Leseprobe CONNEXI SCHMERZ Ausgabe 1-2019
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tiefer Entspannung deutlich vermindert werden.<br />
Da Schmerztoleranz auch mit Kontrolle über den<br />
Schmerz verbunden ist, kann beispielsweise mit<br />
dem Zahnbehandler vereinbart werden, nur auf ein<br />
zuvor vereinbartes Zeichen den Bohrer zu benutzen.<br />
Durch diese Methode kann gelegentlich eine<br />
anästhetische Vorbehandlung entfallen.<br />
Erwartung im Vorfeld von<br />
Migräneanfällen<br />
CONFERENCES<br />
Zusätzliche positive Effekte auf die Schmerzwahrnehmung<br />
lassen sich mit veränderten<br />
Erwartungshaltungen herstellen. So reicht eine<br />
einmalige positive Wirkung eines potenten Medikamentes,<br />
um auch zukünftig eine positive Wirkung<br />
zu erreichen, auch wenn dann wissentlich<br />
ein Plazebo eingenommen wird. Die Wirkungserwartung<br />
ist nachgewiesenerweise auch bei der<br />
Plazeboeinnahme dann höher, wenn zuvor eine<br />
positive Erfahrung mit einem Verum aufgebaut<br />
wurde [3].<br />
Diese Wirkungserwartungen können leider auch<br />
ins Gegenteil verkehrt werden. Ein „Biowetter-<br />
Bericht“ in der Tageszeitung, der wegen der Wetterlage<br />
vor Kopfschmerzen warnt, kann Auslöser<br />
von Kopfschmerzzuständen werden. Ganz im Sinne<br />
einer „sich selbst erfüllenden Prophezeihung“ [4]<br />
richtet sich das Verhalten des Patienten nach seinen<br />
Erwartungen aus. Dabei entscheidet die wahrgenommene<br />
Prognose („mein Kopf wird schmerzen“)<br />
über die tatsächliche Konsequenz. Mittlerweile<br />
wird diskutiert, ob auch das Wochenende selbst<br />
Auslöser von Kopfschmerzen sein kann. Auch hier<br />
gilt, dass nur wenige (zufällige) Kopfschmerzattacken<br />
am Wochenende eine negative Erwartung<br />
des Wochenendschmerzes aufbauen. Die Folge sind<br />
dann gehäufte Kopfschmerzen am Wochenende,<br />
wobei andere Faktoren (Schlafrhythmus, Koffeinentzug)<br />
außer Acht gelassen werden.<br />
Prof. Dr. Peter Kropp<br />
peter.kropp@med.uni-rostock.de<br />
Psychologie spielt aber auch beim aufkommenden<br />
Migräneanfall eine große Rolle. So ist bekannt,<br />
dass vor einem Anfall die Aufmerksamkeit des<br />
Pa tienten besonders groß ist. In diesem Zustand<br />
wird manches Wort auf die Goldwaage gelegt, was<br />
in der Partnerschaft gelegentlich zu Auseinandersetzungen<br />
führen kann. Die kausale Verknüpfung<br />
zwischen Streit als Auslöser des nachfolgenden<br />
Migräneanfalls stimmt dann nicht. Der Streit ist<br />
eher der Vorbote des kommenden Anfalls, der aus<br />
welchen Gründen auch immer sowieso aufgetreten<br />
wäre. Dies gilt auch für den vermehrten Konsum<br />
von Schokolade vor einem Migräneanfall. Nicht<br />
die Schokolade löst die Migräne aus, sondern das<br />
Gehirn „kennt“ die Situation bereits und sorgt für<br />
einen hochkalorischen Energieschub in Erwartung<br />
des Anfalls.<br />
Etwas anders verhält sich dies bei Konsum von<br />
Rotwein. Dieser kann erwiesenermaßen einen<br />
Migräneanfall auslösen, wenn die Migräne ohnehin<br />
wahrscheinlich auftritt. Die Empfehlung,<br />
Rotwein zu meiden, geht jedoch dann ins Leere,<br />
wenn mit der Vermeidung eine Generalisierung<br />
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