Bestandsschutz <strong>für</strong> die<br />

dem Geltungsbereich des KSchG unterfallenden<br />

Arbeitsverhältnisse. Zweck des<br />

Kündigungsschutzes ist in erster Linie die Erhaltung<br />

des Arbeitsplatzes. Gemäß § 1 Abs. 2 KSchG ist<br />

eine ordentliche Kündigung des Arbeitgebers nur<br />

sozial gerechtfertigt <strong>und</strong> wirksam, wenn <strong>für</strong> die<br />

Kündigung betriebsbedingte, verhaltensbedingte<br />

oder personenbedingte Gründe vorliegen.<br />

Der persönliche Geltungsbereich des allgemeinen<br />

Kündigungsschutzes gilt <strong>für</strong> Arbeitnehmer<br />

unabhängig von der Dauer der regelmäßigen<br />

Arbeitszeit, auch <strong>für</strong> Führungskräfte <strong>und</strong> leitende<br />

Angestellte. Ausgenommen vom allgemeinen<br />

Kündigungsschutz sind beispielsweise gemäß § 14<br />

Abs. KSchG Mitglieder der Organe juristischer<br />

Personen (AG, KG, GmbH, etc.), die zur<br />

gesetzlichen Vertretung berufen sind.<br />

Voraussetzung <strong>für</strong> die Anwendbarkeit des<br />

Kündigungsschutzes nach dem KSchG ist, dass im<br />

Betrieb, in dem der Arbeitnehmer beschäftigt ist,<br />

regelmäßig mehr als zehn Vollzeitarbeitnehmer<br />

tätig sind (§ 23 Abs. 1 KSchG).<br />

Für langjährig Beschäftigte, deren Arbeitsverhältnis<br />

vor dem 01.01.2004 begonnen hat, gilt noch die<br />

alte Regelung, wonach der allgemeine<br />

Kündigungsschutz besteht, wenn in der Regel mehr<br />

als fünf Arbeitnehmer im Betrieb angestellt sind.<br />

Diese alte Regelung findet aber nur dann<br />

Anwendung, wenn die vor dem 01.01.2004<br />

beschäftigten mehr als fünf Arbeitnehmer bei<br />

Ausspruch einer arbeitgeberseitigen Kündigung<br />

auch noch im Betrieb beschäftigt sind.<br />

Auf die Arbeitsverhältnisse in sogenannten<br />

Kleinbetrieben, d. h. Betriebe, in denen zehn oder<br />

weniger Arbeitnehmer, nach der Altregelung fünf<br />

oder weniger, beschäftigt werden, ist der<br />

allgemeine Kündigungsschutz nicht anzuwenden.<br />

Zu beachten ist, dass der allgemeine<br />

Kündigungsschutz erst ab einer<br />

ununterbrochenen Beschäftigungszeit von über<br />

sechs Monaten in demselben Betrieb besteht.<br />

Diese sogenannte Wartezeit ist in § 1 Abs. 1<br />

KSchG geregelt. Danach muss das<br />

Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt des Zugangs der<br />

Kündigung mit demselben Betrieb oder<br />

Unternehmen länger als sechs Monate<br />

ununterbrochen bestanden haben. Für<br />

arbeitgeberseitige (ordentliche) Kündigungen<br />

während der sechsmonatigen Wartezeit gilt der<br />

Gr<strong>und</strong>satz der Kündigungsfreiheit mit der Folge,<br />

dass es zur Wirksamkeit einer derartigen<br />

Kündigung keines irgendwie gearteten –<br />

verständigen, sinnvollen oder sachlichen – Gr<strong>und</strong>es<br />

bedarf.<br />

Eine solche Kündigung kann aber aus allgemeinen<br />

Unwirksamkeits- oder Nichtigkeitsgründen oder<br />

auch aus Gründen des besonderen<br />

Kündigungsschutzes unwirksam sein. <strong>Das</strong> kann z.<br />

B. die Sittenwidrigkeit einer Kündigung im Sinne<br />

des § 138 BGB sowie der Verstoß einer Kündigung<br />

gegen Treu <strong>und</strong> Glauben § 242 BGB sein. <strong>Das</strong> ist<br />

der gesetzliche Sonderkündigungsschutz <strong>für</strong><br />

bestimmte Personengruppen, z.B. Schwangere,<br />

Schwerbehinderte, Betriebsratsmitglieder, etc..<br />

52


Zu beachten ist, dass bei Klagen gegen<br />

Kündigungen des Arbeitgebers auf jeden Fall die<br />

dreiwöchige Klagefrist des § 4 KSchG<br />

eingehalten werden muss, die ab Zugang einer<br />

arbeitgeberseitigen Kündigung zu laufen beginnt.<br />

Es handelt sich um eine Ausschlussfrist, bei<br />

deren Nichteinhaltung die Kündigung als sozial<br />

gerechtfertigt <strong>und</strong> wirksam gilt.<br />

Was sind die häufigsten arbeitgeberseitigen<br />

Kündigungsgründe?<br />

Der häufigste Gr<strong>und</strong> <strong>für</strong> eine arbeitgeberseitige<br />

