CAMPULS Sommersemester 2019 Ausgabe 1

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KULTUR während der Einnahme der Pille eine Schwangerschaft vorgetäuscht, was eine Unterdrückung des Eisprungs zur Folge hat. Dementsprechend fährt der Körper die eigene Hormonproduktion herunter. Aufgrund dieses Mechanismus hat vor allem Isabel Morelli gelitten, die, wie sie in einer Podcast-Folge von GENERATION PILLE humorvoll erzählt, nach dem Absetzen der Pille mit Anfang 20 den Hormonhaushalt einer alten Frau gehabt habe. Nach einem Jahr begann Sina einen Blog über ihre Erfahrungen zu schreiben, bis sie in einer Facebook-Gruppe auf Isabel stieß. Heute bieten die beiden Frauen mit GENE- RATION PILLE gemeinsam einen Blog mit Tipps und Tricks für eine hormonfreie Verhütung an und klären über die Nebenwirkungen der Pille auf. Sina betont explizit, dass beide generell nichts dagegen haben, wenn Frauen diese als Verhütungsmethode in Betracht ziehen und einnehmen. »Ich selbst hatte während der Einnahme der Pille nicht das Gefühl, besondere Nebenwirkungen zu spüren. Nur wurde mir nach dem Absetzen klar, dass die ziemlich gleichbleibende emotionale Gefühlslage während der Einnahme für meine Stimmung ohne hormonellen Einfluss nicht normal ist. Ohne Pille war ich auf einmal verschiedenen Gefühlsregungen ausgesetzt, die mich und mein Verhalten je nach Zyklusphase veränderten. Die Pille ist ein sicheres Verhütungsmittel, aber die Entscheidung für sie sollte mit Bedacht getroffen werden«, stellt Sina klar. Grundsätzlich findet sie, dass sich ganz eindeutig etwas im Umgang mit der Pille in unseren Arztpraxen ändern muss. Da die Pille auch häufig medizinisch verordnet würde, während sich eine Patientin noch in der Pubertät befindet, lerne diese ihren Körper erst in späteren Jahren ohne besagte Zusatzersatzhormone kennen. »Diese Entwicklung finde ich schwierig. Als junges Mädchen interessiert es dich oftmals nicht, was für Nebenwirkungen ein Medikament haben könnte. Du möchtest einfach schnelle Resultate haben: eine reine Haut oder eine einfache und praktische Verhütungsmethode«, gibt Sina zu bedenken. Daher mag auch der Name des Blogs und Podcasts GENERATION PILLE rühren, der auf eine gesellschaftliche Entwicklung verweist, die die Antibabypille als die einzig sinnvolle Verhütungsmethode anpreist. Außerdem, fügt sie hinzu, werde bei all den emanzipatorischen Errungenschaften für die Frau seit der Etablierung der Pille außer Acht gelassen, dass damit das Thema Verhütung trotzdem Frauensache bleibt. Sie wünscht sich eine beide Geschlechter gleichermaßen betreffende Aufklärung über Verhütung, die gerne bereits in der Schule beginnen kann, wo mehr als in einer Doppelstunde im Biounterricht über Verhütungsmethoden und deren Folgen geredet wird. Sina sieht daher ihren und Isabels Blog und Podcast GE- NERATION PILLE als ein Zusatzangebot für Frauen an, die sich durch die alleinige Beratung von Gynäkolog_innen unzureichend aufgeklärt fühlen. »In unserer Community fühlen sich die Frauen verstanden und merken, dass ihre Geschichten keine Einzelfälle sind. Ärztinnen und Ärzte haben oftmals gar nicht mehr die Zeit, sich lange und ausführlich mit einer einzelnen Patientin zu beschäftigen. Ich denke, dass wir mit unserem Blog eine ganz gute Lücke füllen«, sagt Sina. Dabei beschreibt sie sich selbst nicht als Pillengegnerin, sondern -kritikerin. Wissen Frauen, was die Pille genau in ihrem Körper auslöst? Wie schwer oder leicht ist es, an Informationen über das Thema zu gelangen? Was für Alternativen gibt es neben der Antibabypille? Das Internet und der