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RegioBusiness Nr. 201 - 04.2019

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26 Firmen & Märkte<br />

April <strong>201</strong>9 I Jahrgang 18 I <strong>Nr</strong>. <strong>201</strong><br />

Personalarbeit der Zukunft<br />

Mit seinen Arbeitgeberleistungen setzt das Bauunternehmen Leonhard Weiss nicht nur in seiner Branche neue Maßstäbe.<br />

VON HERIBERT LOHR<br />

Dass Leonhard Weiss (LW)<br />

als Arbeitgeber einen hervorragenden<br />

Ruf genießt,<br />

lässt sich unter anderem an zahlreichen<br />

Auszeichnungen ablesen.<br />

Erst jüngst kürte das Magazin Focus<br />

das traditionsreiche Bauunternehmen<br />

zum Top-Arbeitgeber seiner<br />

Branche.<br />

Preise dieser Art kommen nicht<br />

von ungefähr: Bereits seit Jahrzehnten<br />

setzen „die Gelbschwarzen“<br />

bei Ausbildung, Qualifizierung<br />

und Förderung der eigenen<br />

Belegschaft Standards und bewegen<br />

sich mit ihren Angeboten weit<br />

über dem Schnitt.<br />

Nun hat das renommierte Familienunternehmen<br />

die Messlatte in<br />

Sachen Personalarbeit noch einmal<br />

angehoben. Unter dem Titel<br />

„Leonhard Weiss Attraktivitätspaket“<br />

wurde in enger Abstimmung<br />

zwischen Geschäftsführung und<br />

Betriebsrat ein Maßnahmenbündel<br />

erarbeitet, das die Verbindung<br />

von Belegschaft und Unternehmen<br />

noch einmal auf eine andere<br />

Stufe hebt. Denn die LW-Arbeitgeberleistungen<br />

haben fast alle Lebens-<br />

und Arbeitsfelder der Mitarbeiter<br />

im Blick.<br />

Alexander Weiss, Geschäftsführer<br />

Personal und Kommunikation erläutert:<br />

„Wir haben verschiedene<br />

Aspekte zusammengeführt, mit<br />

dem Ziel, die Arbeit bei Leonhard<br />

Weiss noch attraktiver zu gestalten.<br />

Denn wir sind davon überzeugt,<br />

dass Mitarbeiter, die auch<br />

emotional eng mit unserem Haus<br />

verbunden sind, die eigentliche<br />

Grundlage für eine gute geschäftliche<br />

Entwicklung sind.“ Das „Maßnahmenpaket“<br />

beginnt mit den<br />

kleinen Extras, die von Firmen-<br />

Handy über den Essensgutschein,<br />

Anspruch: Das firmeneigene Motto „Freude am Bauen erleben“ bestimmt auch das alltägliche Miteinander<br />

von Firmenleitung und Belegschaft und soll die Mitarbeiter an das Unternehmen binden. Foto: Leonhard Weiss<br />