ordentliche Kündigung dürfte wohl der<br />

betriebsbedingte Gr<strong>und</strong> sein.<br />

Eine betriebsbedingte Kündigung setzt voraus,<br />

dass der Beschäftigungsbedarf <strong>für</strong> den<br />

Arbeitnehmer in dem bisher wahrgenommenen<br />

Aufgabenbereich auf Dauer entfällt <strong>und</strong> der<br />

Arbeitnehmer nicht auf einem anderen freien<br />

Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden kann.<br />

So kann der Beschäftigungsbedarf des<br />

Arbeitnehmers beispielsweise durch Abbau <strong>und</strong><br />

Umwandlung des Arbeitsplatzes, durch<br />

Rationalisierungsmaßnahmen (innerbetrieb- liche<br />

Veränderungen im technischen oder<br />

organisatorischen Bereich), durch eine Vergabe<br />

von Arbeiten an Fremdfirmen, durch eine<br />

Betriebsstilllegung, etc. entfallen.<br />

Eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt in der<br />

Praxis bei Führungskräften auch der sogenannte<br />

„Nasenfaktor“, d. h. Kriterien bei der Beurteilung<br />

einer Person im beruflichen Umfeld, die sich aus<br />

seiner Persönlichkeit ergeben. Solche Kriterien<br />

bilden <strong>für</strong> sich genommen keinen<br />

Kündigungsgr<strong>und</strong>, führen in der Praxis aber<br />

häufiger zur einvernehmlichen Trennung.<br />

Müssen bei der Kündigung einer Führungskraft<br />

Gründe genannt werden?<br />

Nein, das Gesetz sieht die Angabe von<br />

Kündigungsgründen im Kündigungsschreiben nicht<br />

vor. Der Arbeitgeber ist also nicht verpflichtet, die<br />

Gründe <strong>für</strong> die ordentliche oder außerordentliche<br />

Kündigung in seinem Kündigungsschreiben<br />

mitzuteilen. Nach einer arbeitgeberseitigen<br />

Außerordentlichen kann der Arbeitnehmer den<br />

Arbeitgeber zwar auffordern, ihm umgehend die<br />

„wichtigen Gründe“ mitzuteilen (§ 626 Abs. 2 BGB).<br />

Wenn der Arbeitgeber dann die wichtigen<br />

Kündigungsgründe nicht mitteilt, macht er sich<br />

allenfalls schadensersatzpflichtig.<br />

53


Recht<br />

Aus der öffentlichen Wahrnehmung kennt man<br />

Entlassungen von Führungskräften mit hohen<br />

Abfindungssummen. Sind das tatsächlich<br />

Abfindungen <strong>und</strong> ist die Abfindungshöhe<br />

Verhandlungssache?<br />

Es sind natürlich Abfindungen <strong>für</strong> den Verlust des<br />

Arbeitsplatzes. Zu beachten ist aber, dass ein<br />

arbeitgeberseitig gekündigter Arbeitnehmer nur<br />

einen Anspruch auf Abfindung hat, wenn sie Teil<br />

eines Sozialplanes oder im Tarifvertrag verankert<br />

ist. Daneben kann sich ein Anspruch auf Zahlung<br />

einer Abfindung auch als Folge eines<br />

Auflösungsantrages im Rahmen eines<br />

Klageverfahrens ergeben.<br />

Ansonsten hat der gekündigte Arbeitnehmer<br />

keinen Anspruch auf Zahlung einer Abfindung.<br />

In der Praxis werden aber in den meisten Fällen<br />

arbeitgeberseitiger Kündigungen Abfindungen im<br />

Vergleichswege vereinbart. So erkauft sich der<br />

Arbeitgeber eine rechtssichere Beendigung des<br />

Arbeits- verhältnisses. Dabei ist die<br />

Abfindungszahlung Verhandlungssache.<br />

Die Höhe der Abfindung richtet sich normalerweise<br />

nach Alter, Dauer der Betriebszugehörigkeit <strong>und</strong><br />

der Höhe des Bruttomonatsgehalts. Als Faustregel<br />

gilt ein halbes Bruttomonatsgehalt pro Jahr der<br />

Betriebszugehörigkeit.<br />

Bei Führungskräften sind die Abfindungen schon<br />

deshalb höher, weil sie höhere Bezüge haben.<br />

Die Abfindungshöhe ist auch hier<br />

Verhandlungssache <strong>und</strong> hängt vom Einzelfall ab.<br />

Bei einer Führungskraft wird in der Praxis häufig ein<br />

Gehalt pro Beschäftigungsjahr gezahlt, teilweise<br />

auch mehr. Abzustellen ist immer auf den Einzelfall.<br />

Dabei ist die tatsächliche Sach- <strong>und</strong> Rechtslage<br />

von Bedeutung, insbesondere welche Aussichten<br />

die Führungskraft hat, eine Klage gegen die<br />

Kündigung zu gewinnen, je höher die<br />

Erfolgsaussichten sind, desto höher ist im Regelfall<br />

auch die Abfindung.<br />

Die fristlose Kündigung ist eine ziemlich<br />

drastische Maßnahme. Kann man sich denn gar<br />

nicht dagegen wehren?<br />

Natürlich ist eine fristlose Kündigung angreifbar.<br />

Der Arbeitnehmer kann die Rechts- unwirksamkeit<br />

einer außerordentlichen Kündigung durch eine<br />

Klage auf Feststellung geltend machen, dass das<br />

Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht<br />

aufgelöst worden ist. Zu beachten ist, dass eine<br />

solche Klage nach § 13 Abs. 1 S. i.v.m. § 4 KSchG<br />

auch innerhalb von drei Wochen nach Zugang der<br />

Kündigung bei dem zuständigen Arbeitsgericht<br />

erhoben werden muss.<br />

Eine fristlose Kündigung gemäß § 626 Abs. 1 BGB<br />

erfordert einen wichtigen Kündigungsgr<strong>und</strong>. Ein<br />

solcher wichtiger Kündigungsgr<strong>und</strong> ist gegeben,<br />

wenn Tatsachen vorliegen, aufgr<strong>und</strong> derer dem<br />

Kündigenden unter Berücksichtigung aller<br />

Umstände des Einzelfalls <strong>und</strong> unter Abwägung der<br />

Interessen beider Vertragsteile nicht zugemutete<br />

werden kann, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen.<br />

Als wichtige Gründe kommen <strong>für</strong> eine<br />

außerordentliche Kündigung beispielsweise<br />

in Betracht Anstellungsbetrug <strong>und</strong> Straftaten<br />

jeglicher Art, Tätlichkeiten oder erhebliche<br />

Ehrverletzungen gegenüber dem Arbeitgeber,<br />

Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot, beharrliche<br />

Arbeitsverweigerung, grobe Verletzung der<br />

Treuepflicht, etc..<br />

Der wichtige Kündigungsgr<strong>und</strong> erfordert eine<br />

erhebliche Vertragsverletzung. Für die Praxis ist<br />

wichtig, dass die außerordentliche Kündigung nach<br />

§ 626 Abs. 2 BGB von dem<br />

Kündigungsberechtigten nur innerhalb einer Frist<br />

von zwei Wochen ab Kenntnis von den <strong>für</strong> die<br />

Kündigung maßgebenden Tatsachen erfolgen<br />

kann. Es handelt sich dabei um eine<br />

Ausschlussfrist, deren Nichteinhaltung zur<br />

Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung<br />

führt.<br />

54


Wenn ich als Führungskraft selbst<br />

kündigen will, was muss ich beachten?<br />

Bei Ausspruch einer Kündigung durch den<br />

Arbeitnehmer bzw. die Führungskraft muss<br />

auf jeden Fall das auch <strong>für</strong> jede<br />

arbeitgeberseitige Kündigung geltende<br />

Schriftformerfordernis des § 623 BGB<br />

eingehalten werden. Dieses<br />

Schriftformerfordernis gilt <strong>für</strong> jede Kündigung<br />

<strong>und</strong> ist auch <strong>für</strong> eine Beendigung des<br />

Arbeitsverhältnisses durch Auflösungsverträge<br />

zu beachten. Die Wahrung des<br />

Schriftformerfordernisses erfordert eine<br />

schriftliche Kündigungserklärung, die von dem<br />

Aussteller des Kündigungsschreibens<br />

eigenhändig durch Namensunterschrift zu<br />

unterzeichnen ist. <strong>Das</strong> so erstellte <strong>und</strong><br />

unterzeichnete Kündigungsschreiben muss<br />

dem Arbeitgeber im Original zugehen. Eine<br />

Übersendung des Kündigungsschreibens per<br />

Mail oder Telefax wahrt das<br />

Schriftformerfordernis nicht. Wichtig ist, dass<br />

die Führungskraft im Streitfall den Zugang des<br />

Kündigungsschreibens bei dem Arbeitgeber<br />

nachweisen kann. Daher sollte das<br />

Kündigungsschreiben entweder per Kurier<br />

dem Arbeitgeber übersandt oder ihm<br />

persönlich gegen Erhalt einer<br />

Empfangsbestätigung beispielsweise auf einer<br />

Kopie des Kündigungsschreibens<br />

ausgehändigt werden.<br />

Weiterhin ist die jeweils geltende Kündigungsfrist<br />

zu beachten. Bei Führungskräften werden, die <strong>für</strong><br />

eine ordentliche Kündigung geltende<br />

Kündigungsfristen fast ausnahmslos im<br />

Arbeitsvertrag vereinbart. Sollte dies nicht der Fall<br />

sein, gilt <strong>für</strong> den Arbeitnehmer bei Geltung eines<br />

etwaigen Tarifvertrages die tarifvertragliche<br />

Kündigungsfrist <strong>und</strong> ansonsten die gesetzliche<br />

Mindestkündigungsfrist des § 622 Abs. 1 BGB.<br />

Sollte eine Führungskraft im Fall einer<br />

arbeitgeberseitigen Kündigung rechtlichen Rat<br />

einholen?<br />

Ich würde auf jeden Fall empfehlen, sich nach<br />

Erhalt einer arbeitgeberseitigen Kündigung<br />

möglichst rasch anwaltlich beraten zu lassen.<br />

Gleiches gilt im Falle einer vom Arbeitgeber<br />

gewünschten einvernehmlichen Beendigung des<br />

Arbeitsverhältnisses, etwa durch Abschluss eines<br />

Aufhebungsvertrages. Rechtlicher Rat ist bei<br />

Führungskräften auch bei Abschluss eines neuen<br />

Anstellungsvertrages, insbesondere auch im<br />

Hinblick auf rechtlich komplizierte erfolgsabhängige<br />

Vergütungsbestandteile oder nachvertragliche<br />

Wettbewerbsverbote zu empfehlen.<br />

55


Recht<br />

Ist der Abschluss einer<br />

Rechtsschutzversicherung sinnvoll?<br />

Auf jeden Fall. Wenn man sich im Klageweg<br />

beispielsweise gegen eine Kündigung wehrt, ist die<br />

Einschaltung eines Anwaltes aus meiner Sicht<br />

notwendig. Ein solches Klageverfahren kann<br />

gerade bei Führungskräften aufgr<strong>und</strong> ihres höheren<br />

Einkommens sehr teuer werden. Im<br />

arbeitsgerichtlichen Klageverfahren trägt in der<br />

ersten Instanz jede Partei ihre Anwaltskosten<br />

selbst. Geht der Rechtsstreit in die<br />

Berufungsinstanz, muss der Unterlegene neben<br />

seinen eigenen Rechtsanwaltskosten <strong>und</strong><br />

Gerichtskosten auch zusätzlich die Anwaltskosten<br />

der obsiegenden Partei tragen. Eine entsprechende<br />

Versicherung kann hier unterstützend helfen.<br />

Was muss man als Arbeitsrechtlerin<br />

mitbringen?<br />

Zweifelsohne das arbeitsrechtliche juristische<br />

Know-how. Daneben natürlich Erfahrungen auch im<br />

Bereich der Prozessführung, Analyse<strong>und</strong><br />

Kommunikationsfähigkeiten,<br />

Verhandlungsgeschick, Sorgfalt <strong>und</strong> Zuverlässigkeit<br />

sowie Einfühlungsvermögen.<br />

Gab es bei Ihnen schon mal das Gefühl, was<br />

habe ich mir bloß <strong>für</strong> einen Job ausgesucht?<br />

Nein! Ich übe den Anwaltsberuf von Beginn an <strong>und</strong><br />

bis heute unverändert mit großer Leidenschaft aus,<br />

je schwieriger die Sache ist, desto besser!<br />

Vielen Dank <strong>für</strong> das Gespräch!<br />

Ines Heydasch ist langjährige<br />

Partnerin am Standort Hamburg.<br />

Ihre Tätigkeitsschwerpunkte sind das<br />

Individual- <strong>und</strong> Kollektivarbeitsrecht<br />

sowie Dienstvertrags- <strong>und</strong><br />

Handelsvertreterrecht. Sie berät<br />

überwiegend in- <strong>und</strong> ausländische<br />

Unternehmen <strong>und</strong> Kliniken sowie<br />

Vorstände, Geschäftsführer <strong>und</strong> leitende<br />

ärztliche Berufsträger in allen<br />

arbeitsrechtlichen <strong>und</strong><br />

dienstvertraglichen Belangen.<br />

Sie ist Mitglied der Practice Group<br />

Arbeitsrecht. Außerhalb ihrer<br />

Rechtsanwaltstätigkeit ist sie<br />

ehrenamtlich <strong>für</strong> das Projekt einer freien<br />

Rechtsberatung der St. Pauli Kirche<br />

Hamburg „Guter Rat vor Ort” <strong>für</strong><br />

Ratsuchende beratend tätig.<br />

56


Dossier “von 0 auf 100?”<br />

Älter werden ist sozial konstruiert<br />

Von Cornelia Kunkat – Referentin <strong>für</strong> <strong>Frauen</strong> in Kultur & Medien beim<br />

Deutschen Kulturrat<br />

Vor dem Hintergr<strong>und</strong> des in seinen Ausmaßen bisher einmaligen<br />

demografischen Wandels, müssen wir uns verstärkt fragen, ob unsere<br />

Gesellschaft einen richtigen Umgang mit dem Älterwerden hat. Wirtschaft<br />

<strong>und</strong> Arbeitsmarkt werden zunehmend auf die geistig-intellektuelle Kraft<br />

älterer Menschen angewiesen sein.<br />

Passt dies zu unserem weitgehend <strong>und</strong>ifferenzierten Altersbild?<br />

In diesem Dossier wird das Älterwerden näher betrachtet, insbesondere aus<br />

Sicht der Kulturschaffenden selbst. <strong>Das</strong>s die Zusagen unserer angefragten<br />

Interviewpartnerinnen <strong>und</strong> -partner so prompt kamen, bestärkt uns in der<br />

Annahme, dass das Thema eine ernsthafte <strong>und</strong> persönliche<br />

Auseinandersetzung lohnt.<br />

57


<strong>Das</strong> Dossier Älterwerden als Kulturschaffende: Von 0 auf 100? hat der Deutsche Kulturrat<br />

herausgegeben.<br />

58


Dossier “von 0 auf 100?”<br />

Älter zu werden als Kulturschaffende ist immer<br />

dann eine ganz besondere Herausforderung,<br />

wenn die Person in ihrer ganzen körperlichen<br />

Erscheinung untrennbar mit ihrer Kunst in<br />

Verbindung steht, beispielsweise als<br />

Schauspielerin, Sängerin, Moderatorin oder<br />

Kabarettistin. Natürlich gilt dieses Phänomen auch<br />

<strong>für</strong> Männer, aber <strong>Frauen</strong> trifft es umso früher <strong>und</strong><br />

härter.<br />

Warum?<br />

Um dieses Phänomen differenziert zu betrachten,<br />

muss man verstehen, dass der Prozess des<br />

Alterns kein rein natürlich ablaufendes,<br />

biologisches Programm ist, sondern auch ein aktiv<br />

gestaltbares, konstruiertes <strong>und</strong> somit »gemachtes<br />

« Geschehen. Altern ist somit ein<br />

individuell-körperlicher Prozess <strong>und</strong> zugleich<br />

sozial konstruiert.<br />

Professor Ramsey Burt, den Madeline Ritter in<br />

ihrem Beitrag zitiert, beschreibt diese Diskrepanz:<br />

»<strong>Das</strong> gefühlte Alter kann durch die Wahrnehmung<br />

der Gesellschaft beeinflusst werden. Aus diesem<br />

Gr<strong>und</strong> gibt es nicht selten eine Diskrepanz<br />

zwischen der Selbstwahrnehmung des Alters <strong>und</strong><br />

der gesellschaftlich konstruierten Vorstellung<br />

davon, was es bedeutet, alt zu sein.<br />

Gesellschaftlicher Druck zwingt einen dazu, sich<br />

selbst dem eigenen Alter angemessen<br />

wahrzunehmen.<br />

«Die Wissenschaft nutzt hier den Begriff des »<br />

Doing Aging«, der impliziert, dass die<br />

Gesellschaft unser Bild vom Älterwerden<br />

bestimmt.<br />

Und hierher rührt das größere Problem von<br />

<strong>Frauen</strong>, weil ihr Alter zu einem viel früheren<br />

Zeitpunkt sozial herabgewürdigt wird als das von<br />

Männern – bis hin dass das Altern von Männern<br />

mit vielen positiven Zuschreibungen verb<strong>und</strong>en ist<br />

wie Reife, Erfahrung, Autorität oder Weisheit.<br />

Dieses Phänomen spricht auch die Journalistin<br />

Bascha Mika im Interview in diesem Dossier an: »<br />

Männer dürfen altern <strong>und</strong> gelten dann noch als<br />

attraktiv. <strong>Frauen</strong> werden alt gemacht. Diese<br />

mangelnde Attraktivität, die ihnen angehängt wird,<br />

führt dazu, dass auch die Wahrnehmung im<br />

öffentlichen Raum nachlässt.« Mika empfiehlt,<br />

dass sich <strong>Frauen</strong> hiergegen aktiv <strong>und</strong> laut zur<br />

Wehr setzen müssen.<br />

Aber warum fällt dies so schwer?<br />

Die zunehmende Verunsicherung, die nicht nur<br />

<strong>Frauen</strong> vor der Kamera, sondern auch normale<br />

Bürgerinnen betrifft, lässt sich darauf<br />

zurückführen, dass wir das Wertesystem der<br />

Leistungsgesellschaft geradezu sklavisch<br />

verinnerlichen.<br />

Wir haben Angst, in gesellschaftlicher Hinsicht<br />

nicht zu genügen, ohne uns darüber Gedanken zu<br />

machen, ob dieses Wertesystem überhaupt<br />

erstrebenswert ist <strong>und</strong> die damit verb<strong>und</strong>enen<br />