leichte und schnelle Zugang zu Informationen sind dabei Fluch und Segen zugleich. Sina freut es natürlich, dass durch ihre Facebook-Gruppe oder ihren Blog Frauen schnell ins Gespräch kommen und sich durch den anonymen, schützenden Rahmen hinter dem Bildschirm trauen, Fragen zu stellen, die ihnen ansonsten unangenehm sein könnten. Erst dadurch ist es überhaupt möglich geworden, dass sie und Isabel sich inzwischen mit GENERATION PILLE selbstständig machen konnten. Das liegt vor allem auch an den angebotenen Coachings, bei denen Sina und Isabel jeweils im Einzelgespräch via Skype Frauen betreuen. Sina warnt jedoch auch vor Blogs, die den Anschein machen, als wären sie von unabhängigen Blogger_innen gestaltet worden, sich bei näherer Betrachtung aber herausstellt, dass die Seiten von Konzernen der Pharmaindustrie gesponsert werden. Bei all dem Für und Wider zum Thema Pille drängt sich nichtsdestotrotz die Frage auf, ob das Absetzen der Pille nicht auch zu unseren neuen gesellschaftlichen Anforderungen an das Individuum passt. Körperbewusst zu leben ist ›Trend‹: Auf sich selbst achten, gesunde Ernährung, strahlend und ausgeglichen in jeder Lebenslage sein. Die Natürlichkeit des Körpers, der entsprechend mit Sport und gesunder Ernährung gestählt werden soll, dürfe demnach nicht durch die Einnahme von Medikamenten gestört werden. Ist der diesem Trend folgende Widerstand gegen die Pille eine natürliche Entwicklung? Trotz dieser Vermutung scheint die Antibabypille Konsens für die Verhütung (junger) Deutscher zu sein. Diskutabel ist ebenfalls, inwiefern die Pharmaindustrie beim Diskurs über die Pille mitmischt, da diese an dem Medikament vermutlich mehr verdient, als an einer Handvoll Durex-Kondomen. Abschließend empfiehlt Sina Frauen, die unter den Nebenwirkungen der Pille leiden, Mut zu haben. Den Mut, beim Gynäkologen oder der Gynäkologin Fragen zu stellen. Auch die Muße zu haben, sich bei schlechter Beratung anderweitig Informationen einzuholen, Ärzt_innen zu wechseln, viel zu lesen, auch Fachliteratur, um den eigenen weiblichen Körper und Zyklus verstehen zu lernen – mit und ohne Pille. Das erfordert natürlich Zeit und Mühe. An dessen Ende steht jedoch zumindest das Gefühl, nicht blind einem Medikament vertrauen zu müssen, das man vielleicht in jungen Jahren noch recht unbedarft verschrieben bekommen haben wollte, weil nun mal alle Mädchen auf dem Schulhof die Pille nahmen. 28
1 3 LARISSA, 26 SUSANNE, 24 SARAH, 24 Notenwartin beim isländischen Symphonieorchester, hat mit 16 angefangen, die Pille für ihre erste Beziehung zu nehmen. Kondome findet sie bis heute nicht besonders angenehm, da sie diese einerseits als Lustkiller empfindet und sie aufgrund der Reibung bei ihr das Risiko einer Blasenentzündung erhöhen. An sich hatte sie nie das Gefühl, dass sich die Pille auf ihren Körper oder ihre Psyche negativ auswirkte. Die Gerüchte über etwaige Nebenwirkungen haben bei ihr dennoch ebenfalls die Frage aufgeworfen, ob ihre damaligen depressiven Verstimmungen nicht auch mit der Einnahme der Pille zusammenhängen könnten. Nach einigem Überlegen hat sie sich für eine Hormonspirale entschieden, die lokal eingesetzt mehrere Jahre vor einer Schwangerschaft schützt. Bisher hat sie das Gefühl, sie sehr gut zu vertragen. Da Larissa generell keine Kinder möchte, zieht sie auch eine Sterilisation in Betracht, was jedoch noch mit ihrem Partner ausverhandelt werden muss. Dramaturgieassisentin in Würzburg, beschreibt ihre Sorgen rund um das Thema Verhütung mit dem Ausdruck >hormoneller Wahnsinn
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