Internationale Gluck-Festspiele 2019 - Festspielmagazin
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DAS GEOPFERTE KIND<br />
Iphigenie ist eine Königstochter, stammt also aus höheren Kreisen<br />
und soll verheiratet werden. So glaubt sie und folgt dem Ruf<br />
ihres geliebten Vaters und obersten Heeresführers ins Lager der<br />
Kriegsflotte. Doch statt des Traualtars erblickt sie dort den Opferaltar<br />
und muss schmerzhaft erkennen, dass ihr eigener Vater sie<br />
in eine Falle gelockt hat: Sie selbst ist es, die geopfert werden soll,<br />
weil das Orakel es verlangt. Sonst gibt es keinen Wind, und die<br />
Flotte kann nicht in den Krieg gegen die Feinde segeln.<br />
Eine harte Geschichte, in der ein Kind für höhere, politische<br />
Zwecke geopfert werden soll. In unserer Werkstatt nehmen wir<br />
den Blickwinkel der Tochter ein. Den Handlungsstrang schneiden<br />
wir aus Euripides’ Iphigenie in Aulis heraus, der mit dieser<br />
Geschichte vor knapp 2500 Jahren einen Preis, eine Art Oscar<br />
für Stückeschreiber, gewonnen hat. Die schnellen Wendungen<br />
in der Originalgeschichte würden heutzutage gut für eine Soap<br />
oder eine Telenovela mit grotesk-komischen Zügen taugen. Und<br />
gleichzeitig verbergen sich spannende Fragen darin, die uns<br />
heute in ähnlicher Weise beschäftigen wie die Menschen damals:<br />
Fragen nach der Selbstbestimmung des eigenen Lebens, Fragen<br />
der Macht, Fragen der Sachzwänge und Fragen nach dem Verhältnis<br />
der Generationen. Denn Kinder werden auch heutzutage<br />
geopfert und für die Interessen der Erwachsenen missbraucht.<br />
Oder ihre Lebensgrundlage wird so sehr geschädigt, dass es einer<br />
Opferung gleichkommt.<br />
Was hat das mit Christoph Willibald <strong>Gluck</strong> zu tun? Nun, seine erste<br />
Oper in Paris war Iphigenie in Aulis (1774), die dort schon während<br />
der Proben für großes Diskussionen sorgte, weil es Herr <strong>Gluck</strong><br />
wagte, Gesang, Darstellung und Orchester mit seiner offenen,<br />
kritischen Meinung zu konfrontieren und damit anscheinend<br />
viele Eitelkeiten verletzte.<br />
GESUCHT: IPHIGENIE<br />
Werkstatt-Projekt der pfütze<br />
jungeMET im Rahmen der<br />
<strong>Internationale</strong>n <strong>Gluck</strong>-<strong>Festspiele</strong>.<br />
Für Jugendliche ab 12(+)<br />
und Erwachsene<br />
Solo für eine Schauspielerin<br />
mit dem Kammerensemble<br />
„ensemble fraktale“<br />
Mit: Elisa Merkens (Schauspiel),<br />
Miria Sailer (Geige),<br />
Marie Erndl (Blockflöte),<br />
Sophia Schulz (Violoncello),<br />
Christopher Kunz (Saxophon),<br />
Paul Bießmann (Electronics,<br />
Tropfenklavier), Dominik Vogl<br />
(Gitarre)<br />
Regie: Jürgen Decke<br />
Komposition und<br />
Arrangements: Dominik Vogl<br />
Bühne, Licht und Ausstattung:<br />
Andreas Wagner<br />
Ton: Florian Kenner<br />
Di, 2. Juli, 9.30, 11.30<br />
und 19.00 Uhr,<br />
Tafelhalle Nürnberg<br />
GLUCKWerkstatt, Theater<br />
„Als ich den<br />
Orpheus einmal in<br />
Salzburg gesehen<br />
habe, mein Vater war<br />
vorher verstorben,<br />
da dachte ich:<br />
Wenn das Elysium so<br />
klingt, habe ich keine<br />
Angst.“<br />
Robert Joseph Bartl<br />
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