Ideale einzulösen sind.<br />

»Der Leistungsanspruch der Gesellschaft an<br />

unsere Körperlichkeit lautet: Attraktivität, Fitness,<br />

Sexyness.«, schreibt Dr. Christoph Ahlers in<br />

seinem Buch »Himmel auf Erden & Hölle im Kopf<br />

«. Diese Maxime bestimmt die Gesellschaft in<br />

dominanter Weise.<br />

Bereits in der Pubertät beginnen wir – Jungs wie<br />

Mädchen – diese Werte zu verinnerlichen.<br />

Zunächst noch trägt uns die Jugend, die das<br />

Einlösen erleichtert. Aber bis zur Lebensmitte<br />

greifen wir auf immer extremere<br />

Kompensationsmöglichkeiten in Form von<br />

59


Dossier “von 0 auf 100?”<br />

Kosmetika, Fitness bis hin zu Schönheits-OPs<br />

zurück.<br />

Was heißt »to fit« doch noch?<br />

»Passend» – nicht ges<strong>und</strong>, nicht lebendig, nicht<br />

authentisch oder selbstbewusst. Nein, es geht um<br />

Normierung, wie Ahlers richtig beobachtet: »Wir<br />

kompensieren unsere Angst, nicht zu genügen,<br />

indem wir Hand anlegen: Muskeln definieren,<br />

Fehlstellen ausmerzen, Hügel glätten.<br />

Es muss besser sein, als es ist. Denn so wie wir<br />

sind, sind wir nicht okay.« Diese<br />

Kompensationsmöglichkeiten werden uns von<br />

diversen Industriezweigen suggeriert – frei nach<br />

dem Motto: Nichts ist unmöglich! Schleichend<br />

gesellt sich auf diese Weise zu dem<br />

gesellschaftlichen Leistungsdruck ein<br />

ansteckender Optimierungskult: Der Trend, den<br />

eigenen Körper nicht nur zu gestalten, sondern zu<br />

verbessern <strong>und</strong> zu perfektionieren, weil er als<br />

unzureichend angesehen wird. Diese<br />

Beobachtung von Ahlers findet sich eins zu eins<br />

im Interview mit der Kabarettistin Gerburg Jahnke<br />

wieder, wenn sie die grassierende<br />

Selbstoptimierung beklagt: »Alle möglichen<br />

Kolleginnen fragen sich bereits: Kann ich mit<br />

diesem Originalgesicht überhaupt noch<br />

rausgehen?«<br />

Außenanforderungen sind in unser Innerstes<br />

gedrungen <strong>und</strong> führen wiederum dazu, unser<br />

Äußeres zu optimieren – bis hin zur persönlichen<br />

Selbstaufgabe. <strong>Das</strong> Problem <strong>für</strong> die älter<br />

werdenden Künstlerinnen <strong>und</strong> Künstler ist, dass<br />

sie im Rampenlicht der Öffentlichkeit stehen.<br />

Mal abgesehen davon, dass ein Drittel der<br />

Programme ganz ohne weibliche Protagonistinnen<br />

auskommt – umgekehrt sind es ohne männliche<br />

Protagonisten nur 15 Prozent – <strong>und</strong> <strong>Frauen</strong>, wenn<br />

sie denn gezeigt werden, viel häufiger im Kontext<br />

von Beziehung <strong>und</strong> Partnerschaft vorkommen, ist<br />

das wirklich Erschreckende, dass es nur bis zu<br />

einem Alter von 30 Jahren ein ausgeglichenes<br />

Geschlechterverhältnis in besagten Medien gibt:<br />

Ab Mitte 30 kommen auf eine Frau zwei Männer<br />

<strong>und</strong> ab 50 kommen<br />

auf eine Frau sage <strong>und</strong> schreibe drei Männer – über<br />

alle Formate <strong>und</strong> Genres hinweg, also auch im<br />

Kinofilm.<br />

Eindeutige Zahlen<br />

<strong>Das</strong>s diese Abbildung mit unserem täglichen Leben<br />

nichts zu tun hat, offenbaren die Zahlen eindeutig.<br />

Die gesellschaftliche Verantwortung, die <strong>Frauen</strong> an<br />

ihren Arbeitsplätzen, im Ehrenamt oder in der Familie<br />

ausüben, wird medial nicht abgebildet. Insbesondere<br />

die Lebenswirklichkeit von <strong>Frauen</strong> ab 40 wird nicht<br />

gezeigt, ermutigende Vorbilder fehlen den <strong>Frauen</strong><br />

damit ab ihrer Lebensmitte. Bascha Mika sagt dazu: »<br />

Genau dies ist die Zeit, in der <strong>Frauen</strong> zunehmend aus<br />

der Öffentlichkeit verschwinden. Es gibt tatsächlich<br />

nur eine Handvoll <strong>Frauen</strong>, die jenseits der 50 <strong>und</strong> 60<br />

regelmäßig vor der Kamera auftauchen <strong>und</strong> die vor<br />

allen Dingen auch als erotische Wesen inszeniert<br />

werden.« Dieses Missverhältnis beklagt auch<br />

Gerburg Jahnke: »Wenn ich aber als 85-Jährige<br />

nach Zürich fahren wollte, um mich umbringen zu<br />

lassen, dann käme meine Lebenswirklichkeit<br />

wieder vor. Oder wenn ich 25 wäre <strong>und</strong> mir<br />

überlege, ob ich mir eine dritte Brust basteln<br />

lasse. Dazwischen ist – auch in den<br />

Öffentlich-Rechtlichen – nichts von Belang.<br />

<strong>Das</strong> finde ich unverantwortlich.« Wirft man dann noch<br />

einen Blick auf die Funktionen von Männern <strong>und</strong><br />

<strong>Frauen</strong> in TV <strong>und</strong> Kino, ist Prommers<br />

Zwischenüberschrift »Männer erklären die Welt« in<br />

ihrer Studie nur schlüssig: In der TV-Information ist<br />

von allen Hauptakteuren nur jede dritte weiblich <strong>und</strong><br />

Journalistinnen sind mit 36 Prozent stark<br />

unterrepräsentiert. Noch dramatischer sieht es bei<br />

den geladenen Expertinnen in den<br />

TV-Informationssendungen aus: Hier ist nur jede<br />

fünfte weiblich. Schließlich überwiegen Männer sehr<br />

deutlich als Sprecher mit 72 Prozent in der<br />

TV-Information <strong>und</strong> mit sogar 96 Prozent in der<br />

non-fiktionalen Unterhaltung. Die<br />

Geschlechterverhältnisse in TV <strong>und</strong> Kino bezogen auf<br />

Alter <strong>und</strong> gesellschaftliche Funktion sind Gift <strong>für</strong> das<br />

Selbstvertrauen von <strong>Frauen</strong>. Reicht es aus,<br />

hiergegen individuell vorzugehen oder braucht es<br />

Quoten <strong>und</strong> Kampagnen?<br />

60


Wenn ja, wo<strong>für</strong> genau?<br />

Werden wir uns langfristig dem Wertekodex der<br />

Leistungsgesellschaft entziehen <strong>und</strong> begreifen,<br />

dass Lebensglück, Talent <strong>und</strong> der Wert einer<br />

Person nichts mit dem Zustand der körperlichen<br />

Erscheinung zu tun haben? Und können wir<br />

vielleicht sogar darauf vertrauen, dass auch<br />

Männern mehrheitlich dieses <strong>Frauen</strong>bild einmal zu<br />

einseitig ist – sie sich also emanzipierte<br />

Partnerinnen <strong>und</strong> Kolleginnen wünschen <strong>und</strong> sich<br />

deshalb <strong>für</strong> die Gleichstellung mit ins Zeug legen?<br />

Diese Fragen können wir mit unserem Dossier<br />

leider nicht beantworten. Aber mit den Interviews<br />

<strong>und</strong> Beiträgen der Kulturschaffenden aus ganz<br />

unterschiedlichen Sparten können wir die<br />

Vielfältigkeit des sozial-gestaltbaren Prozesses<br />

des Alterns beschreiben. Unsere<br />

Gesprächspartnerinnerinnen <strong>und</strong> -partner haben<br />

ihre ganz individuellen Sichtweisen <strong>und</strong> Umgänge<br />

mit dem Thema, diese lohnt es zu beleuchten.<br />

Der Galerist Judy Lybke empfindet das<br />

Älterwerden als angenehm, weil er es als<br />

»Zeit- <strong>und</strong> Materialstrahl« betrachtet: »Wie ein<br />

Magnet nimmt man Dinge auf«, die sich positiv auf<br />

die eigene Präsenz auswirken. »Wenn man also<br />

die Welt um sich herum durch den Beruf, die<br />

Fre<strong>und</strong>e <strong>und</strong> das, was man tagtäglich macht, so<br />

