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Berliner Zeitung 14.12.2018

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4* <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 292 · F reitag, 14. Dezember 2018<br />

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Politik<br />

NACHRICHTEN<br />

Prozess gegen KZ-Wächter<br />

unterbrochen<br />

DerProzess gegen einen ehemaligen<br />

SS-Wachmann im Konzentrationslager<br />

Stutthof ist vorerst geplatzt.<br />

DasLandgericht Münster<br />

setzte das Verfahren am Donnerstag<br />

wegen einer schweren Herz-und<br />

Nierenerkrankung des 95-jährigen<br />

Angeklagten aus.Ein medizinischer<br />

Gutachter soll den Mann im Januar<br />

erneut untersuchen. Dann will der<br />

Vorsitzende Richter entscheiden,<br />

ob das Verfahren wieder vonvorn<br />

beginnen muss.Die Anklage wirft<br />

dem Mann aus dem Kreis Borken<br />

hundertfache Beihilfe zum Mord in<br />

dem deutschen KZ bei Danzig von<br />

1942 bis 1944 vor. (dpa)<br />

Landgericht bestätigt<br />

Hitlergruß-Urteil<br />

Ein33-Jähriger,der nach rechten<br />

Kundgebungen in Chemnitz einen<br />

Hitlergruß gezeigt hat, muss nicht in<br />

Haft. Nachdem der Mann am Donnerstag<br />

in zweiter Instanz die Taten<br />

gestanden hatte,verwarfdas Landgericht<br />

Chemnitz die Berufung des Angeklagten<br />

und der Staatsanwaltschaft.<br />

DieKammer bestätigte damit<br />

die Bewährungsstrafe vonacht Monaten<br />

aus erster Instanz. DieKammer<br />

hielt dem Angeklagten eine positive<br />

Sozialprognose zugute.Außerdem sei<br />

er während der Taten mit 1,45 Promille<br />

betrunken gewesen. (dpa)<br />

AfD-Kandidatin im zweiten<br />

Wahlgang durchgefallen<br />

DieAfD-Abgeordnete Mariana Harder-Kühnel<br />

ist bei derWahl zur stellvertretenden<br />

Bundestagspräsidentin<br />

erneut durchgefallen. Sieerhielt<br />

am Donnerstag im zweiten Wahlgang<br />

241 der 659 abgegebenen<br />

Stimmen. Nötig war die Mehrheit<br />

der 709 Bundestagsabgeordneten,<br />

also 355 Ja-Stimmen. Harder-Kühnel<br />

erhielt bereits in einem ersten<br />

Wahlgang Ende November nicht die<br />

nötige Stimmenzahl. Insgesamt<br />

sind drei Wahlgänge proKandidat<br />

möglich. (dpa)<br />

Korruptionsverdacht bei<br />

Reparatur der „Gorch Fock“<br />

125 Millionen Euro mehr als geplant soll<br />

die Reparatur der „Gorch Fock“ kosten. DPA<br />

Im Zusammenhang mit der Reparatur<br />

des Segelschulschiffs „Gorch<br />

Fock“ geht das Verteidigungsministerium<br />

einem Korruptionsverdacht<br />

nach. Am Mittwoch wurden die Obleute<br />

des Bundestags-Verteidigungsausschusses<br />

darüber unterrichtet,<br />

dass sich ein Mitarbeiter des Marinearsenals<br />

Wilhelmshaven bei seinen<br />

Vorgesetzten selbst der Vorteilsnahme<br />

bezichtigt hat. Er soll vergünstigte<br />

Darlehen mindestens von<br />

einem großen Auftragnehmer erhalten<br />

haben. (dpa)<br />

US-Senat stellt sich im Fall<br />

Khashoggi gegen Trump<br />

DerUS-Senat hat in einer Resolution<br />

den saudi-arabischen Kronprinzen<br />

Mohammed bin Salman als„verantwortlich<br />

für den Mord“andem Journalisten<br />

Jamal Khashoggi bezeichnet.<br />

Mitihrem Beschluss stellte sich die<br />

Kongresskammer am Donnerstag<br />

frontal gegen US-Präsident Trump,<br />

der die Beteiligung des Thronfolgers<br />

amVerbrechen anzweifelt. DerSenat<br />

befürwortete auch ein Ende der US-<br />

Unterstützung für den saudischen<br />

Militäreinsatz im Jemen. (AFP)<br />

Ungeliebter Kompromiss<br />

Der Regierungsvorschlag zum Werbeverbotfür Abtreibung drohtdie Koalition in eine neue Krisezustürzen<br />