Zuwendungen zu Geburt und Eheschließung<br />

bis zu Mitarbeiterrabatten<br />

oder dem Firmen-Pkw reichen,<br />

und geht weiter mit Angeboten<br />

zur Qualifizierungs- und Personalentwicklung<br />

an der Leonhard<br />

Weiss-Akademie und endet bei Fitnessprogrammen<br />

und neuen Formen<br />

der Arbeitsgestaltung. So<br />

wird etwa mit einer durchgängigen<br />

Vertrauensarbeitszeit der verstärkt<br />

geforderten Work-Life-Balance<br />

Rechnung getragen.<br />

Mit Vorsorgeleistungen, die sich<br />

an der Betriebstreue orientieren,<br />

trägt das Unternehmen nachhaltig<br />

dazu bei, dass die Mitarbeiter<br />

auch im Alter gut abgesichert<br />

sind. Auch bei der Entlohnung<br />

geht das Traditionsunternehmen<br />

neue Wege. So erhalten alle Beschäftigten<br />

ein 13. Monatseinkommen.<br />

Das gewerbliche Personal erhält<br />

dies bereits im Jahr <strong>201</strong>9 mit<br />

der Bezahlung von 123 Stundenlöhnen<br />

sowie einer Ergebnisbeteiligung.<br />

Die 123-Stunden-Regelung<br />

sieht der Tarifvertrag erst ab<br />

dem Jahr 2022 für gewerblich Beschäftigte<br />

vor.<br />

Für ein Unternehmen wie Leonhard<br />

Weiss ist die flexible und mobile<br />

Herangehensweise seiner Mitarbeiter<br />

ökonomisch überlebenswichtig.<br />

Auch dem tragen die<br />

neuen Entgeltvereinbarungen gezielt<br />

Rechnung. Während der Verpflegungszuschuss<br />

pauschal 4,09<br />

Euro beträgt, bekommen die<br />

„Weissianer“ bis zu zwölf Euro.<br />

Die „Auslösung“ bei Übernachtung<br />

ist um 30 Prozent höher als<br />

die tarifliche Vorgabe. Auch in einem<br />

anderen Teilbereich der Entgeltstruktur<br />

wurde perspektivisches<br />

vereinbart. Unter der Überschrift<br />

„Große Flexi LW“ wird den<br />

Mitarbeitern die Gelegenheit eröffnet,<br />

ein „verstetigtes Monatseinkommen“<br />

zu erzielen. Davon profitieren<br />

die Arbeiter auf den Baustellen<br />

vor allem in den Übergangszeiten<br />

in Herbst und Frühjahr.<br />

Es muss „kein Zeitguthaben<br />

mehr aufgebaut“ werden; das Unternehmen<br />

tritt, wenn etwa wegen<br />

schlechter Witterung nicht oder<br />

nur weniger gearbeitet werden<br />

kann, finanziell in Vorleistung.<br />

Der Vorteil: Mehrarbeit in Spitzenzeiten,<br />

wie etwa im Hochsommer<br />

wird direkt ausbezahlt und wird<br />

obendrein, entsprechend den Vereinbarungen,<br />

mit einem Zuschlag<br />

zusätzlich honoriert.<br />

„Wenn wir die einzelnen Teile der<br />

Vereinbarungen zusammenfassen“,<br />

wertet Betriebsratsvorsitzender<br />

Jürgen Ziegler, „dann ist das<br />

Gesamtpaket darauf ausgelegt, die<br />

Mitarbeiter an das Unternehmen<br />

zu binden und damit sind dann<br />

auch die Voraussetzungen dafür<br />

gegeben, dass die Mitarbeiter sich<br />

mit Begeisterung den nicht immer<br />

einfachen Herausforderungen im<br />

Bau stellen.“<br />

Dass Leonhard Weiss nun mit wegweisenden<br />

Vereinbarungen aufwarten<br />

kann, ist für Vera Köhler<br />