gestalten konnte, dass sie einen aufnimmt <strong>und</strong><br />

reflektiert, dann ist es ganz schön, älter zu<br />

werden.«<br />

Gerburg Jahnke genießt ihre Freiheit, weil ihr als<br />

erfahrener <strong>und</strong> beliebter Kabarettistin heute keiner<br />

mehr in die Programmgestaltung hineinredet.<br />

«Die absurde Konsequenz ist, dass gerade am<br />

Kunstmarkt das Neue übertrieben gehypt wird <strong>und</strong><br />

mit dem Alter der Künstlerinnen <strong>und</strong> Künstler<br />

oftmals gleichgesetzt wird, Quereinstieg in<br />

mittleren Jahren nahezu ausgeschlossen.<br />

Trotz dieses sehr wahren Einblicks in die<br />

vertrackten <strong>und</strong> vom Zeitgeist getriebenen<br />

Bewertungsmaßstäbe im Bereich der bildenden<br />

Kunst hält das Älterwerden <strong>für</strong> viele<br />

Kulturschaffende auch gute Seiten parat. Alle<br />

Interviewpartnerinnen <strong>und</strong> -partner berichten von<br />

einem positiven Erfahrungsgewinn über die Jahre<br />

hinweg, der sie in schwierigen Situationen schützt.<br />

Die Choreografin <strong>und</strong> Regisseurin Sasha Waltz<br />

stellt fest: »Ich kann schneller entscheiden <strong>und</strong><br />

habe einen größeren Überblick als noch mit Ende<br />

30.« Auch sei ihre Menschenkenntnis eine andere,<br />

die ihr nun hilft, Teams <strong>und</strong> Abläufe präziser<br />

zusammenzufügen.<br />

61


Den gut getimten Rückzug aus dem<br />

Comedy-Business einzuleiten, empfindet sie<br />

jedoch als »große Herausforderung« bzw. als<br />

nicht wirklich planbares »Experiment«. Hiermit hat<br />

die über 80-jährige Bildhauerin Ursula Sax kein<br />

Problem, da sie immer noch zu Wettbewerben<br />

eingeladen wird <strong>und</strong> sich weiterhin als Künstlerin<br />

betätigt. Sie ist nicht mehr so gnadenlos mit sich<br />

selbst wie früher <strong>und</strong> genießt den nachlassenden<br />

Druck, geht in der kreativen Arbeit aber immer<br />

noch ganz auf.<br />

Es braucht Erfahrung<br />

Die gute Nachricht also ist: Keine unserer<br />

Interviewpartnerinnen möchte noch einmal 30<br />

oder 40 sein. Der Regisseur Hans Steinbichler ist<br />

nicht nur froh, jetzt 50 zu sein, sondern hat auch<br />

das Gefühl, dass gerade <strong>für</strong> den Beruf des<br />

Regisseurs Reife notwendig ist: »Es braucht<br />

Erfahrungen <strong>und</strong> Fähigkeiten, die man zeitlebens<br />

ansammeln muss.<br />

<strong>Das</strong> ist das Schöne an unserer Branche, dass<br />

man das bis 60 oder 70 immer weiter zur Blüte<br />

treiben lassen kann.« Alle unsere<br />

Gesprächspartnerinnen <strong>und</strong> -partner bewerten<br />

die Vorzüge des Alters <strong>für</strong> sich persönlich<br />

größer als die durchaus benennbaren<br />

Nachteile.<br />

Gleichzeitig stellen sie mehrheitlich fest – <strong>und</strong><br />

hier schließt sich der Kreis – dass unsere<br />

Gesellschaft konstruktiver <strong>und</strong> wertschätzender<br />

mit diesem Phänomen umgehen sollte,<br />

insbesondere im Tanz, in der bildenden Kunst<br />

sowie in Film- <strong>und</strong> Fernsehen. Sofern sie<br />

mittels ihrer Arbeit Einfluss auf das »Doing<br />

Aging« nehmen können, tun sie dies ganz<br />

bewusst auf nachhaltige Weise.<br />

<strong>Das</strong> gesamte Dossier können Sie hier nachlesen.<br />

62


Absentismus<br />

Absentismus:<br />

der lautlose Killer<br />

von Organisationen<br />

Den größten Schaden richten jene Führungskräfte an,<br />

die nicht weiter auffallen.<br />

Von Deborah Szepessy<br />

63


Absentismus<br />

Destruktiv sind nicht diejenigen, die ihre<br />

Kollegen hintergehen, mobben oder beleidigen<br />

– ganz im Gegenteil: Es sind die, die gar nichts<br />

machen. Immer mehr Studien belegen, dass ein<br />

abwesender Führungs- stil, auch<br />

Laissez-Faire-Führung genannt, nicht nur der<br />

Belegschaft schadet, sondern auch messbare<br />

Produktions- <strong>und</strong> Umsatzeinbußen <strong>für</strong> das<br />

betroffene Unternehmen mit sich bringt.<br />

Ein altes Sprichwort lautet: „Nur wer am lautesten<br />

schreit, wird gehört.“ In jeder Organisation ist es so,<br />

dass diejenigen Manager, die am meisten Schaden<br />

anrichten, deutlich auffallen, sei es in Form von<br />

Entwicklungs- oder Disziplinarmaßnahmen. Studien<br />

offenbaren jedoch, dass das weitaus destruktivste<br />

Führungsverhalten gänzlich unerkannt bleibt: der<br />

abwesende Führungsstil.<br />

Abwesende Führungskräfte mögen körperlich<br />

anwesend sein, bieten ihren Untergebenen jedoch<br />

keinerlei Orientierung. Es sind Menschen, die aktiv<br />

keinen Ärger verursachen; die Schäden, die sie<br />

anrichten können, bleiben deshalb häufig<br />

unbemerkt. Ebenso erhalten sie keine<br />

Entwicklungsprogramme, die <strong>für</strong> ein Umdenken<br />

erforderlich wären. Nach dem vorläufigen<br />

Forschungsstand von Hogan Assessments gelten<br />

diese Führungspersönlichkeiten als extrem<br />

vorsichtig <strong>und</strong> zögerlich – Eigenschaften, durch die<br />

der Einzelne nicht aus der Masse heraussticht. Da<br />

abwesende Führungskräfte selten durch grob<br />

fahrlässiges Verhalten auffallen, entgehen sie<br />

Korrekturmaßnahmen. In der Folge verstärkt sich<br />

im Lauf der Zeit ihr negativer Einfluss auf<br />

Organisationen <strong>und</strong> ein Gegensteuern wird<br />

zunehmend schwieriger.<br />

Einer der stärksten Indikatoren <strong>für</strong> einen abwesenden<br />

Führungsstil sind unmotivierte Mitarbeiter. Wenn<br />

Mitarbeiter sich unzufrieden über ihren Arbeitsplatz<br />

äußern, jedoch keine offensichtlichen<br />

Managementprobleme erkennbar sind, ist<br />

wahrscheinlich Absentismus das Problem. In einer<br />

Studie von 2015 über Beschwerden von<br />

Arbeitnehmern wurde eine direkte Beziehung zu<br />

abwesendem Führungsstil erkannt. Die<br />

Studienteilnehmer berichteten über einen Mangel an<br />

Anerkennung oder konstruktivem Feedback, unklaren<br />

Erwartungen oder Direktiven <strong>und</strong> beklagten, dass ihre<br />

Vorgesetzten zu wenig Zeit <strong>für</strong> den direkten Dialog mit<br />

Untergebenen aufbrächten.<br />

Eine Studie von Gallup errechnete kürzlich, dass<br />

unmotivierte Mitarbeiter der deutschen Wirtschaft<br />

105 Milliarden Euro an Produktivität im Jahr kosteten<br />

– 70 Prozent der Befragten gaben an, keine<br />

emotionale Bindung zu ihrem Arbeitgeber zu haben.<br />

Einer der Hauptgründe ist fehlendes Feedback.<br />

Ungefähr 40 Prozent der deutschen Arbeitnehmer<br />

wünschen sich mehr Rückmeldungen von ihren<br />

Vorgesetzten, Tendenz – insbesondere unter der<br />

„Gen Y“ – steigend.<br />

Abwesende Führungskräfte sind in Organisationen<br />

allgegenwärtig. Einer der Hauptgründe ist, dass es<br />

Unternehmen generell schwerfällt, gute<br />

Führungskräfte zu identifizieren. Arbeitnehmer werden<br />

häufig befördert, weil sie sich nichts zuschulden<br />

haben kommen lassen oder weil sie beliebt sind. Ein<br />

guter „Corporate Citizen“ zu sein ist jedoch nicht<br />

zwangsläufig mit gutem Führungsstil gleichzusetzen.<br />

64


Risikofaktor Absentismus:<br />

Fünf Folgen <strong>für</strong> Organisationen<br />

1. Unklar definierte Aufgaben: Abwesende Führungskräfte versäumen es, ihrem<br />

Team Ziele zu setzen. Dadurch erhöht sich <strong>für</strong> die Arbeitnehmer die<br />

Unsicherheit, was genau von ihnen erwartet wird. Als Konsequenz wird viel<br />

Energie darauf verwendet, den eigenen Verantwortungsbereich zu definieren,<br />

anstatt zielgerichtet zu handeln.<br />

2. Geringe Zufriedenheit am Arbeitsplatz: Fehlendes Feedback eines abwesenden<br />

Vorgesetzten kann dazu führen, dass sich Arbeitnehmer unterbewertet fühlen<br />

oder sich ihrer Funktion unsicher sind. Geringe Arbeitszufriedenheit steht in<br />

direktem Zusammenhang mit sinkender Produktivität <strong>und</strong> somit spürbaren<br />

Verlusten <strong>für</strong> Unternehmen.<br />

3. Ges<strong>und</strong>heitliche Probleme: Der Stress durch abwesende Führungskräfte<br />

äußert sich durch eine gestiegene Zahl derer, die innerlich gekündigt haben. Die<br />

ges<strong>und</strong>heitlichen Folgen sind vielfältig: Angststörungen <strong>und</strong> Depressionen,<br />

Bluthochdruck <strong>und</strong> Magen-Darm-Erkrankungen sind häufig zu beobachten.<br />

4. Burnout: Einer Gallup-Umfrage zufolge gehören unklar definierte Aufgaben <strong>und</strong><br />

fehlende Kommunikation <strong>und</strong> Unterstützung von Vorgesetzten zu den<br />

Hauptursachen <strong>für</strong> Burnout-Syndrome. Fehlt ein klarer Führungsstil, werden die<br />

Arbeitnehmer übermäßig belastet. Die Folgen sind wachsende Erschöpfung <strong>und</strong><br />

Zynismus.<br />

5. Abwanderungstendenzen: Der häufigste Gr<strong>und</strong>, den Arbeitgeber zu wechseln, ist<br />

schlechter Führungsstil. Einer Studie über destruktives Führungsverhalten<br />

zufolge hatten die Arbeitnehmer doppelt so häufig mit abwesenden<br />

Führungskräften zu kämpfen als mit anderen Formen schlechten Führungsstils.<br />

Darüber hinaus wissen beförderte<br />

Mitarbeiter oft nicht, was Führen bedeutet.<br />

Die Anforderungen der Position, <strong>für</strong> die<br />

sie einst eingestellt wurden, mögen sie<br />

gut erfüllen, doch mangelt es ihnen an<br />

Führungskompetenz oder entsprechender<br />

Erfahrung. Und schließlich spielt<br />

auch die Unternehmenskultur eine<br />

gewisse Rolle:<br />

Feedback wird häufig unterbewertet.<br />

Denn konstruktiv Rückmeldung zu geben,<br />

ist eine gewisse Kunst. Aus Angst,<br />

Mitarbeiter zu kränken, schrecken viele<br />

Führungskräfte davor zurück, Verhalten<br />

zu korrigieren.<br />

65


Absentismus<br />

Scott Gregory, CEO von Hogan<br />

Assessments, beschäftigt sich mit<br />

abwesendem Führungsstil seit fast 30<br />

Jahren. Er sagt: „Auch wenn die<br />

Auswirkungen auf Mitarbeiter bekannt<br />

sind, gibt es wenige Organisationen, die<br />

systematisch abwesende Führungskräfte<br />

identifizieren <strong>und</strong> entsprechende<br />

Konsequenzen daraus ziehen. Die<br />

Wahrscheinlichkeit ist groß, dass Ihre<br />

Organisation abwesende Führungskräfte<br />

noch gar nicht erkannt hat, denn in der<br />

Regel bewegen sie sich unterhalb der<br />

Wahrnehmungsschwelle <strong>und</strong> verhalten<br />

sich unauffällig.“ Mithilfe objektiver<br />

Leistungsmessverfahren, wie etwa<br />

Persönlichkeitstests, können solche<br />

latenten Verhaltenszüge erkannt werden.<br />

Scott Gregory: „Wenn Ihre Organisation<br />

eine der verhältnismäßig wenigen mit<br />

wirksamen Auswahl- <strong>und</strong><br />

Aufstiegsmethoden ist, besteht die<br />

Möglichkeit, dass effektive <strong>und</strong> destruktive<br />

Führungskräfte erkannt werden.“<br />

66


Crowdf<strong>und</strong>ing<br />

<strong>Frauen</strong> sind<br />

beim<br />

Crowdf<strong>und</strong>ing<br />

erfolgreicher<br />

Von Ines Becker, Managerin Corporate<br />

Communications, Seedmatch GmbH<br />

<strong>Frauen</strong> sind im Crowdf<strong>und</strong>ing erfolgreicher<br />