Der Kompromissvorschlag<br />

der Bundesregierung zur<br />

Beibehaltung des Werbeverbots<br />

für Schwangerschaftsabbrüche<br />

stößt auf teils massive<br />

Kritik und könnte zur Belastungsprobe<br />

für die große Koalition<br />

werden. „Wir sind empört, dass (...)<br />

Frauenrechte so verraten und wir<br />

Ärztinnen weiterhin kriminalisiert<br />

werden“, erklärte die Gießener Ärztin<br />

Kristina Hänel, deren Fall die Debatte<br />

um Paragraf 219a ausgelöst hatte.Die<br />

Ärztin hatte Abtreibungsinformationen<br />

zum Herunterladen angeboten<br />

und wurde zu 6000 Euro Geldstrafe<br />

verurteilt. Hänel kritisierte gegenüber<br />

der <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> (RedaktionsnetzwerkDeutschland<br />

RND) die SPD<br />

für den Kompromissvorschlag: „Von<br />

der SPD hat man etwas anderes erwartet“,<br />

sagte sie. „Die Sozialdemokratische<br />

Partei hat immer gesagt:<br />

,Der 219a ist ein Armenparagraf. Wir<br />

müssen uns für Frauenrechte einsetzen.‘<br />

Dass sie hier eine Zensur zementieren<br />

wollen, ist nicht zu verstehen<br />

und hat mit Sozialdemokratie gar<br />

nichts mehr zu tun.“ Über die SPD ärgeresie<br />

sich am meisten –„zumal sie<br />

ursprünglich etwas anderes gesagt<br />

hat und womöglich auch etwas anderesdenkt“,<br />

so Hänel.<br />

Nach monatelangen Debatten<br />

hatten sich fünf beteiligte Minister<br />

auf eine Sowohl-als-auch-Lösung<br />

geeinigt. Das Werbeverbot bleibt<br />

demnach bestehen, aber die Informationen<br />

für Frauen, die ungewollt<br />

schwanger geworden sind, werden<br />

verbessert. Paragraf 219a verbietet<br />

„Werbung“ für Schwangerschaftsabbrüche<br />

–demnach macht sich schon<br />

strafbar, wer „seines Vermögensvorteils<br />

wegen“ öffentlich Schwangerschaftsabbrüche<br />

anbietet. Die SPD<br />

will den Paragrafen streichen, die<br />

CDU ihn beibehalten. Er soll nun ergänzt<br />

werden und die Rechtssicherheit<br />

für Ärzte, die Abtreibungen anbieten,<br />

erhöht werden.<br />

Machtfrage für Andrea Nahles<br />

Besonders für die SPD-Vorsitzende<br />

Andrea Nahles entwickelt sich die<br />

Sach- zu einer Machtfrage. Denn es<br />

gäbe im Bundestag eine Mehrheit<br />

von SPD, Linken, Grünen und FDP<br />

für die Abschaffung des Paragrafen<br />

219a. Der FDP-Vorsitzende Christian<br />

Lindner sagte: „Die Urteile, die es zu<br />

den Webseiten von Medizinerinnen<br />

und Medizinerngegeben hat, würden<br />

alle genau so gefällt werden, wie sie in<br />

der Vergangenheit ausgeurteilt worden<br />

sind.“ Für die Ärztinnen und<br />

Ärzte würde sich also nichts verändern.<br />

„Deshalb kann die SPD diesen<br />

Kritiker sagen, die geltende Regel kriminalisiere Frauen und Mediziner.<br />

Das Gesetz: Paragraf 219a<br />

des deutschen Strafgesetzbuchs<br />

stellt Werbung für<br />

Schwangerschaftsabbrüche<br />

und damit verbundene Leistungen<br />

unter Strafe. Das Verbot<br />

zielt auf fast jede Form<br />

der Informationsverbreitung<br />

–soferndies mit einer geschäftlichen<br />

Absicht verbunden<br />

ist oder in „grob anstößigerWeise“<br />

geschieht.<br />

DER UMSTRITTENE PARAGRAF 219A<br />

Der Inhalt: Laut dem Gesetzestext<br />

ist es in Deutschland<br />

in diesem Zusammenhang illegal,<br />

„öffentlich, in einer<br />

Versammlung oder in schriftlicher<br />

Form“ eigene oder<br />

