immobilia 2019/04 - SVIT
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BUNDESGERICHT HÄLT AN BIS<br />
HERIGER PRAXIS FEST<br />
Namentlich aufgrund dieser Überlegungen,<br />
kommt das Bundesgericht vorliegend<br />
zum Schluss, es wolle an seiner bisherigen<br />
Praxis festhalten.<br />
Aus Vermietersicht und mit Blick auf<br />
das Gebot der Rechtssicherheit ist der vorliegende<br />
Entscheid zwar begrüssenswert.<br />
Das Bundesgericht hält nochmals klar fest,<br />
dass es nicht ohne Not von seiner langjährigen<br />
Praxis abweicht. Gleichzeitig führt<br />
diese Praxis dazu, dass gerade geschäftsunerfahrene<br />
Mieter (weiterhin) böse Überraschungen<br />
im Zusammenhang mit der<br />
Höhe der Nebenkosten erleben dürften,<br />
nämlich dann, wenn sie darauf vertrauen,<br />
dass die effektiven Nebenkosten die Akontozahlungen<br />
nicht wesentlich überschreiten<br />
werden. Gegen solche Überraschungen<br />
sind Mieter aufgrund der bundesgerichtlichen<br />
Praxis nicht geschützt. Im Zweifelsfall<br />
dürfte es für Mieter deshalb empfehlenswert<br />
(und in den meisten Fällen auch<br />
zumutbar) sein, sich bei den Vermietern<br />
vor Vertragsschluss nach der mutmasslichen<br />
Höhe der Nebenkosten bzw. nach<br />
Vergleichswerten zu erkundigen. Kaum<br />
ein vorsichtiger Vermieter wird indes bereit<br />
sein, einem Mieter genaue Zahlen zu<br />
nennen, bzw. entsprechende Zusicherungen<br />
abzugeben, nicht zuletzt weil die Höhe<br />
der effektiven Nebenkosten (auch) vom<br />
Verhalten der Mieter selber abhängt.<br />
BGER 4A_339/2018 VOM 29. JANUAR <strong>2019</strong><br />
BILD: 123RF.COM<br />
Zusammenfassend<br />
kam das Bundesgericht<br />
zum<br />
Schluss, dass der<br />
Abschluss eines<br />
Mietvertrags<br />
genüge, damit dieser<br />
auf den Erwerber<br />
eines Grundstücks<br />
übergehe.<br />
II. WANN GEHT EIN MIETVER<br />
HÄLTNIS AUF EINEN KÄUFER<br />
ÜBER?<br />
Im zweiten Zürcher Fall befasste sich<br />
das Bundesgericht mit dem Zeitpunkt der<br />
Übertragung eines Mietverhältnisses im<br />
Zuge eines Grundstückkaufs.<br />
Art. 261 Abs. 1 OR hält diesbezüglich fest:<br />
«Veräussert der Vermieter die Sache nach<br />
Abschluss des Mietvertrags […], so geht das<br />
Mietverhältnis zusammen mit dem Eigentum<br />
an der Mietsache auf den Erwerber<br />
über. Auf den ersten Blick ist der Gesetzeswortlaut<br />
einigermassen klar: Ein Mietvertrag<br />
geht auch dann automatisch auf einen<br />
Grundstückerwerber über, wenn der Mietantritt<br />
zum Zeitpunkt der Eigentumsübertragung<br />
noch nicht erfolgt ist. Gleichwohl<br />
machte die Beschwerdeführerin im vorliegenden<br />
Fall geltend, zusätzlich zu einem<br />
unterzeichneten Mietvertrag sei notwendig,<br />
dass die Mietsache an den Mieter übergeben<br />
worden sei, damit das Mietverhältnis<br />
im Zuge einer Handänderung auf den<br />
Grundstückerwerber übergehe.<br />
Das Bundesgericht stellte eingangs fest,<br />
es habe sich bisher noch nicht im Einzelnen<br />
mit dieser Frage auseinandergesetzt. Vielmehr<br />
habe es jeweils einzig den Gesetzeswortlaut<br />
widergeben, dem keine Anhaltspunkte<br />
zu entnehmen seien, wonach der<br />
Mietantritt gefordert wäre. In der Lehre<br />
sei nicht unbestritten, dass der Abschluss<br />
des Mietvertrags in zeitlicher Hinsicht für<br />
die Anwendbarkeit von Art. 261 Abs. 1 OR<br />
genüge. Ein Teil der Lehre vertrete die Ansicht,<br />
über den Wortlaut von Art. 261 Abs.<br />
1 OR hinaus sei die Übergabe der Sache an<br />
den Mieter gefordert.<br />
Das Bundesgericht legte im vorliegenden<br />
Fall die Norm namentlich anhand ihres<br />
Wortlauts, ihrer Entstehungsgeschichte<br />
und ihres Zwecks aus. Es erkannte dabei,<br />
weder der Wortlaut der Norm noch deren<br />
Entstehungsgeschichte liessen den Schluss<br />
zu, dass die Norm nebst dem Vertragsabschluss<br />
den Mietantritt voraussetze. Zum<br />
Zweck der Bestimmung hält das Bundesgericht<br />
zusammen mit der Vor instanz fest,<br />
der Gesetzgeber habe vor allem den Mieterschutz<br />
stärken wollen, indem er den Übergang<br />
eines Mietverhältnisses von Gesetzes<br />
wegen vorgesehen habe. Sinngemäss<br />
hält das höchste Gericht in diesem Zusammenhang<br />
fest, Mieter hätten nicht erst<br />
beim Mietantritt, sondern oftmals bereits<br />
im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ein<br />
entsprechendes Schutzbedürfnis. Dies sei<br />
nämlich beispielsweise dann der Fall, wenn<br />
sie einen bisherigen Mietvertrag gekündigt<br />
hätten und ohne ein Dach über dem Kopf<br />
dastehen könnten, wenn sie einen neuen<br />
Mietvertrag nicht antreten könnten.<br />
Zusammenfassend kam das Bundesgericht<br />
deshalb zum Schluss, dass der Abschluss<br />
eines Mietvertrags genüge, damit<br />
dieser auf den Erwerber eines Grundstücks<br />
übergehe; eine Übergabe der Mietsache<br />
an den Mieter sei demgegenüber<br />
nicht zwingend notwendig.<br />
BGER 4A_393/2018 VOM 20. FEBRUAR <strong>2019</strong><br />
<br />
*CHARLES GSCHWIND<br />
Der Autor ist Rechtsanwalt bei<br />
Bär & Karrer in Zürich und auf<br />
Immobilientransaktionen und<br />
Gesellschaftsrecht spezialisiert.<br />
IMMOBILIA / April <strong>2019</strong> 29