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Snowtimes 2019 Davos

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«Mach schnell, ich habe keine Zeit »<br />

Unser Autor ist renommierter Eishockey-Journalist, hat Arno Del Curto<br />

über 22 Jahre verfolgt. Seine erste Reaktion auf Twitter, am Tag des<br />

Rücktritts: «Puh … bin ehrlich gesagt grad ziemlich neben der Spur.<br />

Keine andere Figur hat mich in meiner journalistischen Laufbahn, die<br />

fast zeitgleich mit Arnos Engagement in <strong>Davos</strong> begann, mehr beeindruckt<br />

als dieser Mann.» Hier erinnert er sich an seine erste persönliche<br />

Begegnung mit der Kultfigur, die beim HC <strong>Davos</strong> eine riesige<br />

Lücke hinterlässt.<br />

Text: Marcel Kuchta<br />

Bild: Michael Berger<br />

Meine erste «Begegnung» mit Arno Del Curto?<br />

Ein Zusammenschiss. Am Telefon. Irgendwann<br />

zu Beginn des neuen Jahrtausends. Was war geschehen?<br />

Ich hatte mir erlaubt, den HCD-Trainer<br />

zu kritisieren. Und zwar für eine an und<br />

für sich harmlose Begebenheit. Del Curto hatte<br />

seine Stars Reto von Arx, Michel Riesen und<br />

Sandro Rizzi von einer Vorsaison-Pressekonferenz<br />

dispensiert. Ich war extra aus dem Mittelland<br />

nach Chur gereist für den Anlass und ärgerte<br />

mich über das Fehlen der Hauptdarsteller.<br />

Deshalb schrieb ich einen kleinen Beitrag für<br />

unsere «People»-Kolumne. Mit einem verbalen<br />

Seitenhieb auf die «Zeugen Del Curtos», die in<br />

den Genuss einer Spezialbehandlung kamen.<br />

Der wurde dem <strong>Davos</strong>er Trainer offenbar zugetragen.<br />

Und traf einen empfindlichen Nerv.<br />

Nun: Aus dem Telefonat, welches mich als<br />

damals noch ziemlich unbekannten Journalisten<br />

zunächst leicht überforderte (Wieso ruft er<br />

mich an? Woher hat er überhaupt meine Nummer?),<br />

entwickelte sich nach dem donnernden<br />

Monolog Del Curtos (eben der Zusammenschiss)<br />

schliesslich ein gutes Gespräch. Ich<br />

erlebte Arno Del Curto zum ersten Mal hautnah,<br />

wie er tickt: Erst aufbrausend, wütend,<br />

dann gleichzeitig aber auch verständnisvoll<br />

und versöhnlich. Er machte seinen Standpunkt<br />

klar, wenn er sich ungerecht behandelt fühlte.<br />

Aber er sah auch die andere Seite, konnte sich<br />

in meine Situation hineinfühlen. Und ganz im<br />

Innersten wusste er ja auch, dass ich mit meiner<br />

Kritik nicht unrecht hatte.<br />

Wie dem auch sei. Nach diesem verbalen<br />

Rencontre war die Türe offen. Arno Del Curto<br />

begegnete Journalisten, die er nicht kannte,<br />

bisweilen sehr schroff und abweisend. Eine<br />

vielleicht nicht so ganz intelligente Frage zum<br />

falschen Zeitpunkt konnte reichen, um den <strong>Davos</strong>er<br />

Trainer derart in Rage zu bringen, dass er<br />

fluchend davonlief. Wenn man sich aber seinen<br />

Respekt einmal erarbeitet hatte, dann wurde er<br />

zum allerbesten Interview-Partner, den man<br />

sich vorstellen kann. Gespräche mit ihm, die<br />

meistens mit dem Einwurf begannen «mach<br />

schnell, ich habe keine Zeit», gingen in der viel<br />

zu kleinen Trainergarderobe in der <strong>Davos</strong>er<br />

Eis-Kathedrale dann meistens zwei Stunden.<br />

Mit dem Resultat, dass man viel zu viel Material<br />

aufgenommen hatte. Und kaum wusste,<br />

wie man das Ganze in ein lesbares Interview<br />

verwandeln soll. Wo andere Sportfiguren Plattitüden<br />

von sich geben, konnten Gespräche mit<br />

Arno Del Curto zu philosophischen Exkursen<br />

werden.<br />

Es gab viel zu schreiben über den HC <strong>Davos</strong><br />

in den über 22 Jahren, in welchen Arno Del<br />

Curto als Trainer tätig war. Neben den sportlichen<br />

Erfolgen, den sechs Meistertiteln und fünf<br />

Spengler-Cup-Triumphen, gab es auch unzählige<br />

Episoden, die man wohl an keinem anderen<br />

Ort der Eishockey-Schweiz erlebt hätte. Zum<br />

Beispiel, als die NHL-Stars Joe Thornton, Rick<br />

Nash und Niklas Hagman beim HCD engagiert<br />

waren. Del Curto setzte so früh wie kein anderer<br />

Trainer in der Schweiz darauf, dass der<br />

Arbeitsstreit in der NHL lange dauern würde<br />

und sich so der eine oder andere Superstar nach<br />

einem Job in Europa umsehen würde. Am Ende<br />

der Saison 2004 / 2005 durfte das NHL-Trio<br />

mit dem HCD den Meistertitel feiern. Für alle<br />

drei sollte es übrigens der einzige Klub-Titelgewinn<br />

ihrer langen Karrieren bleiben. Und<br />

Joe Thornton, einer der besten NHL-Spieler<br />

der Geschichte, ist dem HC <strong>Davos</strong> und Arno<br />

Del Curto bis heute freundschaftlich verbunden.<br />

Der Mann hat auf der ganzen Welt Spuren<br />

hinterlassen.<br />

Nun ist in <strong>Davos</strong> aber eine neue Ära angebrochen.<br />

Arno Del Curto ist seit ein paar Wochen<br />

nicht mehr HCD-Trainer. Der Spengler-Cup<br />

geht erstmals seit 22 Jahren ohne den charismatischen<br />

Mann an der Bande über die Bühne.<br />

Del Curto hat sich über die Jahre zu einem unverkennbaren<br />

Markenzeichen für den Klub und<br />

eine ganze Destination entwickelt. Er wurde<br />

mit den Jahren zu einer Figur, die während der<br />

Feiertage fast täglich auf den TV-Bildschirmen<br />

in den Schweizer Stuben präsent war. Gerade<br />

im Unterland haben Kinder mit ihm den HCD<br />

und das Eishockey lieben gelernt. Deshalb<br />

wird er fehlen. Nicht nur als <strong>Davos</strong>er Eishockey-Botschafter,<br />

sondern vor allem auch als<br />

markante Persönlichkeit.<br />

Wie es mit ihm weitergeht? Das wissen momentan<br />

die Götter. Nur eines ist sicher: Wenn<br />

er will, dann wird Arno Del Curto sehr schnell<br />

wieder an die Bande eines Eishockeyklubs<br />

zurückkehren. Auch wenn die letzten Monate<br />

beim HCD zunehmend schwieriger wurden.<br />

Das Feuer im 62-Jährigen ist noch lange nicht<br />

erloschen. Und irgendwo wartet ein junger<br />

Journalist darauf, dass eines Tages sein Handy<br />

klingelt, und am anderen Ende ein etwas erzürnter,<br />

älterer Herr zu sprechen beginnt. ◊<br />

SNOWTIMES <strong>2019</strong><br />

DAVOS KLOSTERS

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