als Männer. <strong>Das</strong> ergab die aktuelle<br />

„Women Unbo<strong>und</strong>“-Studie von pwc, im<br />

Rahmen derer über 450.000 Kampagnen<br />

weltweit analysiert wurden. Demnach<br />

werden von <strong>Frauen</strong> geführte Projekte nicht<br />

nur schneller, sondern auch mit höheren<br />

Durchschnittsbeiträgen finanziert als<br />

solche, die ausschließlich von Männern<br />

geleitet werden.<br />

Ein schwacher Trost: Denn <strong>Frauen</strong> sind<br />

unter Gründern immer noch Exoten. So<br />

liegt ihr Anteil in deutschen Startups laut<br />

dem Deutschen Startup Monitor 2017, der<br />

jährlichen Untersuchung des<br />

B<strong>und</strong>esverbandes Deutsche Startups e.<br />

V., trotz leicht steigender Zahlen immer<br />

noch unter 15 Prozent. Wen w<strong>und</strong>ert’s,<br />

dass auch in der Studie „Women<br />

Unbo<strong>und</strong>” Unternehmerinnen in der<br />

Crowdf<strong>und</strong>ing-Szene noch weit in der<br />

Unterzahl sind; im Bereich<br />

Seed-Crowdf<strong>und</strong>ing lag der Anteil der von<br />

<strong>Frauen</strong> geführten Kampagnen<br />

beispielsweise nur bei r<strong>und</strong> 28 Prozent.<br />

Bei Seedmatch, dem Pionier <strong>für</strong><br />

Startup-Crowdf<strong>und</strong>ing in Deutschland, ist<br />

der <strong>Frauen</strong>anteil in Gründerteams mit 13<br />

Prozent ebenfalls sehr niedrig. <strong>Das</strong> ist<br />

insofern von Nachteil, als sich der Erfolg<br />

von <strong>Frauen</strong> beim Crowdf<strong>und</strong>ing auch in<br />

der Historie der Seedmatch-Kampagnen<br />

zeigt. Laut firmeninternen Statistiken<br />

werden Gründerteams mit mindestens<br />

einem weiblichen Mitglied mit deutlich<br />

höheren Durchschnittsbeträgen unterstützt<br />

als rein männliche Teams. So waren die<br />

Investmentbeträge in einem Vergleich von<br />

110 erfolgreichen<br />

Crowdf<strong>und</strong>ing-Kampagnen bei einem<br />

Team mit mindestens einer Frau um<br />

durchschnittlich 24 Prozent höher.<br />

67


Crowdf<strong>und</strong>ing<br />

Bei Seedmatch, dem Pionier <strong>für</strong><br />

Startup-Crowdf<strong>und</strong>ing in Deutschland, ist<br />

der <strong>Frauen</strong>anteil in Gründerteams mit 13<br />

Prozent ebenfalls sehr niedrig. <strong>Das</strong> ist<br />

insofern von Nachteil, als sich der Erfolg<br />

von <strong>Frauen</strong> beim Crowdf<strong>und</strong>ing auch in<br />

der Historie der Seedmatch-Kampagnen<br />

zeigt.<br />

Laut firmeninternen Statistiken werden<br />

Gründerteams mit mindestens einem<br />

weiblichen Mitglied mit deutlich höheren<br />

Durchschnittsbeträgen unterstützt als rein<br />

männliche Teams. So waren die<br />

Investmentbeträge in einem Vergleich von<br />

110 erfolgreichen<br />

Crowdf<strong>und</strong>ing-Kampagnen bei einem<br />

Team mit mindestens einer Frau um<br />

durchschnittlich 24 Prozent höher.<br />

Fluch <strong>und</strong> Segen<br />

Was <strong>Frauen</strong> zu erfolgreichen Vertrieblern<br />

bei der Crowd macht, kann es ihnen umso<br />

schwerer bei klassischen Pitches mit<br />

Venture Capitalists oder Business Angels<br />

machen. Darauf weisen laut dem Harvard<br />

Business Manager mehrere Studien hin.<br />

<strong>Das</strong> kann zuweilen auch männliche<br />

Gründer betreffen. So würden<br />

Verhaltensweisen, die als feminin<br />

stereotypisiert werden – dazu zählen<br />

Sensibilität, Ausdrucksstärke <strong>und</strong><br />

Emotionen – mit einem Mangel an<br />

Führungskompetenz assoziiert. Die<br />

Quintessenz: Risikokapitalgeber fördern<br />

weniger Startups, die von <strong>Frauen</strong><br />

gegründet wurden oder bei deren Pitches<br />

<strong>Frauen</strong> das Sagen haben. Weniger als 10<br />

Prozent der in Deutschland durch Venture<br />

Capital investierten Fördersummen <strong>für</strong><br />

Startups gehen an Gründerinnen.<br />

Mit dem Aufkommen des Crowdf<strong>und</strong>ings<br />

hat ein Paradigmenwechsel in Marketing<strong>und</strong><br />

Verkaufsstrategien stattgef<strong>und</strong>en.<br />

Während im traditionellen Finanzumfeld<br />

eher eine Business-Sprache dominiert,<br />

steht beim Crowdf<strong>und</strong>ing vermehrt eine<br />

beziehungsorientierte, offenere<br />

Herangehensweise im Vordergr<strong>und</strong>.<br />

Die „Women Unbo<strong>und</strong>“-Studie sieht hierin<br />

einen Vorteil <strong>für</strong> Gründerinnen, die bei<br />

ihren Pitches oft eine inklusivere <strong>und</strong><br />

empathischere Sprache verwenden.<br />

<strong>Das</strong> findet Anklang bei privaten<br />

Geldgebern, ob weiblich oder männlich.<br />

Foto: Eberhard J. Schorr, photosign.de<br />

68


<strong>Das</strong> Besondere an der<br />

Schwarmfinanzierung<br />

<strong>Das</strong> Crowdf<strong>und</strong>ing hat in der Finanzwelt<br />

eine völlig neue Dynamik geschaffen, die<br />

mit vielen althergebrachten Regeln <strong>und</strong><br />

Traditionen bricht. Unternehmerinnen <strong>und</strong><br />

Unternehmer erhalten über verschiedene<br />

Plattformen direkten Zugang zu<br />

verschiedenen Märkten, Geldgebern <strong>und</strong><br />

Demografien.<br />

Dadurch ist sichtbar geworden, dass es<br />

weltweit eine Vielfalt von Gründerinnen<br />

<strong>und</strong> Gründern mit erfolgsfähigen<br />

Geschäftsideen gibt, die durch traditionelle<br />

Finanzstrukturen nicht gleichberechtigt<br />

aufgefangen werden. Neben einer<br />

Finanzierungsmethode bietet eine<br />

Crowdf<strong>und</strong>ing-Kampagne aber auch<br />

Möglichkeiten zur Vernetzung <strong>und</strong> eine<br />

öffentliche Plattform. Die Sichtbarkeit wird<br />

drastisch erhöht. Damit steigen auch die<br />

Chancen der K<strong>und</strong>engewinnung <strong>und</strong> <strong>für</strong><br />

spätere Kooperationen mit anderen<br />

Marktteilnehmern <strong>und</strong> Unterstützern. Eine<br />

erfolgreiche Kampagne kann <strong>für</strong><br />

Gründerinnen <strong>und</strong> Gründer also der<br />

wesentliche Sprung auf der Karriereleiter<br />

sein, den sie ohne eine entsprechende<br />

Plattform möglicherweise nicht geschafft<br />

hätten.<br />

Die Studien deuten darauf hin, dass<br />

bestimmte Strukturen innerhalb<br />

traditioneller Finanzmärkte einem Teil der<br />

Weltwirtschaft den Zugang zu<br />

Finanzierung <strong>und</strong> Erfolg<br />

weiterhin erschweren. <strong>Das</strong> disruptive<br />

Konzept des Crowdf<strong>und</strong>ings ermöglicht es<br />

dagegen einer Vielzahl von Menschen, auf<br />

ungeahnte Ressourcen zuzugreifen. Ihr<br />

individuelles Profil, Alter, Geschlecht oder<br />

Herkunft sind dabei weniger maßgeblich.<br />

Was zählt, sind ihre Kreativität,<br />

Kompetenz <strong>und</strong> unternehmerisches<br />

Gespür.<br />

Wie die Herausgeber der „Women<br />

Unbo<strong>und</strong>“-Studie sehen auch wir großes<br />

Potenzial in weiblichen Gründern. Unsere<br />

Investoren haben dieses Potenzial bereits<br />

erkannt – das beweisen unsere<br />

Statistiken.<br />

69


70


Optimismus<br />

Wie wird (bleibt)<br />

man ein Optimist?<br />

Von Barbara Kunst,<br />

Mitgründerin <strong>und</strong> Mitglied des Vorstands<br />

“Club der Optimisten e.V.”<br />

Die gute Nachricht zuerst:<br />

Jeder Mensch trägt Optimismus in sich!<br />

Emotionale Strukturen wie Zuversicht, Liebe <strong>und</strong> Glück sind uns<br />

zum Glück in die Wiege gelegt worden. Wie sollten wir sonst<br />

überleben können? Die Alternativen wäre kollektiver Selbstmord.<br />

71


Optimismus<br />

Lassen sie mich an einem Beispiel deutlich<br />

machen was ich meine: Eine Frau im Mittelalter<br />

hatte eine durchschnittliche Lebenserwartung von<br />

knapp 30 Jahren. Sie gebar sechs oder sogar<br />

acht Kinder, von denen die Hälfte gleich nach der<br />

Geburt starb. Harte körperliche Arbeit, Hunger,<br />

Krankheiten <strong>und</strong> Misshandlungen prägten ihr<br />

Leben. Was sollte diese Frau am Leben erhalten?<br />

Was kann es anderes gewesen sein, als ein durch<br />

Optimismus gefärbter Selbsterhaltungstrieb. Und<br />

natürlich auch der Wunsch <strong>und</strong> die Pflicht <strong>für</strong><br />

andere da zu sein – in der Hoffnung, dass die<br />

anderen auch <strong>für</strong> sie da sein werden.<br />

Damals wie heute gilt es, diese natürlichen, in<br />

unseren Genen liegenden Fähigkeiten solange<br />

wie möglich zu Bewahren, oder wieder zu<br />

entdecken – sie sich vor allem aber immer wieder<br />

bewusst zu machen <strong>und</strong> an andere weiter zu<br />

geben.<br />

Ist Glück auch lernbar? In der Willy-Hellbach<br />

Schule in Heidelberg hat man das Fach „GLÜCK“<br />

auf den St<strong>und</strong>enplan gesetzt. Es geht dort um das<br />

Lernen von Selbstvertrauen, um das Management<br />

der eigenen Erwartungshaltung <strong>und</strong> damit konkret<br />

um das Lernen sich die richtigen Ziele zu setzen.<br />

Diejenigen, die diesen Kurs absolviert haben sind<br />

sehr viel positiver <strong>und</strong> zuversichtlicher an alle<br />

Weiteren an sie gestellten Aufgaben<br />

herangegangen.<br />

Management von Erwartungshaltung im Sinne<br />

von klugem Optimismus bedeutet, dass ich die<br />

Latte an Erwartungen an mich selbst <strong>und</strong> an<br />

meine Umwelt so hochlege, dass die Ziele gerade<br />

noch erreichbar sind. Wer das gut umsetzt, der<br />

darf als Optimist gelten. Und ganz nebenbei<br />

bewahrt er sich vor den negativen Erfahrungen<br />

des Scheiterns! Oder schlimmer noch: zum<br />

Pessimisten zu werden!<br />

Meine persönliche Definition von Optimismus<br />

bedeutet aber auch, all die schönen, positiven<br />

Seiten des Lebens bewusst wahrzunehmen, etwa<br />

Freude an kleinen Dingen, natürlich an der<br />

Familie, an Liebe <strong>und</strong> Zuwendung, oder auch<br />

einem Spaziergang am ersten sonnigen<br />

Frühlingstag, das erste Eis im Freien...<br />

Aus diesen vielen positiven Erlebnissen lässt sich<br />

die Kraft ziehen, um dem, was nicht so schön auf<br />

dieser Welt ist, konstruktiv begegnen zu können,<br />

aber auch von der Angst davor ein wenig zu<br />

nehmen.<br />

Die meisten Dinge, vor denen man sich <strong>für</strong>chtet,<br />

treten ohnehin nicht ein! Wissenschaftler gehen<br />

davon aus, dass nur 10 Prozent unserer<br />

Erwartungen Wirklichkeit werden. Und natürlich<br />

passiert dies völlig unabhängig davon, ob ich<br />

Angst davor habe, oder nicht.<br />

Optimismus <strong>und</strong> Glück sind also LERNBAR,<br />

<strong>und</strong> damit auch immer wieder abrufbar.<br />

Der Schlüssel <strong>für</strong> positives Denken liegt im<br />

„Management der Erwartungshaltung“.<br />

Optimismus bedeutet natürlich nicht, davon<br />

auszugehen, dass immer das denkbar Beste<br />

eintritt. <strong>Das</strong> wäre, wie wir alle wissen, denkbar<br />

unrealistisch!<br />

72


Wir haben nun mal mit dieser Welt keinen Vertrag<br />

abschließen können, der besagt, dass es immer<br />

einfach sein wird. Ja, manchmal wird es auch<br />

schwierig. Jede Krise birgt aber auch immer<br />

wieder neue Chancen, vor allem, wenn man ihr<br />

dann mit doppelter Energie, oder einfach mit<br />

einem realistischen Erwartungsmanagement<br />

begegnen kann.<br />

Wir mögen uns zwar oft nach einer besseren Welt<br />

sehnen, aber vorerst scheint immer noch der<br />

Philosoph Leibniz recht zu haben, der vor 300<br />

Jahren anmerkte,<br />

dass die bestehende Welt die beste<br />

aller möglichen sei.<br />

Aber vergessen wir nicht, wir werden als<br />

Optimisten in genau diese Welt hineingeboren.<br />

Hier der Link zu den Optimisten<br />

Club der Optimisten e. V.<br />

“Die externe <strong>und</strong> interne Wahrnehmung<br />

Deutschlands erweckt das Bild eines<br />

verunsicherten, latent pessimistischen Volkes, das<br />

die Notwendigkeit zu vielen gründlichen<br />

Erneuerungen zwar erkennt, sich aber sorgenvoll<br />

vor dem Anpacken <strong>für</strong>chtet. Ohne klare<br />

Zielperspektiven schürt der verspürte<br />

Veränderungsdruck Unsicherheit <strong>und</strong> Angst <strong>und</strong><br />

