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PBDW 3:2018

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INTERVIEW<br />

Diese starke Liebe meiner<br />

Mutter für mich, die habe ich auch<br />

in meinen Beziehungen gesucht<br />

welche, die bis heute sehr gute Freunde<br />

von mir sind. Zwei von ihnen sind<br />

später sogar die Paten meines Sohnes<br />

geworden.<br />

Ich habe eine fremde Kultur entdeckt<br />

und viele neue Erfahrungen gesammelt,<br />

darunter die, in einem kommunistischen<br />

Land zu leben und im<br />

Ausland als Psychiater zu arbeiten –<br />

denn seit 2004 lebte ich vor allem in<br />

Vietnam und Thailand, mit regelmäßigen<br />

Besuchen in Frankreich. Asien<br />

hat mich auch zum Schreiben inspiriert,<br />

besonders zu meinem Buch Die<br />

kleine Souvenirverkäuferin.<br />

Später habe ich meine zukünftige Frau<br />

getroffen, und das hat mein Leben<br />

definitiv zum Besseren verändert. Es<br />

war also wirklich eine exzellente<br />

Entscheidung – auch wenn ich mir<br />

dessen bei meinem ersten Stopp in<br />

Hongkong längst noch nicht sicher<br />

war: Nahezu jeder Passant auf der<br />

Straße trug eine OP­Maske, um Ansteckungen<br />

zu vermeiden. Aber da ich<br />

nicht sofort einen Rückflug gebucht<br />

habe, war ich an dem Tag wohl ziemlich<br />

optimistisch gestimmt!<br />

5Welche Eigenschaft schätzen<br />

Sie an Ihrer Partnerin am<br />

meisten?<br />

__ Sie hat viele tolle Eigenschaften,<br />

aber am meisten schätze ich ihre Großzügigkeit<br />

und ihren Sinn für Humor.<br />

Sie ist jünger als ich, und es hat eine<br />

Weile gedauert, bis ich realisiert habe,<br />

dass sie die gleiche Persönlichkeit hat<br />

wie meine Mutter. Sie haben viele Gemeinsamkeiten:<br />

Sie sind smart, hartnäckig,<br />

warmherzig, und sie mögen mich<br />

sehr. Ich weiß aber nicht, ob ich daraus<br />

einen Ratschlag für eine glückliche<br />

Ehe ableiten kann …<br />

6Welche Person hat Ihr Leben<br />

am meisten geprägt?<br />

__ Ich denke, meine Mutter hat mich<br />

am meisten geprägt, aber der Einfluss<br />

meines Vaters ist mir mehr bewusst.<br />

Er war mein Vorbild. Er war ein hart<br />

arbeitender Wissenschaftler, ein Pionier<br />

in der Kinderpsychiatrie, der sein<br />

Leben der Forschung gewidmet hat.<br />

Er war einer der Ersten, die Hinweise<br />

darauf gefunden haben, dass Autismus­Spektrum­Störungen<br />

biologische<br />

Gründe haben. Dank ihm (oder wegen<br />

ihm, wenn man ein Fürsprecher der<br />

Gegenkultur ist) fühle ich mich jedes<br />

Mal schuldig, wenn ich erst spät aufwache<br />

oder nicht vor neun Uhr am<br />

Schreibtisch sitze (der meistens ein<br />

Tisch in einem Café ist).<br />

Ich habe durch ihn auch diesen Respekt<br />

vor der wahren Wissenschaft,<br />

bei der Menschen ihre Hypothesen<br />

durch Kollegen oder Rivalen prüfen<br />

lassen. Als ich noch Student war,<br />

machte mich diese Haltung gegenüber<br />

Theorien und Therapien misstrauisch,<br />

die zumeist ausschließlich auf Behauptungen<br />

von Autoritäten basierten,<br />

wie etwa Bruno Bettelheim oder<br />

Jacques Lacan, die damals verehrt<br />

wurden. Als ich dieses Jahr, nach dem<br />

Tod meines Vaters, bei einer Autismus­Konferenz<br />

war, hat es mich sehr<br />

bewegt zu sehen, wie sehr er von<br />

Kollegen und Eltern autistischer Kinder<br />

verehrt wird.<br />

Meine Mutter hingegen und ihre<br />

leidenschaftliche Liebe für mich, ihr<br />

einziges Kind, hat mich emotional<br />

sehr geformt. So habe ich von den<br />

Frauen, die ich geliebt habe, ebenfalls<br />

immer diese volle, wahre Liebe erwartet<br />

– und bin dank dieser Einstellung<br />

auch nicht lange in unerfüllten<br />

Beziehungen geblieben. Auf der anderen<br />

Seite hat sie jedoch vielleicht mit<br />

dazu geführt, dass ich ein wenig spät<br />

geheiratet habe.<br />

7Was bereuen Sie besonders?<br />

__ Ich versuche, nichts zu bereuen,<br />

es bringt nichts. Es sei denn, es hilft<br />

einem dabei, etwas wiedergutzumachen<br />

oder es das nächste Mal besser hinzukriegen.<br />

Wie sagt einer meiner Roman­<br />

Charaktere: Betrachte nicht zu lange<br />

traurige Dinge, die du nicht ändern<br />

kannst.<br />

Ein nutzloses Bedauern ist zum Beispiel,<br />

dass ich abgesehen von Englisch<br />

keine andere Fremdsprache in der<br />

Schule gelernt habe. Oder dass ich<br />

eher spät in meinem Leben entdeckt<br />

habe, dass es mich glücklich macht,<br />

ja, nahezu ekstatisch, im Ausland auf<br />

etwas nomadische Art und Weise zu<br />

leben. Aber hätte ich das in jüngeren<br />

Jahren gemacht, wäre ich vielleicht<br />

in viele Fallen gestolpert, und hätte so<br />

PSYCHOLOGIE BRINGT DICH WEITER MaI/JuNI <strong>2018</strong> 31

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