06.11.2018 Aufrufe

Immobilia 2010/09 - SVIT

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Fokus<br />

Interview<br />

In der Realität wird viel<br />

Dutzendware gebaut.»<br />

«Ein typischer Gewerbebau mit weltweit einheitlichem Erscheinungsbild. Einen<br />

Beitrag zum Städtebau vermag ich allerdings nicht zu erkennen – nichts Innovatives,<br />

kein Anspruch an die Nachhaltigkeit. Dabei könnte doch gerade ein Unternehmen,<br />

dass so viel Bauland verbraucht, Agglomeration und Verkehr provoziert,<br />

städtebauliche Verantwortung übernehmen.» Bild: IKEA.<br />

«Eine bestimmte ästhetische Auffassung, die sich über die Produkte<br />

hinaus auch auf dieses Gebäude erstreckt: Materialen in einer<br />

Art und für einen Zweck zu verwenden, für die sie ursprünglich<br />

nicht vorgesehen waren. Ich halte dies für einen intelligenten<br />

‹Missbrauch›, ein ‹Ready-Made› auf Zeit inmitten einer Industriebrache,<br />

das Provisorische ist Programm.» Bild: Freitag.<br />

eigentlichen Aufgabenstellung auch überhaupt<br />

nichts zu tun. Als die Visualisierung<br />

dann jedoch vorlag, das Gebäude also<br />

«sichtbar» wurde, standen solche Beschreibungen<br />

plötzlich im Raum. Die Visualisierung<br />

war in der Projektphase lediglich ein<br />

Mittel gewesen, das Objekt verständlich zu<br />

machen, trotzdem war sie nichts weiter als<br />

eine Fata Morgana. Form und Ausdruck der<br />

Berghütte waren nie Teil einer Kommunikationsstrategie.<br />

Die Benennung wurde<br />

Eine gelungene Idee<br />

kann auf ganz wenige<br />

Grundsätze reduziert sein.»<br />

vielmehr «a posteriori» in den Medien kreiert,<br />

weil dort komplexe Sachverhalte nur<br />

schwer zu kommunizieren sind. Also wurde<br />

das Schlagwort vom Bergkristall in die<br />

Welt gesetzt, das sich seither hartnäckig<br />

hält.<br />

–Heisst das, dass die wenigsten Auftraggeber<br />

ein Projekt mit einer Botschaft<br />

verbinden?<br />

–Im Gegenteil! Die Frage der Repräsentation<br />

stellt sich immer. Wofür steht das Gebäude?<br />

Was soll das Gebäude leisten? Wie<br />

lange soll es bestehen? Wie viel Flexibilität<br />

ist erforderlich? Wichtig ist, dass das nicht<br />

eindimensionale Fragestellungen sind,<br />

sondern eine gesamtheitliche Betrachtung<br />

der Aufgabenstellung vorgenommen wird.<br />

In der allerersten Auslegeordnung werden<br />

zentrale Weichen gestellt – später kann nur<br />

noch in Feinbereichen justiert werden. Es<br />

braucht deshalb vorab eine «Arbeitshypothese»,<br />

eine gute Idee. Die gute Idee ist das<br />

Gegenteil von einer simplen Idee, die nur<br />

vordergründigen Effekt im Sinn hat. Die gute<br />

Idee ist ein Hebel mit maximaler Stellwirkung<br />

auf das ganze Gebäude, ihr Ziel<br />

muss Nachhaltigkeit sein. Darum ist die gute<br />

Idee so viel wert.<br />

–Wann verdient ein Objekt eine<br />

Benennung?<br />

–Wenn ein Projekt Eigenschaften aufweist<br />

und Qualitäten entwickelt, die nicht in der<br />

Alltagsproblemstellung verharren, ist ein<br />

stärkerer Ausdruck grundsätzlich möglich.<br />

Diese müssen sich übrigens nicht nur auf<br />

das Erscheinungsbild beschränken. Eine<br />

starke Form darf allerdings nie zur leeren<br />

Hülse verkommen, das wäre in der Architektur<br />

und im Städtebau fatal. Wir müssen<br />

uns gleichzeitig auch vor Augen führen,<br />

dass fast 90% aller Planungen ein zentrales<br />

Alltagsproblem betreffen: den Wohnungsbau.<br />

Es hat keinen Sinn, aus jedem<br />

Wohnhaus einen «Granatenkracher» machen<br />

zu wollen, nur weil es darum geht, ein<br />

Kommunikationsziel zu verfolgen, oder,<br />

noch schlimmer, Aufmerksamkeit zu erregen.<br />

Ein gutes Stadtbild besteht oft aus solide<br />

gemachten Häusern, die untereinander<br />

nicht in Konkurrenz stehen müssen.<br />

Das Ziel ist erreicht, wenn man gut darin<br />

wohnen kann, wenn sich die Bewohner daheim<br />

fühlen, und das Ensemble der Wohnhäuser<br />

qualitätvolle Stadträume bildet.<br />

–Ist der Anspruch, ein «Landmark» zu<br />

setzen, also vermessen?<br />

–Der Begriff «Landmark» wäre noch zu definieren.<br />

In der Stadt, in einem grossen Verband<br />

an Gebäuden, ist zwar jedes Gebäude<br />

Wert, mit einem gewissenhaften Anspruch<br />

geplant und realisiert zu werden. Es wäre<br />

aber vermessen und brächte grauenhafte<br />

Exzesse mit sich, wenn Architekten<br />

den Anspruch erheben würden, mit jedem<br />

Bau auch eine einzigartige Wahrnehmung<br />

schaffen zu wollen. Das wäre wie ein Orchester,<br />

in dem jeder Musiker Solo spielen<br />

will. Das mag in einem Konzert vielleicht als<br />

Experiment erträglich sein. Wenn wir dieses<br />

Experiment aber tagtäglich über uns ergehen<br />

lassen müssten, würden wir augenblicklich<br />

die Flucht ergreifen. Ein Bauwerk<br />

kann herausragend sein, ohne dass ich ihm<br />

das äusserlich auf den ersten Blick ansehen<br />

muss, es kann sogar «leise» sein in seinem<br />

Ausdruck und seine Qualitäten erst auf den<br />

zweiten Blick offenbaren.<br />

10 | immobilia September <strong>2010</strong>

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!