damit Tendenzen der Besitzstandswahrung <strong>und</strong><br />

Risikovermeidung. Statt Zuversicht bestimmt<br />

verbreitet Zaghaftigkeit das Klima in Deutschland<br />

„The German Angst.“<br />

Diese mentale Klimakatastrophe wollen wir<br />

auflösen. Als bekennende Optimisten vertrauen<br />

wir fest unseren eigenen Stärken zur positiven<br />

Gestaltung unserer Lebensbedingungen. Diese<br />

Einstellung tragen wir in unser Umfeld sowie in<br />

immer größere Bereiche unserer Gesellschaft.<br />

Wir Optimisten wollen zum Stimmungs- <strong>und</strong><br />

Klimawandel beitragen. Der Optimismus hat in<br />

Deutschland Zukunft. Wir wollen ihm zum<br />

Durchbruch verhelfen.<br />

Barbara Kunst,<br />

Geboren im August 1954, begann nach<br />

ihrem Abitur am Luisengymnasium in<br />

Bergedorf Grafikdesign zu studieren.<br />

Mit Abschluss als Diplom-Grafikerin<br />

arbeitete sie in verschiedenen Hamburger<br />

Werbeagenturen bis sie 1986 in die<br />

Selbstständigkeit ging<br />

<strong>und</strong> das Atelier Gerschler & Kunst GbR<br />

gründete. Schon zwei Jahre später folgte<br />

die Gründung der Kunst & Partner<br />

Werbeagentur, deren Inhaberin sie war.<br />

2005 wandelte sie die GbR in eine GmbH<br />

um, machte diesen Schritt jedoch 5 Jahre<br />

später wieder rückgängig.<br />

Heute ist Barbara Kunst Inhaberin<br />

der Kunst & Partner GbR.<br />

Die engagierte Macherin<br />

<strong>und</strong> Netzwerkerin ist Mitbegründerin<br />

<strong>und</strong> Mitglied des Präsidiums des<br />

Clubs der Optimisten, <strong>und</strong> Mitbegründerin<br />

<strong>und</strong> Mitglied des Vorstands des Clubs der<br />

Europäischen Unternehmerinnen<br />

73


Gründerinnen im Porträt<br />

Die Welt<br />

verändern <strong>und</strong><br />

Gemeinschaften<br />

aufbauen<br />

CoWomen ist Deutschlands erster Coworking Space <strong>und</strong> Community<br />

Club <strong>für</strong> <strong>Frauen</strong> <strong>und</strong> wurde von drei starken Gründerinnen in Berlin<br />

eröffnet.<br />

Er bietet aufstrebenden <strong>Frauen</strong> die Möglichkeit, zusammen mit <strong>Frauen</strong> zu<br />

arbeiten. Dabei werden die eigenen Potentiale entfaltet, man kann sich<br />

schnell vernetzen <strong>und</strong> Inspiration finden.<br />

Die drei Gründerinnen veranstalten inspirierende Community-Events <strong>und</strong><br />

Workshops. Sie ermöglichen Kontakte zu Mentorinnen <strong>und</strong> Mentoren,<br />

den Zugang zu Vorbildern <strong>und</strong> machen Mut, den eigenen Weg zu gehen.<br />

Carolin Schäufele hat mit den<br />

Gründerinnen gesprochen<br />

74


Wie kommt man darauf, einen<br />

Coworking-Space nur <strong>für</strong> <strong>Frauen</strong> zu gründen?<br />

Der erste Impuls, andere Arbeitsräume zu<br />

schaffen, kam Hannah als ihr erster Sohn drei<br />

Monate alt war <strong>und</strong> sie wieder arbeiten wollte.<br />

Dies war nur schwer möglich, da Henry <strong>für</strong> viele<br />

Babysitter zu jung war, <strong>für</strong> die Kita sowieso (<strong>und</strong><br />

es gibt ja kaum Plätze in Berlin). Dann erfuhr sie<br />

von dem Konzept Coworking mit Kinderbetreuung,<br />

das sie umsetzen wollte. Kurz darauf wurde sie<br />

auf Coworking Spaces speziell <strong>für</strong> <strong>Frauen</strong><br />

aufmerksam (Hera Hub, The Hivery, The Wing)<br />

<strong>und</strong> fing an, Netzwerkveranstaltungen <strong>für</strong> <strong>Frauen</strong><br />

zu besuchen. Und einfach mal nur unter <strong>Frauen</strong><br />

zu sein, macht so viel Spaß!<br />

Hannah ist als Angestellte Beraterin in einem<br />

Software-Unternehmen. Sie hat sich schon immer<br />

da<strong>für</strong> eingesetzt, die Welt zu verändern <strong>und</strong><br />

Gemeinschaften aufzubauen <strong>und</strong> die Mitglieder zu<br />

unterstützen, ihr volles Potenzial zu entfalten <strong>und</strong><br />

mutig zu sein. Sie bewegt etwas, weil sie das<br />

anpackt <strong>und</strong> durchzieht, wovon sie überzeugt ist.<br />

Sara <strong>und</strong> Kat kamen kurz danach zum Team.<br />

Sara hatte eine Führungsrolle in ihrem<br />

Unternehmen <strong>und</strong> war als Beraterin <strong>und</strong><br />

Projektleiterin erfolgreich. In diesen Rollen war sie<br />

auf der Suche nach mehr weiblichen Role Models<br />

<strong>und</strong> nach einer Antwort auf die Frage, warum<br />

immer noch so wenig <strong>Frauen</strong> in<br />

verantwortungsvolle Positionen streben.<br />

<strong>Frauen</strong> haben andere Bedürfnisse an ihre<br />

Arbeitswelt. Und diese können wir erfüllen, durch<br />

anspruchsvolle Raumgestaltung <strong>und</strong> Angebote<br />

zur persönlichen <strong>und</strong> beruflichen<br />

Weiterentwicklung. Wir verfolgen die Vision, das<br />

Leben der <strong>Frauen</strong> zu erleichtern <strong>und</strong> zu<br />

verbessern. Wir rocken die Arbeitswelt <strong>und</strong><br />

schaffen neue Räume.<br />

Warum war es Ihnen so wichtig, einen Raum<br />

zu kreieren, den ausschließlich <strong>Frauen</strong> nutzen<br />

dürfen?<br />

Weil es Spaß macht <strong>und</strong> eine ganz besondere<br />

Energie hat, wenn nur <strong>Frauen</strong> im Raum sind. Wir<br />

tauschen uns tiefgründig, offen <strong>und</strong> ehrlich aus<br />

<strong>und</strong> stoßen alle an dieselben Herausforderungen<br />

im Leben. Es geht hierbei beispielsweise oft um<br />

Themen wie die unterschiedlichen<br />

Kommunikationsweisen von Männern <strong>und</strong> <strong>Frauen</strong>,<br />

Führungsstile, Weiterbildung,<br />

Work-Life-Integration, die Vereinbarkeit von Beruf<br />

<strong>und</strong> Familie, ein achtsames Leben <strong>und</strong> oft auch<br />

darum, Arbeit zu finden oder zu schaffen, die<br />

sinnstiftend ist. Wir möchten uns in den Räumen<br />

wohl fühlen, fast wie Zuhause.<br />

In den letzten Jahren war das Thema „Mehr<br />

<strong>Frauen</strong> in die Wirtschaft“ ein starker Trend,<br />

der aktuell wieder abzunehmen scheint. Sehen<br />

Sie das ähnlich?<br />

<strong>Das</strong> ist eine gute Frage. Förderung von <strong>Frauen</strong> in<br />

der Wirtschaft hatte einen hohen Stellenwert bei<br />

der letzten Regierungsbildung. Und viel Hoffnung<br />

lag ja in der Agenda 2030 mit Ziel 5<br />

„Geschlechtergleichheit“. Für uns ist CoWomen<br />

auch eine Reaktion auf den Umsetzungsplan von<br />

Women20, der am 26. April 2017 in Berlin<br />

verabschiedet wurde, <strong>und</strong> versucht, die<br />

Gleichstellung der Geschlechter in den Mittelpunkt<br />

der G20 zu stellen. <strong>Das</strong>s hier wirklich Initiativen<br />

hervor kamen, haben wir bislang nicht gemerkt.<br />

Förderprojekte sind oftmals so zielgerichtet auf<br />

spezifische Themen fokussiert, dass unsere<br />

Projekte <strong>und</strong> die der <strong>Frauen</strong> um uns herum nicht<br />

zur Zielgruppe gehören.<br />

75


Gründerinnen im Porträt<br />

Was wir immer wieder mitbekommen, ist die<br />

spezifische Förderung von <strong>Frauen</strong> in der Digital- <strong>und</strong><br />

Technikbranche. Uns fehlen die<br />

Unterstützungsangebote <strong>für</strong> <strong>Frauen</strong>, die sich mit<br />

Themen beschäftigen, die nachhaltig <strong>und</strong> innovativ<br />

sind – <strong>und</strong> sogar gut <strong>für</strong> den Standort – <strong>und</strong> wobei<br />

es nicht um eine App mit einer disruptiven<br />

Technologie oder Idee geht.<br />

Wir sehen schon, dass die Unternehmen immer<br />

mehr erkennen, welche Kraft <strong>Frauen</strong> in der<br />

Wirtschaft haben <strong>und</strong> wie sie diese voranbringen.<br />

Daher unterstützen wir in unserer Arbeit auch gezielt<br />

Organisationen <strong>und</strong> Unternehmen dabei, sich<br />

nachhaltig diverser aufzustellen. Im Kern ist hier<br />

jedoch weiterhin ein Wandel in unseren Köpfen<br />

notwendig, denn es sind nicht nur die Unternehmen,<br />

die häufig nicht verstehen, warum <strong>Frauen</strong>förderung<br />

heutzutage “noch” notwendig ist, sondern es ist die<br />

gesamte Gesellschaft. Und Brigitte Zypries gehört<br />

auch zu unseren Fans.<br />

Haben Sie selbst Vorbilder?<br />

Pippi Langstrumpf. :)<br />

Ja, in dem Sinne, dass es beeindruckende<br />

Personen gibt, durch die wir stets wachsen können<br />

<strong>und</strong> zwar allein schon durch das, was sie zeigen,<br />

wie sie sind. Unsere Vorbilder sind zumeist <strong>Frauen</strong><br />

aus unserem engeren <strong>und</strong> weiteren Umfeld. Es sind<br />

Arbeitskolleginnen, Fre<strong>und</strong>innen oder unsere<br />

ehemalige Chefin, die mit solcher Freude <strong>und</strong><br />

Energie vorangehen <strong>und</strong> vor allem andere<br />

Menschen fördern <strong>und</strong> fordern, um zu wachsen <strong>und</strong><br />

aufzublühen. Ohne sich selbst in den Vordergr<strong>und</strong><br />

zu stellen.<br />

Wir selbst haben auch viele Mentorinnen <strong>und</strong><br />

Mentoren an unserer Seite.<br />

Gab es Schwierigkeiten bei der Umsetzung Ihres<br />

Vorhabens?<br />

In Deutschland sind Coworking-Spaces <strong>für</strong> <strong>Frauen</strong><br />