auch der Ausdruck, dass diese Ergebnisse<br />

wirklich gemeinsam mit<br />

der Geschäftsführung erarbeitet<br />

wurden: „Die hohe Wertschätzung,<br />

die das Unternehmen unserer<br />

Belegschaft entgegenbringt, erleichtert<br />

natürlich vieles.“<br />

Die langjährige Betriebsrätin sieht<br />

deshalb nun auch alle Mitarbeiter<br />

in der Pflicht: „Das Vereinbarte<br />

muss ja auch erarbeitet werden<br />

und das geht nur, wenn dazu<br />

durchgängig die Bereitschaft vorhanden<br />

ist.“ Alexander Weiss:<br />

„Wer um den anhaltenden Boom<br />

im Baugewerbe, die demografische<br />

Entwicklung und den Fachkräftemangel<br />

weiß, dem ist klar,<br />

dass wir etwas tun müssen. Wir arbeiten<br />

zukunftsorientiert und deshalb<br />

ist unsere Personalarbeit<br />

Moderne und Tradition<br />

auch vorausschauend angelegt.“<br />

Und so sind für den Geschäftsführer<br />

Personal die rund 15 Millionen<br />

Euro, die das Unternehmen<br />

als übertarifliche Leistungen übernimmt<br />

(fast sechs Millionen Euro<br />

davon kostet alleine das zusätzliche<br />

Attraktivitätspaket im Jahr<br />

<strong>201</strong>9), eine gute Investition, um<br />

die 119-jährige Historie des Familienunternehmens<br />

erfolgreich fortzuschreiben.<br />

Zu einem gewissen Teil ist auch<br />

der Bau des neuen Verwaltungsgebäudes<br />

in Satteldorf ein Teil dieses<br />

Maßnahmenpaketes. Denn damit<br />

wird nicht nur Raum für rund<br />

300 neue Mitarbeiter geschaffen,<br />

sondern umgesetzt, was sich die<br />

Verantwortlichen generell auf die<br />

Fahnen geschrieben haben: Mitarbeiter<br />

von Leonhard Weiss arbeiten<br />

an hochmodernen Arbeitsplätzen<br />

– ob drinnen oder draußen –<br />

auch in modernste Maschinentechnik<br />

werden Jahr um Jahr Millionen<br />

von Euros investiert.<br />

.dewww.leonhard-weiss.de<br />

Das Familienunternehmen wurde im Jahr 1900 in Göppingen<br />

von Leonhard Weiss gegründet. Die betriebswirtschaftliche Bauleistung<br />

der Firmen-Gruppe unter der Gesamtleitung von Dieter<br />

Straub betrug im Jahr <strong>201</strong>8 rund 1,38 Milliarden Euro. Aktivitäten<br />

im Ausland steuern dazu rund 15 Prozent bei. Die Spezialisten<br />

mit ihren Hauptsitzen in Göppingen und Satteldorf dürften in<br />

den drei operativen Geschäftsbereichen Straßen-und Netzbau, Ingenieur-<br />

und Schlüsselfertigbau sowie den Gleisinfrastrukturbau<br />

zum Jahresende <strong>201</strong>9 weit über 5600 Mitarbeiter beschäftigen.<br />

Leonhard Weiss operiert bankenunabhängig. Eine stabile Finanzlage<br />

und hohe Liquidität sind die Basis für große Investitionen in<br />

Maschinen, Gebäude, Betriebs- und Geschäftsausstattung.<br />

„Die Mitarbeiter sind der wesentliche Erfolgsfaktor“<br />

Die Betriebsräte Volker Ziegler (Vorsitzender) und Vera Köhler über Arbeitgeberattraktivität am Bau, modernes Personalmanagement und die Arbeitnehmervertretung<br />

in einem werteorientierten Familienunternehmen wie Leonhard Weiss. INTERVIEW VON HERIBERT LOHR<br />

