März 2019 - coolibri Dortmund
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MUSIK<br />
Subtiles<br />
Augenzwinkern<br />
Yann Tiersen<br />
Foto: Christopher Fernandez<br />
DÜSSELDORF<br />
Wie ein Weltstar siehternicht aus:Mit verstaubtemParka,Hoodieund Gummistiefelnwirkt Yann Tiersenviel eher wie<br />
ein Landwirt,der gerade ausdem Stallkommt und nun sein Mittagessenmit zwei GläsernPastis runterspülen will. Der<br />
Bretone isteiner der wichtigsten französischen Komponistenund ganz schwer einzuordnen, weilerständig ganzeigeneund<br />
sehr individuelleWegegeht.<br />
Seit zehn Jahren istdie kleine bretonischeInsel<br />
Ouessant dieHeimat vomKomponistenYann<br />
Tiersen. Mitten im keltischenMeerliegt dieses<br />
steinerneKleinod undetwa650 Einwohnerhabenhierinalten<br />
Asterix-Steinhäusern ihr Zuhause.Esgibtauf<br />
dieser Inseleinen altenSoldaten-<br />
„Der Erfolg hatmichnicht<br />
glücklich gemacht.“<br />
friedhof,historischeLeucht-<br />
türme,steileKüsten, Wildkräuter,sowie<br />
einpaarseltene<br />
Bienenvölker undeine<br />
leerstehende Discothek,die Tiersenzueinem<br />
Aufnahmestudio umgebaut hat.<br />
„Alles isthierbesonders,dennauf derInsel lebensehrindividuelleMenschen.<br />
Unddas istdas<br />
Schönefür mich.HiergibtesnichtsDurchschnittliches.“<br />
Tiersenerklärtdie Bedeutung<br />
vonseinemRückzugsort:„DieseInsel istfür<br />
mich eine Miniaturwelt, denn ichfinde hier beides:<br />
dasunendlich Großeund dasunendlich<br />
Kleine.“ EinperfekterOrt also, um kreativ zu<br />
sein.Mit viel Fleißarbeithat Tiersendiesesehemalige<br />
TanzlokalzuseinemKreativzentrum umgebaut<br />
undin‚L’Eskal‘ umgetauft.Esist nicht<br />
nurseinStudio fürMusikaufnahmen, sondern<br />
hier gibtesauch einenKonzertsaal für kulturelle<br />
Aufführungen aller Art. „Fürdie Inselwar diese<br />
Hallefrüher einwichtiger Ort. Meine Idee war<br />
es,daraus wieder eine ArtZentrum fürdie Inselbewohner<br />
zu erschaffen.“ Ob als Violinist,Pianist,<br />
Akkordeon-Spieler, KomponistoderNew<br />
Wave-Kaputtnik,der schrägeAkkorde aufder E-<br />
Gitarre ansTageslichtzaubert<br />
–Tiersen istinvielen<br />
Genreszuhause.<br />
Mitder Musik zu „Diewunderbare<br />
Welt derAmelie“ wurdeerimJahr 2001<br />
berühmt,nur richtigfrohist er damitnicht geworden:<br />
„Der Erfolg hatmichnicht glücklichgemacht.Ich<br />
hasseeseigentlich,ineinem sehr<br />
engen Rahmen zu arbeiten, an denich mich<br />
dramaturgischhaltenmuss. Eine starre Auftragsarbeitsetzt<br />
mich unterziemlichen Druck<br />
undschränkt meineGedankenfreiheit ein.“Zwei<br />
JahrenachAmelieschrieb Yann Tiersenden<br />
Scorefür denWolfgangBecker-Film „GoodBye<br />
Lenin!“,eineArbeit, dieihm viel mehr lag: „DiesenFilmhabeich<br />
sehr geliebt. Denn er istsubtil<br />
gedreht,das AugenzwinkernbeimFall derBerlinerMauer<br />
istgreifbarund kommt aber nichtzu<br />
plattrüber.“ Als im Jahr 2010 dieMuttervon<br />
Tiersenstirbt, verarbeitetder Komponistdas<br />
mit„Dust Lane“ineinem finsteren Post-Punk-<br />
Manifest.Dochfremd istihm dieseArt vonDüsterfürsten-Musiknicht,wie<br />
er betont:„Ichhabe<br />
vieleKonzerteindieserRichtunggesehen,die<br />
mich sehr inspirierthaben:NickCave, Minimal<br />
Compact, FleshstonesoderMyBloodyValentine.“<br />
Geborenist derMusiker übrigens in derHafenstadt<br />
Brest: „Ich liebediese Stadt, weil sie<br />
rauist.Die Leutesindsehroffen hier undreden<br />
unverblümt.Ich magdas sehr.“ Genausooffen<br />
unddirekthat derMusiker auch sein neuesAlbum„All“<br />
gestaltet, mitdem er jetztauf Tour<br />
kommt.Mit diesem zehntemStudioalbum stellt<br />
er denMenschenund seineBeziehungen zur<br />
Umwelt in denFokus.„Ichhatte einSchreckenserlebnis<br />
kurz vorher“, erklärter. Tiersenwar mit<br />
seiner Frau aufeiner Fahrradtour in denRedwoods<br />
in Kalifornien unterwegs, als sievon einemPumaverfolgtwordensind.<br />
„Wir kannten<br />
unsnicht aus undeswar schonziemlich bedrohlich.Dennder<br />
Puma hattenur einfachLust<br />
unszufressen.“ PeterHesse<br />
Yann Tiersen: 8.3.,Tonhalle, Düsseldorf<br />
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