neu, auch wenn in Berlin fast jeder etwas mit dem<br />

Begriff „Coworking“ anfangen kann. Alle <strong>Frauen</strong><br />

finden die Idee großartig, aber die Hürde, eine<br />

Mitgliedschaft abzuschließen, ist noch<br />

vergleichsweise hoch.<br />

Es ist ein Zusammenspiel aus mehreren Aspekten:<br />

<strong>Frauen</strong> wissen meist nicht so sehr um den Wert<br />

eines guten Netzwerks. Im Vergleich zu den meisten<br />

Männern. Bei uns lernen sie sich kennen <strong>und</strong> wir<br />

freuen uns immer wieder darüber, wenn im nächsten<br />

Newsletter dann drei <strong>Frauen</strong> zusammen auftauchen,<br />

die sich bei uns kennengelernt haben. Oder<br />

gemeinsame Workshops veranstaltet werden.<br />

Die größeren Beispiele sind, dass wir durch unser<br />

Netzwerk konkret Personal vermittelt haben. Und<br />

eine unserer CoWomen hat nun einen Termin zum<br />

Mittagessen in der Weltbank in Washington, das wir<br />

ihr vermitteln konnten.<br />

Berlin ist ein guter <strong>und</strong> gleichzeitig schwieriger Ort <strong>für</strong><br />

den Start. Die Stadt ist groß, vielleicht zu groß. Aber<br />

es gibt unglaublich viele Angebote <strong>und</strong> man findet<br />

immer kostenfreie Veranstaltungen – eben auch<br />

Workshops. Wir finden: Was etwas wert ist, darf<br />

durchaus auch etwas kosten. Und <strong>Frauen</strong> sind<br />

sowieso zögerlicher, etwas <strong>für</strong> das zu verlangen, was<br />

sie rocken. <strong>Das</strong> sollte aufhören <strong>und</strong> wir unterstützen<br />

unsere <strong>Frauen</strong> auch dabei.<br />

Wir haben gerade die „Kickass Woman Challenge“ in<br />

den sozialen Medien gestartet, damit die <strong>Frauen</strong> sich<br />

zeigen <strong>und</strong> der Welt mutig sagen, wieso sie großartig<br />

sind.<br />

Wie lange haben Sie gebraucht, um die Idee in die<br />

Tat umzusetzen?<br />

Der erste Impuls kam Hannah im März 2017. Da gab<br />

es ein ursprüngliches Team mit sehr<br />

unterschiedlichen Wegen <strong>und</strong> dann auch Zielen. Als<br />

die beiden ehemaligen Teammitglieder andere<br />

Angebote angenommen haben, hat hiervon nur<br />

Hannah weiter an CoWomen gearbeitet. Anfang<br />

September 2017 hat sich dann sehr schnell das<br />

jetzige Team mit Sara <strong>und</strong> Kat zusammengef<strong>und</strong>en.<br />

Wir alle drei waren noch in Anstellungen, teilweise in<br />

Teilzeit. Und trotzdem haben wir es geschafft – dank<br />

eines Partners – Anfang Mai die ersten kleinen<br />

Räumlichkeiten in Berlin-Mitte zu eröffnen. Es hat mit<br />

dem jetzigen Team also etwa acht<br />

76


Monate gedauert. Und nun sind wir sechs Monate in<br />

den Räumen <strong>und</strong> können in größere Räumlichkeiten<br />

umziehen. Auch das ist wieder möglich dank<br />

großartiger Partner, die unsere Vision mittragen.<br />

Sie leiten das CoWomen zu dritt, jede mit einem<br />

ganz eigenen Professionsprofil. Wer macht was<br />

bei Ihnen?<br />

<strong>Das</strong> Gründerteam besteht aus Hannah Dahl,<br />

Sara-Marie Wiechmann <strong>und</strong> Katharina Brendel. Wir<br />

alle haben bereits Erfahrungen in der erfolgreichen<br />

Projektumsetzung <strong>und</strong> Leitung von Teams. Wir<br />

ergänzen uns in unseren Interessen <strong>und</strong> Talenten<br />

optimal. Wir arbeiten sehr eng zusammen <strong>und</strong><br />

entwickeln alle Bereiche gemeinsam. Jede passt<br />

perfekt zu Bereichen, die sie federführend<br />

verantwortet. So ist Hannah als Geschäftsführerin<br />

zuständig <strong>für</strong> die operativen Tätigkeiten von<br />

CoWomen <strong>und</strong> ermöglicht es dem Team, ihr<br />

Potenzial in ihren Zuständigkeitsbereichen optimal<br />

zu entwickeln <strong>und</strong> gewinnbringend einzusetzen.<br />

Sara kümmert sich als Head of Community um den<br />

Austausch der Mitglieder, die Gestaltung von<br />

Veranstaltungen <strong>und</strong> Öffentlichkeitsarbeit. Als Head<br />

of Communication ist Kat die Expertin <strong>für</strong> Marketing,<br />

Medien <strong>und</strong> alles, was veröffentlicht wird.<br />

Haben Sie Förderprogramme in Anspruch<br />

genommen <strong>und</strong> wenn ja, welche?<br />

Nein, noch nicht. Derzeit bewerben wir uns um den<br />

GründungsBONUS. Dies ist relativ neu <strong>und</strong> hierbei<br />

bekommt man bei erfolgreicher Zusage 50 % der<br />

Kosten bis zu 50.000 Euro zurück. Wir prüfen<br />

weitere Programme, sobald wir in den neuen<br />

Räumlichkeiten gut angekommen sind.<br />

Wir haben Ende Oktober eine<br />

Crowdf<strong>und</strong>ing-Kampagne <strong>für</strong> den Umzug in die<br />

neuen Räume gestartet. Wir brauchen<br />

Unterstützung, um den Raum mit Leben zu füllen!<br />

Wir möchten weiterhin kostenfreie Formate<br />

anbieten, damit die <strong>Frauen</strong> sich herantasten<br />

können.<br />

Sie haben erfolgreich gegründet. Was können<br />

Sie <strong>Frauen</strong> mit auf den Weg geben, die sich<br />

ebenfalls mit einer Gründungsidee tragen?<br />

Seid mutig!!! Denkt groß! Passt auf euch auf <strong>und</strong><br />

haltet durch. Und achtet auf das Team, das ist so<br />

wichtig. <strong>Das</strong> muss flutschen. <strong>Das</strong> Motto „if there is<br />

doubt, there is no doubt” ist etwas, woran man sich<br />

halten kann. Zudem müssen wir als <strong>Frauen</strong><br />

aufpassen, mit all den Enttäuschungen, denen man<br />

als Unternehmerinnen begegnet gut umzugehen.<br />

Die ersten Schritte sind schwierig, man hat Angst zu<br />

scheitern, man will nicht einfach starten <strong>und</strong><br />

ausprobieren. Was ist, wenn es jemandem nicht<br />

gefällt? Aber man muss nicht allen gefallen <strong>und</strong> die<br />

Produkte <strong>und</strong> Dienstleistungen sind nun mal nicht<br />

<strong>für</strong> alle gemacht.<br />

Kommen wir zum Praktischen: Wie kann man<br />

den CoWomen-Space nutzen? Einfach<br />

vorbeikommen?<br />

Alle sind willkommen! Wir haben Tagespässe <strong>und</strong><br />

Mitgliedschaften. Und auch einzelne Events wie<br />

Frühstück mit Impulsen oder Workshops, die sich<br />

gut anbieten, um uns, die Qualität unserer Arbeit<br />

<strong>und</strong> vor allem die großartigen <strong>Frauen</strong> bei uns<br />

kennenzulernen. Alle Veranstaltungen sind in<br />

unserem Kalender auf der Webseite zu finden. Eine<br />

CoWoman kann man zeitnah auch werden ohne<br />

Bedarf an einem Arbeitsplatz in Berlin zu haben.<br />

Vielen Dank <strong>für</strong> das Gespräch!<br />

Noch mehr Infos unter<br />

https://cowomen.com/de/<br />

hre Community-Veranstaltungen sind kostenlos.<br />

Wie finanzieren Sie sich?<br />

Derzeit machen wir Bootstrapping <strong>und</strong> haben<br />

CoWomen mit unserem Ersparten aufgebaut.<br />

Einnahmen generieren wir vor allem durch<br />

Mitgliedschaften, Workshops <strong>und</strong> auch den Shop.<br />

Für den Umzug in die großen Räume benötigen wir<br />

eine Finanzierung <strong>und</strong> bewerben uns bei den<br />

Banken nun um einen Gründungskredit mit guten<br />

Konditionen. Daumen drücken!<br />

77


“Gesichter haben keine Fehler !”<br />

Anti.Mono.Stereo.<br />

ein Projekt von Tomaso Baldessarini,<br />

dem Start seiner internationalen Karriere<br />

Motiv: Anna von Rüden, 4 fache Mutter, 12 fache Großmutter,<br />

die mit 62 Jahren, diesem Shooting, ihre professionelle Karriere als Model startete<br />

78


„Ein Gesicht hat keine Fehler.“<br />

von Gabriele van den Berg<br />

Wie ein ausgewrungener Feudel legte sich der grau verhangene Himmel an diesem<br />

Tag über Berlin. Der Engel im zerschlissenen Trenchcoat lugte gelangweilt über den<br />