fremde Leistungen mit einem<br />

Abtreibungsbezug anzubieten,<br />

diese zu bewerben,<br />

anzukündigen oder sie „in<br />

Erklärungen“ bekanntzugeben.<br />

Die Folgen: Verstöße werden<br />

mitGeldstrafen oder bis zu<br />

zwei Jahre Haft geahndet. Es<br />

gibt nur wenige klar definierte<br />

Ausnahmen, bei denenvon<br />

einer Strafverfolgung abgesehenwird.<br />

So dürfen Ärzte und<br />

Beratungsstellenzum Beispieldarüber<br />

unterrichtet<br />

werden, welcheMediziner<br />

Schwangerschaftsabbrüche<br />

vornehmen.<br />

Anruf vor dem Anschlag<br />

IMAGO<br />

Vorschlag eigentlich nicht akzeptieren“,<br />

sagte Lindner. Der Chef der<br />

nordrhein-westfälischen SPD,Sebastian<br />

Hartmann, will zunächst den<br />

konkreten Gesetzentwurf abwarten,<br />

hat aber bereits eine Freigabe der Entscheidung<br />

ohne Koalitionszwang gefordert,<br />

als Gewissensfrage. Hartmann<br />

betonte: „Der Paragraf 219a<br />

wirkt wie ein Entmündigungsgesetz<br />

und ist aus der Zeit gefallen.“ Zwei<br />

Punkte seien für ihn entscheidend:<br />

Frauen in Notlagen müssten durch<br />

den Staat geschützt und ihr Recht auf<br />

umfassende, fachliche Information<br />

durchgesetzt werden. Darüber hinaus<br />

müssten Ärztinnen und Ärzte ihren<br />

Beruf frei und ohne Angst vor<br />

Strafverfolgung ausüben können.<br />

Dem Kompromiss zufolge sollen<br />

künftig die Bundesärztekammer und<br />

die Bundeszentrale für gesundheitliche<br />

Aufklärung für betroffene Frauen<br />

entsprechende Kontaktinformationen<br />

zur Verfügung stellen –demnach<br />

sollen Ärzte aber nicht selbst für Abtreibungen„werben“<br />

dürfen.<br />

In die Irre führendes Wort<br />

Die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft<br />

Sozialdemokratischer Frauen<br />

(ASF), Maria Noichl, sagte dem RND:<br />

„Dem können die SPD-Frauen niemals<br />

zustimmen.“ Eine Distanzierung<br />

von dem in die Irre führenden Wort<br />

Werbung werde bei dem Kompromissvorschlag<br />

nicht vollzogen, sagte<br />

sie. „Allein das Wort Werbung suggeriert,<br />

Frauen würden sich zur Abtreibung<br />

locken lassen, weil sie heute gerade<br />

nichts anderes zu tun hätten.“<br />

In der Union gab es hingegen Zustimmung.<br />

CDU-Chefin Annegret<br />

Kramp-Karrenbauer erklärte: „Der<br />

Schutz des Lebens, ungeborenes<br />

und geborenes, hat für die CDU<br />

überragende Bedeutung.“ Aus diesem<br />

Grund sei es gut, dass das Werbeverbot<br />

bleibe,schrieb sie auf Twitter.<br />

Auch CSU-Landesgruppenchef<br />

Alexander Dobrindt lobte den Vorschlag.<br />

„Er zielt auf eine Verbesserung<br />

der Informationen bei Schwangerschaftskonflikten<br />

– verbunden<br />

mit einer klaren Absage an eine Aufhebung<br />

des Werbeverbots“, sagte<br />

Dobrindt. So soll rechtlich klargestellt<br />

werden, wie Ärzte und Krankenhäuser<br />

über die Tatsache informieren<br />

können, dass sie Abtreibungen<br />

durchführen. Ob auf dieser Basis<br />

eine Einigung zwischen den Fraktionen<br />

vonUnion und SPD im Bundestag<br />

gelingt, ist fraglich –stimmt die<br />

SPD mit der Opposition ab,wäredas<br />

eine schwereKrise für die große Koalition,<br />

die Union könnte einen Vertragsbruch<br />

sehen. (mdc./mit dpa)<br />

Der Schütze von Straßburg hatte Verbindungen nach Deutschland. Anis Amri soll ein Bombenattentat geplant haben<br />

