Immobilia 2010/09 - SVIT
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Fokus<br />
Corporate Architecture<br />
Iwan Bann © Vitra<br />
Das Vitra-Haus. Im Jahr 2004 lancierte der Möbelbauer<br />
Vitra eine «Home Collection». Weil für die<br />
Präsentation auf dem Vitra Campus in Weil am<br />
Rhein bislang keine Räume zur Verfügung standen,<br />
erhielten die Basler Architekten Herzog & de Meuron<br />
im Jahr 2006 den Auftrag, das Vitra-Haus für<br />
die Home Collection zu entwerfen. Das Konzept<br />
des VitraHaus verbindet zwei Themen, die bei Herzog<br />
& de Meuron wiederholt auftauchen: das Thema<br />
des Urhauses und das der Stapelung von Räumen.<br />
In Weil am Rhein lag es besonders nahe, auf<br />
die Idee des Urhauses aus fünf Flächen zurückzukehren,<br />
weil es sich um ein Gebäude handelt, in<br />
dem Einrichtungsgegenstände für den häuslichen<br />
Gebrauch präsentiert werden.<br />
Jugendherberge Scuol. Der Bau der Jugendherberge<br />
in Scuol ist spezifisch für den Ort gedacht und<br />
entworfen: Ein monolithischer Einzelbau, der die<br />
Stärke und Massivität eines alten Engadiner Hauses<br />
ausstrahlt, für den Ort gebaut ist und doch Eigenständigkeit<br />
und die Philosophie des Vereins verkörpert.<br />
Es ist die gelungene Synthese zwischen moderner<br />
Architektur und lokaler Baukunst. Im<br />
Minergie-Eco-Standard mit einheimischen, unbehandelten<br />
natürlichen Materialien erstellt, an zentraler<br />
Lage und regional verankert, wird das Haus und<br />
die Philosophie des Unternehmens zu einem Musterbeispiel<br />
umfassender Nachhaltigkeit.<br />
Die moderne Bayer-Konzernzentrale und die historischen<br />
Verwaltungsbebäude stehen sich gegenüber.<br />
lung, stechen sie noch mehr ins Auge. Heinrich<br />
Beer äussert sich kritisch dazu: «Identität<br />
durch Architektur sagt noch nichts<br />
über Qualität dieser Architektur aus.» Würden<br />
bei Coop-Verkaufsstellen die Logos<br />
entfernt, so liessen sich die Gebäude beim<br />
äusseren Blick nicht als solche identifizieren.<br />
Laut Heinrich Beer strebt Coop dies<br />
auch keinesfalls an. Anpassung an die äusseren<br />
Gegebenheiten und Nähe zum Kunden<br />
sind aus seiner Sicht wichtiger. Allerdings<br />
ist es für die Käufer von grosser<br />
Bedeutung, im Innern des Gebäudes auf einen<br />
immer gleichen Ablauf zu stossen.<br />
Während Verhandlungen mit Gemeindebehörden<br />
und Liegenschaftenbesitzern spürt<br />
Coop gerade wegen ihrem unaufdringlichen<br />
Erscheinungsbild gegen aussen das<br />
Wohlwollen der Gesprächspartner.<br />
Mehr als nur Zweck. Für Urs Bratschi sind<br />
Unternehmensgebäude mehr als nur eine<br />
zweckmässige Lösung zur Unterbringung<br />
der Infrastruktur. «Corporate Architecture<br />
ist Ausdruck der inneren Haltung von Unternehmen.»<br />
Als typisches Beispiel nennt<br />
er die Gebrüder Freitag. Sie stellen Damen-,<br />
Herrentaschen und Accessoires aus<br />
gebrauchten Materialien her, die auf der<br />
Strasse zu Hause waren: LKW-Planen, ausrangierte<br />
Autogurte, abgewetzte Fahrradschläuche<br />
und rezyklierte Airbags. Das<br />
Hauptgebäude in Zürich besteht aus alten<br />
Gütercontainern und stellt, so Urs Bratschi,<br />
«einen Landmark zwischen den diversen<br />
Verkehrsachsen aus Strasse und Schiene<br />
dar. Alles ist authentisch, Produkt, Materialisierung,<br />
Standort.»<br />
Ebenfalls ein besonderes Gebäude<br />
ist die neue Monte Rosa-Hütte, der «Bergkristall»<br />
mit Aussicht aufs Matterhorn. An<br />
der Berghütte lassen sich wegweisende<br />
Im Januar eröffnete Coop den Muripark in<br />
unmittelbarer Nähe zum Kloster.<br />
neue Technologien in Entwurf, Berechnung<br />
und Fertigung von Bauten exemplarisch<br />
darstellen – mit dem Ziel, hervorragende<br />
und innovative Architektur zu<br />
realisieren. An exponierter Lage auf 2883<br />
Metern über Meer steht die Hütte, die sich<br />
zu über 90% selber mit Energie versorgt.<br />
Die ETH Zürich will an diesem Beispiel die<br />
gelungene Verknüpfung von ausgezeichneter<br />
Architektur mit Nachhaltigkeit und<br />
modernster Technologie zeigen.<br />
Sorgfalt. Auffällige Bauten setzen einen<br />
Meilenstein in der Geschichte einer Unternehmung.<br />
Dennoch scheint es wichtig zu<br />
sein, dass sie sich in ihre Umgebung einpassen.<br />
Das vorne genannte Beispiel der<br />
Monte Rosa Hütte fügt sich durch seine besondere<br />
Form in die felsige und kantige<br />
Umgebung ein. Das Swiss-Re-Gebäude in<br />
London passt sich in das bestehende Quartier<br />
ein und fällt dennoch auf. Auch Coop<br />
hat sich bei einer der letzten Neubauten im<br />
aargauischen Muri Gedanken zur Lage mitten<br />
im Zentrum gemacht. Das in der Nähe<br />
stehende Kloster sollte auf keinen Fall konkurrenziert<br />
werden. Heinrich Beer erinnert<br />
sich: «Das Coop Center soll sich bewusst<br />
vom Kloster abheben und eine andere Architektur<br />
zeigen. Die zuständigen Personen<br />
inklusive Denkmalpflege stellten sich an<br />
unterschiedlichen Stellen vor Ort die Frage,<br />
welcher Klosterausschnitt noch sichtbar<br />
sei und was abgedeckt werde. Diese Art<br />
von Bauplanung hat aus meiner Sicht viel<br />
mehr Entwicklungspotential als das Planen<br />
ab Konserve.» Das Ergebnis scheint laut<br />
Heinrich Beer den Mehraufwand zu rechtfertigen.<br />
Gewichtung. Urs Bratschi, Geschäftsführer<br />
der Baukoma AG, ist der Meinung, dass<br />
6 | immobilia September <strong>2010</strong>