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n KOMMUNALES<br />
8<br />
„Frauen sollten mehr Mut haben“<br />
29. November 2018<br />
Vor 100 Jahren erhielten die Frauen in Deutschland das Wahlrecht. Doch ist ihr Anteil im Bundestag (30,7 Prozent), in den Landesparlamenten<br />
und vor allem in den kommunalen Räten nach wie vor gering. Es gibt nur zehn Prozent Bürgermeisterinnen<br />
bundesweit. In den Kreis- und Gemeinderäten reicht der Frauenanteil von rund 28 Prozent bis null. Warum ist das so? Und<br />
was kann man dagegen tun? Darüber sprach Britta Lübbers mit der CDU-Fraktionsvorsitzenden Susanne Lamers.<br />
rr: Frau Lamers, im Rasteder<br />
Gemeinderat sind von 35 Mitgliedern<br />
neun Frauen. Das ist<br />
nicht zufriedenstellend, oder?<br />
Lamers: Nein, überhaupt<br />
nicht. Mir ist dieses Problem<br />
sehr bewusst. Ich habe bereits<br />
in meiner Haushaltsrede 2015<br />
gesagt: Der Rat muss jünger<br />
werden, bunter und weiblicher.<br />
rr: Und warum ist er es dann<br />
nicht geworden?<br />
Lamers: Nun, jünger geworden<br />
sind wir schon, allein in unserer<br />
Fraktion gibt es jetzt mehr<br />
junge Mitglieder. Aber mit dem<br />
geringen Frauenanteil dürfen<br />
wir uns nicht zufrieden geben.<br />
Dagegen müssen aber auch die<br />
Frauen selbst etwas tun.<br />
rr: Und was?<br />
Lamers: Frauen sollten den<br />
Mut haben, Themen zu besetzen.<br />
Sie haben Kompetenzen,<br />
und zwar nicht nur für weiche,<br />
sondern auch für so genannte<br />
harte Themen, also zum Beispiel<br />
für die Wirtschaftspolitik.<br />
rr: Im Wirtschafts- und Finanzausschuss<br />
sind Sie die einzige<br />
Frau.<br />
Lamers: Und das ist nicht in<br />
Ordnung.<br />
rr: Aber müssen nur die Frauen<br />
sich ändern?<br />
Lamers: Ganz und gar nicht.<br />
Die gesamte Gesellschaft ist<br />
gefordert, die Rahmenbedingungen,<br />
unter denen Politik gemacht<br />
wird, zu hinterfragen. Das<br />
fängt im Gemeindeverband an.<br />
Wir müssen uns öffnen, Frauen<br />
ansprechen, sie für die Mitarbeit<br />
gewinnen. Ein Gemeinderat<br />
sollte die Bevölkerung<br />
widerspiegeln. Es gibt über 50<br />
Prozent Frauen im Land. Dieses<br />
Verhältnis muss sich in den<br />
Gremien wiederfinden.<br />
rr: Was genau schlagen Sie<br />
vor?<br />
Lamers: Wir Ratsfrauen führen<br />
zurzeit mit der Rasteder<br />
Gleichstellungsbeauftragten,<br />
die sehr engagiert ist, Gespräche<br />
zum Thema. Auf Landesebene<br />
gibt es ja bereits Mentoring-<br />
Programme, ich habe selbst als<br />
Mentorin gearbeitet. Die Idee<br />
ist, dass politisch erfahrene<br />
Frauen den neuen, die sich zur<br />
Wahl stellen möchten, zur Seite<br />
stehen, sie beraten und unterstützen.<br />
Das wollen wir direkt<br />
vor Ort in Rastede anbieten. Wir<br />
möchten interessierte Frauen<br />
ins Rathaus holen, mit ihnen darüber<br />
sprechen, wie Kommunalpolitik<br />
funktioniert, vielleicht<br />
auch Rhetorikkurse anbieten.<br />
Notfalls muss das Geld dafür<br />
in den Haushalt eingestellt<br />
werden. Wichtig ist mir, dass<br />
ein solches Projekt parteiübergreifend<br />
stattfindet. Ich habe<br />
in meinem Gemeindeverband<br />
übrigens darauf gedrungen,<br />
dass jeder dritte Listenplatz mit<br />
einer Frau besetzt ist. Das Ziel<br />
muss sein, dass es jeder zweite<br />
Platz wird. Ich habe einmal<br />
die treffende Aussage gehört:<br />
Wenn ein wichtiger Posten frei<br />
wird, gibt es immer einen Mann,<br />
der ihn sofort besetzen möchte.<br />
Frauen überlegen zuerst. Und<br />
während sie noch überlegen, ist<br />
der Posten dann tatsächlich von<br />
einem Mann besetzt.<br />
rr: Apropos: Es gibt inzwischen<br />
vier Anwärter auf das<br />
Bürgermeisteramt in Rastede.<br />
Susanne Lamers ist seit 2006 im Rasteder Gemeinderat, seit 2011<br />
ist sie CDU-Fraktionsvorsitzende | Foto: privat<br />
Es sind alles Männer, was in der<br />
öffentlichen Diskussion aber<br />
niemandem negativ aufzufallen<br />
scheint. Haben Sie als CDU-<br />
Fraktionsvorsitzende auch darüber<br />
nachgedacht, Ihren Hut in<br />
den Ring zu werfen?<br />
Lamers: Ja, das habe ich. Es<br />
sind auch zahlreiche Bürgerinnen<br />
und Bürger auf mich<br />
zugekommen und haben mich<br />
gebeten, anzutreten. Ich habe<br />
mich dann selbst befragt, mich<br />
auch mit meiner Familie beraten<br />
und bin zu dem Ergebnis<br />
gekommen, dass ich weiterhin<br />
ehrenamtlich Politik machen<br />
möchte.<br />
rr: Angst vor der Verantwortung?<br />
Lamers: Nein, das ist es nicht.<br />
Ich traue mir ein solches Amt<br />
durchaus zu. Aber ich stehe<br />
inzwischen an einem anderen<br />
Punkt auf meinem Lebensweg.<br />
Für mich ist die Entscheidung<br />
stimmig.<br />
rr: Haben Sie selbst erlebt,<br />
dass es schwer sein kann, gegen<br />
die Männerdominanz in der<br />
Gremienarbeit zu bestehen?<br />
Lamers: Es war nicht immer<br />
einfach, aber ich habe mich<br />
behauptet. Frauen kämpfen in<br />
der Regel nicht mit harten Bandagen,<br />
sie setzen stärker auf<br />
Kommunikation, wollen durch<br />
Kompetenz überzeugen, nicht<br />
im Kampf siegen. So halte ich<br />
es, und ich fahre gut damit. Man<br />
lernt viel über sich in der Kommunalpolitik,<br />
dieses Ehrenamt<br />
kann eine wirkliche Bereicherung<br />
sein. Vorausgesetzt man<br />
ist bereit, sich immer wieder zu<br />
reflektieren.<br />
rr: Vielen Dank für das Gespräch.<br />
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