VonMarkus Decker<br />

Nach dem Anschlag auf einen<br />

Weihnachtsmarkt in Straßburg,<br />

den der französische Islamist Chérif<br />

Chekatt verübt haben soll, und<br />

neuen Erkenntnissen im Fall des Attentäters<br />

vom <strong>Berliner</strong> Breitscheidplatz,<br />

Anis Amri, verdichten sich die<br />

Hinweise auf terroristische Verbindungen<br />

zwischen Deutschland und<br />

Frankreich –und das in mehrfacher<br />

Hinsicht.<br />

Zunächst hat sich die Bundesanwaltschaft<br />

in die Ermittlungen gegen<br />

Chekatt eingeschaltet, der am<br />

Dienstag vier Menschen tötete und<br />

mehrere schwer verletzte. Essei ein<br />

Verfahren gegen ihn wegen Mordes,<br />

versuchten Mordes und gefährlicher<br />

Körperverletzung eingeleitet worden,<br />

teilte eine Sprecherin dem Tagesspiegel<br />

mit. Der Fall sei von besonderer<br />

Bedeutung. Ein weiterer<br />

Grund sei, dass von dem Anschlag<br />

sechs Personen aus Deutschland<br />

traumatisiertseien.<br />

Zuvorwar bekanntgeworden, dass<br />

Chekatt unmittelbar vor der Tataus<br />

Deutschland angerufen wurde, aber<br />

nicht ans Telefon ging. Er hatte bis<br />

2017 wegen zwei Einbrüchen in<br />

Deutschland in Haft gesessen und war<br />

anschließend abgeschoben worden.<br />

Schreiben der Bundesanwälte<br />

Zugleich existieren neue Hinweise<br />

auf eine Verbindung zwischen<br />

Deutschland und Frankreich im Fall<br />

des Weihnachtsmarktattentäters<br />

Anis Amri. Auseinem auf den 10. Dezember<br />

2018 datierten Schreiben der<br />

Bundesanwaltschaft an das Bundesjustizministerium,<br />

das der <strong>Berliner</strong><br />

<strong>Zeitung</strong> (Redaktionsnetzwerk<br />

Deutschland) vorliegt, ergibt sich,<br />

dass der Tunesier mit einem Islamisten<br />

namens Clément Baur, der in<br />

Frankreich in Haft sitzt und gegen<br />

den die Bundesanwaltschaft ermittelt,<br />

ein Sprengstoffattentat in<br />

Deutschland plante. Wörtlich heißt<br />

es in dem Brief: „Nach den derzeitigen<br />

Ermittlungen gab es im Spätsommer<br />

2016 Pläne von Baur und<br />

Amri zur Durchführung eines<br />

Sprengstoffanschlags in Deutschland<br />

unter Verwendung von TATP,<br />

ohne dass das Anschlagsvorhaben<br />

bisher nach Tatort und Tatzeit konkretisiert<br />

werden konnte.“ Erkenntnisse<br />

über eine Verwicklung von<br />

Baur in das Attentat auf den Weihnachtsmarkt<br />

am Breitscheidplatz<br />

hätten sich hingegen bislang nicht<br />

ergeben, heißt es weiter.<br />

Die innenpolitische Sprecherin<br />

der grünen Bundestagsfraktion, Irene<br />

Mihalic, sagte dem RND: „Die mutmaßlichen<br />

Planungen eines Sprengstoffanschlags<br />

werfen ein völlig neues<br />

Licht auf die mögliche Rolle Amris im<br />

Kontext islamistischer Zirkel rund um<br />

die Fussilet-Moschee. Die bisherige<br />

Erzählung vomEinzeltäter Anis Amri<br />

muss höchstwahrscheinlich grundlegend<br />

revidiert werden.“ Und: „Wir<br />

müssen jetzt dringend erfahren, seit<br />

wann Sicherheitsbehörden über dieses<br />

Wissen verfügen. Es wäre ein<br />

Wahnsinn, wenn diese Planungen<br />

bereits vor dem Anschlag vom Breitscheidplatz<br />

bekanntgewesen wären<br />

und nichts unternommen wurde.“<br />

Der Terrorismusexperte der Stiftung<br />

Wissenschaft und Politik, Guido<br />

Steinberg, hält islamistische Verbin-<br />

dungen zwischen Deutschland und<br />

Frankreich für offenkundig. „Die Verbindungen<br />

werden stärker“, sagte er.<br />

„Das hat etwas mit dem Flüchtlingszuzug<br />

zu tun, durch den mehr Leute<br />

aus den Maghreb-Staaten auch nach<br />

Deutschland gekommen sind.“ Dies<br />

gelte hauptsächlich für Marokkaner<br />

und mit Abstrichen für Tunesier. Da<br />

viele Menschen mit maghrebinischen<br />

Wurzeln in Frankreich lebten<br />

und diese untereinander Kontakt<br />

hielten, seien islamistische Verbindungen<br />

wahrscheinlich.<br />

DieBundespolizei hat im deutschfranzösischen<br />

Grenzgebiet ebenfalls<br />

