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Kulturfenster Nr. 06|2018 - Dezember 2018

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Blasmusik<br />

Viele europäische Orchester nutzten die<br />

Saxhörner, um einen soliden orchestralen<br />

Klang zu schaffen. Mit dieser „dicken“<br />

Schreibweise in Form von Verdoppelungen<br />

verliert die Musik jedoch ihre<br />

Transparenz. Die meisten Notenschränke<br />

enthalten unzählige Stücke dieser Art. Die<br />

Qualität einer Orchestrierung ist leicht erkennbar,<br />

indem man die Partitur betrachtet.<br />

In Stücken, in denen ständig größere<br />

oder kleinere Tuttis geschrieben sind, kann<br />

es weder Transparenz noch kammermusikalische<br />

Passagen geben. An einem gut<br />

instrumentierten Tutti kann man die Qualität<br />

eines Instrumentators erkennen. Er<br />

führt einen Dirigenten zu den primären<br />

Registern und zu den Verbindungen zwischen<br />

den Registern.<br />

Abschließende Aspekte<br />

Man sollte ein Werk nicht deshalb auswählen,<br />

nur weil der Titel vermeintlich „gut“<br />

klingt. Ich rate den Dirigenten dringend,<br />

ein gutes Programm ausschließlich über<br />

Die standardisierten Orchesterpartituren gehen immer öfter zu Lasten<br />

charakteristischer Instrumente wie Flügelhörner, Tenorhörner und Baritone.<br />

den kompositorischen Inhalt der einzelnen<br />

Werke zu erstellen und nicht, weil ein Werk<br />

vom Titel her anscheinend zum Thema des<br />

Programms passt. Vorsicht ist hier insbesondere<br />

bei Themenkonzerten geboten.<br />

Kompositionen ohne Form oder unter<br />

Verwendung von schablonenartigen Komponenten<br />

sowie der respektlose Gebrauch<br />

von melodischen oder harmonischen Elementen<br />

aus klassischen und sinfonischen<br />

Partituren sollten vermieden werden. Das<br />

Gleiche gilt auch für Kompositionen, bei<br />

denen Haupt- und Nebensachen nicht klar<br />

getrennt sind, oder Kompositionen, deren<br />

Urheber keine Vorstellung vom Klang ihrer<br />

Partitur haben.<br />

Es wäre wünschenswert, dass Dirigenten<br />

ihr Bewusstsein und ihren Horizont für gute<br />

Literatur stetig erweitern.<br />

Alex Schillings<br />

Die Blasorchesterbewegung braucht Sichtbarkeit und Einheit<br />

Zum „Verschwinden“ von einzelnen Instrumenten aus den Orchestern<br />

Die Welt ändert sich (radikal) und mit ihr<br />

auch die Blasmusik, ist Franco Cesarini<br />

überzeugt.<br />

Der renommierte Schweizer Dirigent und<br />

Komponist Franco Cesarini war Gastreferent<br />

bei der 5. Südtiroler Dirigentenwerkstatt<br />

<strong>2018</strong> (siehe eigenen Bericht). In den<br />

Diskussionen mit den Kursteilnehmern wurde<br />

auch die Instrumentalbesetzung des Flügelhorns<br />

und des Tenorhorns bzw. deren „Verschwinden“<br />

in der international standardisierten<br />

Blasorchesterbesetzung thematisiert.<br />

Cesarini hat dabei eine Lanze für diesen internationalen<br />

Standard gebrochen:<br />

In den letzten 25 Jahren hat sich das angloamerikanische<br />

Instrumentationsmodell<br />

weltweit und insbesondere in Europa zunehmend<br />

durchgesetzt. Diese Entwicklung<br />

hat Komponisten und Verlegern zahlreiche<br />

Vorteile gebracht, die ihr Handlungsfeld von<br />

einem lokalen oder nationalen auf ein internationales<br />

Niveau ausdehnen konnten.<br />

Die Vereinheitlichung der Orchestrierung<br />

hat jedoch viele lokale Realitäten allmählich<br />

ausgelöscht, was zu einem „Verlust"<br />

der lokalen “Farbe” zugunsten einer stärkeren<br />

Verbreitung der Blasmusik weltweit<br />

geführt hat. In fast allen Ländern Europas<br />

gibt es diejenigen, die um den Verlust<br />

dieses oder jenes Instruments trauern. Im<br />

deutschsprachigen Raum betrifft dies insbesondere<br />

das fortschreitende Verschwinden<br />

von Flügelhörnern und Tenorhörnern.<br />

Wir müssen die Vor- und Nachteile dieser<br />

Entwicklung auf die Waage bringen. Ich<br />

bin überzeugt, dass die Vorteile viel mehr<br />

sind, da die Blasorchesterbewegung mehr<br />

denn je Sichtbarkeit und Einheit braucht,<br />

um mit den fortlaufenden Entwicklungen<br />

fertig zu werden. Sich in einer Welt nostalgischer<br />

Volkserinnerungen zu verschließen,<br />

wird sicherlich nicht dazu beitragen,<br />

den notwendigen Generationenwechsel<br />

zu garantieren. Ältere Menschen müssen<br />

verstehen, dass sie, um junge Menschen<br />

zu erreichen, deren Bedürfnisse erfüllen<br />

müssen. Diese unterscheiden sich enorm<br />

von denen ihrer Eltern, die erst vor<br />

einer Generation aufgewachsen sind. Die<br />

Welt hat sich in wenigen Jahrzehnten radikal<br />

verändert, und unsere Musikgesellschaften<br />

haben Schwierigkeiten, sich an<br />

die ständigen Veränderungen anzupassen.<br />

Franco Cesarini<br />

<strong>Nr</strong>. 06 | <strong>Dezember</strong> <strong>2018</strong> 9

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