Immobilia 2010/09 - SVIT
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Fokus<br />
Bankenarchitektur<br />
Von der Filiale zum Begegnungsze<br />
Die architektonische Umsetzung von Sicherheit, Vertraulichkeit und Seriosität hat in<br />
der Vergangenheit dazu geführt, dass Banken wie begehbare Tresore anstatt als Orte<br />
der Begegnung aussahen. Es gibt aber Beispiele, die zeigen, dass es auch anders geht.<br />
Jyske Bank mit Kaffee-Bar, Bildschirmen und Besprechungsräumen.<br />
Thomas stiefel*<br />
<br />
Offenheit versus Sicherheit. Als Bankkunden<br />
besuchen wir alle früher oder später<br />
eine Filiale oder den Hauptsitz. Der<br />
reale Ort der Begegnung ist damit für<br />
Banken eine ideale Gelegenheit zur Differenzierung<br />
im Wettbewerb.<br />
Zwangsläufig spielt sich dieser<br />
Differenzierungswettbewerb unter den<br />
Banken als Gegentrend zum Geldbezug<br />
über Bankomaten und zum Internet heute<br />
ganz wesentlich am Kontaktpunkt zum<br />
Kunden ab. Unabhängig von ihrer funktionalen<br />
Aufgabe von Geldtransaktionen<br />
oder Hypothekargeschäften stellen Banken<br />
damit einzigartige Orte der Begegnungskommunikation,<br />
des Dialoges mit<br />
dem Kunden dar. Hier wie an keinem anderen<br />
Ort lässt sich eine Marke erfahrbar<br />
und differenzierbar machen. Dieser<br />
Schritt ist eine grosse Herausforderung<br />
und heute beschäftigen sich weltweit<br />
praktisch alle Bankinstitute mit dem Thema,<br />
wie man die ehemaligen Schalterhallen<br />
in einen Ort der Begegnung und der<br />
Markenerfahrung verwandelt.<br />
Die Kunst ist es, einen Mittelweg<br />
zu finden zwischen dem Sicherheitsbedürfnis<br />
einer Bank und ihren Kunden und<br />
dem Thema Offenheit, weil sonst die<br />
Chance vergeben wird, im wörtlichen und<br />
übertragenen Sinn näher an den Kunden<br />
zu kommen. Traditionell wurden diese<br />
Ansprüche als unüberwindbare Gegensätze<br />
gesehen, aber heute ist ein weltweit<br />
nachweisbarer Sinneswandel im Gang,<br />
und man kann von einem eigentlichen Paradigmawandel<br />
hin zu einer offenen, nahen<br />
Bank sprechen.<br />
Differenzierung und Markenwerte. Das<br />
Markenerlebnis des Kunden spielt für den<br />
Differenzierungswettbewerb bei der Konzeption<br />
von Bankarchitekturen eine bedeutende<br />
Rolle. Es wird nicht mehr allein<br />
determiniert durch die Innenansicht eines<br />
Finanzinstitutes. Relevant sind heute auch<br />
gesellschaftlich relevante Aspekte wie<br />
Vertrauen, soziale Verantwortung oder<br />
Themen wie Globalisierung versus Lokalisierung.<br />
Damit muss sich eine Markenarchitektur<br />
nicht nur von innen nach aussen,<br />
sondern verstärkt auch von aussen<br />
nach innen orientieren. Der Kunde und<br />
weitere Anspruchsgruppen prägen dieses<br />
Bild mit. Eine Bank wird auch daran gemessen,<br />
welchen Beitrag sie zur Lebensqualität<br />
der Bevölkerung beiträgt.<br />
Schaffen von Emotionen. Weltweit sind<br />
Banken daran, den Übergang von einem<br />
reinen Dienstleistungsbetrieb für Finanzprodukte<br />
zu emotionalen Markenwelten<br />
im Sinne von Brandlands und Flagship-<br />
Stores zu vollziehen, die den Kunden<br />
nicht mit Produkten «zudecken», sondern<br />
ihn da abholen, wo er sich gerade<br />
befindet: bei seinen Emotionen.<br />
Architektonisch geht dies einher<br />
mit der Abkehr von den klassischen Materialwelten<br />
der Vergangenheit, die geprägt<br />
waren durch «kalte» Materialien<br />
wie Marmor, Granit, Glas oder schwarzem<br />
Leder. An der künftigen Schnittstelle<br />
zum Kunden geht es darum, die Dienstleistungen<br />
und die Marke über alle Sinne<br />
erlebbar zu machen. Entweder haptisch<br />
mit neuen Materialien oder über das Ohr<br />
durch dezente Musik, über den Geruchssinn<br />
durch Duftkonzepte, visuell durch<br />
Bilder und Farben, aber auch interaktiv,<br />
indem man die Kunden in eine Auseinandersetzung<br />
mit den Produkten und den<br />
Themen einer Bank involviert.<br />
Ein gelungenes Beispiel ist die<br />
Raiffeisenbank. In Thalwil bei Zürich bewegt<br />
sich der Kunde beim Eintritt nicht<br />
mehr auf einem granitglänzenden Bo-<br />
14 | immobilia September <strong>2010</strong>