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Ein einzigartiges Nikolausspiel<br />
geht alljährlich in Pfunds<br />
über die Bühne. Dort pflegt<br />
man eine sehr alte Tradition,<br />
denn zumindest bereits im 18.<br />
Jahrhundert wurde dieses Spiel<br />
von der Jugend inszeniert.<br />
Auch heuer verkleideten sich<br />
vier Gruppen, um am 5. Dezember<br />
von Tür zu Tür zu gehen.<br />
Von Albert Unterpirker<br />
„Der Wiart jågt mi beim Loch aus“<br />
Pfunds zelebrierte wieder sein traditionelles Nikolausspiel<br />
Julia Pedrazzoli legt bei Selina<br />
Ramsbacher nochmals Hand an.<br />
Selina spielt den Nikolaus, und<br />
am Kostüm muss freilich alles passen.<br />
Nach und nach trudeln in der<br />
Wohnung Pedrazzolis die Mitglieder<br />
jener (Stuben-)Gruppe mit 13<br />
Teilnehmern im Alter von 14 bis 18<br />
Jahren ein, die an diesem Abend als<br />
eine von vier ab 17 Uhr in Pfunds<br />
von Tür zu Tür gehen wird. Dort<br />
sagt jedes Mitglied einen althergebrachten<br />
Spruch auf. 14 sind es an<br />
der Zahl. Die Sprüche wurden von<br />
jeher mündlich überliefert und 1971<br />
vom ehemaligen Hauptschuldirektor<br />
Robert Klien aufgeschrieben.<br />
Das Nikolausspiel gibt es sonst nirgends.<br />
„In keinem Nachbarort, es ist<br />
einzigartig, und das macht uns total<br />
stolz“, sagt Julia, die für die letzten<br />
Vorbereitungen ihre Wohnung zur<br />
Verfügung stellt. Den letzten Schliff<br />
erhalten alle Teilnehmer und deren<br />
(teilweise extravagante) Kleider. Hier<br />
wird noch eine Perücke zurechtgezupft,<br />
dort muss noch eine Schnur,<br />
die als Gürtel dient, die richtige Länge<br />
haben. Apropos 1800: Aus den<br />
Überlieferungen geht hervor, dass in<br />
diesem Jahr „die bairische Regierung<br />
ein behördliches Verbot des Spieles“<br />
auferlegte, dieses aber „nach dem<br />
Ende der bairischen Herrschaft 1815<br />
sofort wieder“ aufgehoben wurde,<br />
ist im Dorfbuch zu lesen. Glücklicherweise,<br />
möchte man beinahe<br />
formulieren. Denn das Nikolausspiel<br />
war im Dorf schon immer außerordentlich<br />
beliebt. „Wir sind bei<br />
der Bevölkerung extrem erwünscht“,<br />
nickt Julia, die Koordinatorin der<br />
Gruppe. Ausnahmen gäbe es eventuell<br />
bei der Figur des Teufels, „da<br />
sagen die Leute manchmal: der darf<br />
nicht mit“.<br />
12./13. Dezember 2018<br />
Noch rasch ein Foto für die RUNDSCHAU, in 20 Minuten geht’s los ins Dorf.<br />
EHRE. Bei der letzten Abschlussprobe<br />
läuft alles wie am<br />
Schnürchen ab. Aufregung unter<br />
den Teilnehmern (darunter ein junger<br />
Mann) gibt es nicht wirklich, jeder<br />
von ihnen war zumindest schon<br />
einmal mit von der Partie. Dennoch<br />
ist die Anspannung zu spüren. Die<br />
Stimmung aber passt perfekt, ist<br />
überaus harmonisch. „Oft bekommen<br />
wir etwas zu trinken“, erzählt<br />
Selina, die sich an eine lustige Begebenheit<br />
erinnert. „Von einem Mann<br />
haben wir mal eine Flasche Schnaps<br />
erhalten“, schmunzelt sie. Bis rund<br />
elf Uhr abends zieht die Gruppe<br />
durchs Dorf, klopft und läutet bei<br />
den Türen an. Dabei ist die Reihenfolge<br />
der Sprüche sehr wichtig,<br />
denn diese erzählen eine Geschichte.<br />
Etwa von einem „Bsuff“<br />
oder von zwei Engeln – Engel: Wir<br />
Engel haben den Befehl vernommen,<br />
und müssen heut noch auf<br />
die Erde kommen, mühsam war<br />
die weite Reis’, viel Stunden ging’s<br />
durch Schnee und Eis, wir scheuten<br />
nicht der Kälte Schmerz, gib uns<br />
zu erfreuen dieses Menschenherz.“<br />
Spruch des Bsuffs (torkelt hervor):<br />
Linker Hand, rechter Hand, ålles<br />
versoffen, ålles vertån. Kimmi i’s<br />
grad vom Turahaus, der Wiart jågt<br />
mi beim Loch aus. Die Wiartin<br />
schenkt miar nimmer ein, wås söll<br />
den då die Ursåch sein? Und immer<br />
wieder stellt sich ein Bezug zum<br />
Ort selbst dar. Gibt es eine interne<br />
Festlegung, wer welchen Spruch<br />
aufsagt? „Nein, eigentlich nicht“,<br />
schüttelt Julia den Kopf, „es ist<br />
überhaupt kein Thema, wer welche<br />
Rolle übernimmt – es gibt da keine<br />
Streiterei.“ Nachsatz: „Weil alle<br />
Auch bei der (bunten) Hexe wird noch der letzte Schliff gemacht.<br />
Julia Pedrazzoli (l.) hilft Selina Ramsbacher<br />
beim Kostüm.<br />
Sprüche ziemlich cool sind, und es<br />
eine Ehre ist, das zu machen!“ Und<br />
was gefällt einem besonders am Nikolausspiel?<br />
„Dass man soviel Anerkennung<br />
von den Leuten bekommt<br />
und die Freude bei den Kindern<br />
sieht.“ Bleibt zu hoffen, dass diese<br />
RS-Fotos: Unterpirker<br />
„Wichtig, dass wir zusammengefunden<br />
haben“, sagt Julia.<br />
Tradition noch lange hält. Obwohl:<br />
„Ein bisschen verloren scheint der<br />
Brauch schon zu gehen“, so Julia,<br />
die anfügt: „Umso wichtiger ist es,<br />
dass wir uns zusammengefunden<br />
haben und das gemeinsam machen!“<br />
RUNDSCHAU Seite 47