nach dem Attentäter von Straßburg<br />

gesucht. Insbesondere inder Grenzstadt<br />

Kehl wurde kontrolliert, so eine<br />

Sprecherin. Anti-Terror-Kräfte der<br />

französischen Polizei hatten eine Razzia<br />

in einem Wohnviertel der elsässischen<br />

Hauptstadt gestartet. DieSpezialeinheit<br />

durchkämmte das Viertel<br />

Neudorf, wo sich die Spur des mutmaßlichen<br />

Attentäters verloren hatte.<br />

Dort wurde der mutmaßliche Attentäter<br />

am späten Donnerstagabend<br />

erschossen.<br />

Eltern drängen<br />

bei Digitalpakt<br />

zur Eile<br />

Länder blockieren<br />

Grundgesetzänderung<br />

VonTobias Peter<br />

Mit fünf Milliarden Euro will der Bund die<br />

Digitalisierung der Schulen fördern. DPA<br />

Stephan Wassmuth ist einer von<br />

denen, die immer die Hand gehoben<br />

haben, wenn es um Elternbeteiligung<br />

ging. Der 50-Jährige aus<br />

dem hessischen Lohfelden in der<br />

Nähe vonKassel hat fünf Kinder,vier<br />

davon gehen noch zur Schule. Und<br />

er ist Vorsitzender des Bundeselternrates,eine<br />

Dachorganisation vonElternvertretungen<br />

in Deutschland.<br />

Wassmuth arbeitet als Abteilungsleiter<br />

in einem Ordnungsamt –<br />

und er findet, die Politik müsse ihre<br />

Prioritäten in Sachen Bildungspolitik<br />

endlich ordnen. Konkret heißt<br />

das: Der Bundeselternrat fordert<br />

Bund und Länder auf, beim Digitalpakt<br />

und der Grundgesetzänderung<br />

zur Lockerung des Kooperationsverbotes<br />

schnell einen Kompromiss zu<br />

schließen. „Eltern und Schüler haben<br />

keinVerständnis dafür,wenn der<br />

Startschuss für die Digitalisierung in<br />

den Klassenräumen immer weiter<br />

nach hinten verschoben wird“, sagt<br />

Wassmuth der <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> (RedaktionsnetzwerkDeutschland).<br />

Worum geht es? Am heutigen<br />

Freitag wird der Bundesrat den Vermittlungsausschuss<br />

anrufen. Alle 16<br />

Länder sind mit den vomBundestag<br />

beschlossenen Grundgesetzänderungen<br />

nicht einverstanden. Bildung<br />

ist Ländersache. Die Grundgesetzänderungen<br />

sollen es ermöglichen,<br />

dass der Bund die Länder<br />

künftig besser bei der Bildung unterstützen<br />

kann. Dann könnten die<br />

Schulen mittels Digitalpakt mit Tablets<br />

und Laptops ausgestattet werden.<br />

Der Bund will fünf Milliarden<br />

Euro geben und 90 Prozent der Kosten<br />

tragen. Beigemeinsamen Projekten<br />

ab 2020 sollen die Länder dann<br />

aber immer die Hälfte der Kosten<br />

tragen. Das passt den Ministerpräsidenten<br />

nicht.<br />

„Der Bund hätte die Details der<br />

Grundgesetzänderung besser mit<br />

den Ländern abstimmen sollen“,<br />

sagt Wassmuth. Er ergänzt aber:„Die<br />

Länder wiederum sollten nicht so<br />

tun, als würde ihnen Schreckliches<br />

widerfahren –nur weil der Bund bei<br />

der Bildung ein bisschen hilft.“ Die<br />

Schlussfolgerung des obersten Elternvertreters<br />

lautet: „Schlechtes<br />

Verhandlungsmanagement des<br />

Bundes und Eitelkeiten auf Seiten<br />

der Länder –all das passiert gerade<br />

auf Kosten der Schüler. Das geht so<br />

nicht.“<br />

Die Verhandlungen im Vermittlungsausschuss<br />

dürften schwierig<br />

werden. Viele Länder wären zwar damit<br />

zu überzeugen, dass die Regel der<br />

50:50-Finanzierung gekippt wird.<br />

Aber fünf Länder –vier davon mit<br />

Unions-Ministerpräsidenten – kritisieren<br />

grundsätzlich, der Bund greife<br />

zu weit in die Länderkompetenz ein.<br />

Gemeinsam können sie eine Zwei-<br />

Drittel-Mehrheit im Bundesrat verhindern.<br />

Wassmuth fordert, dass es<br />

mit der Digitalisierung an den Schulen<br />

endlich losgehen müsse.„Es geht<br />

ja nicht darum, Tafel und Kreide abzuschaffen“,<br />

sagt er. „Das Ziel muss<br />

sein, die digitalen Mittel zu nutzen,<br />

um jedem Einzelnen eine bessereindividuelle<br />

Förderung zu bieten.“

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