Dachfirst, zerfließende Zeit, endlose Trübsal...überall.<br />

Als Neu- <strong>und</strong> Fremdling in Berlin, auf der Suche nach<br />

dem angesagten Frühstückstcafé am<br />

Viktoria-Luise-Platz, fragte ich eine Passantin<br />

nach dem Weg, eine ältere Dame, wohl um die 70.<br />

Als ich sie ansprach, wendete sie sich mir zu<br />

…<strong>und</strong> lächelte. Ein Lächeln, das in jeder Hinsicht<br />

buchstäblich ein Strahlen war. Eine Korona feiner<br />

Linien legte sich um ihre Augen <strong>und</strong> überzog<br />

fächerartig ihr ganzes Gesicht.<br />

Ein intensiver Ausdruck von Gelassenheit.<br />

Wohl kaum etwas wirkt so unmittelbar auf<br />

uns wie ein Gesicht. Es vermittelt unwillkürlich<br />

eine Emotion: Zuwendung, Abweisung<br />

- in Bruchteilen von Sek<strong>und</strong>en. Als Resultat des<br />

komplexen Zusammenspiels von 34 Muskeln,<br />

enerviert durch den Facialisnerv <strong>und</strong> orchestriert<br />

durch unser Wollen <strong>und</strong> unwillkürlich in der<br />

Mikromimik.<br />

...auf den ersten Blick vermitteln die Bilder des<br />

Fotografen Tomasoc Baldessarinis<br />

dem Betrachter eine bedrängende Intensität <strong>und</strong><br />

Eindringlichkeit, durch ihre kompromisslose Klarheit.<br />

Die Ahnung des Kaleidoskops an Emotionen in<br />

diesen Köpfen, die unverstellt <strong>und</strong> unvermittelt<br />

Wirkung entfalten, entfachte Baldessarini, indem er<br />

die Portraitierten zu Begriffen wie Schicksal, Liebe,<br />

Verlust <strong>und</strong> Schmerz befragte.<br />

Für seine Bachelorarbeit begann er in 2012 sein<br />

fotografisches Projekt <strong>und</strong> fragte bei der Agentur<br />

Modelwerk ein “Best Ager” Model da<strong>für</strong> an:<br />

Anna von Rüden.<br />

Anna war erst seit Kurzem am “Board”.<br />

Sie startete ihre professionelle Karriere<br />

mit 62. Und der Verweigerung jeglicher chirurgischer<br />

Korrekturen an ihren Gesichtszügen, <strong>und</strong> dagegen<br />

Botox anzurühren. Eine Ausnahmeerscheinung.<br />

Anti.Mono..Stereo betitelte Baldessarini<br />

sein Projekt. 365 People Portraits entstanden,<br />

pur, ohne Puder <strong>und</strong> Maske, präzise.<br />

Vom Maler, dem Mann vom Kiosk, einer Reihe<br />

an Prominenten, bis zum Zirkusdirektor, 365<br />

Menschen die den Mut aufbrachten, sich ohne<br />

die üblichen beschönigende Prozeduren von<br />

Baldessarini portraitieren zu lassen.<br />

„Ein Gesicht hat keine Fehler,“<br />

sagt Tomaso Baldessarini<br />

Für den Start seiner Karriere als Fotograf<br />

war dies die anarchische Abkehr von einer<br />

Bilderwelt, die durch die Überdosis an<br />

Photoshop <strong>und</strong> Botox zu einer<br />

seelenlosen Plattitüde verkommen war.<br />

Für Anna von Rüden <strong>und</strong> den Start ihrer<br />

Karriere als Bestager-Model war es die<br />

anarchische Abwehr der Bedrängnis,<br />

als Frau, Mutter <strong>und</strong> Großmutter,<br />

ab einem sozial aufgedrängten Alter,<br />

vom Radar der öffentlichen Wahrnehmung<br />

zu verschwinden.<br />

Baldessarinis Projekt Anti.Mono.Stereo<br />

stellt die Auflehnung gegen die Monotonie<br />

der Stereotypisierung dar, der wir tagtäglich<br />

ausgesetzt sind,<br />

im beruflichen, wie auch im privaten Kontext.<br />

79


"Ich habe am Anfang immer das Falsche gemacht.”<br />

sagt Tomaso. Doch das stand seinem Erfolg nicht<br />

im Weg. Im Gegenteil:<br />

Für Tomaso <strong>und</strong> Anna haben sich alle Irrwege<br />

schließlich ausgezahlt. Nach mühseligen Jahren,<br />

einigen Tiefschlägen. Um nachhaltig Erfolge zu<br />

erzielen, hilft die Erkenntnis, dass es auf der<br />

RollerCoasterfahrt des Lebens nicht allein auf den<br />

philosophischen Pathos ankommt,<br />

der besagt, dass das Leben<br />

halt Höhen <strong>und</strong> Tiefen hat.<br />

Vielmehr ist es eine Frage des mindsets <strong>und</strong><br />

der Erkenntnis, dass wir aus der Fahrt<br />

abwärts die Energie ziehen können, um den<br />

Elan <strong>für</strong> den Weg zum G ipfel zu gewinnen.<br />

Optimismus hilft,<br />

allerdings nicht allein in der stereotypischen<br />

Auffassung, dass dies der Glaube sei, dass<br />

stets alles gut ausgeht.<br />

Vielmehr liegt Optimismus darin, zu erkennen,<br />

dass sich alle Hindernisse, alle Stürze, bei denen<br />

wir uns Schrammen zugezogen haben, einen Sinn<br />

haben. Sofern wir daraus einen machen, indem wir<br />

bereit sind, die lessons learned <strong>für</strong> den nächsten<br />

Versuch daraus zu ziehen.<br />

Dann stellen gescheite-rte Versuche eine<br />

Qualifizierung <strong>für</strong> das nächste, <strong>und</strong> noch<br />

ambitioniertere Projekt dar.<br />

Photo: Tomaso Baldessarini<br />

www.baldessarinistudio.com<br />

Baldessarinis Mission ist es, einzigartige,<br />

tiefe Geschichten zu erzählen, in denen<br />

er Videografie <strong>und</strong> Portraits kombiniert.<br />

Seine Überzeugung ist, dass Qualität die<br />

einzige Möglichkeit ist, die Zukunft der<br />

Kreativwirtschaft zu retten.<br />

<strong>Das</strong> alles hinterlässt Spuren,<br />

auf Seele <strong>und</strong> Gesicht.<br />

Tomaso Baldessarini fordert dazu auf,<br />

die Zeichen des Lebens zu zeigen, statt sie<br />

hinter einer Fassade zu verbergen.<br />

In den letzten vier Jahren gewann Tomaso<br />

acht internationale Preise.<br />

Im November 2017 wurde er EIZO Global<br />

Ambassador. Seit Mai 2018 ist er offizieller<br />

Leica Botschafter.<br />

80


Tomaso Baldessarini<br />

www.baldessarinistudio.com<br />

geb. 1984 in einer thüringischen Kleinstadt,<br />

unter anderen Namen, floh die provinzielle Enge:<br />

zunächst nach Heidelberg, später nach Lucca,<br />

wo er BWL, VWL <strong>und</strong> <strong>Wirtschafts</strong>informatik studierte.<br />

Anna von Rüden, inzwischen 68 Jahre, 4fache Mutter,<br />

12fache Großmutter ist weiter denn je davon entfernt,<br />

vom Radar der öffentlichen Wahrnehmung zu<br />

verschwinden. Inzwischen hat sie reichlich Catwalk<br />

Erfahrung, war Model in einem Spot von D&G,<br />

erhält Anfragen von Vivienne Westwood.<br />

Gerade erschien ihr Buch im Gräfe Unzer Verlag<br />

“Jeden Tag auf Neue glücklich sein,”<br />

Annas LebensMotto <strong>und</strong> der Titel ihres Buches.<br />

81


Bücher<br />

Autorin Anna von Rüden<br />

Verlag Gräfe Und Unzer, 2018<br />

ISBN 3833867671, 9783833867675<br />

Jeden Tag aufs Neue glücklich: Für Träume ist man nie zu alt<br />

Von Anna von Rüden<br />

Macht das Alter unsichtbar? In einer Welt der ewigen Jugend kommt man schnell zu diesem<br />

Schluss. Anna von Rüden ist der beste Beweis, dass dem nicht so ist. Sie ist ein beliebtes <strong>und</strong><br />

gefragtes Fotomodel – <strong>und</strong> das mit über 60. In ihrem Buch erzählt sie von ihren Erfahrungen,<br />

von Brüchen, Neuanfängen <strong>und</strong> vielen Möglichkeiten in jedem Moment des Lebens.<br />

Gemodelt hat sie in ihrem Arbeitsleben nicht immer, sondern war auch Sozialpädagogin in<br />

einem sozialen Brennpunkt. Ihre ungewöhnliche Geschichte, die Mut macht <strong>und</strong> geprägt ist von<br />

positiver Lebensenergie, ist ein Wegweiser <strong>für</strong> mehr Lebensfreude <strong>und</strong> Erfüllung in jedem Alter.<br />

Auch bei ihr läuft nicht immer alles glatt, aber wer sich die Neugier auf die Welt bewahrt, wer<br />

offen ist <strong>für</strong> alles Neue, der kann die Schranken im eigenen Kopf immer wieder einreißen. Dazu<br />

braucht es vor allem Lebensmut, Energie <strong>und</strong> Humor. Ihre Erkenntnisse darüber was im Leben<br />

wirklich zählt – <strong>und</strong> jung hält – lassen die Angst vor dem Älterwerden verschwinden.<br />

82


Helma Sick<br />

Aufgeben kam nie in Frage: Warum ich da<strong>für</strong><br />

kämpfe, dass <strong>Frauen</strong> ihr eigenes Geld haben. Der<br />

Lebensbericht der Brigitte-Finanzexpertin<br />

Zum ersten Mal gibt Helma Sick Einblick in ihre<br />

spannende <strong>und</strong> bewegende Lebensgeschichte.<br />

Erfolg <strong>und</strong> Selbstbewusstsein wurden ihr keineswegs in<br />

die Wiege gelegt, sondern unter harten Bedingungen<br />

selbst erarbeitet. <strong>Das</strong> beschreibt sie ohne Larmoyanz<br />

<strong>und</strong> mit einer anpackenden Haltung, die verblüfft <strong>und</strong><br />

gleichzeitig Mut macht, das eigene Leben in die Hand zu<br />

nehmen!<br />

Geb<strong>und</strong>ene Ausgabe: 256 Seiten<br />

Verlag: Kösel-Verlag (1. Oktober 2018)<br />

ISBN-10: 9783466346844<br />

Anne Koark<br />

Insolvent <strong>und</strong> trotzdem erfolgreich<br />

'Mein Name ist Anne Koark <strong>und</strong> ich bin<br />

insolvent!'. Offensiv geht die britische<br />

Autorin, alleinerziehende Mutter <strong>und</strong> bis vor<br />

kurzem erfolgreiche Unternehmerin, mit ihrer<br />

Insolvenz an die Öffentlichkeit.<br />

In ihrer tagebuchartigen Autobiographie<br />

schildert sie minutiös die Geschichte des<br />

wirtschaftlichen Untergangs ihrer<br />

<strong>Frauen</strong>firma 'Trust in Business', ohne dabei<br />

ihren schrägen britischen Humor zu<br />

verlieren.<br />

Die Autorin bricht mit ihrer Autobiographie<br />

ein Tabu. Mutig <strong>und</strong> entschlossen verleiht<br />

sie der Insolvenz ein Gesicht, ihr eigenes!<br />

Anne Koark macht die Insolvenz<br />

gesellschaftsfähig!<br />

Geb<strong>und</strong>ene Ausgabe: 277 Seiten<br />

Verlag: Insolvenzverlag.de (1. April 2006)<br />

ISBN-10: 3981095405<br />

83


Bücher<br />

J.K. Rowling<br />

Was wichtig ist<br />

Als J.K. Rowling 2008 gebeten wurde, die<br />

Abschlussrede an der Harvard University zu halten,<br />

wählte sie da<strong>für</strong> zwei Themen, die ihr sehr am Herzen<br />

liegen: den Nutzen des Scheiterns <strong>und</strong> die Kraft der<br />

Fantasie.<br />

Die Erfahrungen, von denen J.K. Rowling erzählte,<br />

<strong>und</strong> die provokanten Fragen, die sie den jungen<br />

Absolventen stellte, haben seither zahlreiche<br />

Menschen inspiriert, darüber nachzudenken, was<br />

wirklich zählt im Leben. Scheitern, Schicksalsschläge,<br />

Fantasie <strong>und</strong> Inspiration - diese Themen sind<br />

immer wieder von großer Bedeutung <strong>für</strong> Menschen,<br />

die an einem Wendepunkt stehen.<br />

Geb<strong>und</strong>ene Ausgabe: 80 Seiten<br />

Verlag: Carlsen (30. November 2017)<br />

ISBN-10: 9783551587770<br />

84


Event-TIPPS<br />

12.<br />

Die Gründerwoche Deutschland findet vom<br />

12. bis 18. November 2018 statt.<br />

Weitere Informationen über die<br />

Veranstaltung des BMWi gibt es<br />

unter https://www.gruenderwoche.de/<br />

14.<br />

Auftaktveranstaltung zur Equal Pay Day<br />

Kampagne:<br />

Die Kampagne 2019 startet am 14. November<br />

2018 im B<strong>und</strong>esministerium <strong>für</strong> Familie,<br />

Senioren, <strong>Frauen</strong><br />

<strong>und</strong> Jugend (BMFSFJ) in der Glinkastr. 24,<br />

10117 Berlin-Mitte.<br />

15.<br />

17.<br />

Am 15.11.2018 findet der Gründerinnentag im<br />

Rahmen der Gründerwoche Deutschland statt.<br />

Bereits zum dritten Mal veranstaltet die<br />

Gründungsberatung MOBIL den<br />

Gründerinnentag <strong>für</strong> Unternehmerinnen,<br />

Chefinnen <strong>und</strong> gründungsinteressierte <strong>Frauen</strong>.<br />

Infos unter https://www.bfgoe.de<br />

TEDx Talk in Frankfurt<br />

“Successful people learn from the<br />

mistakes of others” mit<br />

Anne Koark. Am 17.11.2018 in Frankfurt<br />

an der School of Finance & Management.<br />

Näheres unter tedxfs.event-discovery.de<br />

85


Für dieses Jahr klappen wir den Rechner.<br />

zu <strong>und</strong> freuen uns, wenn wir Ihnen im<br />

Januar 2019 unser nächstes Magazin<br />

vorstellen dürfen.<br />

Thema: New Work.<br />

Ihr <strong>SHE</strong> <strong>works</strong>!-Team<br />

86

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