REGIOBUSINESS Herr Ziegler,<br />

Frau Köhler, die Baubranche<br />

boomt und Fachkräfte sind rar. Ist<br />

es da nicht leicht, dem Arbeitgeber<br />

gewichtige Zugeständnisse abzuringen<br />

und solche Programme<br />

auf den Weg zu bringen?<br />

VOLKER ZIEGLER Ganz so einfach<br />

ist es nicht, denn die Geschäftsführung<br />

achtet schon sehr<br />

darauf, dass die Wirtschaftlichkeit<br />

des Unternehmens erhalten und<br />

auch die Konkurrenzfähigkeit gegenüber<br />

den Mitbewerbern gewahrt<br />

bleiben. Natürlich ist es<br />

aber in einer Konjunkturhochphase<br />

einfacher, mit der Geschäftsführung<br />

Betriebsvereinbarungen<br />

auszuhandeln. Dieses Attraktivitätspaket<br />

stellt eine Gemeinschaftsleistung<br />

dar, die in zahlreichen<br />

Meetings und Runden erarbeitet<br />

und zum 1. März <strong>201</strong>9 umgesetzt<br />

wurde.<br />

REGIOBUSINESS Sie sagen, das<br />

Attraktivitätspaket dient vorrangig<br />

zur Mitarbeiterbindung. Nun ist<br />

Verbundenheit zu Leonhard Weiss<br />

ja ohnehin sehr groß. Warum<br />

sind solche Bemühungen dann<br />

notwendig?<br />

VERA KÖHLER Für uns ist insbesondere<br />

die Mitarbeiterbindung<br />

ein wichtiger Aspekt. Langjährige<br />

Mitarbeiter gilt es im Unternehmen<br />

zu halten, da diese das<br />

Know-how, das Fachwissen und<br />

die Berufserfahrung haben, die<br />

unser Unternehmen benötigt, um<br />

die täglichen Herausforderungen<br />

zu meistern. Die Mitarbeiter sind<br />

der wesentliche Erfolgsfaktor im<br />

Haus. Das erkennen auch Gesellschafter<br />

und Geschäftsführung an<br />

und was liegt da näher, als den Erfolg<br />

auf eine Vielzahl von Schultern<br />

zu verteilen und alle daran<br />

teilhaben zu lassen? Schließlich<br />

hat jede oder jeder an seinem<br />

Platz zu den Erfolgen der letzten<br />

Jahre beigetragen – und wird es<br />

im Übrigen auch weiterhin tun.<br />

Andererseits soll Leonhard Weiss<br />

auch für potenzielle Mitarbeiter<br />

ein attraktiver Arbeitgeber sein beziehungsweise<br />

werden, weshalb<br />

dieses Attraktivitätspaket auch im<br />

Perspektivisch: Die Betriebsräte Vera Köhler und Volker Ziegler hatten<br />

bei den Verhandlungen über die Arbeitgeberleistungen vor allem<br />

zukunftsorientierte Arbeitsbedingungen im Blick. Foto: Leonhard Weiss<br />

Internet für jeden einsehbar ist.<br />

REGIOBUSINESS Welche Teile<br />

des Attraktivitätspaketes würden<br />

Sie hervorheben, weil sie etwas<br />

spezielles sind, die Leonhard<br />

Weiss dann noch einmal mehr<br />

vom Wettbewerb unterscheiden?<br />

VOLKER ZIEGLER Das gegenüber<br />

dem Tarif vorgezogene 13.<br />

Monatseinkommen. Die erhöhte<br />

Auslösung bei Übernachtung und<br />

das tägliche Verpflegungsgeld in<br />

Höhe von bis zu zwölf Euro.<br />

REGIOBUSINESS Die Attraktivität<br />

eines Unternehmens ist natürlich<br />

auch eine Frage des Images.<br />

Wollten Sie mit Ihrer Arbeit dazu<br />

beitragen, dass das klassische Vorurteil<br />

vom einfachen Bauigel sein<br />

Ende findet?<br />

VERA KÖHLER Ja, heutzutage ist<br />

das Arbeiten auf dem Bau nicht<br />

mehr nur reine Handarbeit. Modernes<br />

Bauen fängt bereits in der<br />

Planung an, zum Beispiel BIM.<br />

Die Bauausführung erfolgt mit<br />

technisch hochkomplexen Maschinen<br />

– und diese müssen von<br />

qualifizierten und motivierten Mitarbeitern<br />

bedient werden. Um<br />

diese zu bekommen, bedarf es einer<br />

bestimmten Attraktivität des<br />

Unternehmens.<br />

REGIOBUSINESS Ihre Vereinbarungen<br />

kosten den Betrieb auch<br />

einiges an Geld. Nun verbindet ein<br />

Unternehmen mit solchen Angeboten<br />

auch hohe Erwartungen.<br />

VOLKER ZIEGLER Natürlich<br />

kann ein Unternehmen nur mit<br />

qualifiziertem Personal und guter<br />

Leistung bestehen und auch weiter<br />

wachsen. Deshalb bietet das<br />

Unternehmen den Mitarbeitern einiges,<br />

erwartet aber im Gegenzug<br />

auch eine gewisse Bereitschaft für<br />

Veränderungen und hohe Flexibilität<br />

sowie das Engagement zur Weiterbildung<br />

und Qualifizierung.<br />

REGIOBUSINESS Frau Köhler,<br />

ohne es explizit anzusprechen,<br />

sind die jüngsten Vereinbarungen<br />

letztlich auch Teil des Bemühens,<br />

Familie und Beruf besser zu verbinden.<br />

Profitieren die Frauen<br />

nicht besonders?<br />

VERA KÖHLER Nein, Herr Lohr,<br />

Frauen profitieren hier nicht besonders.<br />

Die Vereinbarkeit von Beruf<br />

und Familie ist nur ein kleiner<br />

Teilbereich des großen Ganzen. Allerdings<br />

soll unser Attraktivitätspaket<br />

den Bauberuf für die Frauen<br />

in Zukunft noch attraktiver machen.<br />

Wichtig ist uns als Arbeitnehmervertretung,<br />

dass jeder Mitarbeiter<br />

von diesem zusätzlichen Attraktivitätspaket<br />

profitiert und das<br />

ist gut und richtig so.

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