27.02.2019 Aufrufe

Leseprobe CONNEXI SCHMERZ Ausgabe 1-2019

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

MEDIZINISCHES CANNABIS GEGEN CHRONISCHE <strong>SCHMERZ</strong>EN<br />

Phytocannabinoide als sinnvolles<br />

therapeutisches Add-on<br />

Symposiumsbericht<br />

Etwa 7,5 % der deutschen Bevölkerung leiden nach Schätzung der DSG unter chronischen Schmerzen. Die<br />

Gesetzesänderung für medizinisches Cannabis im März 2017* könnte für die Schmerztherapie eine neue<br />

Chance sein. Warum und wie Cannabis wirkt und mit welchen Herausforderungen Ärzte wie auch Patienten<br />

durch die Freigabe von Cannabis für therapeutische Zwecke konfrontiert sind, stand im Mittelpunkt eines<br />

Lunch-Symposiums im Rahmen des Deutschen Schmerzkongresses 2018.<br />

Chronische Schmerzen seien kein länger anhaltender<br />

reizbedingter Akutschmerz, sondern vielmehr<br />

die Folge nozizeptiver Aktivierung und<br />

erfordern eine andere Herangehensweise als die<br />

Behandlung mit Analgetika, stellte Prof. Dr. Dr.<br />

h.c. Walter Zieglgänsberger, Emeritus am Max-<br />

Planck-Institut für Psychiatrie in München, klar.<br />

Chronische Schmerzen bedeuten Stress, Hilflosigkeit,<br />

sozialer Kompetenzverlust, Schlafstörungen,<br />

totale Fokussierung auf den Schmerz. Sie sind für<br />

die Patienten mit enormen körperlichen und psychischen<br />

Belastungen verbunden und zudem ein<br />

wesentlicher Trigger stressinduzierter Erkrankungen<br />

wie Angsterkrankungen und affektiven Störungen<br />

wie Depressionen, die die gesamte Lebenswelt<br />

beeinflussen. Fehlende spezifische Medikamente<br />

für chronische Schmerzen und zahlreiche erfolglose<br />

Therapieversuche bis zur Feststellung „austherapiert“<br />

bringen Betroffene oft an den Rand der<br />

Verzweiflung, so dass jede Möglichkeit einer Linderung<br />

chronischer Schmerzen hoffen lässt. Dies<br />

sei die Ausgangssituation, in der sich die meisten<br />

Patienten beim Schmerztherapeuten vorstellen.<br />

Mit dieser komplexen Herausforderung beginne die<br />

ärztliche Kunst, so Zieglgänsberger. Die Behandlung<br />

chronischer Schmerzen heißt zuallererst die<br />

Angst vor wiederkommenden Schmerzen, die den<br />

Patienten beherrscht, anzugehen, erläuterte der<br />

Pharmakologe. Das könne man mit mehreren verschiedenen<br />

Medikamenten probieren, oder aber<br />

man setzt medizinisches Cannabis ein.<br />

Die veränderte Rechtslage, die jetzt erlaubt,<br />

hochwertige Medizinal-Cannabisblüten oder Cannabisextrakt<br />

in pharmazeutischer Qualität ärztlich<br />

zu verordnen, eröffnet neue Chancen. Zur<br />

Beantwortung der Frage „Ist Cannabis in der Therapie<br />

chronischer Schmerzen eine Möglichkeit?“<br />

erläuterte Prof. Zieglgänsberger die neuropharmakologischen<br />

Grundlagen der Wirkung von Cannabispräparaten<br />

auf zellulärer Ebene und wie in die<br />

komplexen Regelkreise des Schmerzes eingegriffen<br />

werden kann.<br />

Neuropharmakologische Grundlagen<br />

Für zahlreiche physiologische Prozesse im<br />

menschlichen Körper spielen Cannabinoide eine<br />

wesentliche Rolle. Die Moleküle werden in drei<br />

Kategorien unterteilt: Endo-, Phyto- und synthetisch<br />

hergestellte Cannabinoide. Ursprung für<br />

das Verständnis ihres therapeutischen Potenzials,<br />

die Entdeckung und die weitere Erforschung des<br />

menschlichen Endocannabinoidsystems sind die<br />

Phytocannabinoide.<br />

In Cannabis, einer der ältesten Heilpflanzen, liegt<br />

die höchste Cannabinoid-Konzentration vor. Entscheidend<br />

für deren pharmakologische Wirkung<br />

sind die medizinisch relevanten Cannabinoide<br />

* Mit dem am 10.03.2017 in Kraft getretenen Gesetz zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften hat der Gesetzgeber<br />

die Möglichkeiten zur Verschreibung von Cannabisarzneimitteln erweitert. Ärztinnen und Ärzte können künftig auch Medizinal-<br />

Cannabisblüten oder Cannabisextrakt in pharmazeutischer Qualität auf einem Betäubungsmittelrezept verschreiben. Dabei müssen sie<br />

arznei- und betäubungsmittelrechtliche Vorgaben einhalten. https://www.bfarm.de/DE/Bundesopiumstelle/Cannabis/_node.html<br />

EDUCATION<br />

33

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!